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Zum Geleit

Manchmal, wenn ich vorlese, in großen Städten und besonders in fremden Ländern, widerfährt es mir, daß ich den Gang entlangblicke, der von meinem Pult zwischen den Menschen an das Ende des Saales läuft. Und dann wird er plötzlich vor meinen Augen immer länger, so wie eine endlose Straße, die zwischen dunklen Büschen bis an den Rand der Erde läuft. Und dort hinten, wo die Ränder schon zusammenfließen, sehe ich mich dann stehen, wie ich einmal war: ein Kind, barfuß, den Hirtenstab in der Hand, das mit seiner Herde auszieht, um seine Welt zu erobern.

Dann sehen wir einander an, Anfang und Ende einer Brücke, und mit einemmal kann ich mein ganzes Leben in diesem Bild umfassen. Dann schwelge ich einen Augenblick lang, mit einem leisen Erschrecken, und es wird mir alles bewußt, was ich sonst nicht weiß: der ungeheure Abstand, der uns von unsrem Anfang trennt.

In solchen Augenblicken habe ich dies Buch wohl begonnen, lange bevor ich es zu schreiben begann. In der Demut also und in einer leisen Angst, es könnte dies Kind wieder verschwinden am Ende jenes Weges und niemals mehr würde ich es wiedersehen.

Aber nun ist es da. Ich habe es beschworen, aus Lebenden und Toten, mit einem stillen und heiteren Zauber, vor dem Ofenfeuer am Abend, wenn die Flamme um das Holz spielt und der Wind im Schornstein klagt.

Zwar weiß ich nicht, wen es angehen wird außer mir. Ich habe ein Gewebe gesponnen und breite es aus. Ich sitze an der Straße, und alle können es sehen. Und wer stehenbleibt und sich niederbeugt, wird vielleicht erkennen können, gleich mir, was Gott geplant hat mit der Mühe und Arbeit einer Menschenhand.

Ambach am Starnberger See,
im Januar 1936


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