Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Oskar Loerke

Huldigung

Die Adler an den Simsen und die Hunde,
Die über Straßen schlafen wie an Krippen,
Sie schlürfen Lichtblut aus des Dunkels Wunde,
Auf nasses Laub gehauchte Mondeshippen.

Vor einem Café, das man längst geschlossen,
Von eines Segelschirmes weißem Pilze
Bedacht, sitzt Er, geranienglutumflossen,
Allein und spielt mit einem Gläserfilze.

Und spricht: »Mein Augenblick ist reich an Jahren,
So wie das Meer erst einsam wird, wenn wir
Es abendlich befahren.« –
Im Winde surrt vorbei ein Stück Papier:

Da tanzt der Spukgeist einer Riesenkröte,
Scharrt steißlings hoch, muß sich in Mondsucht drehen.
Doch Li-tai-pe der Große stützt die Flöte
Sich dolchgleich unters Kinn, um zuzusehen.

»Die Liebsten, Nächsten mir zur Wechselrede,
Sie siedeln jetzt auf Gipfeln und im Eise –«
Spricht der Unsterbliche.
Er rastet heut bei uns von langer Reise.

Nachtstück in Berlin

Kalt entzündet wandeln sich zu Lichte
Die steinernen Platten.
An das Unwägbare, Härtelose
Rührt lautlos mein Schreiten.

Und so träumt mein Fuß und schwebt, wie fahrend
Auf gläsernem Flügel
Eines ungeheuren Tieres, während
Die Nähe rings abstirbt.

Adern, lila eingezeichnet, trocknen
Wie Schatten von Zweigen
In dem Flügel, Pulse, deren Blutlauf
Verschallend noch anbraust.

Oder ist es Rauschen aus den Kronen
Noch rieselnder Bäume?
O, ich war ein Tönen selbst, und Tönen
Weiß nichts zu ertasten.

Und verstummend bin ich mit dem Flügel
Verspült in den Gletscher,
Der im Nachtschlund, unbesucht von Blicken,
Haltlos hinabhängt.

Wie in einem schwarzen Kruge Wassers
Kristallene Blasen,
Wirbeln, dicht vor Ferne, nüchtern regsam,
Die himmlischen Feuer.

Jemand hat den Krug hinausgestellt, ach,
So weit in die Irre.
Sehnsucht dringt in mir wie warme Rosen,
Ihn leis zu erschüttern.

Pompeji

Gräberstraße

Schon wird die Sonne so schwer
Und die Erde fast weiß.
Aber die Röte ist tief,
Ihre Farbe wie Geist.

Und so tritt ein Getön
Vor die Zypresse heraus:
Ähnlich, doch größer an Wuchs,
Steht es und wacht für den Baum.

Armer Wandrer, nun wurd'
Vorhof des Lebens dein Blut;
Anschaulich näher, scheint
Vorhof der Himmel auch nur.

Ewiger Mut reißt hinan,
Nieder zieht ewige Scheu:
Auf der Straße erglänzt
Heilsam ein Sturm, der nichts beugt.

Theater

»Bruder!« hauchen meine Lippen,
Und sie beben. Und die Hände
Rücken enger an den Körper;
Denn ich sah die Felsenstufe
Mir zu Seiten wie vom Schatten
Eines faltig blauumhüllten
Andachtsvollen eingenommen.
Und ein Frost schlug mir die Wange.
»Bruder!« sprach ich in das Leere.

›Fremdling!‹

»Fremdling! hallt es mir entgegen
Mit dem Ton der Meeresmuschel,
Doch ich höre viele Stimmen
Mit dem fühlend wachen Ohre.«

›Recht vernahmst du: viele Stimmen.‹

»Dieses wieder sprach der eine.«

›Gegenwärtig sind wir alle. –
Auf dem andern Bug des Golfes,
Eingeschnitten in die Meilen
Großer lichtgestillter Trauben
Liegt ein toter Feuerbrunnen,
(Kaum noch Bruder dieses hohen,
Der aus seinem Berge aufseufzt).
Selber sahst du seine Wandung,
Standest in dem runden Wulste.
Und wenn du nun sichren Fußes
Und auf Teppichen der Gnade
Eingingst in den stummen Rachen,
Der einst Städte hingedonnert;
Warst, wohin dir vor Jahrhundert
Gras und aufrecht sanfte Bäume,
Dunkle jetzt, vorausgeschritten:
Standen dennoch eure Sohlen,
Schwebten Fasern, hingen Wurzeln
Auf dem Feuer. Und es trug euch
Seine mondengoldne Schale.
Hast du ja ein kleines Strohbund
Angezündet und geleuchtet
Über Spalten, runden Löchern:
Dämpfe rauschten aus den Rissen,
Traten vor dich hin wie Säulen,
Überwuchsen dich wie Geister.
Dicke Lachen Schlammes kochten
Ungeduldig, platzten schwatzhaft.
Gläsern schien der trübe Boden,
Und die alten Bäume grauten
Dämmernd wie aus großer Zukunft.
Feuer sog empor das Feuer:
Der Vesuv, der große Ätna
Wissen es mit dunklen Häuptern
Und in Asien weiße Häupter.
Fern im Schneeland jede Kerze
Sagt es an mit ihrem Geiste
Dem Nadir der Antipoden.‹

»Warum aber schweigst du, Stimme?«

›Gegenwärtig sind wir alle.‹

»Nun schreckt mich der Chorklang wieder.«

›Warum schrecken? Wenn wir sprechen,
Sind wir ohne Unterscheidung,
Ohne Wuchs und ohne Alter,
Augen ohne Stern und Wasser
Wie die deinen dir, – Gesichter,
Wie das deine dir verborgen,
Stirnen, unsichtbar wie deine.
Willst du dich und uns begrenzen,
So wirst du auf leeren Steinen
In dem Runde des Theaters
Gras und Kraut nur regsam sehen,
Und in Spalten der Zerstörung
Rieselt das Jahrtausend weiter,
Und die Emse kreuzt geschäftig
Seine Schwermut ohne Schrecken.‹

Tempelabend

Ach, einmal kehrt der Gott auch in den Stein
Ergraut, aus dem der Fromme ihn gemeißelt,
Und einmal will der Block nur Asche sein,
Wenn ihn des Gottes Wetter viel gegeißelt.

Die Sonne tönt nicht
Und hängt, eine blanke
Zerbrochene Schelle,
Von Kindern besessen
Vor längst und vergessen.
Es ruht der Gedanke
Der hadernden Essen,
Die flammende Helle
Der stürzenden Laven,
Es ruht der Vulkan.
Doch das Schwert der Agaven
Steigt staubig zum Krater,
Es bricht sich die Bahn
Durch Heerschar der Sterne:
Zum dämmernden Hafen,
Zum schweigenden Vater.

Gegen Abend

Hohe pfingstliche Botschaft,
Schweigend vor großem Gebraus,
Ruft dich aus flammenden Steinen, –
Und du sprichst sie nicht aus.

Hob dich so brünstige Kühnheit,
Wenn du gefleht und begehrt,
Weil dich dein Trostgeist getröstet,
Nie ja würd es gewährt?

Manchmal bei rauchendem Dämmern
Hat es dir innen geglüht,
Aber der geißelnde Nachtwind
Rauschte dann immer verfrüht.

Deine Brüder betreiben,
Was sie gelernt und geübt, –
Ach du müßtest wohl weinen,
Aber du bist zu betrübt.


 << zurück weiter >>