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Viertes Kapitel.
Der Geist in der Kirche

Die Unterhaltung an der großen Tafel war diesmal nicht belebt. Die Jäger waren unzufrieden von der Jagd zurückgekehrt; vom Schneegestöber durchweicht und geblendet, hatten sie wenig Glück gehabt, und mit Mühseligkeiten aller Art gekämpft. Ihr Mißvergnügen ging in die Unterhaltung über; die forschenden Blicke des Generals kreuzten sich mit den lauernden seines Wirtes. Der erstere verließ früher den Tisch. Die Art, wie seine Subalternen beim Flaschenklange die Mißtöne in ihnen auszugleichen suchten, förderte keine frohe Stimmung. Auch der auffallend trübe und kurze Nachmittag verging, ohne daß die Heiterkeit zurückkehrte, und jedermann schien vergnügt, als die Gespensterstunde früher diesmal anbrach. Denn es hatte noch nicht sechs vom Turme geschlagen, als die Diener schon die Wandleuchter anzündeten, die Fensterladen schlossen, das Kaminfeuer hellauflodern ließen und Stühle und Kanapees darum setzten.

Was den Erzählungen an Wärme abging, konnte der starke Punsch ersetzen, den das Fräulein auf des Grafen Befehl den durchnäßten Jägern brauen mußte. Der unheimliche Abend konnte nicht geeigneter zu der Bestimmung, die man ihm gegeben, gedacht werden. Der Sturm heulte und sauste im Kamin; er türmte Berge auf, berichteten die von draußen Kommenden, und der Himmel höre nicht auf zu schneien. Man mußte das Feuer ausgehen lassen, und beim Kohlenschein hörten sich die Geschichten noch besser an.

Der Fähnrich hatte es über sich genommen, eine Begebenheit zu erzählen, welche seinem Großvater in einer verschneiten Dorfkirche um Mitternacht begegnet sein sollte, als er im Schwedenkrieg Kurier ritt. Der Erzähler ritt aber selbst Kurier und suchte, wo er an Riffe und Klüfte kam, durch Lachen und Spott seiner Verlegenheit hinüberzuhelfen, wodurch er sich und den anderen die Wirkung verdarb, welche bei den Stoffen seiner Erzählung nicht leicht zu verfehlen schien. Denn während unseres Fahnenjunkers Ahnherr, ein wackerer brandenburgischer Feldjunker, hoch ermüdet an den Stufen des Altars schlief, schritt der große Kurfürst selbst im dunklen Kirchenschiff auf und ab und kniff seinen Kurier ins Ohr, daß er sich aufmachen solle. Aber jedesmal, wenn der Junker davon erschrocken aufwachte, war alles verschwunden. Erst beim drittenmal, als der alte Herr so stark mit den stählernen Fingern gekniffen, daß dem Kurier noch lange nachher das Ohrläppchen wehe tat, sprang er wirklich in die Höhe. Der Vollmond schien durch die hohen Fenster auf eine Kirche so leer wie vorhin; aber neben ihm stand etwas Lebendiges – sein Pferd, das sich vom Türpfosten losgerissen und das Allerheiligste betreten. Schon war der Feldjunker geneigt, sein Tier und nicht seinen Kurfürsten für den weckenden Geist zu halten, als er zu seinem Staunen draußen eine frische Pferdespur im hohen Schnee bemerkte, die gradeswegs nach dem kurfürstlichen Lager führte, von wo doch der hohe Herr, Geist oder Leib, hergekommen sein müßte, wenn er es unternommen, seinen Kurier am Ohrläppchen zu zupfen; weshalb er aber dies Geschäft übernommen, ergab sich sehr bald, denn der Kurier merkte, als er wieder auf seinem Gaul saß, daß der Wind längst nach Abend umgesprungen, in einen lauen Tauwind ausgeartet war. Er hatte aber einen langen See zu passieren, und als er mit Herzensangst und Todesschweiß nur noch ein paar Schritt vom Ufer war, krachte es hinter ihm, und wie er den Hals umdrehte, trieben schon die großen Schollen und der Mond spiegelte sich im offenen Wasser. »Ich pariere,« schloß der Junker, »mein Großvater seliger hatte ein starkes Abendbrot eingenommen, eh' er sich auf den Weg machte, und was im Magen zu viel war, stieg ihm über Nacht zu Kopf und er hat raisonabel geträumt. Sein Ohrläppchen aber tat ihm auf ganz natürliche Weise weh, da er's mit dem Kopf auf die scharfe Steinschwelle drückte, und kein Kurfürst von Brandenburg hat sich um Mitternacht in eine zerstörte Dorfkirche inkommodiert, um einen schlafenden Kurier aufzuwecken.«

»Meinen Sie, Junker?« fragte der alte Obrist Klippfisch, den Wunden und Jahre noch einsilbiger und schweigsamer gemacht hatten.

»Sie wollen doch nicht behaupten, Herr Obrist, daß ein Kurfürst von Brandenburg in höchsteigener Person um Mitternacht einsam in einer Dorfkirche spazieren gehen kann?« sagte der Fähnrich, zu der Kühnheit durch den fragenden Blick ermutigt, welchen auch der General auf den Obristen warf.

»Wenn ich's nun selbst gesehen hätte!« entgegnete dieser.

»Was vor hundert Jahren geschehen ist? So alt sind Sie doch noch nicht.«

»Alt genug, Fahnenjunker, um was gesehen zu haben, wovon Ihr Euch nichts träumen laßt.«

»Obrist Klippfisch kommandierte schon vor Turin unter dem Dessauer seinen Zug,« bemerkte der General. »Unser wackerer Kamerad hat vielleicht auch gesehen, gleich manchem seiner Grenadiere, wie Prinz Leopold die blauen Bohnen im Ärmel auffing. Nicht Obrist, der Dessauer war stichfest?«

»Der Herzog glaubte an einen allmächtigen und allwissenden Gott über ihm, ehrte die Kirchen, betete vor jeder Bataille und war dann fest in jeder Attacke.«

»Dann muß der Gottseibeiuns Seine Majestät unseren Allergnädigsten festgemacht haben,« lachte der Fähnrich, »denn seit er König ist, hat er weder vor noch nach einer Bataille die Hände gefaltet, und in eine Kirche ist er auch nicht anders gekommen, als wenn sie niedergebrannt war und der Feind rausgehauen wurde.«

»Wißt Ihr das gewiß, Fahnenjunker?« rief der Obrist mit fast wildem Auge. Auch ein Blick des Generals mißbilligte den Fähnrich. »Wißt' Ihr das gewiß, daß König Friedrich nie in eine Kirche getreten?«

»Wenigstens hat er da nichts mit Geistern zu schaffen gehabt, wie sein Ahnherr der große Kurfürst, der meinen Großvater als Geist ins Ohrläppchen gekniffen. Oder haben Herr Obrist das mal mit angesehen?«

»Ich hab' es.«

Es klang so feierlich, daß man allgemein aufmerksam wurde. »Sie wollen uns doch keine Gespenstergeschichte mit Friedrich dem Zweiten in Verbindung bringen?« bemerkte der General.

»Es kommt darauf an, wofür Euer Exzellenz es nehmen wollen,« entgegnete der Obrist. »Ich habe so gut wie einer gehört, was sie von seiner Freigeisterei sagen, allein ich habe von je meine eigenen Gedanken darüber gehabt, vermeinend, daß des Menschen Lippen nicht allemal aussprechen, was da drinnen sich regt. Manchen, der greuliche Flüche ausstößt, habe ich schon still inbrünstig in seinem Kämmerlein beten gehört. Und der König, dachte ich, über dessen Haupt Gottes Hand so sichtbarlich ist, um den solche gläubige Helden standen wie der graue Schwerin, Schmettau, Ziethen, der sollte nicht mehr hoffen in seinen Gott, als die gepuderten Wetterfahnen aus Frankreich, die um ihn mit Gänseflügeln schnattern! – Haben Sie ihm, meine Herren Kameraden, nur einmal ins Gesicht geschaut, wenn's heiß herging, wie er da die Augen stier hinhält und der helle Glanz wie ein paar Morgensterne durch Rauch, Dunst, Blut, durch Staub, Flammen und Gemetzel dringt? Noch seh' ich ihn so vor Torgau, als es schlimm ging! Himmel, ich bin ein alter Kerl, aber die Augen von Torgau werden mir leuchten bis in mein dunkles Grab. Solch ein Glanz kommt nicht aus der Hölle, der kommt aus voller Brust, drinnen es gesund aussieht, und geschrieben stand darauf, was freilich keiner von den Franzosen lesen konnte; ›Der alte Gott ist doch mit mir.‹ Laßt ihn nur spotten auf die Allianz, das ist für die anderen lockeren Leute um ihn; wenn's not tut, weiß er doch so gut wie einer, auf wen er bauen kann.«

Der General warf, als alles schwieg, eine billige Phrase hin, er sprach etwas von der gläubigen Erziehung, die der König als Prinz genossen und der Religiosität seines hochseligen Vaters, augenscheinlich mehr, um spöttische Bemerkungen der jüngeren Leute abzulenken, als weil er selbst darauf einging.

»Meinen dahero, Exzellenz,« sprach der alte Kriegsmann, »Majestät selbst brauchten niemalen eine Herzstärkung oder geistigen Magentropfen, wenn's da flau wird?«

»Von uns weiß mindestens keiner, wo er die Flasche stehen hat,« bemerkte ein Offizier.

»Wo es ihm flau wird, da hat er auch das Remedium gegen, ich meine in seinem Kopfe,« sagte der General.

»Ich meine anderwärts,« entgegnete der Oberst. – »Es war eine Schlacht geschlagen; welche? Darauf kommt es hier nicht an, und ich halte für besser, sie nicht zu nennen. Eine blutige, blutige Schlacht; als die Sonne sich hinter dem Morast dunkelrot niedersenkte, war es noch nicht entschieden. Mich hatte man fortgetragen, als der Todesengel schon nach mir griff, aber ein anderer Engel, der Engel der Gnade war ihm noch in den Arm gefallen. Man brachte mich in eine Kirche und legte mich auf eine Bank; mich nicht allein, es wurde ringsum voll, Bänke, Kirchstühle und die nackten Fliesen unten. Man hatte doch Rücksicht vor den Offizieren, wir lagen wärmer – auf den Bänken. Schmerz und Durst und Frost kehrten sich aber nicht an die Rangordnung. Es war ein fürchterlicher Gottesdienst in der Nacht; die alten Granitmauern bebten von den Kanonenschlägen, der Sturm sauste um den Kirchturm, und die Glocke summte dumpf herunter. Von den Brandfackeln in der Runde glühten die Fenster, und die bunten, katholischen Heiligen aus alter Zeit sahen auf die Sterbenden und die Toten nieder und hörten auf die Fluchenden, die Betenden und die Wimmernden und zitterten selbst wie das Glas, worauf sie gebrannt standen. Wieviel fürchterlicher war da der Todesengel, als in der Hitze der Schlacht! –

Die Kanonenschläge verhallten, die Mauern standen wieder fest; aber das Todesröcheln, das letzte Wimmern, Aufstöhnen, der wilde Schrei der Verzweiflung klangen schrecklicher. Da kreischte ein Verdurstender nach Wasser, ein Verblutender nach dem Feldscher. Es hörte uns niemand, und die Glocke oben am morschen Turmgebälk brummte fort, und die roten, blauen und grünen Heiligen oben zitterten fort, als hätten sie Zähneklappern. Ich hatte auch gerufen und geseufzt nach dem Wundarzt, nach einem, der mir einen Mantel überdeckte, nach einem Trunk Wasser. – Ich hatte gerufen, geschrien, gebetet. Vergebens. Uns hörte kein Mensch, Gott auch nicht, niemand, und der Todesengel kam immer näher, und es ward stiller umher. – Nun dachte ich: du bist ein alter Kriegsmann, sieh ihm still ins Gesicht. Ich zwang mich und es ging. Die Wunden und der Gaumen brannten nicht mehr so. – Ich hatte noch Zeit. – Um was sollte ich noch beten? Um mich alten zerhauenen und zerstochenen Kriegsgesellen, der kein Kind, kein Weib, keinen Bruder, keine Familie hat, nichts auf Erden sein nennt, als sein Bataillon, die alles Taugenichtse sind? – Nein, dachte ich, wozu darum das bißchen Atem, das dir der liebe Gott noch ließ, verschleudern? Bete um was anderes, das mehr wert ist. – Was konnte das anderes sein, als mein König! – Ich strengte mich an, betete für ihn nach dem Gesangbuch und aus dem Herzen, daß er leben bleiben möchte, allzeit seine Feinde schlagen und wie ein Sieger aus dem langen Kriege ausgehen. – Mir wurde nun leicht ums Herz. – Da mußte draußen ein Regiment vorüberziehen, aus ihrem Spiel merkte ich: sie konnten nicht geschlagen sein. Nun kamen auch Leute in die Kirche, und mancher von den Todwunden ging noch mit dem frohen Geleitsbrief in die andere Welt hinüber: Friedrich hatte gesiegt. Auch mich verband ein Feldscher, leichthin, wie's die Gelegenheit gab, und wie er mich verließ, sagte er kopfschüttelnd: ›Der kann auch denken ans Abschiednehmen!‹ Von wem sollte ich's. Da erwachte in mir der Wunsch: deinen König Friedrich möchtest du noch mal sehen. War mir doch der erste Wunsch gewährt, ich betete wieder und mir vergingen die Sinne. –

Ich schlug die Augen wieder auf, und wie's so still und helldunkel um mich her war und die Orgeltöne ums wunde Hirn schwirrten, glaubte ich, ich sei schon da angelangt, wohin wir alle müssen. Aber es war das Kirchengewölbe, die goldene Leuchterkugel baumelte glänzend über mir, die bunten Heiligen waren im Dunkel zurückgetreten, die Kirchenfenster glänzten nicht von außen, sondern flimmerten nur vom Widerschein der Kerzen, die am Altar brannten, und die Orgel spielte: ›Befiehl du deine Wege.‹ Sonst war's totenstill und leer ringsum, und nur ein Mann stand allein mitten im Schiff, mir den Rücken zugekehrt, und die Hände drauf und rührte sich nicht. – Das Lied war aus. Der Mann drehte sich um, es war Friedrich. – Meine Herren, es war der König Friedrich, der in der Schlacht die Feinde geschlagen hatte, der hier allein stand, aber es war nicht der König Friedrich, den Sie kennen. Die Augen, den Blick haben Sie niemals gesehen. Der drang durch Granitmauern und Erdschichten, der muß, wenn er sich aufwärts kehrte, meine ich, durch die Wolken bis in die Sterne geschaut haben. – Der Küster aber hatte sich umgedreht und wagte nicht zu fragen. ›Spiel Er noch was,‹ sagte der König, und nun wagte der Küster zu fragen: ›Euer Majestät, was für eine Melodie?‹ – ›Die von der festen Burg,‹ antwortete der König, sah aber nicht auf, und weil nun der Küster anhub zu spielen: ›Ein feste Burg ist unser Gott,‹ ging der König mit langsamen Schritten das Kirchenschiff auf und ab und wiegte mit dem Kopf, und als es aus war, nickte er noch einmal, daß der Kantor wieder anheben sollte, und es war mir in dem Augenblick, als wäre ich nicht mehr auf Erden, und die Geister aller gefallenen Preußen hätten Audienz bei ihrem König und nun, wenn er stillstände, würde auch auf mich sein Blick fallen und er mich rufen aufzustehen und aufs neue ihm Treue zu schwören für eine andere Welt. Aber er sah mich nicht und sah doch gerade auf mich nieder, und der Blick der Augen war wie ein Medikament, denn sie leuchteten nicht mehr stier und starr, vielmehr friedlich, und mir kam es vor, als schwebte was von Lächeln um seine Lippen.«

Der Obrist schwieg, aber alle anderen schwiegen auch. »Was aber wurde mit Ihnen?« fragte der Graf.

»Hat die Geschichte damit ein Ende?« fragte jemand.

»Mir kommt sie wie ohne Ende vor,« antwortete der Graubart. »Ich fragte mich am anderen Morgen, ob es Wachen oder Traum gewesen?«

»Doch das letztere,« sagte ein Offizier.

»Ich meine, Herr Obristwachtmeister, daß ich gewacht habe.«

»Und was halten Sie davon?«

»Ich muß Ihnen es überlassen, ob Sie das für eine Geistergeschichte halten wollen oder nicht.«

»Ich meine ja!« entschied kurz abbrechend der General und stand auf. Das herumgereichte Abendessen verursachte eine Unterbrechung, und man vermied, auf die Geschichte des Obristen zurückzukommen. Überhaupt wurde das Gespräch nicht laut. Man unterhielt sich in Gruppen, der Graf war nicht unbefangen, der Kammerherr schien sich dem Gespräche mit ihm gern zu entziehen. Der General, zu dem während des ganzen Abends Botschaften kamen, wechselte Worte der Teilnahme mit Eugenie, welche, nach der steigenden Röte auf ihren Wangen und dem Glanz des Auges zu schließen, sie angenehm überraschten.

»Ist's wieder gefällig?« fragte Amelie, auf die leeren Stühle weisend, denn die Diener räumten die Schüsseln und Flaschen fort.

»Mit Vergnügen,« entgegnete der General, der gerade eine meldende Ordonnanz abgefertigt. »Der Bursche berichtet zwar eben, man höre von Krappstädt aus schießen. Doch ist das Torheit, an einen Überfall denken. Wer will in dem Schneegestöber fechten; man kann nicht reiten, nicht marschieren. Was die Burschen gehört haben mögen! Gespenster wie wir vielleicht. Sie teilen doch meine Meinung, Herr Graf?«

Das »unbedenklich« des Angeredeten kam mit einem Tone heraus welcher das Fräulein einen fragenden Blick auf den Grafen werfen ließ. Die mageren Hände des blassen Mannes schienen sich unwillkürlich zu falten.

»O wir sind aus unserer Gespensterandacht herausgekommen,« sagte der General. »Geschwind eine recht schauerliche Geschichte, die uns wieder hineinbringt und über die Kälte hinaus. Denn der Wind kommt von Nord; es hat aufgehört zu schneien. Das Feuer kann nun lustiger brennen. Geschwind, geschwind –«

»Erinnern sich Exzellenz, daß sie selbst uns eine Geschichte versprachen.«

»Ich sammle noch Stoff. Die Geschichten waren alle zu sanft, sie ließen sich natürlich erklären. Wir bedürfen heute etwas Pikantes. Weiß niemand von einem recht polternden, rasselnden Gespenst, das mit dem Zugwind kommt und unter der Bettstelle aufschießt. Unser Fräulein erwähnte neulich einer grauen Erscheinung, die sie zuweilen verfolge und quäle und der entsetzlichste Geist wäre, den sie kenne.«

»Wenn Euer Exzellenz den Geist kennen, werden Sie mir beistimmen,« entgegnete Amelie, »heute abend in Ihrer Gesellschaft ist er jedoch noch nicht erschienen, kommt auch wohl nicht.«

»Das muß eine eigene Art Gespenst sein, das sich vor preußischen Militärs fürchtet,« sagte ein Offizier.

»Glauben Sie das ja nicht. Er steht oft mitten unter ihnen und gähnt mich an, und dann muß ich auch gähnen und schaudern.«

»Gähnen?« fragte der Fahnenjunker, »das ist ja ganz was Neues, daß ein Geist gähnt.«

»Wenn ich Ihnen nun sage, lieber Fähnrich, daß die Vision oft hinter Ihnen steht, und wenn Sie zu reden anfangen, seine entsetzlichen Manipulationen beginnt, daß ich es nicht aushalten kann vor – Bangigkeit.«

»Hinter mir!« rief der Fähnrich. »Ich habe doch noch nie bemerkt, daß ein Geist mir über die Schultern sieht.«

»Eben das ist das eigene, daß die mit dem gemeinten grauen Geiste Behafteten es selbst nie merken.«

»Merken es denn aber die anderen?«

»Nicht alle, aber doch viele.«

»Und bin ich allein so glücklich?«

»O nein, die Vision ist häufig in der Welt, zum Beispiel sehe ich sie auch sehr oft hinter der Schulter unseres Freundes, des Kammerherrn von Kurz.«

Beide Herren sahen sich forschend an, der General aber nannte das Fräulein eine Schelmin, welche brave Männer ängstlich machen wolle. Die Herren möchten sich beruhigen; wenn auch die gemeinten Geister existierten, so gehören doch so feine Nerven und so verwöhnte Sinne wie die des witzigen Fräuleins dazu, um sie wahrzunehmen. Für gewöhnliche Menschenkinder habe der Geist nichts auf sich, ja es sei eigentlich jeder Mensch von Natur dazu verurteilt, sich mit demselben zu befassen, und am Ende werde man so daran gewöhnt, wie wenn man abends seinen Rock aus- und am Morgen ihn wieder anziehen muß.


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