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Stuart Sterne.

Kämpfe.

Die Fluth der Leidenschaft erbraust' und schäumte
      Empor zu meines Herzens Himmelsschooß,
Und spülte fort die feste Kraft des Willens,
      Den Felsen der Entsagung, hehr und groß.

Dann, wie so oft schon, strahlten stolz hernieder
      Die Sterne der Vernunft in kalter Pracht,
Und wie ihr Abbild in der Tiefe blinkten
      Des Schmerzes Phosphorfunken durch die Nacht.

 

*

 

Ruhm.

In der Wüste des Lebens schritt ich einher,
      Und fleht' in dem wilden Getriebe
Um ein Tröpflein Wassers für mein Herz,
      Ein Wort von ihm, den ich liebe.

Nur ein Tröpflein, Herr! von der Liebe Quell
      Ersehnt' ich im Sturme des Strebens –
Und du gabst mir die schimmernde Perle des Ruhms
      In der brennenden Wüste des Lebens!

 

*

 

In Banden.

Erlöse mich, Herr! aus der Liebe Bann,
      Deß Fesseln mich schmerzlich beengen;
Mit blutenden Händen verzweifelt mein Geist,
      Er versuchte umsonst, sie zu sprengen.

 

*

 

Verschenkt.

Das fahle Herbstlaub fällt herab;
Es raschelt hernieder auf mein Grab,
Und deckt den öden, kalten Staub.
Bald wird es dem wilden Wind zum Raub,
      Der Hinfahrt über den Rain.

Kein froh Erwachen ist mir bereit
In dem hehren Lande der Ewigkeit;
Denn ich gab meine Seele dem liebsten Mann
Und in dem Buche der Engel kann
      Sie nimmer zu finden sein.

 

*

 

Der Dichter.

Der Dichter wird im Purpur nicht geboren, –
      Nein, seine Wiege steht an niederm Ort.
Die Dornenkrone geht ihm nicht verloren,
      Ein Tropfen Herzbluts, ach, ist jedes Wort.

Und nicht der Freude Trank, – den Kelch der Schmerzen,
      Bitter wie Wermuth, reicht ihm dar die Welt.
»Laß ihn vorübergehn an meinem Herzen!«
      Umsonst sein Flehn von bleicher Lippe gellt.

Ein Heiland, will die Welt er, voll Erbarmen,
      Befrein von des Gemeinen Sünd' und Schmerz;
Erhabnen Augs, mit ausgestreckten Armen
      Schließt er die Menschheit an sein großes Herz.

 

*

 

An H. C. Andersen.

Ich weiß, dein Mund ist fest und stolz,
      Weil ihm der sanfte Ausdruck fehlt;
Dein traurig kaltes Auge hat
            Mir jüngst die Mär erzählt.

Nie sah es an mit Liebesgluth
      Ein Wesen, das du dein genannt;
Nie klang dein großer Name süß
            Von weicher Lippen Rand.

Kein Arm umschlang den Nacken dir,
      Kein Kindesgruß war dir bescheert;
Es pochte nie dein Herz vor Lust
            An deines Hauses Herd.

Dir war zu Muth dein Lebenlang
      Wie Jenen, die in fremdem Zelt
Verweilen schaurig fort und fort,
            Die Einsamen der Welt.

Was jeder Bettler sein genannt,
      War nimmer deines Lebens Zier –
Im Staub nur knieen Tausende
            Anbetend hin vor dir!

 

*

 

Gebet.

            Eins, Leben! sei von dir erfleht:
O, gieb mir Stolz, unbeugsam mich zu stählen,
      Daß sich der Welt nicht Lust noch Leid verräth –
Gieb mir die Kraft, mein Innres zu verhehlen!

            Laß zittern, zucken nicht die Hand,
Die wehvoll fest sich krampft auf wundem Herzen,
      Noch laß erbleichen je der Lippe Rand,
Die in der Brust erstickt den Schrei der Schmerzen!

            Gieb mir den Stolz, nach dem ich oft
In stillen Nächten rang mit eitlem Sehnen;
      Des Wehs Verachtung gieb, die ich erhofft, –
Die grause Macht, zu spotten meiner Thränen!

 

*

 

Ehrgeiz.

Träg schwimmt die Wasserlilie meiner Liebe
Auf meines Herzens stiller, dunkler Fluth,
Und reicht bis zu dem tiefsten Purpurgrund
Mit ihrer Wurzeln Faserwerk hinab.
Und all' die stolz ehrgeizigen Gedanken,
Die im verborgnen Herzensschooß erstehn
– Denn alles Große keimt aus ihm hervor, –
Verstricken in den feinen Fasern sich,
Als wär's ein Netz, das Nichts entschlüpfen läßt.
Und mühn sie, bleiche Geister, sich empor,
Die stille Fluth mit großen Ringen kräuselnd,
So scheucht mit ihrem starken, süßen Duft,
– So süß, daß sichrer Tod Ein Odemzug! –
Die Lilje sie ins Grab, und ewig dann
Verschwinden sie wie nichtig eitler Schaum.

 

*

 

Trübe Stunden.

Langsam schleichen, ach, langsam
      Die schwarzen Minuten herum,
Wie Mönche in Kutt' und Kapuze,
      Das Haupt gesenkt und stumm.

Traurig, ach, wie so traurig
      Ertönt ihr Grabgesang;
Die Perlenschnur der Sekunden
      Abzählend, ziehn sie entlang.

Lieblich ist, ach, so lieblich
      Die Schläfrin im Todtenschrein;
Wie lebend fast glüht ihr Antlitz
      Im rothen Fackelschein.

Stille, ach, wie so stille
      Schloß sie die Augen zu! –
Sie tragen die todte Hoffnung
      Zu ihrer ew'gen Ruh.

 

*

 

Träume.

Hehr sank die Sonne hinterm Berg hinab,
Langsam erblich ihr Gold am Himmelssaume.
Der Nachtwind rauschte in den mächt'gen Föhren,
Die schwarz aufragten in dem Dämmrungsgrau.
Fern schrie das Käuzlein in dem schattigen Wald,
Indeß im Farrenkraut die Grille sang.
Still lag des Seees dunkle Spiegelfluth,
Und süß erschauernd, wie ein Herz, das liebt,
Träumte das All den langen Lebenstraum
Von Dem, was morgen wird geschehn, und weiter
Jedweden Tag durch alle Ewigkeit. –
Wie Kinder saßen du und ich beisammen;
Die Hände faltend, huldigten wir stumm
Dem Gott des Schweigens, in der Stunde, die
Zu still für Leidenschaft und doch voll Liebe,
Gleich jenem purpurfarbigen Gewölk.
Es war ein Augenblick, wie selten er
Zu Theil den Menschen wird, wo wir vergessen
Den brausenden Strom der Zeit, der Sünd' und Weh,
Verbrechen, Vorurtheil hinunter trägt;
Wo Engel auf der goldnen Himmelsleiter
Herniedersteigen und das Aug' uns öffnen,
Bis wir der Erde reiche Schätze sehn,
Gold und Gestein im dunklen Bergesschacht,
Und jeder Knospe tief geheimes Leben;
Wo, halb voll Lust und halb voll Leid, wir hören,
Wie hin und her das Webeschifflein fliegt,
Das still in Eins der Menschen Loose webt, –
Ein bunter Faden jedes Lebensloos;
Und wo wir durchs Getös zukünft'ger Kriege
Vernehmen, wie ein fernes Meereslied,
Den hehren Siegessang der Ewigkeit. –
Dann fuhr der Nachtwind durch die Riesenbäume,
Und traurig hub der See zu klagen an:
»Du bist ein Sterblicher, und so zu träumen
Ist Tod; den Sterblichen ist selten nur
Und kurz ein solcher Augenblick vergönnt, –
Nur ihm, der, Einer unter Tausenden,
Der Gottheit einmal Aug' in Auge sah,
Und dem die Welt nun stets vollkommen scheint.«
            Die Fluth des Sees schoß wild auf mich herab,
Ich wachte auf – da waren's meine Thränen!

 

*

 

Keine Antwort.

Ich fragte die Sterne bei dunkler Nacht:
      »Wird es nimmer und nimmer geschehn?«
Doch die Sterne strahlten in kalter Pracht,
      Und blieben stumm meinem Flehn.

Ich fragte die Bäume im Waldesgrün:
      »Wird es nimmer und nimmer geschehn?«
Sie wiegten die Wipfel im Winde kühn,
      Und blieben stumm meinem Flehn.

Ich fragte den Strom, so herrlich und frei:
      »Wird es nimmer und nimmer geschehn?«
Doch endlos rollten die Wogen vorbei,
      Und blieben stumm meinem Flehn.

Ich fragte vergebens mein pochend Herz:
      »Wird es nimmer und nimmer geschehn?«
Es zuckte nur blutend in wildem Schmerz,
      Und verstummte vor meinem Flehn.

 

*

 

Melancholie.

      Ein ödes Sandgefild,
Der Himmel schwarz und wolkenschwer,
Versengtes Moos am Grunde nur,
      Und dürres Gras umher –

      Dies unsres Lebens Bild!
Von einem Tag zum andern Tag,
Von einer Nacht zur andern Nacht
      Verhallt der Stunden Schlag.

      Nie Blumen auf der Flur,
Nie unumwölkt der Sonne Pracht,
Nie saftig frisch und grün das Gras,
      Noch sternenhell die Nacht!

      Ein endlos Einerlei,
Nicht Lust noch Leid von früh bis spät!
Lang ist des Lebens Kelch geleert,
      Sein Wermuthsduft verweht.

 

*

 

An C. S.

Vorahnend seh' ich dein einsam Grab,
      Wo die dürren Halme stehn,
Wo die Winde seufzen bei Tag und Nacht,
      Und flüsternd kommen und gehn.

Selbst die Biene summt nicht so laut wie sonst,
      Und die Lerche singt leiser ihr Lied,
Und der Schmetterling regt die Flügel kaum,
      Wenn er träumend vorüberzieht.

Doch nie in der einsamen Jahre Flucht
      Wird grünen dort Gras und Kraut;
Denn es wird nicht von liebender Hand berührt,
      Noch von heißen Zähren bethaut.

Den Helden und Staatsmann senkt man hinab
      Im gemeinen Staubeskleid –
Und, o! um den einsamen Menschen klagt
      Mein Herz in bitterem Leid.

 

*

 

Mitternacht.

Das silberne Mondlicht blinkt ins Gemach,
      Und gleitet über den Flur,
Und langsam zieht über Deck' und Wand
      Seine stille, glänzende Spur.

Auf die alte Wanduhr fällt es herab,
      Die da tickt bei Nacht und bei Tag,
Und im Takte des Pendels pocht mein Herz
      Mit langsam traurigem Schlag.

Ich denke des nimmer gesprochnen Worts,
      Das auf der Lippe verdorrt,
Noch bittrer schier für der Sehnsucht Drang,
      Als das frevelnd gebrochene Wort.

Ich presse die Hand auf die weiße Stirn –
      Armes Herz, dir frommt kein Traum!
Schlaf ein, wie die stillen Wälder ruhn
      Im mondlichtflimmernden Raum!

Du wachst allein in der weiten Welt,
      Frieden ist rings in der Rund';
Die Wasserlilje träumt auf dem See,
      Und die Knospe tief auf dem Grund.

Doch ich höre Nichts als das Ticken der Uhr,
      Und ich denk' und träume nur Eins: –
      Es ist des geliebten Herzens Schlag,
Das erzittert und pocht wie meins.

Und lauter jetzt spricht der Wanduhr Mund,
      Mitternacht schallt durch den Raum,
Und zwölfmal sagt sie vernehmlich mir:
      Umsonst ist dein thörichter Traum!

 

*

 

Entsagung.

Glaub, Theurer! nicht, ich würde je begehren,
            Dein liebes Weib zu sein.
Doch woll' es meiner Seele fromm gewähren,
            Sich ewig dir zu weihn.

Wenn du ermattest auf des Lebens Wegen
            In schwülem Dunst und Rauch,
Dann will die Hand ich auf die Stirn dir legen.
            Leicht wie ein Zephyrhauch.

Und wenn du wachst in mitternächt'ger Stunde,
            Von Schweigen rings umwebt,
Und nur dein Herz in einsam öder Runde
            Von bittrer Qual erbebt:

Dann will ich wie ein Silbermondstrahl gleiten
            In dein Gemach hinein,
Geräuschlos durch die stille Kammer schreiten
            Und knien am Lager dein,

Und flüstern von dem Traum, dem hoffnungsvollen,
            Der nun so ewig fern,
Von ihr, die einst dich hätte lieben sollen
            Als deines Lebens Stern.

Und nimmer sollst die Thräne du erkunden,
            Die mir vom Auge bebt,
Weil zwischen dir und mir zu allen Stunden
            Ihr holder Schatten schwebt.

 

*

 

Macht.

      Es kam zu mir ein Geist um Mitternacht,
Bekleidend mich mit stolzem Hermeline,
      Dem Festgewande königlicher Pracht,
Und sprach zu mir mit ernst erhabner Miene:

»Zeuch, ein Erobrer, hin, daß allem Land
      Und aller Welt das Recht, die Freiheit werde!
Vereiniget in deiner einz'gen Hand
      Sei alle Macht des Himmels und der Erde!

»Der Völker Loos zu lenken, sei dein Ruhm,
      Dein sei das Wohl und Weh von Millionen,
Stürz in den Staub das frevle Königthum,
      Unrecht und Knechtschaft wirf von ihren Thronen!«

Doch ich, die Hände faltend auf der Brust,
      Stand zitternd da im Königshermeline,
Zu Füßen sank ich, meiner kaum bewußt,
      Dem Geist, und rief ihn an, mit flehnder Miene:

»Erbarme dich, o Geist! gieb mir die Macht,
      Die heut, wie gestern, Herrscher ist auf Erden,
Den einz'gen Ruhm, der Heil seit je gebracht:
      Die Macht, zu lieben und geliebt zu werden!«

 

*

 

Mädchenfragen.

Sie sprachen: »Kommt denn niemals unser Tag?«
Und falteten die jungen Hände stumm,
Halb in Entsagung, halb wie im Gebet.
Sie frugen also, wenn der Silbermond
Das zitternd schattendunkle Laub durchblinkte;
Sie frugen's, wenn der helle Morgenthau
Auf Gras und Blumen frisch und glänzend lag;
Sie frugen's, wenn der Abendsonne Gluth
Mit rothem Golde Erd' und Himmel färbte.
Doch nicht des Mondlichts Silber, noch der Thau
Gab ihnen Antwort, noch der Sonne Glühn. –
Und als die Jahre flohn, verstummt' ihr Fragen.
Und als die Jahre flohen, spendete
Ihnen kein liebes Auge jenen Blick,
Ach, jenen einen, dem kein andrer gleicht.
Und als die Jahre flohn, erheiterte
Kein Säuglingslallen süß ihr liebend Herz.
Doch eine Stimme klang in ihrer Brust,
Und sprach: »Was ist's denn, wenn ihr einsam bleibt?
Ihr träumtet Träume, edler als die Meisten,
Ihr strebtet Höhrem nach als Andere,
Ihr waret reinrer Liebe euch bewußt.
Und würd' auch euer Sehnen nie erfüllt,
Dies ist für euch der überreiche Lohn!«

 

*

 


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