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Thomas Bailey Aldrich.

Mirjams Weh.

Mirjam saß an des Pflanzers Thür,
      Ihr Kindlein auf dem Knie,
Indeß in Abenddunkel schlief
      Das Thal von Nacoochee.

Das Haupt gesenkt, mit trübem Blick,
      Von Sorg' erfüllt das Herz,
Saß wie ein Bild von Stein sie da,
      Erstarrt in ihrem Schmerz.

Von Reisfeld und Cypressensumpf,
      Lagun' und Stromesfluth
Schweift' ihre Seele hin zum Land,
      Das brennt in Mittagsgluth.

Auf ihrem Jugendliebsten lag
      Ihr Auge festgebannt,
Sie sah ihn traurig, matt und krank
      An jenem fernen Strand.

Sie sah ihn brechen Zuckerrohr
      Und Frucht vom Baumwollstrauch,
Den Eisenring um seine Hand,
      Das Herz in Fesseln auch.

Sie sah ihn, wenn sein Werk gethan,
      Heimgehn im Abendlicht,
Gedenkend ihrer, schmerzlich oft
      Verhüllend sein Gesicht.

Die liebe, alte Geige klang,
      Die Abends er vorm Jahr
Gespielt in ihrer Liebeszeit,
      Als süß das Leben war.

Da plötzlich aus dem nahen Baum
      Des Käuzleins Stimme schrie,
Und Mirjams Seele flog zurück
      Ins Thal von Nacoochee.

Und fester, fester drückte sie
      Ihr Kindlein an die Brust,
Das seine Händchen ausgestreckt
      Und lächelte voll Lust.

Doch ihr gehörte nicht ein Druck
      Der lieben, kleinen Hand –
O Gott, daß Solches darf geschehn
      In einem Christenland!

 

*

 

Verlobung.

Einen Ring von Golde
      Steckt' ich an die Hand
Meiner allerschönsten
      Dam' im ganzen Land.

Wenn die frühen Rosen
      Blühn im Sonnenglanz,
Will ich weiße pflücken,
      Ihrem Haar zum Kranz.

Eilt euch, sel'ge Rosen,
      Mailuft küss' euch wach –
Denn in euren Knospen
      Schläft mein Hochzeitstag!

 

*

 

Palabras carinosas

Gut' Nacht! Ich sage gute Nacht
So vielem Holden ja zumal!
Gut' Nacht der schneeig weißen Hand,
Beglänzt von goldner Ringe Strahl!
Gut' Nacht dem treuen Augenpaar,
Gut' Nacht dem braunen Lockenhaar,
Gut' Nacht dem schöngeformten Mund,
Dem so viel' süße Scherze kund –
      Die Hand läßt mich nicht los... Hab Acht
      Dann sag' ich nochmals Gute Nacht!

Doch eine Zeit wird kommen, Lieb,
Wenn in den Sternen recht ich sah,
Wo ich nicht zögernd mein Ade
Dir sag' am Thor. Gut' Nacht bis da!
Du wünschst, die Zeit wär' heut? Auch ich!
Der Wunsch macht nicht erröthen dich?
Vorm Jahr zu Tod dich hätt's erschreckt,
Wenn mir dein Herz so Viel entdeckt –
      Wie! beide Hände gar?... Hab Acht!
      Dann sag' ich nochmals Gute Nacht!

 

*

 

Lustig wie der Frühling.

      Lustig ist die Drossel,
Die hell ihr Liedchen singt,
Und lustig die Forelle auch,
Die hoch im Bache springt!
Und lustig ist der Schmetterling,
Der um die Blumen strich –
Und lustig, wie der Frühling,
      Lieb, sind du und ich!

      Stumm ist jetzt die Drossel,
Ihr Lied erstarb im Hain;
Die bunte Bachforelle springt
Nicht mehr im Sonnenschein.
O, trüb ist jetzt das Himmelszelt,
Und Blatt und Blum' erblich –
Doch lustig, wie der Frühling,
      Lieb, sind du und ich!

 

*

 

Die Glocken sollen klingen.

      Die Glocken sollen klingen,
            Marguerite;
      Die Vöglein sollen singen,
            Marguerite –
Du lächelst, doch du trägst, fürwahr,
Myrtenblüthen noch im Haar,
            Marguerite!

      Weh mir! die Glocken klangen,
            Marguerite;
      Und ach, die Vöglein sangen,
            Marguerite –
Doch von Cypressen flechten wir
Eine traur'ge Krone dir,
            Marguerite.

 

*

 

Nach einem Maskenballe.

(Aus einem unvollendeten Drama.)

Die Nacht durchtanzten wir, Mad'line.
Krank ist die Lust, sogar die Musik ward
Schläfrig wie eine müde Tänzerin!
Kein Dutzend Masken weilt im Saale mehr.
Den Bildern eines Zauberspiegels gleich,
Ist all der bunte Schimmer fortgehuscht:
Der schellenklingelnde Narr, der stolze König,
Der Grieche und der bärt'ge Mameluk,
Satyr und Todtenkopf, und all' die Schatten,
Die eines tollen Dichters Hirn erzeugt –
Und so leibhaftig doch, so schmerzlich wahr,
Solch bittre Aefferei! O Madeline,
Dies ist die Welt, die wirkliche, im Kleinen:
Wir Alle tragen ein erborgtes Kleid,
Wir All' sind Masken eines Karnevals!
Die Flitter und das Rauschgold unsres Lebens,
Der Seele Lied, des Zechers muntrer Scherz,
Sind lust'ge Lügen nur, die, was wir sind,
Nicht künden. Glaube mir, der Possenreißer
Ist nur ein melancholischer Wicht, sein Witz
Ist Honig nur in einem Todtenschädel;
Und ob er wie ein Regenbogen blitzt,
Durch alle Farben grinst doch das Skelett!
Der Weise ist ein Cyniker, der Pfaff
Ein Jünger Epikurs in einer Kutte;
Die Menschenlieb' ist schlauer Trug; der Sklav
Trägt Fesseln nicht, wie sie der Kaiser trägt.
Und so, mein Liebchen, spielt Hanswurst das Leben,
Hängt um den Purpurmantel, oder nimmt
Der Tugend Eisblick als Berechnung an.
Ein Lächeln ist die Maske, hinter der
Sich ein gebrochnes Herz verbirgt; nur Maske
Sind schöne Worte, und – (die ganze Welt
Zum Einsatz wider deines Rings Opal!) –
Nicht solche Maske giebt's wie Weiberthränen!

 

*

 

Ballade

Die Amsel singt in dem Haselstrauch,
      Eichkätzchen sitzt auf dem Baum;
Und Maud, sie wandelt im lustigen Wald,
      An des blitzenden Meeres Saum.

Die Amsel lügt, wenn sie singt von Lieb',
      Und Eichkätzchen ist ein Schalk;
Und Maud ist voll eitelen Flattersinns,
      Wie der schwirrende Wanderfalk!

O Amsel, stirb in dem Haselstrauch,
      Eichkätzchen, verhungre im Baum!
Und, Maud – du magst wandeln im lustigen Wald,
       Aus ist meiner Liebe Traum!

 

*

 

Das Rothkehlchen

Rothkehlchen, sing dein muntres Lied
Aus blühndem Kirschenbaum hervor;
Dein Schall, der schmetternd weithin zieht,
Berück' des Frühlings horchend Ohr!

Denn während du, von Lust entfacht,
Ein Dichter, müßig singst dem Glück,
Entflieht des Sommers kurze Pracht,
Und läßt dich arm und kalt zurück.

Nicht all des Herbstes flüchtig Gold,
Nicht Sonne, Mond, noch Sternenschein
Bringt je dir, wenn die Zeit entrollt.
Des Frühlings Liederwonnen ein. –

So sprach ein Dichter, der verträumt
Die edle Zeit, als jung er war,
Und nun am Winterstrande säumt,
Das Herz verwaist und liederbaar.

 

*

 


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