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Zur Attacke marsch, marsch!!

Wir zogen also zum Rathaus, und nachdem ich dort in ordnungsmäßiger Weise die Posten hatte aufstellen lassen, verfügte ich mich in das Innere.

Auf der Vortreppe begegnete mir ein Ortsgendarm, und da er augenblicklich dienstfrei war, kommandierte ich ihn sofort zum Dienst und wies ihn für alles Weitere an meinen Truppenführer, den Gefreiten.

Ich hatte bestimmt, daß die erste Wache, welche aus vier Gardefüsilieren bestand, die drei Portale mit je einem Posten zu besetzen hatte.

Der Führer der Wache, mein Truppenkommandeur, hatte zunächst das Kommando über das Rathaus und auch gleichzeitig den Ordonnanzdienst bei mir.

Ohne meine Erlaubnis durfte niemand das Rathaus betreten oder verlassen.

Ich betrat nun also das Rathaus, sechs Grenadiere und einen Füsilier hinter mir. Zunächst suchte ich mir das Zimmer des Sekretärs auf, das im ersten Stock lag.

Als ich die Türe öffnete, saß der Herr ruhig auf seinem Sitz.

Ich teilte ihm mit, daß ich Auftrag hätte, ihn nach Berlin zur Neuen Wache zu schaffen und daß er sich demgemäß reisefertig machen möge.

Er hatte nicht viel dagegen einzuwenden, und so stellte ich ihm zwei Hüter zur Seite, die dafür zu sorgen hatten, daß ihm keine Unannehmlichkeiten zustoßen konnten.

Von hier begab ich mich in das nebenliegende Zimmer des Bürgermeisters.

Bei meinem Eintritt saß dieser hinter einem Tisch auf seinem Sessel und schien etwas überrascht. Als er meine Charge jedoch erkannte, sprang er auf. Und wie ich auch ihm mitteilte, daß ich ihn auf Allerhöchsten Befehl nach Berlin zur Wache zu bringen hätte, war er, wie begreiflich, zunächst darüber sehr bestürzt.

Er bat mich um Aufklärung, und ich bedeutete ihm, daß er ja dort alles erfahren würde. Und als er weiter in mich drang, ihm zu seiner Beruhigung doch zu sagen, was eigentlich gegen ihn vorliege, da habe ich ihm völlig wahrheitsgetreu gesagt, ich wüßte das nicht.

Er versuchte nun noch alle möglichen Ausreden und Einwendungen; als Antwort stellte ich auch ihm zwei Grenadiere vor und übergab ihn deren Hut.

In meiner ostpreußischen Heimat ist gewöhnlich der Stadtkassenrendant bekannt unter dem Namen Stadtkämmerer. Er ist dort gleichzeitig der stellvertretende Bürgermeister. Ich nahm an, daß das hier ebenso sei, und wollte den in Frage kommenden Herrn gleichfalls aufsuchen.

Auf dem Wege zum untersten Stock fiel mir aber ein, daß ich noch gar keine Polizeibeamten gesehen hatte, und um mich darüber zu informieren, wo die Herren eigentlich steckten, schritt ich den Korridor nach links ab und kam so vor das Zimmer des Polizeiinspektors.

Der saß gemütlich in seinen Sessel gelehnt und schlummerte. Ich weckte ihn. Er schaute ganz verblüfft drein. Darauf fragte ich ihn, ob er denn dafür von der guten Stadt Köpenick bezahlt würde, daß er hier säße und schlummerte? Er möchte die Güte haben, sich hinauszubemühen und dafür zu sorgen, daß in den Straßen die nötige Ordnung eingehalten würde und in dem Verkehr keine Störung eintrete.

Schleunigst entfernte er sich, wurde aber von dem Posten am Portale nicht durchgelassen und kam ganz verdutzt und verstört zu mir zurück.

Der Posten ließe ihn nicht hinaus, erklärte er mir und bat mich, ihn doch zu beurlauben, da er baden müsse.

Da mir dies wirklich dringend nötig erschien, so bekam er seinen Urlaub. Und wie es schien, war es tatsächlich eine große Wäsche, die er veranstaltete, denn ich bekam ihn nicht wieder zu sehen.

Nachdem so auch dem Humor sein Recht geworden, trat wieder der ganze Ernst der Situation an mich heran, und ich suchte den stellvertretenden Bürgermeister auf.

Unterwegs trat ein Kassenbote an mich heran, der Geldpostsachen im Werte von etwa 1 200 Mark von der Post holen wollte. Ich ließ ihn zunächst nicht passieren, da die Angelegenheit für mich von keinem Belang war, und betrat das Kassenzimmer, in welchem ich den stellvertretenden Bürgermeister zu finden glaubte.

Es waren vier Herren in dem Zimmer, und da ich nicht wußte, welcher von ihnen der Rendant war, auch nicht alle vier verhaften wollte, so beschloß ich, sie in ihren Zimmern zu beschäftigen.

Ich ersuchte die Herren also, sich zunächst an ihre Arbeitsplätze zu begeben, denn sie waren aus Neugier zusammengetreten und besprachen eingehend die ihnen unbegreiflichen Vorgänge im Rathause. Die Herren verfügten sich nun jeder an sein Arbeitspult, und ich fragte: »Wer ist hier der Kassenrendant?«

Darauf erfolgte von einem Platze die Antwort: »Ich!« Ich teilte dem Herrn wie den beiden vorher Verhafteten mit, daß ich Befehl hätte, ihn nach Berlin zu schaffen, und daß er deshalb seinen Kassenabschluß machen solle.

Er war zunächst auch dazu bereit, bemerkte aber, er müsse das Geld dazu von der Post haben, ich hätte seinen Kassenboten nicht durchgelassen.

»Nun, wenn Sie das Geld haben müssen, so mag er es holen!«

Ich gab Befehl, den Mann passieren zu lassen, und wollte mich eben selber entfernen, als der Rendant mir die weitere Frage vorlegte, wie ich den Kassenabschluß wünsche und in welcher Weise er das Geld aufzählen solle.

Ich antwortete ihm, mir wäre das höchst gleichgültig, er möge es so machen, daß eine Übersicht vorhanden wäre, aus der ich ersehen könne, daß die Abrechnung auch stimme.

Vor die Tür stellte ich als Posten den Gefreiten vom 4. Garderegiment, der früher das Kommando der Wache geführt hatte, und ich begab mich nun in die oberen Räume zurück, um sie etwas eingehender zu untersuchen.

Als ich die Treppe hinauf schritt, kam plötzlich der Rendant in Begleitung eines Postens hinter mir her und sagte mir: »Herr Hauptmann, ich kann den Kassenabschluß nicht machen. Ich muß dazu Befehl vom Herrn Bürgermeister haben.«

»Das brauchen Sie ja auch nicht!« antwortete ich ihm. »Wenn Sie den Abschluß nicht machen wollen, so lasse ich Sie sofort abführen und den Kassenabschluß von einem anderen Beamten besorgen!«

»Nun«, sagte er, »dann will ich es allerdings tun!«

Ich entließ ihn mit seiner Begleitung und begab mich nach oben.


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