Wilhelm Walloth
Das Schatzhaus des Königs
Wilhelm Walloth

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Zweites Kapitel.

Einige Tage später lag Rebekka auf ihrem Ruhebett; der Tisch trug noch die Überreste eines Mahles – halbgeleerte Geschirre, vergossenen Wein. Das Fenster war geschlossen, träumerische Stille ringsum. Der König hatte sie eben erst verlassen; Müdigkeit senkte sich schwer auf ihre Augenlider herab, kaum vermochte sie den nahenden Schlaf mehr zu verbannen. Sie sah die verlöschende Lampe nur noch wie durch einen Schleier aufzucken, die bunten Ornamente an der Wand verschwammen vor ihren halbgeschlossenen Augen zu schwebenden Schatten, es fehlte nur noch eine halbe Sekunde, so versank ihr Geist völlig in jenem angenehmen Tod, den wir Schlaf nennen. Eben stellte sie noch eine letzte, ihr kaum mehr bewußte Betrachtung über den roten Isiskopf an, der mit schlauem Lächeln vom Getäfel zu ihr herübersah, schon begann der Isiskopf zu nicken, die Augen zu verdrehen, so daß sie fühlte, wie sich jetzt ein bizarrer Traum von verrückt gewordenen, Grimassen schneidenden Göttern ihres Geistes bemächtigen wollte, da – war das Traum oder Wirklichkeit? Da schien es ihr, als ob sich die Wand samt dem Isiskopfe leise bewege, zurückschob, und schließlich eine Öffnung bloßlegte. Noch war sie geneigt, auch dieses Bild für die Vorspielungen eines Traumes zu halten, als in dieser freigewordenen, schwarzen Öffnung ein Mann auftauchte, eintrat, die Wand nieder schloß und dicht bis vor ihr Lager schlich. Nun raffte sie sich aus ihrer Schlaftrunkenheit empor. Einen Schrei ausstoßend, sprang sie auf – die Gestalt zerfloß nicht in der Luft, sie war kein Gebilde entfesselter Phantasie. »Was willst du? Wer bist du?« keuchte die zum Tod Erschrockene.

»Wie, hast du mich schon vergessen, kleines Kätzchen?« sagte die Gestalt. »Und bin ich es doch, der dich hier an den Hof brachte, dein Glück gründete.«

Jetzt erkannte Rebekka den Eindringling; er war es, der sie in Memphis dem König vorgeführt, der sie als Werkzeug benutzt, den Monarchen zu umgarnen.

»Du – Psenophis – der Oberpriester?« frug sie. »Ach! Du hast mich sehr erschreckt! Was willst du von mir in so später Nachtstunde? Du gehst geheimnisvolle Wege, wie es scheint.«

»Ja, mein Kind,« lächelte er. »Wir müssen unsere Zuflucht zu seltsamen Mitteln nehmen, wenn wir unseren Zweck erreichen wollen. Jetzt laß uns aber von der bewußten Angelegenheit sprechen. Du erinnerst dich ja noch, unter welcher Bedingung ich dich hierher beschied, ich dein Glück förderte.«

»Bedingungen?« frug Rebekka.

»Ja! Ja! Ei! schon vergessen,« gab Psenophis schlau-freundlich zurück, ihre Wangen streichelnd. »Gutes Mäuschen! versprachst du mir nicht, zu unseren Diensten zu stehen, wenn ich dich von Memphis nach Theben befördere? Du hast nun mit meiner Hilfe erreicht, was du innig wünschtest. Ein Dienst ist des anderen wert, ich fordere nun den deinigen; jetzt zeige, daß du dankbar bist. Habe ich dir nicht zwei kostbare Armbänder auf unseres Prinzen Befehl geschenkt, damit du – nun, fällt es dir ein –?«

»O Gott! o Gott!« stöhnte Rebekka dumpf, ihre Hand an die erblassende Stirne drückend, »ich dachte nie daran, daß ihr es ernst meintet – ich gab dir mein Versprechen im Wahn, im Traum.«

»Nicht wahr, jetzt besinnst du dich?« sagte er mit dem liebenswürdigen Ton eines gutmütigen Liebhabers. »Nun sage, wie weit bist du mit ihm! Wann wird's geschehen?«

»Du kommst also, mich zu mahnen?«

»So ist's! Ich wollte fragen – wann das Pulver –« er brach ab und deutete mit nicht mißzuverstehendem Augenwink in einen der auf dem Tisch stehenden Becher.

Rebekka schlug die Hände zusammen und drückte sie auf die Brust, starr vor sich niederblickend.

»Nun?« lächelte der Priester mit verliebter Geziertheit, »wir, deine Freunde, warten sehnlichst auf diesen Moment. Es könnte bereits geschehen sein. Du hast alle Tage Gelegenheit. Eben erst aß er bei dir, vielleicht hättest du das Pulver unter seinen Wein mischen können. Hast du's nicht getan? Wie? Schade! Oder hast du vielleicht –«

»Ich habe das Pulver verloren,« stammelte Rebekka.

»Ist es nur das?« sagte er, »da ist leicht zu helfen. Hier ein neues.«

Er legte ein Schächtelchen vor ihr nieder, das, als er es öffnete, schwarze Körner zeigte.

»Diese,« fuhr er lachend fort, »in den Wein gegeben, befördern den Schlaf in auffallender Weise. Dem Schläfer wird so wohl dabei, daß er es für unnötig findet, wieder zu erwachen. Ha! Ha! schlaue Pulver. Treffliches Heilmittel gegen Zahnschmerzen. Aber sage, warum besuchst du unsere Zusammenkünfte nicht mehr, wir haben viele neue Pläne ersonnen. Der äthiopische Königssohn verlangt sehr nach dir. Stellst du dich nur halbwegs klug, so heiratet er dich.«

Es folgte eine Pause; Rebekka starrte das vor ihr liegende Schächtelchen mit wilden Blicken an; der Priester wartete auf eine Antwort. Endlich stieß die Jüdin das Schächtelchen weit von sich.

»Nun, was soll das?« frug Psenophis.

»Nimm es wieder,« sagte sie entschieden.

»Wie? verstehe ich dich recht – Du weigerst dich.«

»Ich weigere mich, länger euer Werkzeug zu sein,« entgegnete ihm die Jüdin mit blitzenden Augen. »Als du mich hierher beriefst, mich in die Geheimnisse eurer Verschwörung einweihtest, da kannte ich noch nicht den, gegen den ihr eure Dolche richtetet, Ramses, meinen guten Herrn. Jetzt, da ich ihn kenne, will ich mit euch nichts weiter zu tun haben, ich sage mich los von euch und euern tückischen meuchlerischen Plänen! Verlasse mich! und rede mir nie wieder von einem Bündnis zwischen euch und mir!«

»Unkluge Dirne,« lispelte Psenophis mit kaum unterdrückter Wut, »so willst du uns hintergehen! Glaubst, man könne sich in eine Verschwörung einlassen und dann sich zu jeder Zeit wieder daraus entfernen? Wer einmal Gift genommen, muß es bis an sein Ende fortnehmen, wenn er sich das Leben erhalten will. Du bist an uns gefesselt mit eisernen Banden, und zerreißest du diese, so zerreißest du deinen Lebensfaden.«

»Gut denn!« rief Rebekka erregt aufspringend, »setzt euer Werk in Gang! Tötet mich! Ihr könnt es vielleicht! Ich habe den König lieben gelernt, ich liebe ihn heiß, innig, ich schütze sein Leben, suche es ihm zu bewahren, nicht aber es zu zerstören. Du magst mir drohen mit was du willst, nicht kannst du mich zwingen, meines Gebieters heiliges Leben anzutasten.«

»Und wenn ich dir sage, daß du den Tod erleiden wirst, ehe die Sonne zweimal aufgeht, wenn du uns feindlich gegenüber trittst – unsere Leute sind gewandt –«

»Versucht es, mich zu töten,« versetzte das Mädchen, »ich werde eure ganze Bande augenblicklich dem König verraten! Ich reiße den geheimnisvollen Schleier von euch weg, der euch bisher bedeckte, kenne ich euch doch alle mit Namen – kenne ich doch euern Versammlungsort. Der König soll erfahren, welche treue Diener er ernährt, ja es ist meine Pflicht, ihm die Augen zu öffnen.«

»So, so! das also beabsichtigst du?«

»Ja, und auf der Stelle!«

»Auf der Stelle?« gab ihr Psenophis lachend zurück. »Glaubst du dich dadurch gerettet? Hast du vergessen, daß ich nur ein Wort zu sagen brauche, um dich zu stürzen? Wer bist du? Eine arme Jüdin von zweifelhaftem Ruf. Wer bin ich? Ein angesehener Mann im Staate. Wem wird man mehr Glauben schenken, mir, wenn ich dich, oder dir, wenn du mich verklagst? Und kann ich dem König nicht sichere Beweise geben, daß du mit dem Plan umgingst, ihn zu vergiften? Sieh! ich nehme hier diese Schachtel, ich eile sogleich an das Lager des Königs, ich brauchte ihm – nicht wahr, du erbleichst? Und selbst, wenn der König dir mehr Glauben schenkte wie mir, glaubst du, wenn er uns straft, gingst du leer aus? Du, die du zu uns gehalten, bis zu diesem Augenblick? Kann er dir noch trauen? Trauen, wenn ihm aus deiner Hand der Tod gedroht? Verbannung ist die geringste Strafe, die dir von ihm wird; darum frage ich dich noch einmal: Bist du uns Freundin oder Feindin?«

Rebekka kämpfte einen heftigen inneren Kampf; es war ihr, als stieße sie eine Hand hinterrücks in einen Abgrund, während eine andere Hand sie gewaltsam von diesem Abgrund hinwegriß.

»Antwort!« rief der Priester.

Erschöpft sank die Jüdin auf ihr Lager zurück.

»Gehe!« hauchte ihre zitternde Lippe.

Psenophis entfernte sich durch die geheime Türe, der wie betäubt Dastehenden noch einen Zornblick zuschleudernd. Rebekka empfand die Wahrheit seiner Worte, aber sie war mit sich einig, der König mußte gerettet werden, sollte es auch ihr Untergang sein. Lange sann sie der Sache nach; jetzt verwünschte sie ihren unüberlegten Schritt, jetzt erst trat ihr die Zukunft und die Lage, in welche sie sich durch ihre Leichtfertigkeit verwickelt, mit erschreckender Deutlichkeit vor Augen. Die Worte, welche sie eben vernommen, rissen sie aus dem Phantasieleben, in dessen Wonnen sie sich bis dahin gewiegt, grausam in die nüchterne Wirklichkeit herab. Der schmeichelnde Psenophis wußte ihr das Leben am Hofe so blühend auszumalen, er versprach ihr die Hand hoher Beamten, er wußte den Abgrund, über welchen er sie führen wollte, so sauber zu übertünchen, er erregte ihre Genußsucht, er kitzelte ihre Eitelkeit und sie, das unachtsame Weib, ging in die Falle, ehe sie es bemerkt, hingen ihr die Stricke um die Glieder. Was war ihr eine Verschwörung? Ihr war sie nichts als eine kleine pikante Aufregung ohne schlimme Folgen, ein amüsantes Spiel, das man so neben Wichtigerem her betreibt; nun erst ward ihr klar, daß die Sache auch ihre ernste, sehr ernste Seite haben könne, daß die Wellen, die sie sich selbst erregt, nun über ihrem Haupte zusammenschlagen würden; sie hatte lachend an eine Felswand geblasen, ohne daran zu denken, daß die kleine Erschütterung die Felsmasse zum Niederstürzen bringen könne. In den Versammlungen der Verschwörer hatte sie oft das große Wort geführt, hatte mit ihrem Einfluß auf Ramses geprahlt, hatte Pläne ersonnen, die ihr Bewunderer erworben, und bewundert wollte sie sein, um das übrige kümmerte sie sich nicht. Und jetzt – was gäbe sie darum, wenn ihr Fuß nie den Ort betreten hätte, an welchem die Verräter ihre Anschläge schmiedeten. Wie konnte sie auch ahnen, sie, die leichtlebige Tänzerin, welcher die Liebe bisher ein Kinderspielzeug gewesen, daß ihr das Schicksal dieses Königs so nahe gehen würde! Welch tückischer Gott hatte ihr diese tiefe Leidenschaft ins bewegliche Herz gepflanzt? Jetzt erst empfand sie mit Heftigkeit, wie innig sie dem Herrscher zugetan war, wie er durch seine stille Würde ihr flackerndes Naturell gefesselt, sie gebessert habe, wie seine ernste Ruhe zum Teil auf sie übergegangen war. Sie hatte geglaubt, der Verschwörung sich dadurch entziehen zu können, daß sie vermied, mit den Teilnehmern in Berührung zu kommen, und nun umarmte sie die finstere Macht, der sie längst sich entronnen wähnte, umarmte sie die Tückische aufs neue und rief ihr zu: Du bist uns verfallen! Was sollte sie beginnen? Wie sich diesem Dämon entziehen? War es noch möglich, sich seinem geöffneten Rachen zu entreißen?

Ohne recht zu wissen, was sie in ihrer Betäubung tat, schlich sie sich auf den Zehen zum Schlafgemach des Monarchen, das unweit des ihren lag. Sie eilte durch die Nebengemächer, deren Steinböden mit schlafenden Kriegern bedeckt waren. Vorsichtig flog sie zwischen den Füßen und Armen der Schnarchenden hindurch, wie die Göttin des Traumes. Unbeobachtet gelangte sie in das Schlafgemach des Herrschers; da lag er im Purpurschein der Lampe auf den Polstern ausgestreckt, ruhig atmend, ein Bild männlicher Macht; sein kraftstrotzender Arm war herabgesunken; Majestät lagerte um ihn her, wie ein schlummernder Löwe. Sie betrachtete ihn mit Rührung, drückte hastig einen Kuß auf seine halbgeöffneten Lippen und eilte, wie von den Dämonen des Gewissens verfolgt, weiter. Zufällig kam sie an Menes' Schlafgemach vorüber. Diese Tür erschien ihr, als sie einige Augenblicke davor stehengeblieben, wie die Pforte zum Paradiese. Sie fühlte ihre Angst weichen, sie war erlöst, sie hatte es gefunden, was sie suchte, sie wußte nun, wem sie sich in ihrem Zweifel mitteilen durfte. Leise klopfte sie an. Sie hörte ein Sichrecken; Polster rauschten, das Gestell des Lagers knirschte. Nach einigen Augenblicken rief es: »Was soll's!« Ohne zu antworten, schlüpfte sie in das unverschlossene Gemach, wo sich Menes langsam von seinem Lager erhob, seinen Besuch eine Zeitlang schlaftrunken anstarrend.

»Rebekka,« sagte er matt.

»Höre mich an,« flüsterte sie, mit Mühe ihre Bewegung verbergend, »ich habe dir wichtige Mitteilungen zu machen, die Verschwörung gegen des Königs Leben betreffend.

Dies Wort gab dem Jüngling sogleich seine Frische wieder; er sprang auf, verschloß die Türe und setzte sich dann erwartungsvoll auf sein Lager. War ihm Rebekka auch verhaßt, er wußte, daß sein König sie liebe, das war für ihn Grund genug, um sie ehrerbietig zu behandeln; er bot ihr einen Sitz an und hieß sie reden. Rebekka ging mit sich zu Rate, ob sie ihm ihre ganze Verwicklung in diese Verräterei kundtun solle, doch nach einigem Überlegen schien ihr dies unratsam. Ihre Erfindungsgabe reichte ihr ein Mittel, sich selbst vor Entdeckung zu schützen, ohne jedoch Menes etwas zu verheimlichen, was zur Rettung des Königs beitragen könnte.

»Ich verlange erstlich von dir,« sagte sie, »daß du das, was ich dir nun mitteile, keinem Sterblichen anvertraust.«

Menes versprach es. Sodann spiegelte sie ihm vor, sie habe zufälligerweise ein Gespräch belauscht, das zwei ihr Unbekannte vor ihrer Tür geführt. So sei sie in Besitz eines Geheimnisses gekommen, welches für die Freunde des Königs von großem Nutzen sein könne, sie habe nämlich dadurch erfahren, wo sich allabendlich die Verschworenen versammelten.

Menes frug, begeistert von dem Gedanken, vielleicht seinem Herrn einen außerordentlichen Dienst leisten zu können, nach diesem Versammlungsort, und Rebekka beschrieb ihm denselben. Dieser Versammlungsort war die östliche Zelle des großen Amuntempels, zu dessen Verschönerung Ramses viel beigetragen. Sie konnte ihm den Weg nach dieser Zelle genau beschreiben, denn sie hatte dieselbe oft besucht, um an den Verhandlungen der Königsmörder teilzunehmen. Sie beschwor Menes, am nächsten Abend sich dorthin zu begeben, er würde gewiß in alle Pläne der Schändlichen eingeweiht, wenn es ihm gelänge, ihre Gespräche zu belauschen.

Menes ergriff im Taumel des Entzückens die Hände Rebekkas, drückte ihr seine Dankbarkeit lebhaft aus und versprach, am Abend dieses Tages sich nach der bezeichneten Stelle zu begeben. Der Morgen glomm bereits rot in das Zimmer, als sich Rebekka erleichterten Herzens erhob. Nun, sagte sie sich, wird das Schwert der Rache auf meine verruchten Verführer so rasch niedersausen, daß sie nicht Zeit haben, mich zuvor zu vernichten. Nochmals bat sie den Jüngling, dem Könige nicht eher Meldung von dieser Entdeckung zu geben, als bis er die Namen und Pläne dieser Abscheulichen kenne, dann aber möge er rasch und ohne Aufschub handeln. An der Türe blieb sie einen Augenblick sinnend stehen.

»Hast du mir noch Weiteres mitzuteilen?« frug Menes.

»Ich – nein –« sagte Rebekka, deren Auge sich umflorte.

»Deine Belohnung wird eine außerordentliche sein,« beteuerte der junge Mann, »du hast uns einen großen Dienst erwiesen.«

»Das meine ich nicht,« flüsterte Rebekka; »ich wollte dich eigentlich fragen, ob du Nachricht von Memphis hast.«

»Von Memphis? Ja!«

»Nun? Diese lautet?«

»Gut! Myrrah fühlt sich glücklich!«

»Wirklich?« sagte Rebekka gedehnt.

»Gewiß,« bestätigte Menes, dessen Augen zu leuchten begannen.

»Du solltest vorsichtig sein,« warf sie hin.

»Vorsichtig? Wie meinst du das?« frug er.

»Ich meine, deine Mutter – darfst du ihr trauen?«

»Warum fragst du so seltsam?«

»Ich weiß selbst nicht. Sende einen Boten nach Memphis, dies kann unmöglich schaden,« sagte die Jüdin mit einem Anflug von Hast.

»Unnötige Sorge,« lachte Menes vergnügt; »ich danke dir übrigens, daß du mein Verhältnis zu Myrrah meiner Mutter verraten, glaube nicht, ich zürne dir, du wolltest Böses stiften, aber die Götter wandelten es in Gutes um, du bist die Begründerin unseres Glückes.«

Über das Gesicht des Mädchens glitt eine schmerzliche Wolke. Sie schloß die Türe, aber vor derselben blieb sie noch einmal stehen.

»Ich muß es ihm sagen, dem guten Menschen, wie sein erhofftes Glück in Trümmer geschlagen wurde,« lispelte sie traurig. »Er dauert mich! Man hat ihn schändlich betrogen. Arme Myrrah! Armer Menes! Und meinen Bruder? . . . Pah! was liegt an ihm. Er ist feig und schlecht.«

Sie ging weiter durch die dunklen Hallen. Ihre Gedanken wurden immer trüber; sie fühlte, daß sie unter Umständen sich selbst das Messer in das Herz gedrückt hatte, indem sie sich dem Willen ihrer mörderischen Verführer entzogen, ihre Anschläge verraten. Ihr ward so leicht und doch so ernst ums Herz! Sie wollte lächeln und mußte weinen. Ein schwermütiger Friede durchhauchte ihre Seele.

»Was tut es,« murmelte sie, auf ihrem Zimmer angekommen, »lasse ich doch mein Leben für ihn, den König aller Könige, den Sohn der Sonne!«

Sie sank schluchzend auf ihr Lager nieder, sie verstand sich selbst nicht mehr, ihr ganzes früheres Leben ekelte sie an, sie hätte ihm entfliehen mögen.


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