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John James Piatt.

Fenster im Westen.

Röthend rings den Wald mit kahlen Aesten
      Und die Flur, gepeitscht von Regenfluth,
Stehn, bei Sonnenuntergang, im Westen
      All' die Scheiben jäh in Feuersgluth.

Ostwärts ferne seh' ich, wie im Dunkeln
      Heller Glanz durch manches Fenster bricht;
Näher auf den Dorfhausgiebeln funkeln
      Flamm' um Flamme, und zergehn im Licht.

Herrenhof und niedre Hütt' im Thale
      Saugen hier denselben Schimmer ein,
Angehaucht von heil'ger Schönheit Strahle
      Und verklärt im Abendpurpurschein.

Altbekannte Dinge drinnen gleichen
      Visionen, halb der Erd' entrückt;
In dem Licht aus Paradiesesreichen
      Wird das Herz von reinrer Gluth durchzückt.

Himmelszüge, frei der Erdenmängel,
      Trägt manch Antlitz, wie an Edens Thor;
Manche Mutter hebt, wie einen Engel,
      Der Madonna gleich, ihr Kind empor.

 

*

 

Frühlingsfeuer vor der Aussaat. In einigen Gegenden des Westens ist es gebräuchlich, die Getreidestoppeln in Haufen zu rechen und zu verbrennen, ehe man den Boden im Frühjahr für die neue Aussaat pflügt. Dies Verbrennen geschieht meistens beim Anbruch der Nacht; seine Wirkung auf die Landschaft sollte das Gedicht schildern.

      Wie hell liegt heute Nacht das Thal,
Wo golden jüngst die Ernte schwoll,
      Und bei des Herbstlichts kaltem Strahl
Der Drescherflegel Takt erscholl!

      Die Felder stehn in Feuersgluth,
Die wechselnd ringsum steigt und fällt;
      Des Dorfes Kirchthurm roth wie Blut
Ragt auf zum düstern Himmelszelt.

      Der Höfe Dächer heben sich
Aus schattigen Ulmen still empor;
      Die Fenster glühen seltsamlich
Aus kahlem Weingerank hervor.

      Am Hohlwegspfad, der schmal und klein
Sich einsam hin am Hügel zieht,
      Schläft rings das Vieh im Feuerschein,
Und singt der Bach sein Frühlingslied.

      Die Mühle birgt der Felsengrund;
Doch droben auf dem Felsen stehn
      Die Bäume Schildwacht in der Rund',
Und Flammenblüthen niederwehn.

      Fern sendet dort der Wasserfall
Lichtsprühnde Pfeile durch den Wald,
      Und braust mit seiner Wogen Schwall
Dann fort in finstern Höhlenspalt.

       Doch hier im weiten Thalgefild
Bewachen geisterhaft und bleich
      Die Gluth die Priester, jauchzend wild,
Pygmä'n mit Riesenschatten gleich!

Vom Zauberschlaf der Lenz erwacht,
      Der Erntehoffnung froh bewußt,
Und aus dem heil'gen Thau der Nacht
      Entkeimt des Morgens Werdelust.

Der Sämann ist's, der wohlgemuth
      Den Lenzaltären opfernd naht:
Was todt, verlodre in der Gluth –
      Der Erde streun wir junge Saat!

 

*

 

Land in Wolken.

Die Sonne sank; doch färbt sie droben noch
Mit purpurdunklem Schimmer das Gewölk,
Und wunderbare Luftgebilde webt
Die flücht'ge Stunde. Was den Zauberschatten
An Klarheit fehlt, ersetzt die Phantasie:
Ich seh' auf einer unbegrenzten Flur
Ein luftig Nebelmeer von Licht und Garben;
Gigant'sche Schnitter eilen hin und her
Auf einem neuen Erntefeld, und mahnen
Mich, wie im Traume, an mein großes Land,
Dem aus des Ostens dunklem Abendroth
Sein Morgenstern emporstieg, – an mein Land.
Das eine Nebelvision mich dünkt
Von einer unbegrenzten, weiten Flur,
(Gleich jener bleichen Wolkenphantasie,)
Mit schattenhaften Schnittern, hin und her
Enteilend durch ein künft'ges Erntefeld –
Ein luftig Nebelmeer von Licht und Garben!

 

*

 

Motten.

Des Morgens wall' ich froh im Sonnenscheine,
      Das Feeenland vor meinen Blicken lacht:
Die Falter werden, wie in Ostens Haine,
      Beschwingte Buhlen um der Rose Pracht.

Des Mittags träum' ich in dem Glanz der Wiesen,
      Es singt mein Herz von Sommerdüften viel:
Den Bienen winkt in Blüthenparadiesen
      Des Honigwanderflugs hesperisch Ziel.

Des Abends birgt beim Lampenflackerlichte
      Die Seele sich in düstrer Schatten Hut:
Gespenst'ge Motten, angelockt vom Lichte,
      Verbrennen ihre Flügel an der Gluth.

Ihr, meine Lieder, seid des Morgens Falter,
      Des Mittags Bienen, Abends Motten bloß:
Der Flamme Schein, ach, lockend flirrt und wallt er –
      Versengt zu Boden sinkt ihr flügellos!

 

*

 

Rose und Wurzel.

      Die Ros' in lichter Sonnenpracht,
Von Bien' und Falter hold umschwebt,
      Hat wenig nur der Wurzel Acht,
Die drunten mühsam schafft und webt.

      Ich rief der Blume fragend zu:
»Weßhalb, o Kön'gin, glanzerhellt,
      Lebst deine kurze Stunde du?«
Die Rose sprach: »Mich sieht die Welt.«

      Die Wurzel frug ich dann – »Mit Fleiß«,
Sprach sie, »wühl' ich im Dunkel hier,
      Begnügt mit meinem Loos: ich weiß,
Daß eine Rose über mir.«

 

*

 

Scheiden.

Wir drücken die Händ' uns, um bald uns zu trennen,
      Und Jahre die Spur unsrer Schritte verwehn.
Wir sehen uns wieder – kaum, daß wir noch kennen
      Die Geister der Lieben, so lang nicht gesehn!

Wir drücken die Händ' uns, um bald uns zu trennen.
      Wir schweifen umher nach dem flüchtigen Glück –
Ach, Stimme, Gesicht und Gestalt, die wir kennen,
      Sie bringt uns nicht Zeit und nicht Thräne zurück!

Wir drücken die Händ' uns; es fliegt, wie die Taube,
      Die Stimme der Liebe meerauf und meerab –
Ach, keine Hand erreicht uns im Staube,
      Und keine Stimme schallt nieder ins Grab!

 

*

 

Beim Erblicken einer Sonnenuhr auf einem Grabe.

Was mißt die Uhr den Lauf der sonnigen Zeit
      Mit Schatten hier, allwo
Doch von dem Sonnenschein der Ewigkeit
      Der Schatten, Zeit, entfloh?

 

*

 

Melancholie.

In jedem Lächeln seufzt geheimes Weh;
      Ein Sarg voll Staub und Aschen
Weist seinen Todten mir – es kann die See
      Nicht fort mein Elend waschen.

Ein Klagelaut schleicht in den Lenz sich ein,
      Daß Lieb' und Lust erkranken;
Wie hinter einer Bahre, ziehen drein
      Leidtragend die Gedanken.

 

*

 

Das erste Liebespfand.

Sie bricht vom Strauch eine Rose,
      Und küßt ihre Seel' ihm zu –
Fern über Traum und Raum und Zeit,
      In wechselloser Ruh.

Er entreißt ein Lied seinem Herzen;
      Voll blumenduftiger Zier,
Fern über Traum und Raum und Zeit
      Entfliegt es fern zu ihr.

So grüßen sie allewig
      Sich durch den Weltenraum –
Doch er ist nur ein Traum für sie,
      Und sie ein Dichtertraum.

 

*

 

Der Liebesbrief.

Willkommen, Liebesbriefchen!
      Ich küsse dich zum Gruß,
Und träume, ihre Lippen
      Erwiedern meinen Kuß!

Ein duftig Rosenblättchen
      Schickt mir ihr treu Gemüth
Sie nahm es von der Rose,
      Die ihr im Herzen blüht!

 

*

 

Rosa's Grab.

      Ich kam, sie frisch und froh zu sehn
Im Haus, dem Licht und Lust sie gab;
      Ich kam, nach ihrem Glück zu spähn
            Und fand sie, ach, im Grab!

      Ich kam, als Kränzewinderin,
Umwallt von duft'ger Blumenzier,
      Zu grüßen sie mit heitrem Sinn –
            Nur Eine Blum' ist hier!

      Denn nur die Blume, schön und mild,
Die ihr den holden Namen gab,
      – Die Rose, ihres Lebens Bild, –
            Erblüht auf ihrem Grab.

 

*

 

Frage und Antwort.

      »Was soll ich singen?« frug ich zag,
»Daß, wenn auf lieben Lippen schon
      Mein Name starb, mich ehren mag
Die Welt mit stolzem Dichterlohn?«

      Und sieh, ein Veilchen haucht' im Thau
Mir seine würz'gen Düfte zu;
      Und droben schien vom Aetherblau
Ein Stern herab in sanfter Ruh.

      »Sing, Freund, von mir«, das Veilchen sprach,
»Daß Liebesduft dein Grab umwacht;«
»Sing, Freund, von mir«, so hallte nach
      Der Stern, »daß, wenn dein Auge brach,
Mein Licht dir droben hellt die Nacht.«

.

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