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Achtes Kapitel.
Macht der Launen

Nie war Eugenie schneller aus dem Bette und in den Kleidern, ohne daß einmal das Kammermädchen ihr geholfen, welche bei der kranken Amelie wachen mußte. Ein Lächeln schwebte immerfort auf den Lippen und bei einem Blick in den Spiegel konnte sie über die Rosen erstaunen, die der Januar auf ihren Wangen blühen ließ. Es war ihr angenehm; sorgsamer nestelte sie die Krausen und Schleifen, und der Vater hätte heute über die »geniale Toilette,« wie er es nannte, Bemerkungen machen können. Ein unfreundlicher Wind trieb dichte Schneewolken über den bedeckten Himmel, aber in ihrem Zimmer war rosenrotes Licht, die Kränze und Festons der kleinen Gnomen von vergangener Nacht schienen noch an den Wänden und der Decke zu hängen, aber Wände und Decken drehten sich anmutig schaukelnd. Sie standen erst da plötzlich still, als es leise klopfte. Es wurde kein »Herein« gerufen, aber die Tür ging durch eine ebenso schnelle Bewegung von außen, als durch eine Mitwirkung von innen, geräuschlos auf. Es wurde lange Minuten kein Wort gesprochen, kein Laut gehört, und zwei Wesen strömten doch über in Lobgesängen, und jeder verstand den anderen. Dann sprachen sie lange, viel untereinander, Seligkeit in beider Augen, jeder billigte, was der andere sprach, und doch hätte keiner von diesem Gespräch der ersten Viertelstunde Rechenschaft geben können, weshalb auch der Historiograph der Begebenheiten in dem gräflichen Schlosse es stillschweigend übergeht.

»Und warum nun doch der trübe Zug ums Auge, warum nun doch die Runzel auf der Stirn?« fragte sie. »Bist du nicht glücklich?«

»Ich bin es.«

»Lügner, wie du rot wirst! Willst du nicht heraus mit der Sprache? – Ich war stolz, viel stolzer als du, und ich habe dir bekannt, soviel als ein Kind seiner Puppe, mehr, als ich bei mir selbst verantworten kann. Ich habe mich in den Staub geworfen vor meinem eigenen Stolze, um dir zu sagen, daß ich nichts bin ohne dich. Mehr kann keine Königin der Welt dem Geliebten opfern, und du bist stumm.«

»Die Glücklichen sind es ja.«

»Bist du wieder einmal um den Vater besorgt? Was ich dir von ihm schrieb, daß er Miene machte, rückwärts zu gehen, kümmert dich das? Du weißt, wie leicht er umspringt. Und wär's auch – nein, du lächelst darüber. Wir sind einmal beide so ungezogene Kinder, die nicht auf ihre Väter achten und hören. Wir werden recht hart einmal dafür bestraft werden. Aber darum sind wir doch glücklich.«

» Wir! Eugenie!«

»Ist dir das nicht genug? Willst du nun den Philosophen spielen, und um alles Leiden in der Welt trauern, indes du dich mit mir freuen solltest? Sieh, eh' ich dich kannte, eh' ich dich so aus vollem Herzen liebte, da kümmerte mich's auch oft, daß der Mehltau das Getreide frißt, die Mode über den Geschmack herrscht, die Schmeichler über den braven Mann triumphieren, mich ärgerte es, wenn es staubte, wenn es regnete, selbst wenn die Sonne brannte; das ist nun anders. Ich lasse die Mode Mode sein, den Mehltau Mehltau, den Staub Staub und auch die elenden Menschen gehen mir nicht mehr ans Herz. Ich überlasse anderen das Sorgen und denke an dich –«

»Wer das immer könnte!«

» Immer sollst du's auch nicht, jetzt. – Und doch, ja, du sollst es immer. Hast du dich nicht genug in der Welt umgetrieben? Im Schlachtfelde und in den Antichambren, bei Ministern und Generalen, bei Fürsten und Königen? Besserst du, was schlecht ist? – Haben sie dir eine frohe Stunde bereitet?«

»Aber austreten, Eugenie, und sich sagen zu müssen: es war alles umsonst! Der Wanderer sieht einen hohen Berg, das Morgenrot beleuchtet seinen schönen Gipfel; im Schweiße seines Angesichts, durch täuschende Nebel, durch Regenwolken, im brennenden Strahle der Mittagssonne klimmt er hinauf. Noch hatte er keine Aussicht, und oben – lagert sich eine Wolke. Soll er nun gleich wieder hinunter?«

»Lieber Freund, man muß im Gebirge nie auf schönes Wetter rechnen. Die Wolken lagern oft so lange, daß der Sommer darüber vergeht.«

»Die goldenen Aussichten sind so schön! Ich möchte doch nicht wieder Kind sein und an nichts denken als Spielzeug und Ferien. Ich lief meinen Eltern fort, ich lief meiner Kaiserin fort. So hinausgesprungen mit allem Mutwillen der Jugendkraft aus dem alten Räderwerk, um nun wie ein fünftes Rad neben dem Wagen herlaufen zu müssen.«

»Ehrgeiziger Mensch, und daran zu denken in dieser Stunde neben mir!«

» Ein Ziel, Eugenie, das zu wünschen hat doch auch der Dürftigste ein Recht, eine Verpflichtung sogar. Der Bettler will Brot, um sein Leben zu fristen. Und was will ich? Mein Gott, mich dünkt, mein Ehrgeiz ist so geschwunden, meine Erwartungen sind so herabgedrückt, daß es auch ein Almosen ist, was mich jetzt glücklich machen kann. Will ich denn noch Feldherr, General werden; hoff' ich noch mit eingelegter Lanze in Feindes Heer zu sprengen und ein gekröntes Haupt aus dem Sattel zu werfen? Nichts von alledem. Nur einen gnädigen Blick, nur ein Wörtchen der Anerkennung, nur ein Zeugnis: ›Er hat seine Schuldigkeit getan.‹ Sollte ich abtreten, nachdem er mich ein Jahr in Spandau sitzen ließ? Nein, nimmermehr; ein solcher Mann, der mit dem Zeugnis seiner Schande die Armee verließe, wäre meiner Eugenie nicht wert. Ich habe auch ein Ziel – einen Abschied mit Ehren!«

»O ihr klugen, klugen, beständigen Männer! Ist das nun nicht Eigensinn, wenn man sich selbst das Zeugnis geben kann, wenn alle gescheiten Leute es dir geben, darauf zu bestehen, daß gerade ein gewisses eigensinniges Individuum es ausspricht?«

»Dies Individuum ist mein König.«

»Ob es dein eingeborener ist, ist noch sehr zweifelhaft.«

»Es ist der König, dem ich Treue schwor.«

»Die schworst du auch der schönen kaiserlichen Maria Theresia.«

»Wohlan, es ist der König, zu dessen Fahnen ich eilte, als er noch im Glücke war, soll ich jetzt den König verlassen, der viel, viel unglücklicher ist als ich? Genügt dir das?«

Eugenie schwieg eine Weile. »Ich muß wohl zufrieden sein und will beten, daß er endlich einmal dein Recht dir widerfahren läßt, damit du ihn ohne Unrecht verlassen kannst.«

Etienne lächelte, ihre Hand an seine Lippen drückend: »Von Recht ist hier nicht die Rede. Habe ich ein Recht auf seine Gunst? Womit erwarb ich das? Ich habe ein Recht auf das Traktament, das er mir jeden Monat prompt auszahlt, ein Recht, daß, wenn ich etwas begangen, er mich vor ein Gericht stellt. Das tut er mir. Seine Gunst ist Gnade; wer erwirbt ein Recht auf Gnade?«

»Bist du katholisch?« fuhr Eugenie auf.

»Du weißt, wie die Briefe meiner seligen Mutter mich gegen alle Versuche schützten, die man anstellte. Der Gnade brauchen wir alle.«

» Alle« – fiel Eugenie träumerisch ein. – »Vergib,« sagte sie dann, »mich verfolgt da eine Erinnerung an ein Märchen, das einer unten erzählte, es kam soviel von Gnade darin vor. Ich konnte dich und die Vorstellung davon gar nicht zusammenbringen, und nun sprichst du's selbst aus. Armer, armer Freund! Auf Gnade ist deine Hoffnung gestellt, die kühne Siegerstraße, auf der du so frisch und kraftvoll, mit solchem kecken Jugenddünkel am Morgen austrabtest und das Ziel nicht weiter dachtest, als daß du's mit der Hand ergreifen würdest, die sichere Straße läuft nun in Wolkenstege aus. Du trittst nicht fest, du weißt nicht wohin, du horchst, wo sie dich rufen und du wartest – auf – Gnade. Ist Gnade kein Lottolos?«

»Nenne es lieber ein Wunder.«

»Also hoffst du auf Wunder?«

Etienne blickte wehmütig lächelnd vor sich nieder. »Hofft der große Mann, auf dessen Gnade ich warte, auf etwas Besseres? Im Grunde, Eugenie, ist all unser Hoffen nicht fester gestellt. Jeder Soldat, hofft er nicht auf Wunder, denn welche Bravour, welche Taktik gaben ihm ein Recht zu hoffen, daß die Kugel ihn nicht trifft? Es geht weiter so. – Gottliebs Pudel da, als er der Lieblingshund des Bataillons war, mochte noch so viel Sprünge machen, Purzelbäume schießen und apportieren, wenn die Musketiere müde, hungrig, verdrießlich waren, bekam er Fußtritte und Schläge, und wenn er nichts getan, wodurch er ihre Gunst hatte erwerben können, warf man ihm Fleisch und Markknochen hin. Jeder arme Teufel in meiner Schwadron, hängt er nicht auch von meiner Laune ab? Wenn sie rosenrot war, wenn ein Brief von dir mich erfreut, da war ich so nachsichtig gegen kleine Vergehen, und derselbe Mensch mochte zu anderen Zeiten sich wochenlang in pünktlicher Diensttreue abgearbeitet haben, alles in der Absicht, sich Ansprüche auf eine kleine unbedeutende Gunst zu erwerben. Nun kommt der Augenblick, er will einen Urlaub haben, um hinüberzureiten zu einem Mädchen, dem er gut ist, aber er bittet mich darum im Moment, wo mir der Urlaub zu dir abgeschlagen worden, hältst du mich für so heroisch, daß ich ihm in die Arme fiel und sagte: Gehe, mein Freund, ich nehm's auf meine Verantwortung, wenn wir marschieren und du fehlst?«

»Ach der arme Husar!«

»Mein Glück hängt von Friedrichs Laune ab, und Friedrich von der Laune des Glücks. Wer hat nun mehr Aussicht?«

»Ihm verweigert doch niemand den Urlaub?«

»Ist das dein Ernst, Eugenie?«

»Ich will nichts von Friedrich wissen, wenn ich mit dir zusammen bin. – Erzähle mir lieber von deiner Aventüre, die dich hierherbrachte, und die hoffentlich glücklich ausfiel. Der General ist zufrieden.«

»Er muß es wohl sein. Die Sache ist so einfach, aber der König spielt doch darin eine Hauptrolle.«

»Wenn er nur zufrieden ist, wenn du ihm nur einen großen Dienst geleistet hast, wenn er nun nur endlich einsehen muß, welch ein Verdienst du um ihn hast.«

»Ach, da tritt wieder das Verdienst in den Hintergrund, und ein Zufall, ein halbes Wunder, obgleich an sich nicht sehr interessant, gibt den Ausschlag. – Bei einem schnellen Rückmarsche war eine nicht unbedeutende Kriegskasse zurückgeblieben. Man hatte sie in einen Sumpf versteckt, in der Hoffnung, wieder vor Ende der Kampagne die Gegend dort an der böhmischen Grenze zu besetzen. Dies geschah nicht, unsere Winterkantonierungen erstreckten sich nicht so weit. Indes lag der Ort nicht unerreichbar weit von unserer Linie, man erfuhr, daß die Sache nicht verraten worden, die feindlichen Posten hier nicht besonders stark waren, und dem König war an der Herbeischaffung sehr viel gelegen. Der General, mein wahrer Freund, beratschlagte mit mir, ob der Versuch zu wagen. Ich kannte das Terrain von früher, es war nur mit List, nicht mit offener Gewalt zu agieren, aber das abscheuliche Wetter begünstigte das Wagestück. Soll ich nun meiner Eugenie wie meinem General einen militärischen Rapport abstatten, wie ich mit einer Schwadron verschlagener Leute bei Nachtzeit und Schneegestöber mich in Feindesterrain schlich, wie wir in abgelegenen Orten übernachteten, durch Schluchten, Heiden, Wälder ritten, und endlich den Schatz fanden und hoben. Ich hoffe, du erlässest mir die Details. Es gelang meiner Vorsicht, dem Feinde jede Witterung abzuschneiden; erst auf dem Rückwege –«

»O pfui!« unterbrach ihn Eugenie, »das alles um einen Geldkasten! Um eines Königs Leben, um seines Freundes Leben, laß ich es gelten, aber um einen alten vergessenen Geldkasten sein Leben aufs Spiel setzen, das hättest du mir nicht antun sollen. Konnte man dir das kommandieren?«

»Und wenn man es hätte?«

»Nein, man hat es nicht. Man hat es dir so gestellt, dich darauf begierig gemacht, und am Ende hast du dich selbst dazu gedrängt, um – pfui!«

»Um meinen Vater zu finden,« fiel lächelnd Etienne ein. »Du siehst, das Schicksal will mich durchaus einmal vermittelst Wunder erziehen. Dieser seltsame Mann hatte mitten in seinen chimärischen Entwürfen durch irgend einen Zufall von der versteckten Kasse etwas erfahren. Ich glaube aus einem Briefe des Lord Keith, des Bruders unseres gefallenen Feldmarschalls – er war mit dieser Stuartschen Familie in Schottland in Verbindung gekommen. Es war nur nebenbei hingeworfen, Gott weiß in welchem Zusammenhange. Aber der Phantast, der in Britannien gegen das Haus Braunschweig auf seine Art intrigiert, um Friedrich einen mächtigen Freund ohnmächtig zu machen, läßt sogleich die weitfliegenden Pläne im Stich und kehrt nach Deutschland zurück, um mit Aufwand von Geld und allem seinen Scharfsinn einen – vergessenen ›Geldkasten‹, der Friedrich einmal gehört, aufzustöbern! Es war ihm auch gelungen, als er wittert, daß ihm jemand zuvor oder doch zugleich angekommen. Er macht hastig Anzeige beim nächsten kommandierenden General und treibt sich nun in der Nähe des Ortes ängstlich wie ein Drache umher, der über dem Orte schwebt, daß niemand ihn hebe. In einem kläglichen wendischen Heidekrug treffen wir uns über Nacht; er hält uns für die requirierten kaiserlichen Husaren, als er mit Entsetzen Preußen erkennt. Größer war sein Schreck, als er mich erblickt und inne wird, daß er gegen seinen Sohn operiert hat. Allein mit der schnellen Entschlossenheit, die ihn auszeichnet, weiß er im Augenblick was zu tun, und wie er früher alles daran gesetzt, die Kasse den Österreichern in die Hände zu spielen, bietet er nun seinen ganzen Scharfblick auf, uns, und natürlich unseren Fang mit – denn ich hatte ihm erklärt, mich unter keiner Bedingung davon zu trennen – glücklich über die Grenze zu schaffen. Er leitet die kaiserlichen Husaren durch falsche Botschaften irre, uns auf Wege und Stege, wo wir keine treffen, und es gelingt uns, glücklich bis dicht an die Grenze zu kommen, wo wir erst ein kleines Gefecht zu bestehen hatten, welches indes ganz zu unserem Vorteil ausschlug, da man von unserer Seite uns zu rechter Zeit zu Hilfe kam. Ich vermute, daß wir auch sie meinem Vater verdanken, der uns aus dem Gesicht verschwunden war.«

»Hast du keinen Argwohn, daß mein Vater seine Hand im Spiele hatte?« fragte Eugenie.

»Weshalb argwöhnen, Teure. Die Sache ist vorüber, das preußische Geld in Sicherheit, ich lebe und bin hier, du bist außer Sorge und ich glaube zufrieden, und wir beide –«

»Sind noch nicht verheiratet,« sprach eine dritte, Amelie, die, noch blaß von gestern, unbemerkt ein- und zwischen beide getreten war. »Noch nicht am Rande,« wiederholte sie, ihre Hände haltend, »aber auf euren Gesichtern steht's geschrieben, es wird nun nicht lange mehr dauern. Gott sei Dank, es ist auch Zeit. Amen, Amen, Kinder.«

Sie gab beider Hände ineinander. »Ach und doch,« fuhr sie fort, »wenn es nun geschehen ist, was ist denn dann geschehen? O, seht mich nicht so erstaunt, so grimmig, so verächtlich an, als wenn ich nicht imstande wäre, mich bis zur Höhe eurer Gefühle zu schwingen. Ich koste ganz mit von eurer Seligkeit, ich begreife, daß es süß schmeckt, ach, Kinder, wenn aber nur nicht der bittere Nachgeschmack kommt. – Stille, stille, Herr Husarenleutnant, Frauenzimmer fordert man nicht. Seht, meine Teuren, mir kommt es vor, als paßtet ihr nicht zueinander.«

»Das ist doch zu arg,« unterbrach Eugenie.

»Ja, ich bin sogar dessen gewiß.«

»Das fordert Rechenschaft.«

»Die ich gleich zu geben bereit bin. Was ist die Ehe anders, als daß der Mensch die Mängel der Natur korrigiert. Nicht das Gleichartige, sondern das Ungleichartige gehört zusammen, damit es ein Ganzes wird. Das ist ein Satz, so alt wie die Welt selbst, und ihr seid keineswegs so etwas Verschiedenartiges, was sich ausgleichen könnte, vielmehr seid ihr beide in allen Qualitäten des Lebens so ziemlich egal. Beide seid ihr hübsch, einige sagen sogar schön, was ich aber nicht nachsprechen will, da doch eine Dame das nicht einem Offizier ins Gesicht sagen kann, beide schlank, hochgewachsen, beide mutig, phantastisch, nervös reizbar, beide vornehmer Herkunft, beide reich – beide habt ihr, daß Gott erbarm, so ziemlich denselben Geschmack und habt euch durch eine so hübsche Reihe von Jahren, ich möchte sagen schlafend und wachend, krank und gesund, vor der Mahlzeit und nach Essens, bei liebenswürdiger und bei verdrießlicher Laune kennen gelernt. Ihr habt euch ausgesprochen. Keines kann mehr was Neues vom anderen erfahren – ach, Kinder, sagt mir nur in aller Welt, was werdet ihr denn voneinander haben, wenn ihr verheiratet seid! Da seht ihr euch süßlächelnd an und steht mit verschlungenen Armen und eure Blicke sagen, was für eine Törin ich sei! O, ich trau es euch zu, ihr werdet euch treu sein, ihr werdet euch quälen, auch noch nach zwanzig Jahren Verheiratung verliebt ineinander zu scheinen, daß ihr ins Gerede kommen werdet! Darum braucht ihr euch nicht zu kümmern, aber werdet ihr denn glücklich sein? Ach, wenn nur einer von euch ein bißchen sündhaft wäre, daß einmal Aussicht wäre auf etwas Schuld und Buße, auf Tränen, die, so schlecht sie sind, doch etwas Salz in ein solches Leben bringen. Aber nein, zum Übermaß eurer Vollkommenheiten seid ihr durchaus disponiert, ganz tugendhaft zu werden, und eure Ehe verspricht eine unermeßliche Langeweile. Kinder, vergebt mir, wenn mich die Ahnung davon traurig stimmt, zumal wenn ich bedenke, wie schöne Anlagen in euch untergingen. Doch sei es; seinem Schicksal entgeht niemand, und wenn es einmal in euren Sternen geschrieben steht, so ertragt auch das Unerträgliche mit Geduld und die Langeweile mit Anstand.«


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