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Die alten Häuser von K.


Es ist eine schöne Sache um die freundlichen Vorstädte, die sich während der langen Friedensjahre um unsere alten Städte und Städtchen herum angesiedelt haben, friedliche Vorposten, die uns sagen, es sei gerade nicht mehr schlimm gemeint mit den finstern Resten von hohen Stadtmauern und festen Thürmen, die noch aus der alten Zeit herüber schauen. – Und doch geht mir erst das Herz auf, wenn ich in den Kern einer alten Stadt eindringe, wo die geschwärzten hohen Häuser mit Resten von abenteuerlichen Bildern und Inschriften, mit Thürmchen und Erkern recht mährchenhaft auf die neue Welt herunter schauen.

So ein neues, hellangestrichenes Haus, mit Dutzenden nach Einem Modell gebaut, mit luftigen, freundlichen Räumen, mit schmalem Flur und gewundener Treppe, in dem jedes Eckchen Raum ausgezirkelt ist, daß ja keines müßig stehe, ein Haus, dessen eigener Besitzer sich in die kleinsten Ecken zusammenkauert, dessen regelmäßige Zimmer einen Miethbewohner nach dem andern gleichgültig sich ansiedeln und wieder ziehen sehen, was kann es von einem frühem Bewohner anders sagen, als: »er lebte, nahm ein Weib und starb?«

Tretet dagegen ein in den weiten, dunkeln Flur eines alten Hauses, wo da und dort noch geschwärzte Bilder hängen, von denen Niemand weiß, woher sie kommen und wie lange sie da sind, schreitet die breiten Stiegen hinauf in die getäfelten Gemächer, die durch seltsame Treppchen und Gänge getrennt und verbunden sind, und besetzt euch die zahlreichen Kammern und die heimlichen Dachböden, in deren Winkeln noch Trümmer aus uralten Zeiten verborgen stecken. Nun sagt, ob nicht jedes solche Haus auch eine eigene wundersame Geschichte erzählt, und ob es nicht den Stempel eines bestimmten Geschlechts an sich trägt? – Freilich, wenn dieses untergegangen ist, werden neue, gleichgültige Bewohner von den alten Räumen nur mit schelem Auge angesehen, so daß sich jene nie recht heimisch darin fühlen und allerlei Spuk verspüren: Pantoffeln, die Nachts durch die Zimmer schlürfen, nächtliches Thürklopfen, Kettenrasseln, wenn nicht gar unsichtbare Ohrfeigen, und was sonst noch zum Treiben der Gespenster gehört. – Bewohnen möcht' ich deßhalb ein solches Haus just nicht, aber einsam es durchstreifen oder darin spielen, wenn ich noch ein Kind wäre. Welch herrliche Tummelplätze zum Haschen, welch köstliche Eckchen zum Verstecken, welch trauliche Nestchen zum Puppenspiel und Erzählen! Was ist dagegen für Kinder ein modernes Logis, wo überall Parkette sind, auf die man nicht treten, Sopha's, auf die man nicht sitzen, aufgeräumte Plätze, wo man keine Unordnung machen soll!

Aber Eine Gattung alter Häuser gibt es, denen es ganz wohl und behaglich zu sein scheint, daß ein neues lebendiges Menschengeschlecht in sie eingezogen ist: das sind die ehemaligen Klöster. Wie fröhlich sonnen sich die altersgrauen Mauern, von der thurmhohen Umschließung befreit, wie lustig wiederhallen die Wände des Refektoriums von den Tritten spielender Kinder, wie freundlich duften die Blumen im Klostergärtchen jungen, helläugigen Mädchen entgegen. Sie möchten ihnen wohl sagen, daß ihre Ahnfräulein (wenn Blumen Ahnen zählen) dereinst nur von alten knöchernen Fingern gepflückt worden, oder von bleichen, jungen Händen, die nun und nimmer ein leuchtender Trauring schmücken durfte.

Von all den Häusern in K. ist es nun das Kloster, in das ich den Leser zuerst einführen möchte. Ich weiß keine Klostergeschichte davon zu erzählen, weder à la Sigwart, noch à la Hartmann; ich möchte nur einige der Gestalten vorüberführen, die in neuern Tagen durch das alte Gebäude gegangen sind.


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