Wilhelm Walloth
Das Schatzhaus des Königs
Wilhelm Walloth

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Viertes Kapitel

Am Südende der Stadt liegt an den blühenden Ufern eines Nilkanals das palastartige Haus der reichen Witwe, der Mutter unseres Freundes Menes. Aus dichtem Blättermeere hebt sich strahlend, farbenschimmernd, Säule, Halle und Dach der Wohnung. In demjenigen Gemach, von welchem aus man den Blick auf den weithin ausgedehnten, blumenduftenden Garten der Villa genießt, sitzt die alternde Dame auf vergoldetem, mit rotem Polster belegten Stuhl, vor dem reich eingelegten Tisch, auf welchem in zierlichen Körben Früchte glühen, während ägyptische, äthiopische und ebräische, meist nackte Sklavinnen beschäftigt sind, die welkenden Reize der Matrone mit dem Duft der Jugend zu umheucheln. Eine schwarze Sklavin befeuchtet die runzlig werdende Haut der Dame eifrig mit ölartiger, duftender Salbe; eine andere tupft rötlichen Farbstoff auf ihre Wangen, während eine am Boden Kniende ihr den, mit einem Katzengesicht verzierten, Spiegel vorhält und eine hinter ihr Stehende den Halskragen ordnet, welcher die allzu breite Brust kunstvoll verdecken soll. Das Gemach ist reich bemalt; schöne Vasen, kostbare Glasgefäße, Statuen, Leuchter zieren seine Wände, Polster laden zum Ruhen ein; vor dem geöffneten Fenster hängt ein durchsichtiges Netz, das den Durchblick auf den sonnenschimmernden Garten, das Einströmen seines Duftes erlaubt, aber den Insekten verbietet, sich der empfindlichen Haut der Herrin zu nähern. Auf einem vergoldeten Stabe wiegt sich ein schillernder Papagei, unaufhörlich schreiend: »Iß und sei fröhlich.« Rotgelb eingefaßte Decken wehen von mehreren mit Schmuckgegenständen belegten Zederholztischen, indes viele Gestelle an den Wänden mit den Kleidern der Herrin behangen stehen.

»Hassura, trage stark auf,« lispelt die vornehme Dame, »ich glaube, auf der Stirne will sich eine Falte bilden.«

»O nein,« versichert eifrigst Hassura, obgleich sie selbst die Falte erschrocken wahrgenommen, »o nein! was Ihr für eine Falte haltet, ist nur ein vorübergehendes Weichwerden der Haut. Meine schöne Herrin ist so glatt wie die Blätter der Lotosblume, ihre Stirne ist eben wie die Wasserfläche des Teiches und die Scheibe des Metallspiegels, in welchem sie sich beschaut.«

»O Gebieterin!« schreit plötzlich Assa, die Äthiopierin auf, »bei allen Göttern! – ich wage es kaum auszusprechen!« –

»Was hast du? – Rede!« sagt die Dame, ängstlich nach ihrem Haupte greifend, auf welchem Assa die Haare ordnet. Assa läßt den Kamm zu Boden sinken, dann stammelte sie: »Ich bin unschuldig daran,« und sinkt ihrer Herrin zu Füßen.

»Wirst du endlich sprechen?« sagt diese.

»Wieder ein graues Haar,« tönt es von Assas erschrockenen Lippen.

»Wie sprichst du? Du lügst!« entgegnet ihr entrüstet Asso, die Herrin, »wenn du lügst, ich lasse dir die Brüste mit glühenden Nadeln durchstechen.«

»Hier, hier! o seht, Gebieterin, ob ich lüge,« beteuert angstvoll die Zofe, indem sie den Gegenstand des Entsetzens, ein unschuldiges, weißes Härchen, wie ein giftiges Insekt, zwischen Daumen und Zeigefinger feierlichst der Herrin vor die Augen hält. Diese schüttelte ärgerlich den Kopf.

»Verbrenne es, Assa,« sagt sie endlich resigniert, nachdem sie nach genauer Untersuchung sich von der Wahrheit überzeugt.

»Verbrenne es, und daß Metophis, der höchste Kanalbeamte, und Metro, der Nomarch, nichts davon erfährt, ihr Lieben. Wehe derjenigen, die plaudert – sie stirbt! Bei Isis! sie stirbt, denn der Nomarch gab mir gestern leise zu verstehen, daß er nicht abgeneigt sei, um meine Hand anzuhalten. Diese bekommt er nun freilich nicht, jedoch will ich mir keinen Liebhaber und Schmeichler verscheuchen, was graue Haare unfehlbar imstande sind. Netkro, die Perücke! Ich will von nun an eine Lockenperücke tragen.«

Während man nun beschäftigt ist, Ketten und Skarabäen an den Gewanden der Gebieterin zu befestigen, berichtet ein mittlerweile eingetretener Sklave, daß bereits ganz Memphis auf den Beinen ist, den Festzug des siegreichen Ramses zu bewundern. Ramses habe den rückständigen Tribut von den Chetas durch eine einzige Schlacht erzwungen; der feindliche König sei selbst in die Hände des Siegers gefallen und werde den Festzug mit seiner Gegenwart zieren. Die vornehme Dame ist nämlich im Begriff, diesen Zug mit anzusehen; draußen vor dem Tor, das auf den Nilkanal hinausführt, harrt bereits die rot-, gold- und blaubemalte Barke, geführt von zwölf starken Ruderern.

Sobald Asso vernommen, Memphis dränge sich bereits in buntem Gewühl durch die Straßen, kann sie ihre Ungeduld kaum mehr beherrschen. Die Nadeln werden zu langsam gesteckt, oder ritzen gar ihre Haut, die Sandalen wollen nicht sitzen, das Kopftuch hängt schief, kurz, keine der vorsichtigen Dienerinnen bedient sie zur Zufriedenheit.

»Beeilt euch, ich komme zu spät,« mahnt sie unaufhörlich, mit den Füßen aufstampfend, ja zuweilen mit der flachen Hand Schläge austeilend, wenn sie glaubt, die Zofe sei allzu ungeschickt. Eine schlanke Assyrerin läßt die Armspange fallen.

»Fort mit ihr!« befiehlt die Gebieterin wütend, »geißelt sie, bis sie blutet!«

Man führt die Halbohnmächtige weg; die anderen Frauen wagen kaum zu atmen, wie ein Bann liegt es über dem Zimmer, alle schauen zitternd auf die Mächtige. Endlich ist das schwierige Werk des Ankleidens vollendet; die Dienerinnen atmen auf; sie erhebt sich.

»Als ich noch bei Hofe weilte,« sagt sie, sich betrachtend, »sprach der König öfter zu mir, ich verstünde wie keine andere mich vorteilhaft zu schmücken.«

Bei dem Worte »Hof« geht ein Ehrfurchtsschauer durch die ganze Dienerversammlung. Da dringen von fernher seltsame Töne in das Gemach, Töne, welche den Dienerinnen kalten Schweiß erpressen. Furchtsam schauen sie sich an; sie wissen, woher die Töne kommen, sie wissen, wer sie ausstößt.

»Ei! ei! ich glaube, da stöhnt ein Weib,« sagt Asso vergnügt, »kann mir eine von euch sagen, wer so erbärmlich schreit?«

»Herrin, du selbst gabst den Befehl: man solle die kleine Assyrerin –« erwiderte eine der Frauen.

»Ah!« unterbricht sie die Witwe, »weil sie das Armband beschädigt? – geißeln? richtig. Nun, es ist gut!«

Nach einiger Zeit werden die Schmerzensschreie der Gegeißelten dringender. Asso tut, als höre sie dieselben nicht.

»Reiche mir eine der Früchte,« sagt sie und beginnt zu essen.

»Ei, singt mein Vogel lieblich!« lacht sie, als die Gemarterte erbarmungswürdige Laute ausstößt.

»Mein verstorbener Gatte,« fügt sie dann hinzu, »lobte meist die Art, wie ich das Kopftuch so geschickt zu tragen wisse. Hassura, rücke mir das Tuch noch ein wenig nach links – so, jetzt sitzt es recht. Ja! als ich noch bei Hofe weilte,« (das »Hof« wird besonders betont) »das war eine Zeit. Ihr albernen Geschöpfe würdet vergehen in Demut, wenn ihr diese Pracht jemals zu sehen bekämt.«

Im Vorgefühl ihres Triumphes und des Eindrucks, den sie auf die Zuschauer des erwarteten Festzugs zu machen hoffte, beginnt sie leutselig zu werden, verschenkt kleine, abgenutzte Schmuckgegenstände und liebkost ihren Papagei. Plötzlich wendet sie sich an den eben eintretenden Verwalter ihres Landsitzes, einen ältlichen Assyrer:

»Belises, ich bekam meinen Sohn Menes seit fast vierzehn Tagen nicht zu Gesicht. Hast du eine Ahnung davon, wo er sich, der Schwärmer, umhertreiben mag.«

»Nein, gnädige Herrin,« erwidert sich tief verbeugend der Verwalter, »mir ist ebenso unbekannt wie dir, wo Menes verweilt. Zum letzten Male sah ich ihn im Tempel des Apis seinen Morgengottesdienst verrichten, dann entschwand er meinen Augen.«

»Rätselhaft,« sagte die Witwe, »er scheint mich zu fliehen. Nun ja! es ist Wahrheit, unsere Art hat nichts Ähnliches, unsere Gedanken und Empfindungen gehen völlig verschiedene Wege; auch muß ich offen gestehen, ich fühle mich nicht zu ihm hingezogen. Jedoch zeigen sollte er sich mir zuweilen; das erfordert Austand und Sitte.«

»Herrin,« begann der Verwalter nach einigem Schweigen, »du sprachst gestern davon, Menes solle sich vermählen. Du warfst diese Äußerung in gleichgültigem Tone hin. Oder sollte deine Absicht, ihn zu verheiraten, ernstlicher sein als es schien?«

»Du erinnerst mich an das Wichtigste, Belises,« sagte die vornehme Dame, »es ist Zeit, daß Menes die Ämter seines Vaters übernimmt und sich ein ihm an Rang gleichstehendes Weib sucht. Er hat seine Studien im Priesterkolleg des Ptah-Tempels zu Memphis vollendet, er hat alle Schätze der Weisheit gehoben, er hat sich umgesehen in der Astronomie, der Mathematik, der Medizin, er hat gelernt einen Krieg zu führen und einen Staat zu lenken; es ist Zeit, daß er seine Kenntnisse praktisch verwertet; er darf nicht länger den Müßiggänger spielen.«

In diesem Augenblick trat ein Sklave ein und meldete: Metro, den Nomarchen von Memphis, der im Vorzimmer warte, die Gebieterin zu dem bevorstehenden Festzug abzuholen. Kaum hatte der Sklave den Namen des Nomarchen genannt, so überflog ein aufgeregtes, süßliches Lächeln die herben Züge der Matrone. Sofort ward der Befehl erteilt, die Züchtigung jener Sklavin, die das Armband zu Boden fallen ließ, einzustellen; Belises ward entlassen mit der Vertröstung, heute abend würde sie sich noch einmal mit ihm über die Angelegenheit ihres Sohnes besprechen.

»Wie? Er?« stieß sie hervor. »Rasch noch etwas Schminke auf meine Wangen, Assa. Aber so zerknittere mir den Kragen nicht, Assura. O ihr plumpen Geschöpfe, es könnte schon geschehen sein.«

Sie fächelte sich Kühlung zu, ließ noch einmal mit einer mädchenhaft eiteln Hast ihren Anzug im Spiegel ordnen und besann sich, indem sie auf die Türe zuschritt, auf eine liebenswürdige Empfangsphrase. Schon hatte sie die Türe in der Hand, da stieß sie zurückschreckend einen Schrei aus, denn vor ihr stand, dicht in einen Mantel gehüllt, eine schlanke Gestalt. Die Gestalt schlüpfte behutsam in das Gemach, ehe man ihr den Eintritt zu wehren vermochte. Sprachlos vor Entrüstung sah Assa mit an, wie die Eingedrungene ihren Mantel ablegte, eine tiefe Verbeugung vor ihr machte, ihren zierlichen Fuß, ohne zu fragen, auf einen rotgestickten Schemel setzte und sich endlich als: Rebekka, die jüdische Tänzerin, vorstellte.

»Und mit welchem Rechte trittst du unaufgefordert, unangemeldet in mein Zimmer, Jüdin?« herrschte sie die vornehme Frau an. »Weißt du, daß ich dich von meinen Dienern dürfte hinauspeitschen lassen, du unsäglich unverschämte, ehrlose Tänzerin? Rasch, verlasse dies Gemach, das du entwürdigst durch dein Hiersein!«

»Um Verzeihung, hohe Frau,« sagte Rebekka listig lächelnd. »Ihr werdet ganz anders sprechen, sobald ich Euch den Grund meines Hierseins melde.«

»Nun? Ich bin begierig zu hören, was mir eine Jüdin zu melden hat.«

»Was ich zu sagen habe, betrifft Euren Sohn.«

»Menes?«

»So ist es.«

»Rede.«

»Nicht vor Zeugen, nur Euch allein darf ich anvertrauen, was ich über ihn weiß.«

»Unnötige Vorsicht, Jüdin, rede.«

»Es betrifft ein Geheimnis, kaum für die Ohren der Mutter bestimmt, geschweige für die der Sklavinnen,« sagte Rebekka mit auffallendem Ernst.

»Du scherzest, Dirne.«

»Ihr werdet bald erleben, daß mein Scherz sehr bitter schmeckt.«

»Willst du drohen?«

»Fast könnte ich es.«

Asso besann sich; schon hatte sie durch einen Wink den Befehl gegeben, die Jüdin aus dem Zimmer zu weisen, als ihr der gewichtige Ausdruck im Gesichte der Tänzerin doch einige Neugierde erweckte. Sie gab ärgerlichen Befehl, sie mit der Jüdin allein zu lassen und warf sich dann in imponierender Lage auf einen Diwan, das Gesicht von der Tänzerin abgekehrt.

»Sprich,« flüsterte sie, wie ermattet, indem sie einen Strauß zerpflückte, der ihr zufällig in die Finger geraten war. »Aber fasse dich kurz, ich habe nicht Zeit, dein Gerede mit anzuhören, das schließlich doch nur auf eine Bettelei hinauslaufen wird.«

»Vorerst muß ich darum bitten,« sagte Rebekka, sich bescheiden auf einen Stuhl niederlassend, »daß Ihr mich nicht verratet, hohe Frau. Uns ist verboten, am heutigen Tage auszugehen; mich könnte nur die Wichtigkeit meiner Nachrichten, die ich Euch zu bringen habe, dazu verleiten, diesem Befehl zu trotzen.«

Asso winkte bejahend mit dem Fächer.

»Also von meinem Sohne, wenn du die Gefälligkeit hast,« setzte sie mit ironischer Höflichkeit hinzu.

»Gewiß, von Menes,« lächelte die Jüdin. »Gute Frau, Ihr tätet besser, Euch auf das, was ich zu sagen habe, vorzubereiten, denn ich glaube, die unerwartete Offenbarung, die ich geben muß, möchte Euch ein wenig unsanft aus Eurer verachtungsvollen Gelassenheit aufrütteln.«

Die Witwe warf den Kopf zurück, als wolle sie andeuten: sie in Erstaunen zu setzen, sei ein Ding der Unmöglichkeit. Ebensogut könne man eine Pyramide erschüttern. Ein höhnisches Lächeln glitt über das Gesicht der Dame. »Euer Sohn Menes liebt!« warf nun Rebekka mit möglichster Gleichgültigkeit hin.

Da war es bereits um die Gelassenheit der vornehmen Dame geschehen, sie ließ den Strauß fallen, mit dem sie gespielt, und sah ihrem Besuch groß ins Antlitz.

»Was wagst du zu behaupten,« sagte sie nach einiger Zeit dumpf. »Menes liebte, ohne meine Erlaubnis? Du weißt nicht, was du redest, ich fürchte, ich sitze einer Wahnsinnigen gegenüber. Ich kenne meinen Sohn.«

»Ihr kennt ihn? Es tut mir leid, Euch sagen zu müssen, daß ich ihn besser kenne wie Ihr, hohe Frau. Er liebt. Ja! das tut er,« lachte Rebekka mit Behagen, »und zwar liebt er – erschreckt nicht zu sehr – eine meiner Abstammung. Nun? Ihr schweigt? Ihr erblaßt? Das hattet Ihr wohl nicht erwartet? Ja, ja! Die Liebe ist eine seltsame, schlaue Erfindung der Götter. Sie brennt wie Schlangengift und kühlt wie Honig. Sie macht uns zu Narren und Weisen zugleich. Freilich, Menes hätte so vernünftig sein sollen, von Euch zu erfahren, auf wen er die Glut seines Innern lenken solle, doch die Göttin der Liebe, die katzenköpfige Sechet, läßt sich nicht gebieten, sie brütete in der Glut des Mittags schwüle Dünste aus, die sie Eurem Menes ins Herz träufelte, sie leckte mit ihrem niedlichen Katzenköpfchen und, ehe sich's der arme Junge versah, verwandelte sie ihren Katzenkopf in den des Löwen – da liegt er nun, zerrissen von den Klauen der Unbarmherzigen.«

»Du lügst! Du lügst! Du lügst!« unterbrach Asso schreiend die Sprechende, indem sie sich tigerartig emporschnellte und mit ihren zu Krallen gekrümmten Fingern die Polster zerkratzte. »Wiederhole mir noch einmal diese abscheuliche, echt ebräische Lüge, du weiße, glatte Schlange, und ich will dir die Augen ausreißen, ich will dich in den Morast des Nil werfen, daß dir das Getier dein verfluchtes Fleisch benagt. Mein Sohn verachtet so sehr, wie ich, euch schmutzige Insekten, die ihr am Ufer des Nil nur geduldet seid, die ihr jeden Augenblick fürchten müßt, ausgerottet zu werden, wie faules Unkraut. Ich sage dir, du lügst! Menes ließ sich nicht so tief herab, und wenn er vielleicht einmal eine eures Stammes für schön gefunden, so mag dies sein; seiner Jugend verzeiht man Schwärmereien, die Göttin Sechet will auch bedeutungslose Opfer haben. Doch merke dir, daß zwischen Liebe und Liebe ein Unterschied ist. Nie begehrt er eine Jüdin zum Weibe, mein Sohn, nie! Und wenn ich wüßte, daß er diesen Plan gehegt, wenn ich wüßte, daß er – eine Jüdin – – ha!«

Sie warf sich ermattet auf die Polster zurück, ihren Halsschmuck zerreißend und ihn mit wütender Faust in das Zimmer schleudernd, daß die Perlen von den Steinfliesen in die Höhe tanzten wie betrunkene Sklaven. Kaltblütig, aber mit versteckter Lust im rachsüchtig leuchtenden Auge, reichte nun Rebekka der Witwe einen Siegelring, den ein smaragdener Käfer zierte.

»Erkennt Ihr diesen Ring?« frug sie.

»Diesen Ring –? Es ist – es ist der seine,« keuchte Asso. »Woher hast du ihn? Du hast ihn gestohlen! Gestehe es ein.«

»Vor allen Dingen laßt meinen Arm los, Herrin,« sagte Rebekka, »ich gehe Euch nicht eher davon, bis Ihr die ganze Begebenheit kennt. Es bereitet mir viel zuviel Freude, Euch in den geheimnisvollen Lebenswandel Eures wohlgeratenen Sohnes einzuführen.«

»So weißt du mehr über sein Leben wie ich?« frug Asso, den Arm ihrer Quälerin loslassend.

»Hört mich an,« sagte diese.

»Ich will dir zuhören,« sprach die Witwe resigniert. »Erzähle mir alles, was du weißt! Du scheinst mir aufrichtiger zu sein, als mir anfangs schien. Gib mir deine Hand und nimm die Versicherung, Jüdin, daß ich dir, wenn du mir wahrheitsgetreu berichtest, was mein Sohn ohne mein Wissen getrieben, ebenfalls Dienste leisten werde, auf welche Art es auch sei. – Verzeihe, daß ich mich hinreißen ließ.«

»Gut,« entgegnete ihr das Mädchen, »darauf gehe ich ein, denn Ihr könnt Euch denken, daß ich nicht ohne selbstische Absicht hierhergekommen. Meine Mühe, die geheimen Pfade Eures Menes auskundschaftet zu haben, fordert Belohnung.«

»Und woraus soll diese bestehen?«

»Macht es möglich, daß ich in die Nähe des Königs komme,« erwiderte ihr die Jüdin, »ich brenne vor Verlangen, dem Sohn der Sonne meine Tanzkunst vorzuführen. Wenn Ihr dies bewerkstelligt – und ich weiß, Ihr könnt es, denn Ihr seid mächtig – dann bin ich Euch die ergebenste Freundin, dann sollt Ihr erfahren, was in und außer Memphis vorgeht, – denn, wie Ihr wißt, erfahren wir Mädchen gar manches Geheimnis, um das uns des Königs Statthalter beneiden könnte, – dann bin ich erbötig, Euch Eueres Sohnes Abenteuer bis auf den letzten Grund zu enthüllen.«

Asso fühlte sich ein wenig geschmeichelt, als nun Rebekka begann, den Reichtum, die Schönheit und den Einfluß ihrer, wie sie sich ausdrückte, Beschützerin zu preisen; Rebekka, welche dies nicht ohne Genugtuung bemerkte, fuhr fort, ihre Schmeicheleien stärker aufzutragen. Sie lobte die glänzende Hautfarbe, den prächtigen Schmuck der Dame, ja ihr Lob erstreckte sich schließlich bis auf den Papageien und die Hauskatze herab. Asso versprach daraufhin, ihre Freundin dem Könige, durch Vermittlung des Oberpriesters Psenophis von Theben, vorführen zu lassen; Psenophis komme in einigen Tagen nach Memphis, um die Tempel zu inspizieren; sie werde ihn alsdann besuchen. Hierauf warf sich die Jüdin dankbar vor der Dame nieder, verschämt lächelnd um die Hände ihrer huldreichen Beschützerin bittend; dieselben wurden ihr gnädigst überlassen und sie drückte einen dankbaren Kuß auf diese. Rebekka begann nun auseinanderzusetzen, wie sie mit Menes schon öfter zusammengetroffen und wie sie belauscht habe, daß er Myrrah, eine ihrer Freundinnen, zuweilen besuche. Myrrah habe sich anfangs entschieden der Liebkosung ihres Freundes entzogen; Menes sei von da an stets die Straßen und Plätze auf und ab gewandelt, auf welchen sich Myrrah am meisten aufgehalten. Endlich nach langer Zeit sei es dem armen Liebeskranken geglückt, den Gegenstand seiner Sehnsucht aus dem Rachen eines Krokodils zu retten; hierbei erst habe er sie wieder einmal gesprochen.

»Und das Endergebnis dieser Zusammenkunft?« frug die Witwe gespannt.

»Beide trennten sich voll Feindschaft,« fuhr Rebekka fort, »Menes verlor die Spur des Mädchens gänzlich.«

»Den Göttern sei Dank!« rief Asso, »vielleicht ist sie tot; er wird seine unsinnigen Absichten aufgeben, wenn er sie nicht mehr sieht.«

»Ihr irrt, hohe Frau,« entgegnete Rebekka lächelnd, »er verfolgt seinen unsinnigen Plan nur mit glühenderem Eifer.«

»Wie? Und sie –? die Verführerin – Myrrah lebt noch?«

»Sie lebt; höret, auf welche Weise sie sich wiederfanden.«

Bis dahin hatte Asso ziemlich ruhig der Erzählung zu gehört, sie schien kaum beunruhigt, denn sie nahm den Liebesdurst ihres Sohnes hin wie eine leichte Kinderkrankheit, von der jeder einmal befallen wird; sie lächelte sogar darüber, indem sie vor sich hin murmelte: »Ei! ei! das habe ich nie hinter seiner strengen Außenseite gesucht! Tut nichts. Wird bei Hof sein Glück machen.«

Als nun aber Rebekka das Folgende vortrug, veränderten sich die bisher sanften Züge Assos bis zur Entstellung; Wut sprach aus ihrem Auge und sie durcheilte mit fliegenden Schritten das Gemach, Vasen und Glasgefäße, die ihr im Wege standen, zertrümmernd. Rebekka nämlich erklärte der Wütenden rund heraus, Myrrah befinde sich seit gestern fast unter einem Dach mit ihrer zukünftigen Schwiegermutter; Menes halte das Kind im äußersten Gartenpavillon, der dicht an den Nilkanal stößt, verborgen. Dies fand Asso natürlich unbegreiflich.

»Wie kann er die Frechheit haben,« schrie sie.

»Wie ist solches möglich! Wie kann die Dirne dort hingelangt sein. Rede, denn ich muß der Sache auf die Spur kommen.«

Rebekka erzählte folgendes:

Myrrahs Blumen hatten eines Abends spärlicher denn je Absatz gefunden. Nur ein Sträußchen hatte sie an einen dreisten, jungen Krieger, einen Bogenschützen, verkauft. Unter allerlei anzüglichen Scherzen wählte er den Strauß, und nachdem er, um recht lange in ihrer Nähe verweilen zu können, die Blumen wüst untereinander geworfen, ging er endlich, sich entschuldigend, er könne nicht zur Wahl kommen, die Blumen seien welk. Myrrah empfand Scheu vor seinen häßlichen Scherzen, vor seinen eigentümlich wilden Blicken; sie atmete auf, als er gegangen. Mit trübem Lächeln raffte sie ihre duftende Ware zusammen, den Heimweg zu suchen. Doch kaum hatte sie das Judenviertel betreten, so hörte sie Tritte hinter sich. Erschrocken blieb sie stehen. In der Dunkelheit gewahrte sie eine Gestalt, die auf sie zuschritt. Sie nahm allen ihren Mut zusammen und entfloh so hastig, als es ihre Müdigkeit und ihr Blumenkorb erlauben wollten. Sie hatte noch nicht ihr Haus erreicht, da fühlte sie sich von hinten um die Hüfte gefaßt; daß Menes nicht so keck sei, wußte sie; ein ihr fremder Mensch, den sie bis jetzt noch nicht erkennen konnte, schmiegte sich unter glühenden, wilden Liebkosungen und Gebärden, die ihr Ekel erregten, an sie. Der Schrecken schnürte ihr die Stimme im Halse fest, sie wagte nicht, sich umzusehen; als sie dies dennoch tat, erkannte sie ihren Blumenkäufer, den jungen Bogenschützen.

»Ich habe dich belauscht,« sagte er keuchend, »vergib mir, schöne Jüdin. Mein Gebein zerschmilzt in Liebe zu dir, erlaube, daß ich dich nach Hause geleite.«

»Laß mich meiner Wege gehen,« jammerte die Hilflose, »ich mag nicht mit dir verkehren; du weißt, wie strenge die Gesetze den bestrafen, der das tut, was du im Begriffe bist, zu tun. Hinweg!«

Der junge Ägypter hörte nicht auf ihre Drohung. Myrrah, ihrer nicht mehr mächtig, sank in die Knie, die Hände flehentlich zu dem vor Begierde Rasenden emporhebend. Dieser packte sie am Arm und schleifte sie nach sich, um sie in eine völlig finstere Querstraße zu zerren. Des Mädchens Sinne umwölkten sich, sie fühlte, wie der Wütende hastig versuchte, ihr den Mantel von den Gliedern zu reißen; in diesem Augenblick aber sah sie dicht neben sich den Blitz eines Stahles aufflammen. Ein ihr wohlbekannter Arm drängte sich zwischen sie und ihren Verfolger; ein Schrei schlug an ihr Ohr; Blutstropfen spritzten feuchtwarm über ihr Gesicht, und der unverschämte Lüstling lag stöhnend am Boden.

»Soweit,« schloß Rebekka ihren Bericht, »sah ich aus meinem Versteck die Szene sich abspielen; erratet Ihr, hohe Frau, wer der Retter des Mädchens war?«

»Glaubst du in der Tat, Menes habe dem jungen Ägypter seinen Raub entrissen?« frug die Witwe.

»Ich möchte darauf schwören,« entgegnete die Jüdin.

»Wie kann sich,« sagte Asso, »der Junge so sehr hinreißen lassen! Als wäre es die Tugend einer Jüdin wert, einen Ägypter darum zu töten. O ihr Götter! warum kam Menes nicht eine Viertelstunde später, er hätte ja alsdann noch immer Zeit gehabt, den Krieger zu töten, und Myrrah – meinetwegen – im Nil zu ertränken.«

»Die Liebesgöttin hat es anders beschlossen,« erwiderte Rebekka, nicht ohne einen Zornblitz im Auge, als sie in das kühle, lieblose Gesicht der Witwe schaute.

»Ich fand,« fuhr sie fort, »als ich später den Schauplatz des Vorfalls betrat, jenen Ring, den, wie Ihr selbst sagtet, Menes getragen. Ich konnte meine Neugier nicht zähmen; den beiden nachschleichend, sah ich, wie der junge Mann die wieder zu sich gekommene Myrrah unterstützte, bis sie fähig war, mit seiner Hilfe langsam weiter zu schreiten. Ich folgte dem Wege der beiden durch die Stadt, die Richtung desselben verlor ich jedoch bald. Er verschwand mit seiner süßen Begleiterin hinter einem Gebüsch und ich sah ihn nur noch einmal in der Nähe deines Gartens, Herrin, als er die sich sträubende Myrrah auf seinen Armen weitertrug. Ihr weißer Mantel schimmerte hell durch die Nacht; rasch floh er dahin und nur zu schnell war er meinen Blicken entschwunden.«

»Und du glaubst,« sagte Asso, »er hätte seine lebende Last hier in meinem Garten verborgen? Hältst du eine solche, an Tollheit grenzende Kühnheit für möglich?«

»Was ist dem Liebenden unmöglich?« lachte Rebekka. »Ein Liebender ist ein Wahnsinniger, weiß das meine schöne Herrin nicht aus Erfahrung? Bei Hofe, sollte ich denken –«

»Stille,« gebot Asso mit Würde, »bleibe ernst bei der ernsten Sache. Jedenfalls,« setzte sie dann dumpf hinzu, »ist deine Beobachtung eine Untersuchung wert – und wenn es sich herausstellt, daß – wenn Menes wirklich – wenn diese Jüdin unter meinem Dach! O! beim ewigen Sonnenglanz, ich will« – ihre Stimme verlor sich in unverständliches Wutgestammel. Sie ballte die Fäuste und stampfte mit dem Fuß auf. Rebekka sah mit stillem Triumph, wie der Stolz der Vornehmen litt, sie gönnte ihr diesen Ärger recht von Herzen. Als ein Sklave eintrat, um an den wartenden Nomarchen und das Fest zu mahnen, ließ Asso dem Vornehmen sagen, sie sei verhindert ihm zu folgen, heftiges Kopfweh mache es ihr unmöglich, er möge sich heute ohne sie behelfen.

»Ich liebe meinen Sohn,« hörte dann Rebekka die Mutter vor sich hinmurmeln, »ich liebe ihn, ich möchte ihn erhoben sehen über die Häupter der Menschen; nicht an Kleinliches soll er sein Herz hängen, seine Kräfte verschwenden; beim Sonnenlicht! es ist Zeit, daß er sich von hier weg nach Theben verfügt, damit er aus diesem tatlosen Hinbrüten herausgerissen wird, damit er nicht Zeit behält, an unwürdige Zerstreuungen oder Jugendtorheiten zu denken, sondern, daß er seine Talente bewährt, vor den Augen seines Monarchen. Doch dieser Judenliebesgeschichte will ich sofort ein Ende machen.«

Eben wollte sich die Witwe anschicken, einen Plan mit der Tänzerin zu entwerfen, um die geheimnisvollen Liebesabenteuer ihres Sohnes ans Licht zu ziehen, als sie durch die offengebliebene Türe denselben bemerkte, wie er langsam, selbstvergessen, die Säulenhalle herunterwandelte. Sobald sie dies gewahr wurde, gab sie der Tänzerin einen Wink, sich zu verbergen, denn, wie es ihr schien, näherte sich Menes diesem Zimmer. Rebekka schlüpfte hinter den grünen Vorhang, der das Ruhelager verbarg, Asso zog denselben glatt, rückte Tisch nebst Stuhl davor und setzte sich dann nachlässig nieder, eine Papyrusrolle zur Hand nehmend, damit es den Anschein haben solle, als sei sie ganz in das Studium derselben vertieft; dabei warf sie jedoch ungeduldige Blicke durch die Türspalte.

»Jetzt muß es sich offenbaren,« rief sie leise hinter den Vorhang, »ich werde scharf beobachten, was in seiner Seele vorgeht. Hat er ein Geheimnis auf dem Herzen, so bleibt dasselbe meinem mütterlichen Scharfblick keine zwei Minuten lang verborgen, denn seinem Gemüt ist alle Verstellung unmöglich; zu lügen fällt ihm schwerer, als einem Höfling die Wahrheit zu sagen. Wahrhaftigkeit besitzt er leider oft in zu hohem Grade.«

Nun beobachtete sie ihren Sohn, wie er langsam näher kam. Sogleich fiel ihr als verdächtiges Zeichen auf, daß er mehr auf sein Äußeres gehalten, wie er sonst pflegte, denn das Linnen seines Gewandes war von tadelloser Weiße, um das linke Armgelenk trug er sogar ein goldenes Armband, eine Verschönerung seines äußeren Menschen, die sie bisher noch nie an ihm wahrgenommen, selbst wenn er an hohen Festtagen im Tempel erschien. Die Freude an seiner schönen, schlanken Gestalt ward ihr hinreichlich durch die fast zur Gewißheit gewordene Vermutung verbittert, daß er ohne ihren Willen sich mit Geschöpfen niederer Art gemein gemacht hatte; dennoch überflog ihr Antlitz ein Lächeln der Befriedigung, als sie sah, wie er anmutig diese oder jene Blume vom Zweige bog, mit welcher kühnen Nachlässigkeit er Kopftuch und Mantel umgeworfen und wie elastisch seine glatten Arme jeder Bewegung des Körpers folgten.

»Er könnte bei Hofe sein Glück machen,« murmelte sie, »schade, daß er gar zu ehrlich ist, dadurch verdirbt er sich alles.«

Träumerischen Auges musterte Menes im zögernden Näherkommen die Statuen, die Säulen und gemalten Wände. Seine Mutter suchte vergebens hinter diesen weltvergessenen Mienen den heimlichen Verbrecher, den Schänder ihres Hauses; nichts Scheues lag in seinem Benehmen, nichts, was darauf hinzudeuten schien, er verberge den Blicken seiner Umgebung ein unerlaubtes Verhältnis. Nur etwas fiel ihr auf: das Auge des jungen Mannes strömte manchmal ein nie gesehenes, heiteres Licht aus; in diesem Blick, der meist so schwermütig am Boden hing, brannte heute zuweilen ein eigentümlich schwärmerisches Feuer auf. Nun hatte er endlich die Türe erreicht; ohne zu wissen, was er tat, stieß er sie auf, prallte aber nicht, wie er sonst wohl getan haben würde, beim Anblick seiner Mutter erschrocken zurück, sondern nickte ihr lächelnd zu. Asso traute ihren Augen nicht; das hatte er noch niemals getan, erzwungene Ehrfurchtsbezeugungen, unterwürfigen Gehorsam hatte er sonsthin stets seiner Mutter als Herrin des Hauses entgegengebracht, aber niemals freundliche Zutraulichkeit. Sie lud ihr Kind durch eine Handbewegung zum Sitzen ein.

»Warum heute so geschmückt?« frug sie ihn.

»Warum nicht?« gab er zur Antwort.

»Das war sonst nicht deine Art,« sagte sie forschend.

»So wird es dir zuliebe meine Art werden,« gab er gleichmütig zur Antwort.

»Du bist heute aufgeweckt?« meinte sie.

»Findest du?« lächelte er, »möglich! Die Luft ist heute so erfrischend, oder die Sonne strahlt heute heller. Ich weiß nicht! Gewiß, mir dünkt, die ganze Welt habe sich seit gestern verschönt, die Blumen duften süßer und die Götter, die ich wohl sonsthin grausame Tyrannen nannte, sind mir zärtliche Freunde geworden. Ja, liebe Mutter! sie haben ihre Welt doch lieblich eingerichtet, unsere Götter.«

»Dein ganzes Innere scheint umgewandelt,« sagte die Mutter, »das ist mir sehr verdächtig.«

»Verdächtig?«

»Hast du mir nichts zu gestehen?«

»Ich dir? Ja, gewiß, du hast recht! Ich habe – habe dir zu gestehen.«

»Nun? Was? Sprich offen.« Ihre Augen hingen an seinen Zügen.

»Daß ich mir gestern abend,« sagte er lächelnd, »einen Becher voll Wein aus Byblos durch deinen Haushofmeister reichen ließ.«

Sie sah ihm verblüfft in das Gesicht.

Darauf begann sie sich zu beschweren, daß er sie vernachlässige, fragte, wo er sich seither aufgehalten, wie er die Zeit verbracht; sie erhielt jedoch zur Antwort auf ihre vielen Fragen stets nur dasselbe gleichgültige Lächeln oder kurz hingeworfene Wortsplitter, mit welchen sie nichts anzufangen wußte. Auf die Frage, wie es mit seinen Studien stehe, antwortete er: das Wetter sei heute sehr schön! Als sie ihn über seine Geistesabwesenheit zur Rede stellte, meinte er, er sei noch nie so sehr bei sich selbst gewesen, wie heute. Sein Gemüt ist völlig verändert, dachte sie bei sich, indem sie ihren aufsteigenden Groll unterdrückte. Wohin kam sein verschlossenes, mürrisches Wesen? Wohin seine Beklommenheit mir gegenüber? Er respektiert mich kaum! Ihr Argwohn stieg, als Menes plötzlich, ohne jegliche Veranlassung, begeistert die Schönheit des sich ihm durchs Fenster zeigenden Gartens pries. Seine Mutter wollte seinem poetischen Ergusse Einhalt tun, er aber überhörte gänzlich ihre scharfen Dazwischenwürfe. Schließlich verlor sie gänzlich die Fassung; nach Worten ringend, ließ sie es geschehen, daß er – was bis dahin noch nie vorgekommen – einen Kuß auf ihre Hand drückte. Erstaunt sah sie, wie er hierauf langsam den Rückweg antrat, ihr beständig glückselig zunickend. Sie wollte ihn zurückrufen, aber ihre Verblüfftheit war zu groß, sie beschränkte sich darauf, den Kopf zu schütteln und zu schweigen. Kaum hatte Menes das Zimmer verlassen, so schlüpfte Rebekka aus ihrem Versteck hervor.

»Nun, hohe Herrin,« begann sie lachend, »wer benimmt sich in dieser Weise? Habt Ihr ihn beobachtet? So benehmen sich nur Narren oder Verliebte! Und da Menes kein Narr ist – ich brauche die Folgerung nicht auszusprechen. Ihr habt Euch davon überzeugt, daß er vor Seligkeit kaum mehr weiß, ob er in Ägypten oder bereits in den Gefilden der Verstorbenen wandelt. Zeigt ihm eine häßliche Kröte, wie sie die Baalspriester in Phönizien verehren, und er wird sie für einen vom Himmel gefallenen Stern halten; haltet ihm übelriechenden Nilschlamm vor und er wird erklären, er röche Lilienöl, wie Ihr es in Euren Salbenschalen aufbewahrt. Die Welt ist ihm eine Rose, die er, wenn sie es verlangt, seiner Myrrah vor die Füße blättert. Ich kenne dergleichen Schwärmer, mein Gewerbe hat mich die Macht der Liebesgöttin ergründen lassen. Ja! man sollte es kaum glauben, daß ein schöner Arm, ein wohlgeformter Fuß einen Mann von Vernunft und Überlegung so völlig zum trunkenen Kind zu machen vermögen.«

Asso warf sich in die Kissen ihres Lagers zurück, drückte stöhnend die geballten Fäuste vor die Stirne und rief unaufhörlich: »Es muß an den Tag, ich will es ergründen, und wenn es Wahrheit ist, was du vermutest, Jüdin, dann wehe ihm!«

Die vornehme Dame hatte schon lange den Plan gehegt, sich, wenn ihr Sohn einst bei Hofe sein Glück mache, in den Strahlen seines Ranges zu sonnen. Er sollte der Schlüssel sein, der ihr die Prunkgemächer des königlichen Palastes öffnete, welche ihr seit dem Tode ihres Gatten verschlossen blieben. Ihr Herz schwoll auf beim Gedanken, daß ihr dereinst wieder, wie in ihren Jugendtagen, an der Tafel der Majestät zu speisen erlaubt sein sollte, daß sie es wieder hören könne, das Rauschen der Purpurvorhänge in den Vorsälen, daß sie ihn wieder einatme, den Duft der köstlichen Rauchwerke, die ihre veilchenblauen Wolken wälzten durch die schimmernden Säulen des Palastes. Ihre Phantasie bewegte sich nur in Bildern der Größe, der Macht, sie sah nur sich verbeugende Höflinge, wehende Priestermäntel, goldgestickte Tapeten und smaragdüberrieselte Frauengewänder. Und dies alles! diese entzückenden Aussichten, sollten nun von einer armen, hergelaufenen Jüdin vernichtet werden? Menes wollte sich durch eine solche Ehe am Hofe unmöglich machen? Unerhört! Mit freudig leuchtenden Blicken hörte die Jüdin den Drohungen, den Verwünschungen zu, welche die Wütende gegen ihren Sohn hervorstieß, denn Rebekka dürstete danach, Rache an Menes zu nehmen, der ihre Liebe zurückgewiesen und sein Herz einer anderen dargebracht.

Nachdem sich die Entrüstung der Dame ein wenig beruhigt, begann Rebekka ihr vorzustellen, wie leicht es sein müsse, eines Abends die beiden Liebenden zu überraschen. Man müsse zuvor genau auskundschaften, in welchem der vielen Gartentempel er Myrrah versteckt hielt; alsdann wollten beide zusammen, sobald die Nacht hereingebrochen, den Gang nach diesem Tempel wagen, um die gewünschte Aufklärung zu erhalten und die Schuldigen zu strafen. Als hierauf Rebekka unter vielen Verbeugungen gegangen war, fiel es Asso plötzlich ein, daß sich gestern der Gärtner beschwert hatte, viele seiner Ländereien seien von unvorsichtigen Füßen zertreten worden. Sie ließ den Gärtner rufen. Dieser bestätigte: am äußersten Gartenhause, da, wo der Garten an den Nilkanal stieße, also sehr weit entfernt vom Wohnhause, seien mehrere Blumenbeete völlig verwüstet. Dieses Gartenhäuschen stand auf einer kleinen Anhöhe; er habe gestern einige Wachen um diese Anhöhe gestellt, den frechen Eindringling, wenn er etwa wieder hierher seinen Weg nehmen sollte, zu fassen.

»Nun,« frug Asso lebhaft, »er kam nicht wieder?«

»Nein,« entgegnete der Gärtner Petefi, »aber meine Jungen wollen durch den Fensterspalt des Tempels – Licht blinken gesehen haben – und –«

»Nun? Was stockst du? Sprich!«

»Ich weiß nicht, ob ich es sagen soll –«

»Ich will es, rede –«

»Verzeiht mir, Gebieterin – es wäre vielleicht besser, ich schwiege – erlaubt, daß ich gehe – ich habe zu viel gesagt –«

»Das ist sonst nicht deine Art, lieber Petefi – rede, rede weiter – ich bitte dich –«

»Je nun, wenn Ihr es denn wollt – hem! seht! Die Jungen behaupten, es sei ihnen der junge Herr dort in der Nähe des Tempels begegnet.«

»Was? Menes?«

»Eben derselbe.«

»Bei Nacht?«

»Bei Nacht! Eingehüllt in einen Mantel.«

»Wirklich? Wirklich? Und was trieb er dort?«

»Einige behaupten,« fuhr der Gärtner geheimnisvoll fort, als er sah, wie Asso erblaßte, »einige behaupten, er sei in eben diesem Tempel verschwunden!«

»Verschwunden?«

»Und im Inneren des Tempels hätte man Beten und Flüstern hören können.«

»So! so! Nun, es ist gut.«

Der alte Diener schüttelte bedenklich den Kopf.

»Die Anzeigen häufen sich,« sagte Asso zu sich selbst, als der Gärtner gegangen war. »Ich wollte anfangs an die abenteuerliche Geschichte nicht glauben – jetzt aber –« sie hielt inne – »nein! nein! so sehr kann er sich ja nicht vergessen! Unmöglich! Vielleicht liegt er in diesem Tempel seinen Studien ob.« Dies schien ihr nun das Wahrscheinlichste. Da das Häuschen auf einer Anhöhe lag, mochte er von dort aus die Sterne beobachten; hatten ihm doch seine priesterlichen Lehrer öfter die Gestirne von dem Dache der Villa aus erklärt. Dies stimmte auch mit dem überein, was ihr am nächsten Tage der Gärtner von neuem berichtete. Er wollte nämlich gesehen haben, wie Menes sonderbare, in Tücher eingehüllte Gegenstände hinaus in den Garten trug. Wie, wenn dies astronomische Instrumente gewesen wären? Ja! sicherlich! denn sie wußte ja, daß die Astronomie nebst ihren Schlußfolgerungen dem Uneingeweihten ein Geheimnis bleiben mußte; aus diesem Grunde hatte also ihr Sohn das Studium der Himmelskörper vor ihr verborgen. Und konnte sein feierliches Benehmen, das er auf einmal an den Tag legte, nicht seinen Grund darin finden, daß er große Wahrheiten, glückliche Vorbedeutungen am Himmel entdeckt? Daß die Sterne ihm und seinem Leben günstig standen? Am folgenden Tage frug sie Menes geradezu, wie es mit seinen astronomischen Studien stehe. Er schien erstaunt und wollte ausweichen. Sie gab ihm zu verstehen, sie wünschte seinen nächtlichen Studien wenigstens einmal beizuwohnen. Menes erschrak darüber so heftig, daß er die ihm vom Sklaven gereichte Schale zu Boden fallen ließ und seiner Mutter erbleichend in die Augen sah.

»Beruhige dich, teurer Sohn,« sagte sie, »ich will nicht in die göttlichen Geheimnisse eindringen, du wirst mich nicht für so verworfen halten, daß ich dein Gewissen dadurch belaste, von dir Aufklärungen über hohe Mysterien zu verlangen, nein! nur einen Blick möchte ich in jenen Tempel werfen, in welchem du ohne Zweifel deine Apparate aufbewahrst und deine Studien betreibst.«

»Mutter, was verlangst du?« stotterte der Verwirrte, »du weißt, der ist des Todes, der uneingeweiht –«

»Ich weiß, ich weiß, mein Teurer,« sagte sie, »aber trotzdem bitte ich dich, führe mich heute abend in den kleinen Gartentempel –«

»Unmöglich,« stammelte er, »du weißt nicht, was du verlangst.«

»Ich weiß genau, was ich verlange!«

»Mutter –«

»Deine Weigerung ist seltsam – Menes! Scheut dein Werk so sehr das Licht? Treibst du Unerlaubtes in dem Tempel?«

Ihre Stimme ward scharf, drohend.

»Unerlaubtes? Nein!« sagte er mit Festigkeit.

»Nun, so will ich deinem Werke beiwohnen.«

Nach einer Pause der peinlichsten Verlegenheit sagte er errötend:

»Wohlan! Du magst einen Blick in den Tempel werfen, doch zuvor muß ich dem Oberpriester Kunde von diesem deinem Vorsatz geben. Ohne seine Erlaubnis könnte dir dieser Besuch falsch gedeutet werden.«

»Wirklich?« frug die Witwe. »Wenn es sich so verhält, so will ich von meinem Wunsche abstehen. Ich möchte den strengen Oberpriester nicht erzürnen, möchte weder dich, noch mich in Unannehmlichkeiten bringen. Was du auch in dem Gartentempel nächtlicher Weile treiben magst, lasse dich nicht stören. Ich werde tun, als wüßte ich nichts von deinen Studien.«

Menes atmete erleichtert auf. Asso aber nahm sich um so fester vor, in einer der folgenden Nächte den Tempel zu besuchen. Sie hoffte in ihrem Innern daselbst keine verborgen gehaltene Geliebte ihres Sohnes zu finden, sondern lebte der festen Überzeugung, er diene in diesem Tempel vielleicht irgendeinem ausländischen Gotte, etwa dem assyrischen Baal oder der Astarte, deren verrufene Kulte zwar in Ägypten gerade nicht verboten waren, die man aber doch gerne dem Auge der Offentlichkeit entziehen mochte.

»Lieber,« sagte dies selbstsüchtige Weib, »will ich ihn vor dem Bildnis der phönizischen Mylitta die Weihrauchpfanne schwingen sehen, als vor einer lebendigen Jüdin.«


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