Abraham a Sancta Clara
Fabeln und Parabeln
Abraham a Sancta Clara

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Was der Bär dem Jäger ins Ohr geraunt

Ein sonst über alle Maßen guter, ja vortrefflicher Schütz, dazumal aber mittellos, begehrte von seinem Bekannten ein Geld zu leihen; dafür wollte er ihm eine gute Bärenhaut spendieren, was ihm der gute Freund gar nit abgeschlagen, sondern ohne Verzug das verlangte Geld eingehändigt, fragte aber anbei, wo denn die Bärenhaut sei. »Ich«, gab er zur Antwort, »geh jetzt gleich in den nächsten Wald hinaus, und den ersten Bären, so ich werde antreffen, schieß ich für dich nieder. Bruder, willst den Gespaß sehn, so geh mit mir« – was der ander gar nit geweigert. Indem sie nun eine ziemliche Zeit harte Berg und Bühel, dicke Gehölz und Hecken durchsteigen, da erblicken sie einen Bären von einer ungeheuren Größe, wessenthalben der gute Schütz die Gelegenheit nit wollt versäumen, sondern hat gar genau angetragen und stattlich losgebrannt, – aber übel getroffen. Der Kamerad war dazumal schon auf einem Baum und wollt von dannen, ganz sicher, solcher Bärenjagd zuschauen. Das ohnedem wilde Tier wurde durch den Schuß ganz ergrimmt, ist dahero mit großer Furi auf den unglückseligen Schützen zugeloffen. Der aber in solcher höchsten Not hat sich des bekannten Vorteils bedient, sich alsbald zur Erden niedergeworfen, den Atem nach Möglichkeit an sich gezogen und einen freiwilligen Toten abgegeben, d. h. gespielt. Der Bär, nit ohne sondern Grimm, beschnarcht den Gesellen über und über und meistens um den Kopf herum. Nachdem er aber kein Leben vermerkt, ist er, zumalen dergleichen Tier den Toten nit schaden, wieder, ohne Verletzung des Daliegenden, darvongegangen und hat sich in die weitre Wildnis begeben, damit er von fernerm Unglück sich versichre. Nach dieser ausgestandnen äußersten Gefahr erhebt sich der halbtote arme Tropf wieder in die Höh und erholt die vor Furcht fast ausgegangnen Lebensgeister. Der auf dem Baum salvierte Compagno macht sich auch herunter, fragt aber schimpfweis (zum Spaß) den Schützen, seinen Kameraden, was ihm doch der Bär ins Ohr gesagt; denn er habe gar aufmerksam dem saubern Bärentanz zugeschaut. »Mir«, antwortet solcher, »hat er ganz still in die Ohren gesagt: ich solle hinfüran keine Bärenhaut mehr versprechen, die ich noch nit gewiß und sicher hätte.«

Einem jeden, der seine Umkehr und Bekehrung von einem Morgen in den andern verschiebt, sag ich nit allein in die Ohren, sondern ich red ihm gar zu Herzen, er solle doch, um Gottes willen, über eine solche Zeit nit disponieren, die gar nit in seiner Gewalt ist, weil die jetzt kommende Viertelstund, da ich dies schreibe, mir nit zugehörig und es sein kann, daß, ehe und bevor sie verfließt, mir zuvor Gott den Lebensfaden abschneidet.

 


 


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