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Emil Alphons Rheinhardt

Jähes Mondlicht

Basalt-Türme und Nacht-Schroffen des Für-Immer und Unwiederbringlich
Löst das silberne Unendliche auf.
Harte Grenzen flimmern und der Rand des Ich ist ungewiß geworden
Und flackert in leichter Nachtzeit.
Die Hand des Forschenden greift mit aufblühenden Fingern
Viele Vielfalt ineinanderrieselnder Monde,
Kindliches Blut hebt sie hoch – und entsonnen
Reißt erste erfahrene Sommernacht auf im All der Nächte,
Die an der Brust des hingegangenen Kindes
Sanft schon hinter der Zeit schläft.
Bäume seufzen anmutig in der überirdischen Oper.
Geneigter Wind kühlt alte Sinne
Und eine Silberhand voll Abenteuer
Duftet Akazien in die Ferien der Ewigkeit.
Kindergott angstet ein wenig.
Gärten seufzen tiefer im kleinen Wölkchendunkeln
Und die verfinsterte Hand, begrenzt,
Schwärzt sich zu Gestalt wie Basalt.

Nachts aus dem Hause treten

Aus dem schwarzen Geviert, das abgestandene und überlebte Luft atmet,
Tritt der getriebene Mensch da in die Nacht ein, die unter den heiteren
Sternbildern der Urjahre zu gelten anhebt.
Aufraucht Rede in sie und Sonntagsgeruch und – plötzlich, plötzlich –
Ist ihr reines tiefes ungeheueres Abgewandtsein
Zwischen zweien Atemzügen zu völliger Stille geballt und geschieht dem da
Der schauert, tappt nach Bildern, würgt nach Namen,
Wittert der tödlich süßen Jungfrau nach und taumelnden Dichtern.
Du! sagte er – doch er meint nichts mehr.
Er ist in ihr, die eben noch in ihm die Namen brauchte,
Das überhimmelte Planetenherz saust zwischen zweien Schlägen,
ES von Orion und Aldebaran, von Gott und Sternbahn,
Das Ruhende, das tiefer ist denn die verblutete Lust,
Das rein aus Sein ist, ungerichtet Kraft.
Da atmet etwas.
Winde stürzen sich mit Stickigem aus den erwürgten Gärten.
Fenster gehn auf und speien alten Geruch wohnenden Hingangs.
Stundenschlag und Aufschrei gehn in dem schwarzen Geviert um.
Gasse schwankt auf und torkelt im Lichtwind.
Und der entstellte Mensch wagt hündisch den Blick schon
Nach seinem Schicksal und was sonst
Nottut, um dazusein.

Südlicher Frühlingsabend

Auftauchend aus schläfriger grüner Flut der Müdigkeit,
(Wo mein Leben wohnt), aufsteigend zu Atmen,
Stürzt sich mit starkem Geruche der Abend auf mich.
Ginster hat angefangen zu blühn und viele Bäume
Sind rot gesegnet indes. O und ich muß sie im Augenblicke
Vom ersten Knospen bis in die große Blüte empfangen.
Fenster sind aufgegangen, Zeit atmet schwer in den Zimmern.
Eine verblassende Hand tastet nach Regen aus
Und Rauch blaut also über den Dächern,
Daß eine unbekannte Heimat in mir schluchzt.
Fragende Frauen gehn durch meinen Atem,
Heftiger Gang versucht den Vergangenen
Und schauert einsam endlich im ginsterriechenden Grau.
Aufklagend geht mir ein Hund nach,
Und das sterbende Kind bei der kleinen Kerze
Besinnt sich mit meinen alten Augen des Seins.
Straße beginnt zu wandern und gleitet unter den Füßen,
Milde beteuernd hellere Wolken und selige Flüsse,
Wälder nach Regen und Gartenschicksal.
Und mein bereites Blut ist beredet und glaubt,
Staunt ihrem Gehen nach, benennt die Bäume mit Namen,
Atmet an rosigen Zweigen und hält einen scheuen Blick fest –
Und entgegnet im Finsteren dem Duft und den Gehenden
Auferstanden und in wartendem Schicksale.

Klage des Hundes wird still und verstößt mich.
Über dem toten Kinde liegt ein Tuch, die Kerze ist ausgebrannt.
Schwärzlicher Ginster und zackige Bäume sind da und einfach und greifbar.
Straße steht still. Heimat geistert in Namen auf.
Schläfrige grüne Flut sank in unendliche Nachtflut.
Gehender Mensch im Frühling unter wirklichen Wolken
Zittert und ist bei sich und klagt »Es ist gut ...«

Magie des Todes

Wenn die Blutuhr zwischen Traum und Nichtsein
Rast und dreizehn schlägt,
Zwischen Atemzug und Atemzug
Saust die Leere in der eingesponnenen Puppe.
Im Theater schweben über Sitzen
Weiß und rund umdunkelt gewesene Gesichter
Und bedeuten dich ... und sind nicht mehr.
In der morgigen Umarmung
Riecht dir gäh das wirre Haar fern und zart und alt.
Wind durch Ritzen deiner Wirklichkeit
Reißt das kaum gesagte Wort von einem Munde,
Daß es dir aus Sterbestunden schreit,
Dieses Jetzt-Wort in der warmen Stunde.
In dein Zimmer tritt ein Freund. Vor ihm
Geht der andere, der wirkliche, und gilt
Lauter als die Rede und die Nähe.
In geborgener Sehnsucht des Andante
Bricht die Pause auf und saugt dich ein.
Wenn du jetzt hinaustrittst in die Nacht,
Sagst du dir vergebens »Ich bin da, hier bin ich!«
Denn dann bist du Nacht und Stadt und Regen,
Bist nicht mehr, was gestern trennt von morgen,
Und in deinem Bette liegt ein Leichnam.

Zum Menschen

O Mensch, ich habe Sehnsucht nach dir!
Es ist keine Fröhlichkeit mehr im Leben.
Die Bäume sind ein totes Gerät,
Das niemand zu Träumen braucht.
Die Wolken vergehn oder regnen vielleicht;
Kein stilles Nachmittagsauge entzückt sich
An dem weißen und goldenen Wandel.
Die Gärten verwachsen weglos allein,
Atmen die Göttlichkeit in sich hinein
Und kein Atem wird rein von ihnen.
Du Seele, komm, gib den Straßen Kraft,
Daß sie wieder ans Weltende führen!
Daß die Erde auffliege aus Menschenzweck,
Sternerde ob Gehn und Geschehn!
Daß Schicksal wieder von großer Art
Und mit Stürmen und Gott verwandt sei!
O Mensch, ich bin arm vor Sehnsucht nach dir!


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