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John A. Dorgan.

Die Sphinx.

      O, wolle nicht nach Theben gehn!
      Dort wirst die schöne Sphinx du sehn:
Ihr Zauberlächeln wird bethören
Dich, ihre Räthsel anzuhören.

      Weh ihm, der nimmer sie erräth!
      Und weh ihm, der sich drauf versteht!
Denn wer den Spruch nicht recht gefunden,
Wird schrecklich ihren Grimm erkunden.

      Doch löstest du ihr Räthsel auf,
      So stünde doch der Tod zu Kauf;
Denn sie ereilet das Verderben,
Und du wirst, ihr nachseufzend, sterben.

 

*

 

Medusa.

Sag nicht, daß ich dir Herz und Sinn
      Bethört mit list'ger Schmeichelei!
Ist's meine Schuld, daß schön ich bin?
      Ist's deine Sünde, daß ich frei?

Ich wußte nicht, du könntest mich
      Nicht sehn, und leben – Wie ein Buch
Kann schließen unsre Freundschaft ich,
      Kann sie zertreten, leicht genug!

Ich thu' dir nicht mehr weh. Enteil'!
      Medusa, Aermster! war ich dir.
Mein sanftes Aug' traf dich als Pfeil;
      Doch fluche dem Geschick, nicht mir!

 

*

 

Verhängniß.

      Die Hand ist schwach zum Brechen,
Doch soll sie mein Gebot thun, eh sie bricht;
Die Lipp' ist dünn und bleich, doch säumt sie nicht,
      Das Losungswort zu sprechen.

      Dein Hohn sei dir vergeben,
Weil ich erkenne des Geschickes Macht;
Nicht sterben kann ich, eh mein Werk vollbracht,
      Und dann – möcht' ich nicht leben.

 

*

 

O, warum sahn wir uns?

O, warum sahn wir uns? Wir schaun uns an
Mit eitlem Wunsch, wir werden welk und bleich,
Denn Liebe läßt uns lieben nicht, noch scheiden.

Trüb sind die Tage, die uns einten; trüb
Des Lächelns Künstlichkeit, der Rede Zwang,
Ungleich dem Wort, das sich zur Lippe drängt.

Trüber die Nacht, wenn wir »Lebwohl« gesagt,
Trüber des Lagers Einsamkeit, der Traum
Versagten Glücks. O, warum sahn wir uns?

Warum? Wir sprechen's nimmer aus, was uns
Das Aug' mit Thränen füllt, das Herz mit Weh.
Warum doch sahn wir uns? O Gott! warum?

 

*

 

Die wilden Wogen.

(Vor Hamiltons Gemälde)

Endlos entlang dem Sande
Am traurig dürren Strande
Bricht sich der Wogen Streit;
      Verlachend, bittren Hohnes,
Die Hoffnung künft'gen Lohnes,
      Den Stolz vergangner Zeit.

O Herz voll reichen Lebens,
Du schmachtest auch vergebens,
      Wogend am öden Strand;
Gebrochner Flügel Schläge
Erschüttern dein Gehege,
      Und blutend kämpft die Hand.

Die Sonne ging zu Rüste,
Und auf die Wasserwüste
      Senkt Dunkel sich herab;
Die Wellen roth erglühen,
Gewitterwolken ziehen,
      Und drunten gähnt das Grab.

Das Meer wird, heut wie morgen,
Behalten seine Sorgen;
      Doch du, o Seele mein,
Mehr wölkt dein Tag sich immer –
Soll deiner Unrast nimmer
      Bereit ein Morgen sein?

Ich klag' nicht. Könnt' entretten
Der Geist sich nicht den Ketten,
      Dann seufzt' ich dumpf und schwer –
Sink denn, du Licht der Sonnen,
In ew'ger Tiefe Bronnen,
      Und lache, tolles Meer!

 

*

 

Mann und Weib.

Weil sie erseufzt bei ihrem Nein,
      Wußt' ich, sie selber war's nicht, ach!
      Die also harte Worte sprach;
Ich stöhnt': »Es hätte können sein!«

Dann über meines Herzens Schrei
      Strömt' ich mein leidenschaftlich Lied;
      Dem Alter flucht' ich, das uns schied,
Dem Alter pfäffischer Heuchelei.

Dem Schacher-Alter flucht' ich, drein
      Gebannt wir; meines Fluches Sturm
      Erschütterte Altar und Thurm,
Bis zu der Todtengruft Gebein.

Ich flucht' ihm, weil mein Herz zersprang,
      Weil mir durch seine Schuld verdorrt
      Mein Glück. Ich leb' allein jetzt fort,
Doch wurde Trost mir im Gesang. –

Sie aber stand hilflos, wie blind
      Und stumm; für sie gab's keine Flucht,
      Kein grollend Wort, der Schmerzen Wucht
Zu lindern, keinen Kühlungswind.

Sie konnt' ersticken nicht ihr Weh,
      Der Gluth durch andre Gluth entrafft;
      Ein Schatten ward sie, geisterhaft,
Der in dem Wald und an der See,

Wo einst mit ihm sie Hand in Hand
      Gewandelt, umirrt spät und früh;
      Und bis zum Tod vergißt sie nie
Der Liebe, die sie nicht gestand.

 

*

 

Gespenster.

      Das öde Meer wallt auf und ab,
Auf und ab an dem öden Strand.
      Es flimmert durch die neblige Luft
Das Licht von Sternen, lang ausgebrannt.

      Formlos und schwarz von den Bergen schaun
Tempelruin' und verfallene Burg;
      Gespenstige Stimmen flüstern und wehn
Aus gespenstigen Räumen die Nacht hindurch.

      Wie lang ist's, seit aus der Tempel Bau
Götter und Priester zugleich entflohn?
      Wie lang ist's, seit in den Burgen herrscht
Dies steingewordene Schweigen schon?

      Ich blicke hinauf durch die finstere Nacht;
Von meiner Seele der Schleier fällt,
      Und schauernd empfindet sie: wir sind
Schatten in einer Schattenwelt.

 

*

 

Sylvia.

Ich traf mein falsches Lieb heut auf der Gassen;
      Die Eitle, die Goldsäcken sich vermählt,
Und für ein Herz gern alle würd' verlassen –
            So ist ihr Loos erzählt.

Mit Spott zu höhnen sie, hatt' ich geschworen;
      Doch als ich sah, wie traurig niederwärts
Den Blick sie schlug, hinwandelnd traumverloren,
            Als wäre todt ihr Herz:

Da fielen all' die Worte bittrer Stunden,
      Die ausgedacht mein stolz empörter Sinn,
Den Schwertern gleich, die uns der Tod entwunden,
            Klirrend zur Erde hin.

Wir sahn uns an und gingen stumm von dannen;
      So starr verzweifelnd trug sie ihr Geschick,
Daß nicht mal Thränen ihrem Aug' entrannen
            Bei meinem Mitleidsblick.

 

*

 

Am Meere.

Ich steh' am sommerlichen Strand,
      Und blicke auf das Meer;
Es murmelt, wie von Ewigkeit,
      Sein alt Geheimniß her.

Es thut sein Zweifeln, Sehnen kund
      Den Menschen früh und spät;
Sie lachen, weinen all' mit ihm,
      Das Keiner doch versteht.

Unsterbliche Gedanken ruhn
      In seinem stillen Haus,
In unbekannten Zungen spricht
      Es Sterblichen sie aus,

In Melodieen, hehr und groß,
      Wie eines Dichters Lied,
Das flüsternd noch die Welt durchhallt,
      Wenn er schon lange schied.

 

*

 


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