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Erstes Kapitel

Mutter – wo ist Mutter?« rief Oberst Staal, indem er den graumelierten Kopf zur Tür hereinsteckte und fragend und aufgeregt seine Töchter ansah. »Hat keine von euch Mutter gesehen?«

Keine der Töchter antwortete sofort, dafür war jede zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Die älteste, Ejna, saß in einen Brief vertieft am Schreibtisch ihrer Mutter. Sie war »die Schönheit des Regiments«, ihres Vaters Stolz und der eigentliche Herrscher im Hause. Eine stattliche Erscheinung mit dunklem Haar und außerordentlich feinen und regelmäßigen Gesichtszügen – aber sie war volle sechsundzwanzig Jahre alt.

Die zweite, Flora, saß, die Nase in ein Buch vergraben, im Hintergrund des Zimmers vor dem Spiegel und hatte den Vater überhaupt nicht bemerkt. Sie hatte den »Theatersparren«, und in der Hauptstadt gab es nicht einen einigermaßen hervorragenden Schauspieler, vor dem sie nicht schon Probe gespielt hatte. Sie lebte beständig in irgendeiner Rolle, und die einzige Zeit, in der sie nicht schauspielte, war nachts, wenn sie schlief.

Ida, die jüngste Tochter, war die einzige, die in dieser Garnison geboren war. Sie zählte kaum siebzehn Jahre; zwischen ihr und Flora lagen sieben Jahre, und sie war, wie der Oberst sagte, ganz »überzählig.«

Von der ganzen Familie sowie von den Freunden und Bekannten des Hauses wurde sie nie anders als »Petersen« genannt. Diesen Spitznamen, mit dem man sie ganz selbstverständlich und sogar in vollem Ernst anredete, hatte sie zu einer Zeit bekommen, wo sie selbst noch nicht dagegen protestieren konnte, und zwar von einem Burschen ihres Vaters, dessen Obhut sie als kleines dreijähriges Kind viele Stunden des Tages anvertraut gewesen war. Auf alles, was die kleine Dame an Unarten und Ungezogenheiten erfand, antwortete der gutmütige Sohn des Mars unweigerlich mit einem trocken ermahnenden: »Das geht nicht, Petersen!«

Und die einfache, aber erstaunliche Folge hiervon war, daß das aufgeweckte Kind schon nach ganz kurzer Zeit besser auf den Namen »Petersen« als auf seinen Taufnamen hörte.

Obgleich man sie nicht gerade den »Verzug« der Familie nennen konnte, nahm sie doch gewissermaßen eine besondere Stellung ein. Sie hatte bei allen ein Wort frei, und das kleine, gesunde, stets gleichmäßig vergnügte Mädel mit den strahlenden, aufmerksamen Augen und dem stets schlagfertigen Mäulchen war sozusagen das Salz der Familie, das die Speisen würzte.

Petersen wirkte auf alle im Hause erfrischend, verbarg aber unter ihrem anscheinend gleichmütigen Wesen viel warmes Gefühl. Der Oberst bemerkte das am wenigsten, dafür kam es aber der kleinen, immer geschäftigen Mutter zugute, und dazu auf eine so anspruchslose Art, daß Frau Staal es sich nie so recht klar machte, wieviel ihr diese jüngste Tochter tatsächlich war.

Und Petersen selbst achtete am wenigsten darauf, ob sie geschätzt wurde oder nicht; sie war keine von jenen grüblerischen Naturen, die sich in tiefe Gedanken darüber verlieren, ob sie von ihrer Umgebung auch genügend »verstanden und geschätzt« werden.

Es gab mit Petersen niemals Zank; man nahm so gut wie keine Rücksicht auf sie, ja oftmals wurde sie gar nicht mitgerechnet.

Deshalb fiel es ihr auch jetzt gar nicht ein, daß der Vater mit seiner Frage sie gemeint haben könnte, und so nähte sie ruhig an ihrer prosaischen Arbeit weiter, die darin bestand, daß sie einen neuen Stoß an einen alten Kleiderrock setzte; da sie meistens die abgelegten Sachen ihrer Schwestern erbte, hatte sie in dieser Arbeit eine große Gewandtheit.

»Mutter ist wahrscheinlich im Eßzimmer und bespricht sich mit Fräulein Madsen,« entschloß sich endlich die älteste Tochter zu antworten.

»Na,« brummte der Oberst ärgerlich, »soll die Schneiderei schon wieder losgehen?«

Er wandte sich mit einem kleinen unterdrückten Fluch zur Tür, bekam aber plötzlich Bedenken. »Nein, Petersen, geh du hinein und ruf deine Mutter!«

Nun stand Ejna hastig auf und sah ihren Vater gespannt an. »Was gibt's, Vater? Etwas Neues? Ist der Kabinettsbefehl heraus?«

Das Wort »Kabinettsbefehl« wirkte auf Flora wie ein Stichwort; sie vergaß ihre Rolle, warf das Buch auf den Tisch und eilte neugierig zum Vater hin. Man wußte schon lange, daß der Herr des Hauses vor der Beförderung stand, aber nicht, welches Regiment er bekommen würde.

Flora hoffte auf die Hauptstadt, wo dramatischer Unterricht und allerlei Theaterfreuden winkten.

Ehe der Oberst antworten konnte, trat seine Frau ein. Sie hatte eine kleine zarte Gestalt mit einem feinen, etwas vogelartigen Gesicht, das sicher einmal schön gewesen, leider aber allzu früh verblüht war. Frau Staals Gesicht sah beinahe immer kummervoll aus. Zwischen den tiefliegenden Augen saß beständig eine feine Falte, als dächte sie über irgendein schwieriges Problem nach. Ihre ganze Erscheinung machte einen zierlichen, ansprechenden Eindruck, aber ihre Kleidung war weder neu noch elegant.

»Ist der Kabinettsbefehl heraus, Vater?« fragte auch Frau Staal, während sich ihr Blick sofort auf ihres Mannes Hand richtete und ihre Züge einen gespannten Ausdruck annahmen. »Wohin werden wir denn versetzt?«

»Nirgendhin,« sagte der Oberst und schlug mit dem Befehl hin und her, während er seine Damen triumphierend ansah.

»Nirgendhin?« wiederholte die neugebackene Frau Oberst verwirrt. »Was soll das heißen? Bist du denn nicht – ich glaubte –«

Der Oberst schüttelte den Kopf. »Natürlich, natürlich! Die Beförderung ist da – und wir bleiben hier. Verstehst du es jetzt?«

Ejna griff nach dem Kabinettsbefehl, aber ihr Vater wehrte ab und sagte kurz: »Ich habe das hiesige Regiment bekommen.«

»Hier!« riefen die Damen des Hauses im Chor, die beiden Töchter ein wenig enttäuscht, während die Mutter nicht recht wußte, ob sie erfreut sein solle oder nicht.

»Also muß man aufs neue jahrelang hier in dieser Garnison vegetieren,« murmelte Ejna bitter.

»Und ich – ich bin wieder meilenweit von dem Ziel meiner Träume entfernt!« rief Flora pathetisch aus, während sie ihre Lieblingsschauspielerin kopierte und mit geschlossenen Augen den Versuch machte, ihren einen Mundwinkel schmerzlich zucken zu lassen, worin besagte Künstlerin nach Aussage der Kritik Meisterin war.

Ida sagte kein Wort. Ihre lebhaften dunklen Augen wichen nicht von Flora; Floras »Getue« machte Petersen immer einen Hauptspaß.

Aber nun erklärte Oberst Staal mit erhobener Stimme, zum Teufel noch mal, seine Geduld sei zu Ende, und er begleitete diesen Ausspruch mit der dem Hause nicht ganz unbekannten Versicherung, daß er tausendmal lieber eine ganze Brigade kommandieren, als es mit drei Frauenzimmern zu tun haben wolle (Petersen wurde wieder einmal nicht mitgerechnet), und er schloß seinen sehr geräuschvollen Erguß mit der Erklärung, daß er »weiß Gott« keine blasse Ahnung davon habe, was die Vorsehung denn beabsichtigt, als sie solche unlogische und ungerechte Geschöpfe in diese sündige Welt gesetzt habe.

Keine der Damen achtete auf seinen heftigen Ausbruch, und da er im Augenblick keine weiteren Worte mehr finden konnte, die mit »un« anfingen, ließ er sich ermattet in einen Lehnstuhl fallen. Im nächsten Augenblick jedoch wandte er sich mit erzwungener Sanftmut an seine Frau.

»Warst du es nicht, liebe Meta,« begann er, indem er versuchte, die kleinen unsteten Augen seiner Frau festzuhalten, »warst du es nicht, die mich vor meinem letzten Besuch beim Minister so inständig bat, dafür zu sorgen, daß wir nicht ›so weit fort‹ kämen – um nicht zu große Umzugskosten zu bekommen? Und nun es so gekommen ist, daß wir hier bleiben und absolut keine Umzugskosten haben, nun seid ihr wieder nicht zufrieden damit. Jetzt gebe ich es auf. Ich verstehe nicht, was ihr wollt!«

»Ich meine nun eigentlich, es sei deutlich genug,« sagte Petersen, ohne von ihrer Arbeit aufzusehen, »sie wollen natürlich lieber nach der Hauptstadt!«

»Ja, bedenk doch nur, was das für mich bedeutet hätte! Gesang- und Schauspielunterricht!« rief Flora mit einer Theatergebärde. »Aber was nutzt es jetzt, noch daran zu denken?« Sie warf den Kopf zurück, preßte die Lippen zusammen, kreuzte die Arme über der Brust und durchmaß das Zimmer mit großen Schritten; damit wollte sie das vorstellen und versinnbildlichen, was man auf dem Theater »in innerem Aufruhr sein« nennt.

Petersen ließ die Arbeit fallen und verdrehte den Hals, um Flora mit den Augen folgen zu können. »Ja, deine Redensarten kennen wir ja, Flora! Aber daß auch du, Ejna, gerne dorthin möchtest, wußte ich nicht.«

»Ach, es wäre doch wenigstens eine gute Art und Weise gewesen, aus allem hier herauszukommen,« erwiderte Ejna und wandte sich dem Fenster zu, um die Röte zu verbergen, die, sehr gegen ihren Willen, unter des Vaters forschendem Blick in ihre Wangen stieg.

»Ach so!« sagte der Oberst langsam und nachdrücklich, während er seine älteste Tochter bekümmert ansah. »Aber, nun du, Mutter! Was du daran auszusetzen hast, daß wir hier bleiben, verstehe ich nicht; wir bekommen eine herrliche große Wohnung in der Kaserne – Garten und –«

»Das ist es ja gerade, Ejnar – die Wohnung!«

»Aber, großer Gott, Mutter, hast du denn nicht immer darüber gejammert, wie schrecklich es sei, wenn man sich mit einer Mietswohnung behelfen müsse, und wie gut man es in einer Dienstwohnung habe?«

»Ja, ich weiß wohl, daß ich das gesagt habe, und gewissermaßen bin ich ja froh, daß ich nicht in einer andern Stadt auf die Wohnungsuche gehen, auch nicht erst dorthin reisen muß mit allem, was drum und dran hängt; aber an etwas hast du wirklich gar nicht gedacht!«

Der Oberst stand verdutzt auf und begann im Zimmer auf und ab zu gehen. Was konnte sie meinen?

»Etwas, an das ich gar nicht gedacht habe?« wiederholte er und sah von seiner Frau zu den Töchtern. »Etwas, an das ich nicht gedacht habe! Was könnte das sein?«

»Die Zimmer sind dort fünf Meter hoch, Ejnar!«

»Die Zimmer sind fünf Meter – fünf Meter? Nein, warum ums Himmels willen sollte ich daran denken? Was geht mich das an?«

»Nein, dich geht es gar nichts an, Vater, wenigstens nicht direkt,« räumte die Frau Oberst ein, während die Falten zwischen ihren Augenbrauen noch tiefer wurden.

»Nun, dann kann ich auch nicht einsehen, was es dich angeht! Was für sonderbare Ideen ihr Frauen doch manchmal habt! Wir bekommen die Wohnung beinahe umsonst – was zum Teufel – ja, entschuldige – willst du dich darum aufregen, selbst wenn die Zimmer acht Meter hoch wären!«

»Das fehlte gerade noch!« stöhnte Frau Staal entsetzt bei dem bloßen Gedanken an eine solche Möglichkeit.

Der Oberst hielt in seinem Marsch inne und sah sie kopfschüttelnd und verständnislos an.

»Herrgott, Vater, es ist wegen der Gardinen,« sagte Petersen ruhig und zeigte mit der Nähnadel nach den Fenstern.

»Gardinen!« wiederholte der Oberst erstaunt und ließ sich wieder auf einen Stuhl sinken.

»Ja,« fuhr Petersen unbeirrt fort, »es ist doch leicht zu begreifen, daß vorläufig die Gardinen der Stein des Anstoßes sind. Die liebe Mutter weiß absolut nicht, woher sie die Gardinen für die vielen hohen Fenster in der Kaserne nehmen soll. Nicht wahr, Mutter, das ist der Grund?«

»Natürlich, und hauptsächlich jetzt mitten in der Wintersaison; da ist es noch besonders schlimm. Zu Wintergardinen kann man keinen Schund nehmen, und schwere, gute Stoffe sind teuer.«

»Und für den Sommer, sagst du, kann man erst recht keinen Schund kaufen, weil es dann so hell ist und man alles so genau sehen kann. – Ja, ich hab' es mir wohl gedacht; während wir auf der einen Seite sparen, werden um so mehr Ansprüche von der andern Seite kommen. Wie haben wir es damals gemacht, als wir hierherzogen und vier Fenster anstatt zwei bekamen?«

»Lieber Gott, Ejnar, damals schnitten wir sie mitten durch und machten aus einer Gardine einfach zwei.«

»Seht ihr wohl, Kinder!« rief der Oberst froh und mit einem aufmunternden Kopfnicken. »Seht ihr wohl; ja, ihr seid praktisch und erfinderisch! Was willst du dir darüber noch mehr den Kopf zerbrechen, Meta? Fehlt es an Gardinen, so schneiden wir einfach die, die wir haben, durch.«

»Das ist gar nicht so dumm,« erklärte Petersen beifällig. »Laß uns die Gardinen nur durchschneiden, Mutter, so lange, bis wir genug haben, wie Vater sagt. Ich denke, sie werden schon noch eine Spanne breit werden. Von der Länge sprechen wir überhaupt nicht, aber es wird gewiß sehr originell aussehen mit solchen Därmen an den Fenstern.«

»Ach, wie niederdrückend ist es doch, wenn man stets solche Familienverhandlungen mit anhören muß über Sachen, die man durchaus haben muß und die man doch nicht anschaffen kann!« kam es ärgerlich von Ejnas Lippen.

»Und was meinst du wohl, daß eine Künstlernatur wie die meinige leidet, wenn sie so etwas hören muß?« fiel Flora ein.

Doch nun richtete sich der Oberst zu seiner ganzen martialischen Größe empor.

»Jetzt will ich euch einmal etwas sagen, Mädchen, und du, Mutter, kannst ebenfalls meine Meinung mit anhören. Ich finde die Art und Weise, wie ihr meine Beförderung aufnehmt, höchst sonderbar. Ihr streitet und beratet euch über alltägliche Dinge und tut, als ob es die gleichgültigste Sache von der Welt wäre, daß Seine Majestät der König mich allergnädigst zum Regimentskommandeur ernannt hat.«

Beschämt stand Frau Staal auf und trat zu ihrem Manne.

»Ja, du hast recht, Vater, es war wirklich gedankenlos und auch taktlos von uns; aber sei nicht böse, du weißt ja, ich habe so vieles zu überlegen. Wir alle können nur froh und dankbar über diese Beförderung sein, nicht wahr, Kinder?«

»Gewiß,« antwortete Ejna; »aber wir wissen es ja schon seit einigen Tagen, daher ist der erste Freudenrausch auch schon vorbei.«

»Schon gut, Kinder,« meinte der Oberst und nickte besänftigt, »wird sich ja alles finden; ich bin froh, daß ich in meiner alten Garnison bleiben kann, und ich möchte auch gerne, daß ihr es wäret. Wollen's abwarten (dies war sein Lieblingswort), Mutters Gardinen sind nicht das einzige, was uns fehlt, aber es wird schon alles recht werden.«

»Ach,« seufzte Frau Staal,»um eine große Mittagsgesellschaft fürs ganze Bataillon werden wir auch nicht herumkommen!«

»Ei, das hieße doch wahrhaftig das Geld zum Fenster hinauswerfen,« erklärte Petersen, die jetzt mit ihrer Arbeit fertig war und sie zusammenpackte. »Wenn wir umgezogen sind, müssen wir ja doch das ganze Regiment einladen.«

»Das ist allerdings wahr,« pflichtete der Oberst bei. »Wir können uns gewiß mit einem, aber ausgesucht feinen Diner für alle miteinander gleich nach dem Umzug begnügen.«

»Wenn es dann nur wirklich ausgesucht gut wird, Vater!« sagte Ejna kurz.

»Warum in aller Welt sollte das Diner nicht gut werden?« fragte Frau Staal beleidigt. »Wenn es etwas Besseres sein soll, nehmen wir natürlich die Schäfer.«

»Ja, natürlich, es genügt, wenn wir Madame Schäfer haben! Als ob sie ein gutes Essen kochen könnte, ohne daß es etwas kostete!«

Frau Staal stand auf und ging nach der Tür. »Herrgott, Ejna,« sagte sie ruhig und schüttelte mißbilligend den Kopf, »du bist immer so unzufrieden und schwierig.«

»Ejna,« sagte der Oberst weich – diese Tochter war sein Liebling, und seine Stimme klang wie eine Liebkosung, wenn er mit ihr redete – »komm einen Augenblick mit mir, ich möchte dir gerne noch etwas sagen.«

Ejna nahm ihre Schreibmappe vom Tisch und preßte die Lippen fest zusammen; es war ihr unerträglich, wenn der Vater in solch bewegtem Ton mit ihr sprach, gerade wie wenn sie ihm leid täte. Nichts war ihr schrecklicher, als bemitleidet zu werden.

»Richtig, Ejnar!« Frau Staal stand schon an der Tür. »Bekommen wir heute abend Besuch?«

»Wie kann ich das wissen, Liebste?«

»Gratulanten, Vater!« erklärte Petersen.

»Gratulanten!« wiederholte Staal ärgerlich. »Das fehlte mir gerade noch! Macht nur keine Umstände! Vielleicht daß Ström kommt.«

»Na – ja – Ström, ihn rechnen wir ja nicht als Besuch!«

»Nein, mach nur keine Umstände, Mutter; komm jetzt, Ejna!« Mit einer ritterlichen Bewegung öffnete der Oberst die Tür, durch die seine Tochter langsam und mit trotziger Miene hinausschritt.

»Ach, hätte man doch erst den Umzug überstanden!« klagte Frau Staal, sobald die Tür sich hinter Ejna und ihrem Vater geschlossen hatte. »Was das für ein Durcheinander gibt, ehe alles an Ort und Stelle kommt.« Ihre kleinen, unruhigen Augen flackerten von den Gardinen zu den Möbeln, als ob sie schon beim Ausräumen wäre.

»Denke doch nicht an solch langwelliges Zeug!« sagte Flora, indem sie sich wieder in ihre Rolle vertiefte.

»Ja, du hast leicht reden, mein Kind!«

»Meinst du?« Flora sah ihre Mutter mit theatralisch funkelnden Augen an. »Ich!« sie schlug sich heftig auf die Brust, »ich, deren schönste Hoffnung in Trümmern liegt – kann leicht reden?«

»Nein,« sagte Petersen, indem sie die Schwester vergnügt betrachtete, »ich kann recht gut verstehen, daß es ein schrecklicher Schlag für dich ist, Flora. Aber die Umzugsorgen sind auch nicht gerade amüsant für Mutter, nicht wahr? Es ist doch ein Glück für dich, Mutter, daß du deine drei prächtigen erwachsenen Töchter hast, die dir helfen können.«

Frau Staal sah nicht gerade überzeugt aus. »Na ja, wir werden ja sehen!« murmelte sie, während sie die Tür öffnete; aber ehe sie das Zimmer verlassen konnte, war Ida neben ihr, legte ihr die Arme um den Hals und sagte in einem Ton, aus dem Lebenslust und Freude klang: »Gnädige Frau haben doch jedenfalls mich.«

»Ja, es ist wahr, Petersen, ich habe ja jedenfalls dich.«

Flora stand wieder vor dem Spiegel, und noch draußen auf dem Gang hörte man sie mit düsterem, bitterem Tonfall zitieren: »Das Leben? Was ist mein Leben –«

 


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