Wilhelm Walloth
Das Schatzhaus des Königs
Wilhelm Walloth

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Dritter Teil

Erstes Kapitel

Menes erhielt einen Brief von seiner Mutter, worin ihm dieselbe erzählte, wie sehr sie Myrrah ins Herz geschlossen. Sie könne sich gar nicht mehr von ihr trennen, auch Myrrah schien sich ihr nähern zu wollen. Menes solle ausharren, wenn ihm das Mädchen treu bliebe (was bei Jüdinnen vorher zu sagen freilich unmöglich sei), dann wolle sie nach Kräften sein Glück befördern. Menes küßte diesen Brief tausendmal. Daß sie ihm treu bliebe, daran zweifelte er keinen Augenblick, aber auch auf meine Treue darf sie bauen, sagte er sich, und wenn mich alle Königstöchter der Welt liebten und mich zum König machen wollten. Hätte er geahnt, was sich während seiner Abwesenheit zu Hause zugetragen, er hätte diesen Brief nicht mit so inniger Zufriedenheit an die Lippen gedrückt und sich nicht so herzlich Glück gewünscht, das Mädchen im Schutze einer solchen Mutter zurückgelassen zu haben. Aber die Götter sitzen schweigend auf ihren Stühlen, die Sprache der Luft ist uns unverständlich, und den Schmerzensschrei des Unglücklichen trägt kein barmherziger Wind zum Ohre dessen, der ihn hören sollte.

* * *

Menes hatte, um Asa-Termutis zu schonen, den Vorfall im Grabgewölbe anders hingestellt, als er sich zugetragen; er lud die Schuld, daß die Fackel erlöschte, auf seine Unachtsamkeit; als jedoch die Königstochter von dieser edeln Lüge ihres Freundes hörte, widerlegte sie dieselbe aufs eifrigste. Die Beschämung, die sie darüber empfand, daß der Hochherzige ihren Wahnsinn vor den Augen der Welt beschönigte, gab ihr bald den freien Gebrauch ihrer zerrütteten Sinne wieder; ihr Stolz war in dieser Krankheit ihr Retter, sie wollte dem Jüngling zeigen, daß sie ihr Unglück zu tragen vermöge; ja sie benahm sich von dieser Zeit an nicht nur zurückhaltend ihm gegenüber, sie legte es geradezu darauf an, statt Zuneigung Mißgunst durchblicken zu lassen. So war sie in den Augen des Hofes bald wieder das heitere Mädchen von früher, auf deren Wangen jene Krankheit nur noch einen bleichen Widerschein zurückgelassen; selbst ihren Vater wußte sie durch ihre Selbstbeherrschung zu täuschen. Das freudige Ereignis ihrer Genesung feierte dieser erstlich durch ein großes Dankopfer im Tempel, dann durch eine im großen Maßstabe angestellte Jagd auf Nilpferde. Er war gegen Abend ermüdet von der Jagd zurückgekehrt, als sich ihm der Oberpriester Psenophis vertraulich näherte. Ramses wollte ihn, da er ihn im Verdacht hatte, mit in die Verschwörung verwickelt zu sein, ungnädig abweisen, doch der gewandte Höfling tat als bemerke er die Schroffheit seines Monarchen nicht, und gab ihm durch allerlei dunkle Andeutungen zu verstehen, er habe ihm eine Überraschung bereitet. Der König, anfangs ungeduldig, frug, da allmählich seine Neugier erwachte, worin diese Überraschung bestünde; Psenophis lächelte geheimnisvoll.

»Will mir mein Gebieter in den Park folgen?« frug er.

Ramses war betroffen! Bei Nacht in den Park folgen? War das eine Schlinge? Sollte er einen Überfall argwöhnen? Er besann sich einen Augenblick und sagte dann:

»Ich habe anderes zu tun, ich kann dir nicht folgen.«

»Ihr versäumt viel,« sagte der Priester mit listigem Räuspern.

»Warum tust du so heimlich?« frug der Herrscher, »was verbirgst du mir?«

»Das, was den Menschen glücklich macht,« sagte der Priester zweideutig.

Der König lachte.

»Man behauptet, auch der Tod mache uns glücklich,« gab er zurück.

Mit vorwurfsvoller Miene wendete sich Psenophis zum Gehen.

»Habe ich solchen Argwohn verdient?« sagte er; »wenn es auch untreue Diener gibt, o Herr! müssen deshalb alle untreu sein? Doch laßt uns abbrechen, ich sehe, Ihr zieht vor, zu bleiben.«

»Nun, nun,« begütigte der König, »es war nicht so gemeint. Wenn du denn durchaus unerbittlich bleibst und mir Rätsel zu lösen geben willst.«

»Das will ich,« fiel ihm der Priester freudig ins Wort.

Ramses trug noch seinen Jagddolch im Gürtel, auch wollte er nicht zu sehr durchblicken lassen, daß er Verdacht hege, er sagte deshalb leichthin:

»Ich sehe ein, ich muß, wenn ich meine Neugier befriedigen will, deinem Wunsche Folge leisten. Führe mich denn in den Park, ich liebe die Abenteuer.«

Der Priester ging voran, verstohlen schmunzelnd.

»Du wirst staunen,« lächelte er, »du wirst die Erfindungsgabe deines Dieners preisen, Herr, wirst erkennen, wie sehr er auf dein Glück bedacht ist. Ja, ja! ich habe mich auch lange besonnen, welche Freude ich dir bereiten könne, bis mir endlich dieser Gedanken kam, den auch du gutheißen wirst.«

»Du machst mich immer neugieriger,« sagte der König, seinen Dolch fester umklammernd, als sie an verschiedenen düsteren Hecken vorbeischritten, die der Mond zweifelhaft beleuchtete.

»Wir sind bald an Ort und Stelle,« flüsterte Psenophis nach einiger Zeit stummen Hinwandelns.

Einmal schien es dem König, als bewege sich, da er vorüberschritt, ein Myrtengebüsch etwas heftiger wie die anderen. Er prallte zurück. War das der Wind? War der Busch lebendig im Inneren?

»Du tätest besser, mir zu sagen, was du mit mir beabsichtigst,« erwiderte ihm Ramses, mißtrauisch den beweglichen Strauch musternd.

»Erlaube mir, mein Gebieter, daß ich es verschweige,« lächelte der Priester, sich demütig verneigend, »du würdest mir den Scherz verderben, ich hatte die Absicht, dich zu überraschen.«

»Nun gut! nur weiter,« sagte der König, dem es doch nach und nach unheimlich zu werden anfing, als sie sich immer tiefer in den Gebüschen des Parkes verloren. Sie waren am Teiche vorbeigekommen, waren durch die Akazienreihe gewandelt, hatten den kleinen Obelisken hinter sich gelassen und bogen nun in ein Palmenwäldchen ein.

Ramses sah beunruhigt rings in Büsche und Hecken, innerlich seinen tollkühnen Schritt bereuend. Wenn jetzt drei bis vier Bewaffnete über ihn herfielen, war er verloren.

»Wohin führst du mich?« rief er mit beklommener, fast zürnender Stimme, indem er stehen blieb.

»Seht Ihr dort dies weiße Dach?« sagte Psenophis ruhig, »das weiße Dach, welches aus den Palmenwipfeln ragt?«

»Mein Badehaus?« frug sein Gebieter erstaunt.

»Das ist unser Ziel.«

Sie schritten weiter; das Badehaus war bald erreicht; unheimlich hallten ihre Schritte in der leeren, einsamen Rotunde wider, deren Pfeilerwände gespenstig im Mondscheine schimmerten. Am liebsten wäre der König hier wieder umgekehrt, das Herz begann ihm heftig zu schlagen, in jedem Winkel, jedem Schatten vermutete er Verräter, doch da er sich nun so weit eingelassen, war Umkehr eine Unmöglichkeit, jetzt galt es, den aufsteigenden Verdacht zu bekämpfen und im Notfalle königlichen Mut zu zeigen. Starken Trittes folgte er dem Priester durch die lange, schattenwerfende Säulenhalle in das kleine Vorgemach des Badesaals.

»Und was nun?« frug Ramses mit lauter, in dem Raum widerhallender Stimme, als sie in dem behaglichen Gemach standen.

»Habt die Gnade, durch diesen Vorhang in das Innere des Badesaals zu schauen,« lächelte Psenophis, »möglich, daß Ihr etwas erblickt, was Euch nicht ganz unbekannt ist. Ich bin es, der Euch durch diesen unerwarteten Anblick zu erfreuen suchte.«

»Ich glaube, du willst mich zum besten haben, Psenophis?« rief der König, auf den Marmorboden stampfend; »welch törichte Spielerei treibst du mit mir. Bin ich ein Kind? Ich bin gewillt, sofort umzukehren.«

»Ich flehe Euch an, hoher Herr,« entgegnete der Oberpriester, »werft einen Blick durch den Vorhang, ehe Ihr geht, dann wird sich Euch das Rätsel meines Betragens lösen.«

Der König näherte sich verdrießlich der Spalte des Teppichs, schlug sie ein wenig auseinander, prallte aber, als er kaum den Kopf hindurch gesteckt, wie es schien, nicht unangenehm überrascht, zurück. Was sah er dort? Er sah über der smaragdenen Flut des Marmorbeckens eine tiefblaue Ampel schweben, deren geheimnisvolle Glut auf ein dicht an das Becken geschmiegtes Leopardenfell niederströmte. Auf dem fleckigen Felle lag, lang ausgestreckt, behaglich den Kopf hinten überhängend, ein nacktes Weib, dessen glatter, weißer Leib noch von den Perlen des genommenen Bades besprüht war. Nun hob sie den schlangenhaften Arm, zog sich den Schleier vom Gesicht und richtete ihr schmachtenddunkles Auge mit dem Ausdruck glühenden Verlangens nach dem Teppich, zugleich einen heißen, sehnsüchtigen Seufzer hören lassend. Dem König drang dieser Blick gleich einem feurigen Dolch in die Brust; erbleichend fuhr er zurück.

»Psenophis, ist dies – ist dies nicht die Jüdin von Memphis – Rebekka?« flüsterte er, tief aufatmend.

Aber es war kein Psenophis mehr zu sehen, er hatte sich unbemerkt entfernt, statt seiner stand ein grinsender Negersklave im Gemach.

Die Schöne drehte sich ein wenig auf ihrem Lager um, mit beiden Armen verlangend in die leere Luft greifend, als könne sie dieser an ihrer warmen Brust Leben einhauchen. Ramses hatte richtig erkannt, Rebekka, die Jüdin, lag vor seinen Blicken, die Tänzerin, deren Liebe erweckende Bewegungen er in Memphis bewundert. Noch einige Minuten hindurch beobachtete der König die Tänzerin; wäre er nicht durch diesen süßen Anblick bis zur Trunkenheit hingerissen gewesen, er hätte bemerken müssen, daß die schöne Rebekka wohl wußte, wer sie beobachte, daß ihr verlangendes Armausbreiten, das Seufzen, das Blickeschleudern künstlich einstudiert war, Liebeslust im Busen ihres Beschauers zu erregen, denn Psenophis hatte das Mädchen unter sehr schmeichelhaften Bedingungen nach Theben eingeladen, damit es ihr gelänge, den König zu fesseln.

Ramses gab dem Schwarzen, der erwartungsvoll hinter ihm stand, einen Wink, ihm zuflüsternd, er wünsche Rebekka im Palast innerhalb einer Stunde zu sprechen, man möge sie ungesehen zu ihm führen. Als sich Ramses entfernte, trat aus dem Schatten der letzten Säule der Oberpriester hervor.

»Zürnt mein Gebieter?« frug der Schlaue.

Der König drückte ihm freundschaftlich die Hand. Sein Verdacht gegen diesen Menschen war verflogen. Psenophis aber, als der König weiterschritt, sah ihm mit solch hinterlistigem, befriedigtem Lächeln nach, daß, hätte dies der Monarch erblickt, es sein Mißtrauen nur noch dringender wachgerufen haben würde. Der Sklave brachte die erwartungsvolle Rebekka in den Palast; bald öffneten sich ihr die Gemächer des Königs und darauf erschien er selbst, sich in eine eifrige Unterhaltung mit ihr einlassend. Diese Unterhaltung würzte die Jüdin mit solchem Witz, mit solch feiner, schelmischer Gefallsucht, daß von diesem Abend an ihr Schicksal entschieden war. Der König ward von ihren Launen bis zur Heiterkeit hingerissen; seine Umgebung kannte den ernsten Mann kaum mehr wieder, und alle dankten der schönen Jüdin, daß sie das Herz ihres Herrn in eine immerwährende Fröhlichkeit zu versetzen wußte. Nur die nächste Umgebung schüttelte den Kopf zu des Königs neuer Leidenschaft. Unter diesen war besonders ein alter Diener, welcher bemerkt haben wollte, daß die Jüdin mehreremal zur Nachtzeit verdächtigen Besuch empfing, der sich erst gegen Morgen aus ihren Zimmern entfernte, auch beteuerte er, gesehen zu haben, daß sie den Palast, sobald der König sich in seine Gemächer zurückgezogen habe, verließ. Der alte Mann teilte seine Entdeckungen Menes mit; dieser ließ Rebekka beobachten, aber seine Wachsamkeit führte zu keinem entscheidenden Resultat. Der König, dem man von diesen unsicheren Verdächtigungen nichts mitgeteilt, besuchte seine Geliebte eifriger wie zuvor; hier fand er, was er verlangte, Genuß, Erholung, Zerstreuung; hier durfte er sich der Strahlenkrone der Majestät entkleiden, hier durfte er Mensch sein, und die ehrgeizige Jüdin, die ihr Ziel erreicht hatte, wußte den Hohen von Tag zu Tag mehr an sich zu fesseln.

In ihrem Zimmer, das der König abendlich besuchte, saßen, wie eine zum Galadiner geladene Höflingsschar, 8 bis 10 Papageien, die alle: »Ramses, ich liebe dich!« rufen konnten, sobald der Herrscher eintrat. Sie ließ es sich nicht nehmen, den König auf die Jagd zu begleiten, sie tanzte vor ihm, sie fuhr mit ihm auf dem Nil. Anfangs diente ihr der König nur zur Befriedigung ihrer Eitelkeit; sie sah in ihm eine reiche Goldquelle, doch bald heuchelte sie nicht mehr Liebesglück, sie empfand es in der Tat, denn Ramses war ein stattlicher Fürst, für den sich ein Weib leicht begeistern konnte. Urmaa-nofru-râ hatte natürlicherweise, obgleich man es ihr zu verheimlichen wünschte, rasch Kunde erhalten, daß eine Jüdin sie verdrängt aus den Armen ihres Gatten. Sie war einmal in das Gemach der Jüdin gedrungen, als diese soeben den geliebten Monarchen erwartete. Die Wut, die Eifersucht der hohen Frau kannte keine Grenzen; eine ägyptische Obstverkäuferin hätte nicht schlimmer schmähen können.

»Königin,« erwiderte Rebekka trocken, »warum tobt Ihr? Warum schmäht Ihr mich? Sucht Euch doch die Liebe Eures Gatten zu erwerben, wie ich es getan, ich verhindere Euch daran durchaus nicht. Sprecht die Wahrheit: Habt Ihr versucht, Euren Gatten an Euch zu fesseln? Habt Ihr ihn nicht vielmehr auf alle Weise zurückgeschreckt?«

Die Königin vermochte hierauf nichts zu erwidern, sie ging, Drohungen ausstoßend.

Rebekka hatte sich vorsichtig nach der Abstammung Myrrahs erkundigt. Der König wußte von einem mit einer Jüdin erzeugten Kinde seines Vaters, war aber der festen Meinung, dieses Kind lebe längst nicht mehr, es sei verschollen. Die schlau sondierende Rebekka verhehlte ihm natürlich den Fund des Dokuments in der Schatzkammer; leichtfertig sprang sie auf ein anderes Thema über, im Inneren die unangenehme Gewißheit verbergend, daß Myrrah dies verschollen geglaubte Königskind sei. Ihr Trost war, daß ja kein Sterblicher das Geheimnis ahne; Dinge, von denen niemand weiß, sind so gut wie nicht vorhanden; wozu also Befürchtungen hegen?

Eines Abends besuchte sie Ramses. Ermüdet von den anstrengenden Regierungsgeschäften war er auf die Polster gesunken. Sie bot ihm mit verführerischem Lächeln Speise und Trank. Da der König ermattet schwieg, nahm sie einen der Papageien auf die Hand, mit ihm ihr Spiel zu treiben, was dem König ein leichtes Lächeln abnötigte.

»Mein Gebieter weilt nicht bei mir,« sagte Rebekka, ihn mit ihren kühlen, weichen Armen umstrickend, »sein Geist weilt bei Traurigem.«

»Ich bin in Sorgen,« seufzte er, »um meiner Tochter willen. Mein Kind ist zwar genesen, doch liegt es noch immer wie ein schwarzer Flor über ihr. Ich fühle, daß sie sich Mühe gibt, heiterer zu erscheinen, als es ihr ums Herz ist. Sie spricht wenig.«

»Sollte sie vielleicht heimlich lieben?« meinte Rebekka.

»Scherze nicht,« entgegnete ihr der König ernst. »Mein Kind ist krank, körperlich krank.«

Rebekka sprang von diesem traurigen Gegenstand rasch auf einen anderen über.

»Wie steht es mit deinem Weib?« frug sie lachend.

»Mein Weib hat mich besucht, Rebekka,« sprach Ramses finster; »sie speit Gift und Galle auf dich. Urmaa liebte mich nie, doch seitdem ich dich habe, die mich liebt, tut sie, als sei ihr das größte Unrecht geschehen und als liebe sie mich wie keine andere.«

»Ich fürchte mich vor ihr, mein Gebieter,« lispelte Rebekka, sich an den Monarchen schmiegend, »sie wirft mir so tückische Blicke zu. Auch war mir mehreremal, als schliche sie des Nachts an meinem Fenster vorbei. Ich glaube, wenn sie es vermöchte, sie würde mich vergiften. Sie sinnt auf meinen Untergang.«

Der König ballte die Fäuste.

»Es muß etwas geschehen,« murmelte er, »ich werde sie verbannen, entweder nach Syrien oder vielleicht besser nach dem Süden.«

»Das ist das einzige Mittel, dich und mich zu retten,« wollte Rebekka, erfreut über diesen Entschluß des Monarchen, entgegnen, als ein heftiges Pochen an der Türe sie unterbrach.

»Wer stört mich?« rief Ramses.

»Wichtige, unaufschiebbare Regierungsnachrichten!« ertönte es außen.

»Es wird wohl Zeit haben bis morgen,« meinte Ramses, öffnete aber doch die Türe, da er wichtige Entdeckungen, die Verschwörung betreffend, zu vernehmen hoffte.

»Wie? Ti? Du? mein Schatzmeister?« rief er erstaunt dem Eintretenden entgegen, »was bringst du mir?«

Bei dem Worte Schatzmeister durchflog Rebekka ein unbehagliches Gefühl.

»Ich bin es, Herr,« sagte der kleine Mann, aus dessen spitzigem Gesicht sich zwei scharfblickende Augen verstört vor dem Gebieter niederschlugen.

»Nun, was fehlt dir? Warum redest du nicht?« frug der Herrscher. »Setze dich übrigens, ich sehe deine Knie wanken – was trug sich zu, mein guter Ti?«

Der kleine Mann, der wie vernichtet auf den Stuhl gesunken war, rang vergeblich nach Worten, dabei hilflos auf seine zwei ihn begleitenden Wachen deutend.

»Was soll mir das?« rief der Gebieter erschrocken, »ich bitte dich, rede! sammle dich, du steckst mich an mit deiner Verwirrung! Hast du etwa einer Zusammenkunft der Verschworenen im Schatzhause beigewohnt? Ist ein neuer Pfeil auf meine Brust unterwegs?«

Endlich preßte der Schatzmeister mühsam heraus:

»Beim großen Osiris! Herr, ich bin wie zerschmettert, ich weiß nicht, wie ich dir dies sagen soll! Oh, daß mir das begegnen muß! Mir, der ich dir gewiß stets ein treuer, ehrlicher Diener gewesen. Meine Ehre ist dahin, ich darf mich nicht mehr blicken lassen vor deiner Majestät! Ach! ich hatte doch so sorglich den Schatz überwachen lassen.«

Rebekka drückte die Augen zu und tat, als schlief sie.

»Ich verstehe nicht deine abgebrochenen Sätze zu enträtseln,« entgegnete Ramses. »Fasse dich! Ich kenne deine Ehrlichkeit, du tatest stets deine Pflicht, deine Angst vor meinem Zorn ist unnötig, ich zürne nur dem Pflichtvergessenen.«

Dies Wort gab dem Verstörten seine Sinne wieder, und so berichtete er denn unter häufigen Anfällen von Schmerzausbrüchen, daß man den Schatz des Sohnes der Sonne zu Memphis bestohlen habe.

»Es fehlen,« stammelte er, die Hände verzweiflungsvoll faltend, »vierhundert Goldringe, ein Kistchen voll Edelsteinen und das Goldschiff, das teuere Vermächtnis deines großen Vaters, welches er seiner Gattin anfertigen ließ. Hier ist das Verzeichnis.«

Damit legte er eine Rolle auf den Tisch, mit den Fingern andeutend, welche Nummern fehlten. Rebekka hatte Mühe, während dieser Erklärung nicht aus ihrem geheuchelten Schlaf zu erwachen; ein brennendes Rot bedeckte ihre Wangen, aber es gelang ihr dennoch, ihre Fassung zu bewahren. Der König neigte sich zu ihr.

»Rebekka,« sagte er, »hast du vernommen, was man mir angetan?«

Rebekka fuhr hastig aus ihrem Schlummer empor.

»Wie meinst du? Angetan? Was?«

Man erklärte ihr das noch einmal, was sie längst wußte.

»Was rätst du mir,« frug der König, »was soll ich tun, des Diebes habhaft zu werden?«

»Es ist ganz unmöglich,« meinte Rebekka, »daß ein Sterblicher in ein solches Gebäude dringen kann. Der Schatzmeister muß sich geirrt haben.«

Der Schatzmeister schwur, er habe sich nicht geirrt.

»Dann,« sprach die Jüdin, »ist nur eines möglich.«

»Nun?«

»Daß einer der Wächter des Schatzes der Dieb war, denn wer sollte sich durch solche Mauern erschleichen?«

Der Schatzmeister erklärte, es sei völlig unmöglich, daß einer seiner Wächter auch nur das kleinste Goldkorn zu sich stecken könne, denn er ließe jeden derselben, sobald er das Gewölbe verlassen, sich entkleiden und einer genauen Untersuchung unterwerfen. Rebekka bekämpfte ihre Verlegenheit; die Sache sei höchst rätselhaft, meinte sie, wodurch sie den anderen nichts Neues sagte. Der König gab hierauf den Befehl, heimliche Wachen um das Gebäude zu verteilen, und den Gang, der in dasselbe führte, mit einer eisernen Falle zu versehen, die den Dieb, wenn er eintrete, umklammere. Im übrigen tröstete er den armen Schatzmeister und versicherte ihn seiner Gnade. Rebekka beschloß sogleich ihrem Bruder zu schreiben, um ihm den Besuch des Schatzhauses ernstlich zu verbieten. Sie teilte ihm diesen Vorfall, dessen Zeugin sie war, bis in die kleinsten Einzelheiten mit und bat ihn, Myrrah nicht zu strenge zu behandeln, da sie doch immerhin königliches Blut in den Adern trüge.


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