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Bayard Taylor.

Aus den »Liedern des Orients«.

Kamadewa. Kamas oder Kamadewa, der Liebesgott der Inder.

Der Mond, die Sonne, all' die heil'gen Sterne,
      Wie nie zuvor, erglänzten wundersam,
Und Freude jauchzte rings in Näh' und Ferne,
      Als Kamadewa kam.

Die Blüthen funkelten, der Luft Geschmeide,
      Vor dem das Morgenroth erblich in Scham,
Duftvoll erschloß sich jede Blumenscheide,
      Als Kamadewa kam.

Die Vöglein in dem Laub der Tamarinde
      Begrüßten liebegirrend sich, und zahm
Aus seinen Pranken ließ der Leu die Hinde,
      Als Kamadewa kam.

Das Meer schlief ruhig am beglückten Strande;
      Die Bergeszinken glänzten zaubersam;
Die Wolken flohn hinweg vom Himmelsrande,
      Als Kamadewa kam.

Die Herzen Aller bebten traumverloren.
      Den höchsten Flug des Dichters Harfe nahm;
Denn niegeahnt Entzücken war geboren,
      Als Kamadewa kam.

Ein neues Leben schien emporzusteigen
      In jeder Brust, ein Segen wonnesam;
Den Tod sogar sah man die Lanze neigen,
      Als Kamadewa kam.

 

*

 

Nubien.

Ein Land des Traums und Schlafs – ein mohnig Land!
Von endlos ruh'gem Himmel überdacht;
Des Sommernachmittages träge Pracht
Auf seinen Hügeln; – Schweigen ausgespannt
Auf seiner Wüste tempelhüllndem Sand.
Vor seiner Schwelle stehn, achtlos der Zeit,
Den Mund geschlossen, ew'gem Ernst geweiht,
Die Steinkolosse stumm am alten Stand.
O, stör nicht seinen Frieden ohne Noth;
Achtung dem Traum, der neu sein Throngezelt
Ihm baut und ihm Vergessen flüstert zu!
Still! denn es schlummert nur; es ist nicht todt.
Arbeit und That eroberten die Welt,
Doch hier erschuf sich den Altar die Ruh.

 

*

 

Die Weisheit Ali's.

Arabische Legende.

Einst sprach belehrend der Prophet die Worte:
»Ich bin der Weisheit Veste; deren Pforte
Jedoch ist Ali.« – Ein'ge, die's vernommen,
Ist eifersücht'ger Zweifel überkommen,
Und, um des Spruches Wahrheit zu ergründen,
Sah ihrer Zehn man sich zum Rath verbünden.
Sie sprachen: »Laßt uns, Einer nach dem Andern,
In Ali's Zelt mit dieser Frage wandern:
Soll Weisheit man statt ird'schen Guts erstreben?
Wird er dann Jedem gleiche Antwort geben,
Jedoch in Form und Fassung stets verschieden,
Sei ihm die Ehre, uns die Schmach beschieden.«

      Als kühn der Erste seine Frage stellte.
Scholl diese Antwort rasch aus Ali's Zelte:
      »Die Weisheit ist der Gotteskinder Erbe;
Reichthum schickt Gott dem Feind, daß er verderbe.«

      Zum Zweiten sprach er: »Was den Hüter machen
Von deinem Gut? laß Weisheit dich bewachen!«

      Zum Dritten: »Weisheit mag dir Reichthum bringen,
Doch Weisheit wirst du nie durch Geld erringen.«

      Zum Vierten: »Schätze kann der Dieb entführen,
Kein Dietrich je erbricht der Weisheit Thüren.«

      Zum Fünften: »Durch Verschenken wirst du leeren
Den Säckel, – durch Gebrauch die Weisheit mehren.«

      Zum Sechsten: »Irdisch Gut verlockt zur Sünde;
Die Weisheit strebt, daß Gottes Ruhm sie künde.«

      Zum Siebenten: »Vertheil dein Gut – ein Heller
Wird jeder Theil; gieb aus der Weisheit Keller
Die Schätze sorglos hin, und laß dich lehren:
Reich werden Alle sein, du Nichts entbehren.«

      Zum Achten: »Reichthum kann sich selbst nicht schützen;
Doch Weisheit wird sogar den Mammon stützen.«

      Zum Neunten: »Langsam die Kameele bringen
Dein Gut; doch Weisheit hat der Schwalbe Schwingen.«

      Und als zuletzt der Zehnte ihn befragte,
War Dies das schnelle Wort, das Ali sagte:
      »Reichthum ist Dunkel, drin der Seele grauet,
Weisheit das Licht, bei dem sie's hell durchschauet.«

       Die Frager gingen schamroth fort zur Stunde,
Und sprachen: »Wahr ist des Propheten Kunde;
Der Mund des Ali ist die goldne Pforte
Der Weisheit.«

                  Als man Ali diese Worte
Erzählte, lächelt' er: »Und wenn sie fragen
Dasselbe bis an meinen Tod, zu sagen
Ist leicht die Antwort; denn der Weisheit Quelle,
Die Gott verlieh, strömt unversieglich helle.«

 

*

 

Lied des Beduinen.

Aus der Wüste komm' ich zu dir
Auf flammenhufigem Roß;
Es überholte den Wind
Die Sehnsucht, mein heißer Genoß.
Ich steh' unterm Fenster dein,
Und die Mitternacht hört mein Flehn:
Ich lieb' dich, ich liebe nur dich,
Und nicht soll meine Liebe vergehn,
            Bis die Sonne kalt,
            Und die Sterne alt,
Und das Horn des Gerichtes die Welt durchhallt!

Blick aus dem Fenster und sieh,
Wie mich Fieber und Schmerz durchlohn;
Ich liege hier auf dem Sand,
Ich ertrage nicht deinen Hohn!
Es fächle der Wind deine Stirn
Mit der Gluth, die mich durchweht,
Daß dein Herz vernehme den Schwur
Einer Liebe, die nicht vergeht,
            Bis die Sonne kalt,
            Und die Sterne alt,
Und das Horn des Gerichtes die Welt durchhallt!

Allnächtlich treibt's mich hieher
Mit stürmisch pochender Brust,
Zu hören von dir das Wort,
Das Frieden mir schenkt und Lust.
Oeffne des Herzens Thür
Und die Kammerthür in Hast,
Daß mein Kuß deine Lippen lehr'
Eine Liebe, die nicht erblaßt,
            Bis die Sonne kalt,
            Und die Sterne alt,
Und das Horn des Gerichtes die Welt durchhallt!

 

*

 

Amrams Freite.

1.

Du fragst, o Franke, wie der Brand
Der Lieb' erglüht in Ostens Land,
Wo neidisch sich der Reiz versteckt,
Der frei im West die Liebe weckt,
Und wie, von keinem Wort geleitet,
Ihr Strahl von Herz zu Herzen gleitet,
Da einzig auf des Auges Gluth
Der stummen Zunge Pflicht beruht.
Du horchst ungläub'gen Angesichts,
Wenn in dem Schein des Abendlichts
Wandernde Barden Lieder singen,
Die schmelzend dir zu Herzen dringen, –
Der Liebe süßes Bangen,
Ein halbverhüllt Verlangen,
Darin die Leidenschaft vertraut
Dem Gram ins bleiche Antlitz schaut,
Daß heimlich Zagen, stürmisch Sehnen
Das Herz erregt zu Gluth und Thränen. –
Die Quelle, draus die Lieder rinnen,
Liegt tiefer, als des Dichters Sinnen!
Des Volkes Herzen erst entspringt
Die Leidenschaft, die er besingt;
Sie ist der Wind – als Harfe tönen
Läßt er in Weisen sie, in schönen;
Leiht Ausdruck ihrem Wechseltriebe
Von Stolz und Trauer, Haß und Liebe;
Als Talisman schließt er den Stein,
Des Horchenden Gedanken, ein;
Sein Blick durch jede Hülle schaut.
Und jed' Geheimniß wird ihm laut.
Wie ungesehn mit Schweigen
Ein Fink sich birgt in Zweigen,
Bis eines andern Finken Schall
Ihm süß entlockt den Wiederhall:
So durch der Lieder Echomund
Giebt hier das heiße Herz sich kund.
Es gilt als Herrscher und Prophet
Im Wüstensande der Poet;
Ein Zaubrer, beut er allerwärts
Das Wort für Aller Lust und Schmerz.

2

Nicht rühme mir des Westens Maid,
Die jedem Blick ihr Antlitz weiht –
Selbstsüchtig ist mein Lieben,
Es wäre gern geblieben
Im Schatten stets, und theilte nicht
Einmal mit Luft und Sonnenlicht
Der Schönheit Glanz, der mir allein
Geflammt mit seinem Zauberschein.
Die Liebe sucht Verborgenheit;
Ihr höchster Reiz ist Lieblichkeit,
Die züchtig sich mit Schleiern deckt,
Wie hinter Wolken sich versteckt
Der Mond, und dann sein bleiches Licht
Noch sanfter durch die Nebel bricht.
Und wie der Stern am hellsten sprüht,
Wenn einsam er am Himmel glüht:
So glänzt der Liebe Sternenschein,
Das Aug', am herrlichsten allein.
Das Licht ist, das im Dunkel brennt,
Der Liebe Lebenselement;
Und ist das Herz nur warm und jung,
Wird eines Strahls Beseligung
Sein tiefstes Glühn mit süßem Schrecken
Aus harmlos stillem Traum erwecken,
Wie fluthend sich das Meer erhebt,
Wenn Feuer seinen Schlund durchbebt.
Wer fragt, ob Wang', ob Lippe schön,
Ob süßes Wort dem Mund enttön'?
Ist aller Schönheit Mittelpunkt
Nicht, wo der Seele Bildniß prunkt,
Wo Herz am Herzen sich entzündet,
Und Lieb' der Liebe Antwort kündet?
Schau in die Sonne hin, und blind
Für Andres deine Augen sind.
Schau (wenn dein kälter Blut dir Kraft
Zum Wagniß giebt der Leidenschaft)
In dunkler Augen gluthvoll Lodern –
Was mehr kann blinde Liebe fodern?

3.

Ich war ein Bursch mit keckem Muth,
Und reich an Stolz, wie arm an Gut,
Als Allah mich – er sei gepriesen! –
In Scheikh Abdallahs Zelt gewiesen.
Mein einzig Kleinod war ein Roß,
Ein hehr arab'scher Wüstensproß;
Und, – war es nun ein stolz Gelüsten,
Mich seiner Glieder Kraft zu brüsten,
War es die Kühnheit, die der Jugend
Mit Recht man rühmen mag als Tugend,
Die, wie ein Vogel, freibewegt
Allüberall die Schwingen regt –
Gleichviel! ich ritt, der Sorgen baar,
Vertrauend durch der Zelte Schaar,
Bis an Abdallahs Thür ich kam,
Das Gastrecht dort in Anspruch nahm.
Mein grüßend: »Friede mit dir!« ward
Erwidert höflich ernster Art,
Willkommen hieß im Lagerkreis
In Allahs Namen mich der Greis.
Die Pfeife mit dem wunderbar
Geschnitzten Bernsteinkopfe war
In meinem Munde, und ich stieß
Hervor der blauen Wölkchen Fließ,
Die flockig ich sich ringeln ließ,
Ehrfürchtig harrend seiner Worte;
Da plötzlich durch die Teppichpforte
Glitt eines Weibes Huldgestalt,
Von rauschendem Gewand umwallt –
Zuerst der Liebe Gluth durchrann
Mein Herz – der Knabe ward ein Mann!
Sie trat, des Vaters Dienerin,
Mit scheuer Anmuth vor mich hin,
Und bot, beglüht vom Abendstrahle,
Mir knieend eine Silberschale,
Draus sich erhob ein Duftgemisch
Von Perserrosen, zauberfrisch,
Und Jemens sonngebräunter Bohne.
O, mir im Herzen ewig throne
Dies süße Bild, das fieberhaft
Mein Herz entflammt in Leidenschaft!
Stets schau' ich ihre süße Zier,
Wie dort, als sie gekniet vor mir: –
Den rothbeschuhten Fuß; den Arm,
Durchschimmernd zierlich, rund und warm;
Das Händchen, dessen zarte Haut
Noch durch das Hennagelb geschaut;
Das Haupt, zur Schale halb gesenkt,
Verhüllt vom Schleier, der geschenkt
Noch höhern Reiz Dem, was er deckte,
Und draus hervor das süß erschreckte,
Wild große, hold geschlitzte
Gazellenauge blitzte,
Das unter meines eignen Gluth
Gebebt in scheuem Zagemuth,
Und doch nicht wenden, enden konnte,
Den Strahl, in dem mein Aug' sich sonnte
Der, halb in Freude, halb in Leid,
Die Brücke wurde, lichtgefeit,
Von Herz zu Herz für alle Zeit.

4.

Verwirrt von meines Auges Strahle,
Erbebte die geleerte Schale
In ihrer Hand, als plötzlich dann
Sie, wie aus einem Zauberbann
Emporgeschreckt zum Alltagsamt,
Aufstand und ging. Der Teppichsammt
Schloß wieder sich – das Licht war fort,
Doch hell mein Herz am dunklen Ort.
Ich sprach dem würd'gen Scheikh befangen
Mein Danken aus, und gab den langen
Bericht dazu, den er, mein Wirth,
Nicht fodern durfte: wie, verirrt
Ich auf der Wüstenjagd inmitten
Der Lagerzelte Kreis geritten,
Und mir arab'sche Ehr' zu weilen
Gebot, sein Brot und Salz zu theilen.
Der Achtung dann vor seinem Namen
Gedacht' ich – schnell und schmeichelnd kamen
Die Worte; gern der Alte lieh
Sein Ohr der Lobesmelodie,
Bis ich durch manchen Winkelzug
Zurück in alte Zeit ihn trug
Und meine Liebe, sanft gebettet,
In seines Stolzes Schirm gerettet.
Als er sein: »Geh mit Gott!« gesagt,
Schwang ich mich auf mein Roß, und jagt'
Hinaus weit in den Wüstensand,
Wo bleich der Mond am Himmel stand;
Und, wild von Leidenschaft erfaßt,
Spornt' ich mein Thier zu toller Hast,
Wie wenn Afrits, Dämonen der Wüste; fast gleichbedeutend mit Dschins, nur daß die Dschins nicht immer böse Geister sind. der Menschen Grauen –
(Die nach den Karawanen schauen,
Und, wenn ein Pilger sich verirrt,
Die Spur verwischen krausverwirrt,
Spottrufe durch die Luft entsenden,
Sein Aug' mit Truggebilden blenden,
Daß er verzweifelnd muß verenden,) –
Mit ihrem Gifthauch mich verletzt
Und mich zur Todesjagd gehetzt.

 

*

 

5.

Doch mehr war solch ein Wahnsinn werth,
Als alle Weisheit dieser Erd',
Und hauchte süßre Lust mir zu,
Als meines Herzens alte Ruh.
Das Bildniß jenes Mädchens lachte
Durch Alles, was ich schaut' und dachte,
Bis sie, wie Licht und Luft, ein Theil
Des Lebens ward. Mein Glück und Heil,
So schwor ich, werde auch das ihre;
Wo nicht, so fall' ich und verliere
Im Kampf um sie das eigne Leben,
Dem Werth nur ihr Besitz kann geben.
Ich war, vom Vater ihre Hand
Mir zu erkaufen, nicht im Stand,
Und wußte wohl, wie rasch mein Werben
Vor seinem Stolze würd' ersterben;
Doch eher wird die Welt zersplittern,
Als wahrer Liebe Kraft erzittern.
All' meine Adern brannten,
All' meine Nerven spannten
Dem Ziel sich zu, erwartungsvoll,
Von kühner That mein Herz erschwoll.
Mit scharfem Blick, dem Falken gleich,
Der Beute sucht im Luftbereich,
Schlich ich mich Abends unerkannt
Zum Brunnen hin, auf dessen Rand
Die Mädchen ihre Krüge hoben.
Verdeckt durch einen Hügel oben,
Sah ich sie kommen, sah sie gehn,
Mit wilder Unruh, gier'gem Spähn,
Das Aug' von Sehnsuchtsflammen heiß,
Wie Eine nach der Andern leis
Im Abendbrand den rothen Sand
Durchschritt, ein Schatten, und verschwand,
Bis endlich sie mein Blick erkannt!

6.

Dann, wie die Freundin ihr geschickt
Das Krüglein mit dem Seil umstrickt
Und langsam es mit sichrer Hand
Hinunterwand, schoß auf den Sand
Ich zu der Heißgeliebten Füßen
Den schlanken Pfeil, umrankt mit süßen,
Würzhauchigen Blüthen des Jasmin
Und Rosen, deren Düfte ziehn
Im Abendwind zum First hinan
Der weißen Kjosks von Ispahan.
Entflammt von Lieb', und hoffnungsbang,
Hielt stumm ich auf dem Hügelhang
El-Azreks Hufen an, zu schauen
Ihr Aug' erglühn in süßem Grauen, –
Zu sehn, wie sie die Gab' erfaßt
Jählings mit ahnungsvoller Hast,
Und, eh sie heimwärts schritt, in Eil'
Ans Herz gedrückt den blumigen Pfeil.

7.

Und wieder saß zur Abendstunde
Ich bei dem Scheikh, die Pfeif' im Munde,
Und Marjam, schöner als zuvor,
Trat mit dem würz'gen Trunk hervor.
O Lust, aus diesen dunklen Augen
Der Liebe Flammenblick zu saugen,
Den Quell der Leidenschaft, der Tugend
Und Wahrheit ist dem Sinn der Jugend, –
Deß reiche Fluth der Seel' entweht
Wie Andachtsfeier und Gebet,
Und dessen Gluth die Herzen zahlen
Mit Himmelslust, mit Höllenqualen.
Kund gab, indeß, den sie bescheerte,
Den braunen Saft der Schal' ich leerte,
Die Maid ihr süß Geständniß mir
Durch einer Rosenknospe Zier.
Ein froh verständnißvoller Blick,
Und schweigend huschte sie zurück.
»O Scheikh!« so rief ich, als sie fort,
(Wenn wahr das Herz, ist kurz das Wort,)
»Du hast ein Kind – laß werden mich
Ein Schild für sie, ein Schwert für dich!«
Abdallah wandte fest den Blick
Ins Antlitz mir, und gab zurück:
»Es kann nicht sein. Der Schatz, gesendet
Von Gott, sei thöricht nicht verschwendet.
Manch starker Mann, im Dienst bewährt,
Ist da, der sie zum Weib begehrt;
Und sollt' ich ihren Werth mißschätzen,
Der Jugend flücht'ge Gluth zu letzen?«

8.

»Nicht flücht'ge Gluth!« so sprach ich mild,
»Nein, Liebe, die das Herz erfüllt
Des Manns und sein Geschick ihm schreibt,
Daß ohne sie nur Tod ihm bleibt.
O Scheikh! ich hoffte nicht Gewährung;
Doch da du gastlich Gruß und Zehrung
Im Zelt mir botest freundgesinnt,
Künd' ich dir an: ich frei' dein Kind,
Ob sie so viel' Bewerber finde,
Wie Blätter trägt die Tamarinde.
Bewach und hüte sie, doch höre:
Kein ander Bett, als meins, – ich schwöre! –
Soll ihre Jungfraunehre tragen,
Und stolz durch mich dein Stammbaum ragen.
Ich warnte dich, mehr war nicht Pflicht;
Schaust du mich wieder je, so spricht
Das Lallen ihres Kindes hier
Als Mittler zwischen dir und mir.«
Wohl schoß zur Wang' mein kindisch Blut,
Doch sprach ich fest, voll ernstem Muth.
Der Scheikh entgegnet' würdevoll
Dem Wort, das meiner Brust entschwoll:
»Schön hofft sich's in der Jugend Tagen;
Des Jünglings Blut will Alles wagen.
Allein des Alters Weisheit stellt
Der Jugend Netze wohl, und fällt
Zu Boden sie. Dein Wort ist brav,
Doch nutzlos. Seines Kindes Schlaf
Weiß noch des Vaters Eifersucht
Vor kecker Räuberhand und Flucht
Zu hüten, bis die theure Frucht
Er würd'gen Händen mag bescheeren.
Zeuch denn in Frieden, nie zu kehren!«

9.

Mein einzig Goldstück reichte hin,
Durch eine schlaue Dienerin
An Marjam meinen Gruß zu bringen.
Die Feder aus der Taube Schwingen,
Ein Büschel rabenschwarzes Haar,
Das Azreks Mähn' entnommen war,
Und jene Blume, deren Duft
Das Mondlicht erst dem Kelch entruft,
Die aber schöner dann erblüht,
Als Blumen je bei Tag erglüht,
Enthüllten meinen Plan. O Glück,
Welch sel'ge Antwort kam zurück,
Zwei Rosen und die Mondlichtblüthe,
Die meinem Wunsch Gewährung glühte; –
Zwei Sonnen mußten sich entfärben,
Beim Mond dann Siegen oder Sterben!

 

*

 

10.

El-Azrek jetzt, auf dem allein
Beruhte unser Loos und Sein,
Erforderte aus meinen Händen
Gedoppelt treuer Sorgfalt Spenden.
Ich gab mein Bestes gern dem Pferd –
Kein Gast ward höher je geehrt.
Aegypt'sche Datteln ich ihm bot,
Und Ziegenfleisch und weißes Brot,
Und der Kameele Eutern gaben
Ihm Milch, um seinen Durst zu laben;
Kein Roß, mit beßrer Kost gepflegt,
Je zur Moschee den Sultan trägt.
Ich hauchte seinem klugen Ohr
Mein Hoffen und mein Bangen vor,
Ich schmeichelt' ihm und streichelt' ihn,
Beschwor den Renner, rasch zu fliehn,
Und Küsse, zahllos, drückte ich
Auf Schnauz' und Stirn ihm brüderlich.
Die funkelnd großen Augen schauten
Mich an mit Blicken, ernstvertrauten,
Als ob das Thier mein Zweifeln ahne,
Und stolz mich seiner Flugkraft mahne.
»Genug, ich traue dir! Die Stunde
Ist da! sei Helfer unsrem Bunde!
Ob flügellos, Gott giebt dir Flügel;
Es ruht mein Glück auf deinem Bügel!«

11.

Der gelbe Mond am Himmel stand,
Blaß leuchtend an der Wüste Rand.
Schakale ihren Schrei erhoben,
Fernab Kameele gurgelnd schnoben,
Und durch die sand'ge Oede stoben
Die Winde seufzend, ihre Klagen
Eintönig an mein Ohr zu tragen –
Sonst Alles stumm und still um mich,
Als lautlos ich zum Brunnen schlich!
Sie ist nicht da – noch nicht – doch bald
Kommt sie im Mondlicht hergewallt.
Es knirscht auf weichem Sande kaum
Ihr kleiner Fuß; dann, wie im Traum,
Mit einem Sprung, in dem sich Bangen
Und Lieb' und Zweifel hold umfangen,
Zitternd und keuchend, halbbewußt,
Stürzt sie sich wild an meine Brust.
Bei Allah! Wie mit Flammengluth
Schoß siedend stürmisch mir das Blut
Durch Herz und Hirn, als ihren Mund
Der meine traf: der Seelen Bund
Besiegelte ein langer Kuß,
Ein wortlos heißer Segensguß,
Der, aus dem Herzen tief entstammt,
Berauschend auf die Lippen flammt.
O Süße jenes Trunks! noch heut
Wird mir durch dich der Durst erneut,
Mit dem ich einsog ohne Ende
Der Liebe jungfräuliche Spende!
Sternhelles Feuer ward entfacht
Aus des Begehrens Dämmernacht,
Und in der Träume Morgenroth
Von Flammen ward die Welt durchloht,
Die jener Kuß rings um uns her
Geweckt, daß wir mit Gluthbegehr
Versanken in ein Wonnemeer.

12.

El-Azrek, vorwärts nun geschwind!
Dein Haupt empor, und laß im Wind
Erflattern deiner Mähne Schwingen!
Die Jagd beginnt – die Rosse dringen
Schon nah und näher auf uns ein,
Und fern erblinkt der Speere Schein.
Doch du auch bist von Nedschids Zucht,
Mein Bruder! und des Falken Flucht,
Der vor des Sturmes Nahn entweicht,
Wird nicht von deinem Flug erreicht.
Fortstürmend flohn in toller Jagd
Wir durch die monderhellte Nacht,
Und aus der Ferne hinterdrein
Klang drohend der Verfolger Schrein.
Und vorwärts, vorwärts immerzu,
Die Nacht hindurch, ohn' Rast und Ruh!
Wohl mancher der Verfolger wankte,
Und selbst mein treuer Azrek schwankte,
Ermüdet von der Doppellast,
Bis daß im Ost des Morgens Glast
Aufstieg, und neu erfrischt die Heerde
Nachflog gehetzt dem flücht'gen Pferde.
Ich zog den Dolch, den Gurt zerschnitt
Ich, daß der Sattel niederglitt,
Und mit Verzweiflungskraft umschloß
Mit ehrnen Knieen ich das Roß,
Indessen Marjam fest und bang
Den Arm um meinen Nacken schlang.
Halloh! hussah! Ihr Ruf ist da,
Erst schwach und fern, jetzt laut und nah.
O braver Azrek! laß erschlafft
Nicht sinken einer Sehne Kraft,
Sonst würde, ach, vergebens sein
Dein Todesritt! – Jetzt vor dem Schein
Des Tages ist die Nacht erbleicht, –
Das Ziel – o Wonne! – ist erreicht;
Der Freunde Lagerzelte dies,
Die luft'ge Stadt der Aneyzis!
Die Wüstenkrieger, feindgesinnt
Dem Stamme Scheikh Abdallahs, sind
Es, deren Schutz wir suchen kamen,
Den sie gewährt in Allahs Namen,
Indeß die Rotte, scheu, verzagt,
Uns nicht mehr zu verfolgen wagt.

13.

Und jetzt, o Franke! sähst du nun,
Wie sanft die dunklen Augen ruhn,
Mit denen sie mein Herz gewann,
Auf meinem kleinen Soliman!
Und fragst du weiter, ob der Knabe
Versöhnt mit uns den Alten habe,
Als mir gebracht der Jahre Flucht
Den goldnen Preis, den er gesucht?
Und was du sonst noch magst erfragen,
Kann besser selbst der Scheikh dir sagen.

 

*

 

Gülistan.

Eine arabische Weise.

Wo ist Gülistan, das Land der Rosen?
Nicht wo nord'sche Stürme hausen
Und mit eisig wildem Brausen
Die beschneite Winterwelt durchtosen; –
Nein, im Farbenglanz und Schimmer,
Wo auf Ostens Fluren immer
Blaue Himmelslüfte sie umkosen:
Da ist Gülistan, das Land der Rosen.

Nordwärts hohe Bergeszinken!
Südwärts jene Quellen blinken,
Die Hafis gelehrt die süßen Lieder,
Geisterhebend, herzdurchbebend
Gleich dem Sang der Nachtigallen,
Wenn der Lenz, nach Schiras schwebend,
Seine duft'gen Blüthenschätze wieder
Läßt aufs Land herniederfallen,
Bis auf allen Bergesflühen
Rothen Mohnes Flammen glühen,
Und den Strom verdecken
Ros'ge Oleanderhecken,
Und sich wonnig, süß und sonnig
Gießt ein Meer von Lieb' und Lust hernieder.

Dort, von Sonnenschein umfangen,
Kleebeblümte Wiesen prangen;
Dort der Rose fleckenlose
Pracht erflammt auf moos'gen Blätterpfühlen,
Und der Lilje Kelch so leise
Wiegt sich an des Uferrandes
Saum, daß aus dem duft'gen Kreise
Nicht ein Blatt der Lufthauch kann zerwühlen.
Klangdurchtönet, sangverschönet
Ist die Welt, von Glanz umkrönet,
Jed' Atom der Wonne fröhnet,
Ganz und voll des Sommers Gluth zu fühlen.

Liebesleben, nächtig Weben,
Tanz und Sang beim Saft der Reben
Machen jedes Herz erbeben,
Und der Liebe Ros' erglüht im Kosen, –
Liebe, die in Sommerlauben,
Eingewiegt in sel'gen Glauben,
Nie mit Zweifeln wird ihr Lieb erbosen;
Die in Klängen, lustentzündet,
Jenes Drängen nur verkündet,
Das, von Wehmuthshauch umsponnen,
Doch die süßeste der Wonnen,
Wie beim hellsten Glanz der Sonnen
Sanfter strahlt das Licht aus Wolkenschooßen: –
Das ist Gülistan, das Land der Rosen.

 

*

 

Antwort.

Ihr nennt mich kalt, ihr staunt, daß trunken
Mein hartes, marmornes Gemüth
Entbrennt in dichterischen Funken,
Und bei der Liebe Strahl erglüht.

Seht her! es muß zumeist empfinden
Der Fels der Sonne Gluthenbann;
Doch ihr seid blind – und für den Blinden
Fühlt Eis und Feuer gleich sich an.

 

*

 


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