Abraham a Sancta Clara
Fabeln und Parabeln
Abraham a Sancta Clara

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Sonne und Frösche

Die Sonn, dieses strahlende Himmelslicht, hat sich auf eine Zeit gänzlich entschlossen zu heiraten. Nachdem auch bereits das Versprechen und Verlobung vorbeigegangen, da wurden alle gehörigen Anstalten gemacht zu einer prächtigen Hochzeit in Ansehung und Anbetracht dessen, daß dieser Planet der Fürst aller gesamten Himmelsgestirn ist; es sind dahero die Ladschreiben geschickt worden an alle lebendigen Geschöpf der Erden, zumalen diese allesamt der sonnenreichen Gnaden und Freigebigkeit genießen. Wie unter andern die jungen Frösch vernommen, daß sie zur Hochzeit und dem herrlichen Ehrenfest der Sonn seien eingeladen worden, da waren sie voller Freuden und Frohlocken; sie kunnten kaum Tag und Zeit erwarten. »Allegro!« sprachen sie untereinander; »da werden wir lustig sein, da werden wir ein gutes Mütl haben. Mutter, du mußt uns neue grüne Hosen machen lassen. Da wollen wir tanzen, daß sie sich alle darüber verwundern werden; denn wir hupfen ohnedas gern. Lustig, allegro!« – »O, ihr Fratzen!« sprach der alte Frosch, als ihre Mutter zu ihnen; »es ist wohl Schein und klar, daß der Verstand nit vor der Zeit komme: ihr denkt nit soweit hinaus, was für Übel solche Heurat inskünftig nach sich ziehe! Ihr sollt in dem Fall mehrer weinen als lachen. Gedenkt nur, daß bishero nur eine Sonn am Himmel gewesen und diese manchen Sommer die Strahlen also hitzig von sich geworfen, daß die mehrsten Lachen, worin wir arme Frosch uns aufhalten, hiervon ausgetrücknet sind. Was wird erst geschehn, wenn die Sonn heuratet und folgsam (in der Folge) durch solchen Ehestand mehr Sonnen herfürkommen?«

Es ist zwar dies ein Poetengedicht und will sich nit wohl schicken unter die hl. Schrift, die öfters in meiner Verfassung und Schrift zitiert und angeführt wird; allein es zeigt doch die gründliche und unverfälschte Wahrheit, gleichwie aus dem schlechten Eselskinnbacken des Samsons ein klarer Brunnquell geflossen. So hat auch ein Rab, sonst ein unwerter Galgenvogel, dem Elias ein Brot gebracht; also kann ebenfalls eine poetische Fabel eine Unterweisung leisten . . . Wir Menschen sind mehrmal nit anders beschaffen und tun oft unbesonnenerweis etwas reden oder anfangen, was wir mit rechter Bedachtsamkeit nit wohl vorher erwägen.

 


 


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