Abraham a Sancta Clara
Fabeln und Parabeln
Abraham a Sancta Clara

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Die Mücke im Notenheft

Man sagt von einem Kapellmeister, der hohen Alters halber gar ein schwaches und blödes Gesicht hatte, dessenthalben stets seine Nase mit einem Paar Venetianischer Brillen, als einem gläsernen Sattel, versehen mußte, daß er zu einer Zeit in der Kirche vorgesungen; und als eine Mucken im Gesangbuch oberhalb der schwarzen Linien gesessen, glaubte er gänzlich, dies sei eine musikalische Note, wessenthalben er seine Stimm erschrecklich erhebt und jämmerlich aufgeschrien wie die Wolf, wenn sie den Vollmond ansingen. Darauf sind auch alsobald die Kapellknaben nachgefolgt und haben eine so unförmliche Musik gemacht, daß den Leuten schier das Gehör verfallen. Wer war daran schuldig? Der Chorregent und Kapellmeister!

Im Haus sind Vater und Mutter; wenn nun diese schlimm singen, so tun die Kinder desgleichen: wenn der Vater eine unflätige Sprach redet . . ., wenn er nit einen Propheten, wie der Walfisch des Jonas, sondern einen solchen Poeten auswirft, der ganz ungereimte Reim eines nasenwitzigen Naso Ovidius vortragt, so ist kein Wunder, daß nachmals einen gleichen Tripel die Kinder intonieren. Wenn Vater und Mutter in Gegenwart der Kinder solch freche Gebärden zeigen wie jene alten Tauber zu Babylon im Lustgarten der Susanna, so fallen solche Funken ins Heu und Streu der Kinder und zünden an, was ohnedem gern brinnt. Aber wehe solchen Eltern, durch die Ärgernis kommt!

 


 


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