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Zehntes Kapitel.
Filiationsrecherchen

Die Unterhaltung hatte des Grafen schlimme Laune nicht gebessert, als er sich zu dem Gespräch mit der Tochter auf den Weg machte. Man konnte den aufsteigenden Entschluß, ein Mann, ein Hausherr, ein Familientyrann zu sein, auf seinem Gesicht lesen. Er bereitete sich darauf vor durch finstere Blicke, die er diesem und jenem zuwarf, der ihm in den Weg trat. Ja, so sehr war er aus sich selbst herausgegangen, daß er ohne alle Vorbereitungen, ohne Umschweife, die Tür noch in der Hand, der Komtesse das erklärte, weshalb er mit ihr eine Unterredung gewünscht. Es schien wirklich, als fürchtete er, es zu vergessen, oder als wolle er den Einreden zuvorkommen und siegen ohne zu streiten. »Und das ist mein Wille,« schloß er, wie über sich selbst erstaunt.

Aber er hatte noch mehr Ursache zu erstaunen, als es Eugenie weder erschüttert noch betrübt gemacht. Sie sah ihn so ruhig und heiter wie vorhin an, ihr Gesicht glühte von derselben inneren Freude, und nur ihre großen Augen sprachen eine Verwunderung aus: »Mein Vater, welche Veränderung ist mit Ihnen vorgegangen?«

»Du meinst, weil ich eine Zeitlang dem Spiele zugesehen, weil ich mich einverstanden gezeigt, weil ich sogar, ich bekenne es, die Verbindung gewünscht –«

»Davon rede ich ja nicht,« unterbrach ihn Eugenie im vorigen gleichmütigen Tone. »Sie besinnen sich wohl auch noch einmal anders: aber ihr blasses Gesicht, die ängstlich stieren Augen, ihre dumpfe Sprache; wenn Sie mit der Botschaft in der Nacht zu mir träten, fürchtete ich mich vor Ihnen. Haben Sie die Nacht nicht geschlafen?

»Es waren Sorgen – um dich.«

»Sie erlauben mir, daß ich daran zweifle. Auch die entschiedene Art, mit der Sie sich aussprechen, deutet auf eine Abweichung. So redeten Sie nie. Lassen Sie mich nicht besorgt um Sie werden. Mein Gott, was ist mit Ihnen vorgegangen?«

»Du siehst einen gebeugten Vater.«

»Lassen wir das beiseite. Ihre Ansichten über den Punkt ändern sich vielleicht schneller als Sie selbst meinen. Aber hat Ihnen jemand etwas getan, erhielten Sie eine böse Nachricht? Sie sprachen vorhin lange Zeit mit Amelie. Hat sich das Mädchen gegen Sie vergessen?«

»Nein, Sie hat sich nicht vergessen. Ein dezidiertes Mädchen, welches um die Ehre ihrer Familie besorgter ist als andere, die mehr Ansprüche auf Ehre haben.«

»Legen Sie sich zu Bett, lieber Vater, Sie sind echauffiert. Irgend etwas, das ich noch nicht begreife, hat Sie affiziert, der Unmut über den jungen Marquis ist nur die Veranlassung, daß es ausbrach. Wir sprechen davon später. Sie suchen jetzt eine Gelegenheit, Ihren Ärger auszuschütten. Das tut Ihnen wehe und wahrhaftig nicht gut und hilft Ihnen wenig, da Sie meinen Charakter kennen.«

»Ist er denn Marquis?« fuhr der Graf heraus.

»Er wird doch Erbe seines Vaters. Ob der Titel des Marquisats schon bei Lebzeiten auf den Sohn übergeht, soll mich doch nicht bestimmen!«

»O, über meine kluge Tochter, das Spiel, was man mit ihr spielt, nicht einzusehen! Ich hielt es bisher nicht für angemessen, mit dir über den Charakter des alten Marquis zu sprechen. Denn Vorsicht kann nie zu weit gehen, teils glaubte ich auch von meiner Eugenie, ihr Verstand durchschaue den Sonderling. Hast du nie gemerkt, daß es dem Manne nicht auf die Mittel ankam, wenn er auf ein Ziel losging? Er macht sich einen Gott, einen Heiland, Heilige, einen Stammbaum, ein Vaterland, wenn er sie nötig hat, warum nicht auch einen Sohn, wenn er einen braucht. Seine stets tätige Phantasie schafft sich Vorfahren bis zum alten Pharamund, warum nicht auch Nachkommen. Das ist viel leichter und man kann damit angesehene Familien betrügen und junge Erbinnen kapern.«

»Vergebung, lieber Vater, daß ich auf Ihre Klugheit und Erfahrenheit baute,« entgegnete lächelnd Eugenie. »Hätten Sie mich nicht versichert über das Alter der Familie Cabanis –«

»Die Familie ist auch durchaus respektabel –«

»Und über die Eigenschaften des jungen Cabanis,« fuhr sie fort, »so würde ich mir nie unterstanden haben, ihm mein Herz zu schenken.«

»Eugenie, es gibt Verwickelungen, wo auch der Scharfsichtigste blind sein muß. Der Soldat muß blind sein gegen die Gefahr, der Hofmann gegen die Fehler, ja gegen die offenbaren Ungerechtigkeiten seines Fürsten, der Staatsmann gegen alle persönlichen Rücksichten. Es durfte deinem Vater einmal wünschenswert scheinen, die innigste Verbindung mit dem Marquis zu knüpfen, er durfte, ja er mußte die Augen schließen gegen Mängel der Geburt, es war ihm erlaubt, anzunehmen, daß Etienne der Sohn des Mannes war, dessen Verbindung ihm damals den größten Vorteil gewähren durfte –«

»Und er durfte« fiel ihm Eugenie ins Wort, »seine einzige Tochter einem Betrüger in die Hände spielen. Meine Hand, lieber Vater, wollten Sie verschenken einem Namenlosen, den der schlaue Intrigant als Sohn vorgeschoben hatte. Und hätte ich ihn nun geheiratet und der Marquis hätte darauf seine Hand zurückgezogen, so wäre Ihre Tochter die Gattin eines gebrandmarkten Roturiers.«

»Ich hatte mich vorgesehen. Nicht eher gab ich meine Einwilligung, als bis ich schwarz auf weiß und gerichtlich gesehen, daß er ihn als seinen Sohn anerkannt und zu seinem Universalerben ernannt hatte. Einem sehr reichen Mann, der einen bedeutenden Namen führt, forscht man nirgends allzu streng nach, ob er ein geborenes Recht auf diesen hat. Es gibt sogar Staatsgesetze, welche die Wiedergeburt großer Familien durch reiche Heiraten, mit Namen, denen aller Glanz abgeht, begünstigen. Zudem liegen die Cabanisschen Stammgüter entfernt im mittäglichen Frankreich, in Piemont oder gar in der Lombardei, daß der Schleier der Ungewißheit hier jede verfängliche Frage von selbst zurückwies.«

»Ihre Tochter hatte sich besser vorgesehen,« wandte Eugenie lächelnd ein. »Ich erzählte Ihnen ja wohl von dem seltsamen Dokument, welches Etienne in der Brieftasche des verstorbenen Advokaten gefunden. Ginge aus dem nicht klar hervor, daß Etienne doch der Sohn des Marquis ist, so würde es mit der Liebe Ihres einzigen Kindes zu dem einzigen Sohne des Marquis gewiß längst aus sein.«

»Klar!« fuhr der Graf auf. »Trau dem doch nicht. Die Dokumente sind gemacht, fabriziert: wenn es dem Marquis einfällt, beweist er dir, daß Etienne der Sohn der Maria Theresia ist. Er hat ja nichts mehr, liebes Kind, das ist die Hauptsache. Er ist ein Spekulant mit Ideen und mit Geld; er warf Tausende nach einem Schatten, die vielen Tausende sind fort, aber die Schatten gehen nicht ab, denen er nachjagt. Weißt du, was er seinem Sohne hinterlassen wird?«

»Und wenn er ihm nichts hinterläßt, als den Namen Sohn –«

»Törin! So höre denn, wie es sich damit verhält. Höre, ob du noch wünschen kannst, die Tochter eines Mannes zu werden, der diese Demütigungen erfuhr, der so charakterlos handelte, der seine Ehre verkauft hat, seine Grundsätze, seine Familie geschändet, mit Weib und Kind Sklavenhandel trieb, höre, ob es je möglich sein wird, vor einem Lehnshofe Etiennes legitime Geburt zu beweisen, ob er nicht und sein Vater der Spott und die Verachtung der großen Welt werden, oh man ihm nicht die Tür zuschlagen, ihn ausstoßen wird aus unseren Kreisen, zu den Roturiers, wohin seine Verbindung, sein Wankelmut, seine ignoblen Grundsätze ihn verweisen –«

Die Tür ging hier mit Geräusch auf und der Jäger meldete – den Marquis von Cabanis. Der Jäger hatte noch nicht ausgeredet, als der kleine Mann über die Schwelle flog, inmitten des Zimmers stand, und auf den Zehen sich erhebend, die Arme dem Grafen entgegenbreitete. Sie küßten sich auf beide Backen, der Graf war höchst erfreut über die unerwartete Erscheinung seines teuersten Freundes, der Marquis versicherte ihm dasselbe in einem langen Redeschwall, dessen Ende Eugenie nicht mehr aushörte, denn er beschwor dann den Grafen, niemand von seiner Anwesenheit einen Laut zu verraten, und selbst seine Tochter zu entfernen, da er ihm Dinge zu vertrauen hätte, die mehr wögen als alle Kassenwagen, die je von den Preußen genommen wären. Das rief er aber mit einem Pathos und so laut, daß man es ebenso auf der Treppe hören konnte, als vorhin seinen Namen und Titel, den der Jäger doch auf seinen ausdrücklichen Befehl mit lauter Stimme hineinrufen mußte. Es zeigte sich bald, daß er auch sonst mit nicht besserer Vorsicht seinen Aufenthalt verheimlicht, denn die halbe Bewohnerschaft war davon unterrichtet, daß der Marquis von Cabanis auf einer Matratze unter der Bodentreppe geschlafen, und er war es selbst, der neun Zehnteile davon in das Geheimnis gezogen hatte.

Eugenie war ihrem Freunde begegnet; sie hatte ihm den Inhalt des Gesprächs mitgeteilt, vielleicht mit Verschweigung der Teile, die ihn verletzen konnten, und doch fragte er aufgeregt: »Und du bist froh?«

»Soll ich noch bange sein um einen längst ausgestrittenen Kampf, wenn ihn der arme Besiegte immer wieder von vorn anfängt? Wäre das nicht mein Vater, so würde ich lächeln darüber, daß er sich so vergeblich anstrengt.«

»Du lächelst ja.«

»Weil ich doch nun die Gewißheit habe, daß du sein Sohn bist. Mein Vater verriet es, als er zu mir schweigen wollte. Und du legst deine Stirn in Falten, du glaubst es nicht?«

»Auch die Erinnerung, Eugenie, ist schön. Ich gewinne einen Vater und verliere eine Mutter. Die Mutter war das beste, was mir herüberblinkt von da. Doch laß uns abbrechen, schweigen von dem Rückwärts, es liegt vor uns noch so viel.«

»Träumer, und du hast eben Friedrich besiegt! – Du bist noch nicht aufgenommen unter uns,« fuhr sie fort, »weißt noch nicht, daß wir in einer Republik der Wunder leben, weißt nicht, wie wir alle zum Aberglauben geschworen und die stärksten Freigeister selbst bekehrt sind. Sieh, dieser Glauben ist in mir so stark geworden, daß ich – wenigstens für den Winter – überall Wunder sehe und an Wunder glaube, trotz der frömmsten Katholikin. Du kamst wie ein Wunder, dein Vater auch, wir alle sind wie durch ein Wunder hier beisammen, durch ein Wunder wird sich alles, was für uns noch dunkel ist, aufhellen, dein König wird dich gnädig ansehen und durch ein Wunder wirst du deinen Vater gewinnen und – deine Mutter nicht verlieren.«

»Träumerin!« entgegnete er, einen Kuß auf ihre Stirn drückend. »Für graue Winterabende passen Märchen und Träume gut, wie die Schneemänner der Knaben, an denen sich wohl auch ein Erwachsener freut, weil es nicht tagtägliche Menschen sind. Aber sie dauern nicht bis zum Frühling.«

»Nun, wir wollen's versuchen,« sagte sie. »Deucht mir doch seit dieser hellen Mondnacht der Schnee draußen grün. Es ist eine Lüge, daß der Sturm in den Schornsteinen heult, die Luft ist ja warm. Glaubst du noch nicht an Wunder? Nein, du kannst nicht daran glauben, du weißt ja nicht, wie ich sonst gewesen. Geh' und lies den Ovid, und wenn du alle seine Verwandlungen gelesen, – nein, du weißt auch dann noch nicht, welch ein Zauberer du warst, mächtiger als all die Herden Götter, welche die armen Menschen verwandelt haben.«

Einige Stunden später stand dieser selbe Zauberer mit nicht so freudeglänzendem Blick vor einem Kanapee, auf welchem der Marquis ausgestreckt lag. Im Gegenteil konnte man glauben, daß dieser der Magus war, der die Seele des jungen Mannes beschwor mit unangenehmen Vorstellungen. Plötzlich sprang er auf und faßte den Offizier an die Brust, was aber nur im Eifer des Gesprächs und nicht im Ausbruch des Zorns geschah.

»Ich sage dir, einen so insipiden, ich sage nicht Staatsmann, ich sage Edelmann, Menschen, zweibeiniges Wesen habe ich auf der ganzen Welt nicht getroffen und ich bin so weit gereist, als es Posteinrichtungen gibt, bis an die asiatische Grenze und auf Maultieren in Spanien über die Sierra Morena nach Malaga, von wo ich bis an die Küste von Tanger schiffte. Der Dümmste aus dem Diwan des Kaisers von Marokko ist gescheiter als dieser Mann, der unter Brühl gelernt haben will. Was hat er gelernt? Ideen? Pläne? – Nichts! Er ist nicht fähig, den Zusammenhang zwischen Eins und Vier festzuhalten. Was ihm sonst von Begriffen anklebte, ist mit dem Alter auf und davon gegangen. Klarheit der Auffassung? – Keine Spur. Feinheit der Intrige? – Keine Spur. Er plumpt hinein. Konsequenz? – Er hat heute vergessen, was er gestern vorhatte. – Eine gerade Linie, eine Aussicht und darauf los, das ist die Hauptsache, Etienne. Man kann abweichen, ja, die Umstände sind mächtig. Es kommt Nacht dazwischen, Gruben, Waldströme – deshalb bleibt doch die gerade Linie. Da prüft sich der Mann, ob er sie hält, nüchtern und trunken, und endlich gelangt er hin.«

»Wir halten alle, dünkt mich, lieber Vater, die gerade Linie, die nach dem Grabe führt.«

»Aber wie! Die gerade Linie ist die Ehre. – Dieser törichte, alte, wankelmütige Schwachkopf bildet sich ein, daß er etwas von Staatskunst versteht, und das ist das Lächerliche bei der Sache. Vor vierzig Jahren hat er einmal die Nase in die Vorsäle hineingesteckt, aber jetzt ist er rein kindisch. Ich versichere dir, Etienne, eine Idee, die ein Kind begreift, wenn sie einmal ausgesprochen ist, so einfach, so groß, so klar, da stand er vor da, wie – das Tier am Berge; in seinen hohlen, mit Kleinlichkeitskrämereien angefüllten Schädel wollte auch kein Strahl dringen, kein Funke zünden – ich will lieber mit einer Dohle, einem Affen, mit einem tauben Hunde zu tun haben, als mit dem. Ich schäme mich, daß ich mich mit ihm eingelassen, daß mein Name mit seinem zusammenstand, und das mußt du mir versprechen, Etienne – du heiratest nicht seine Tochter.«

»Und wenn ich Ihnen dies Versprechen nicht geben könnte?«

»So gebe ich dir meine Verwünschung in die Ehe mit.«

»Und wenn ich Ihnen erwiderte: Die Aussicht, welche Ihr Sohn festhielt, war Eugenie, und die gerade Linie, von der er nicht abweichen will –«

»Komm an mein Herz, du hast noble Grundsätze,« unterbrach ihn rasch der Marquis und zog ihn an seine Brust.

»Und ich glaube, die Grundsätze der Komtesse werden Ihrem Hause Ehre machen.«

»Du hast gut gewählt, du hast Geschmack, du würdigest deine Abkunft. Sie ist eine Dame von wahrem Adel, von kühnem Geist, von großer Gesinnung. Sie ist auch gar nicht seine Tochter –«

»Wie, mein Vater! Sie wüßten?«

»Ich weiß nichts, aber sie kann's nicht sein, sie ist's nicht gewesen, sie wird's nie sein. Wie sollte der Vater zu solchem Kinde kommen! Ihre Mutter, ei, das war auch ein Weib, wie es sein soll, sie nahm ihn nur, weil ein Prozeß nicht anders zu schlichten ging. In den Adern der Komtesse rinnt anderes Blut; ich will dir gleich die Kavaliere nennen, welche damals am sächsischen Hofe –«

»Um des Himmels willen, mein Vater, wenn Sie Vermutungen der Art hegen, verbergen Sie dieselben vor Eugenie. Was könnte ihre schöne Seele mehr beleidigen, als eine Kränkung ihrer Mutter im Grabe? Sie hängt mit ganzer Seele an ihr. Es muß eine Frau von hohem Geiste gewesen sein, und Eugenie kann eher den Vater schmähen hören als die teure Tote.«

Es zuckte wieder etwas wie ein Blitz über das Antlitz des alten Mannes, er faßte Etiennes Hand und sah ihn scharf, aber ohne Bitterkeit ins Auge. »Ist's bei dir auch so? Du wirst rot?« Plötzlich ließ er sie los und wischte eine Träne aus dem Auge.

»Mein teuerster, teuerster Vater, wir sahen uns so lange nicht. Ich habe Ihnen noch nicht dafür gedankt, daß Sie am Totenbette meiner Mutter, der Dulderin, beistanden. Sie starb in Ihren Armen?«

Etienne hatte den alten wunderlichen Mann noch nie so gerührt gesehen; er küßte ihn auf die Stirn, er segnete ihn, er schluchzte laut. »Halten Sie den Augenblick für geeignet, den Schleier zu lüften, der noch über meiner Wiege ruht?« Etienne tat die Frage, weil er sah, daß es in der Brust des Vaters nach Mitteilung rang, er wollte ihm zu Hilfe kommen; die Hilfe wurde dankbar angenommen.

»Ja, Etienne,« entgegnete der alte Mann mit gerührter Stimme, »es soll dir nicht länger verborgen bleiben. Ach, ungünstige Sterne blickten nieder, als du geboren wurdest, aber du darfst mir nicht fluchen, auch deiner toten Mutter nicht, der am wenigsten, Etienne, am allerallerwenigsten, sie hat gelitten, sie hat geduldet, sie war eine Christin, ein Engel auf Erden, ich war ein Barbar gegen sie –«

Als er, schon von Wehmut überwältigt, einen Augenblick innehielt, schellte die Tafelglocke so laut, daß man inne ward, man habe schon den zweimaligen Vorläufer überhört. »Ich bin krank,« sprach dringend Etienne, »mein Bursche wird es melden,« und er zitterte wirklich fieberhaft, allein der Marquis, wieder zu sich gekommen, drängte ihn zu gehen. Er drängte so, daß Etienne überzeugt war, auch wenn er bliebe, würde er das nicht hören, wonach sein Herz verlangte, denn die wohllautenden Klänge der kleinen Silberglocke hatten so schnell die Gedanken des Alten in andere Sphären versetzt, daß sein Sohn, wäre er nicht gegangen, eine Historie vom Hofe des vierzehnten Ludwig anzuhören bekommen hätte, die schon anfing, und zwar mit der Tafelglocke im Schloß zu Versailles.


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