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Mein Feldzugsplan

Es handelte sich für mich lediglich darum, von wo ich mir die Mannschaft nehmen konnte oder wollte, und außerdem, wie ich am bequemsten von dem Orte der Übernahme der Mannschaft bis an den Ort der Tat gelangen konnte. Anfangs hatte ich beabsichtigt, mir ein Kommando, das vom Truppentransport zurückkehrte, von einem Bahnhof Berlins aufzunehmen und damit zu operieren.

Zu diesem Behufe hatte ich mich zunächst eines Abends auf den Schlesischen Bahnhof begeben, über welchen, wie ich wußte, sehr viele Transporte ziehen. Aber gerade an dem Abend, wo ich mich dort aufhielt, war keine Mannschaft vorhanden.

So beschloß ich denn, eine der abgelösten Wachen von dem Tegeler Schießstande zu verwenden. Dazu mußte ich mir aber klar werden, welchen Ort ich heimsuchen wollte. Ich hatte die Wahl zwischen Bernau, Oranienburg, Fürstenwalde, Nauen oder Köpenick.

Ich hatte mich, um vorläufig einmal einen Überblick zu finden, bereits am Tage vorher nach Nauen begeben. Dort stieß ich denn, als ich nach Berlin zurückkehren wollte, mit dem Großen Generalstabe und den Offizieren der Kriegsakademie zusammen, die an dem Tage nach Nauen gefahren waren, um sich über die Einrichtungen der drahtlosen Telegraphie zu informieren.

Einen Moment war ich etwas verblüfft, aber ich nahm die Dinge, wie sie eben waren, und so wurde auch ich nicht weiter behelligt.

Nauen schien mir aber durch das dazwischenliegende Spandau zu gefährlich, und so entschloß ich mich für Köpenick, weil ich dies mit Benutzung der Bahn am schnellsten erreichen konnte.

Ich wußte, daß das Fehlen der Mannschaften in der Kaserne zunächst keine Beunruhigung hervorrufen würde, und so hatte ich vollständig Zeit, meine Absichten in Köpenick auszuführen. Daß ich mich keineswegs verrechnet hatte, beweisen die nachfolgenden Tatsachen. Mit Rücksicht darauf, daß ein spätes Verlassen meiner Wohnung den Einwohnern des Hauses auffällig erscheinen und gleich zu meiner Entdeckung führen könnte, mußte ich so früh als möglich fortgehen.

So kleidete ich mich denn in meinem Zimmer an und verließ morgens gegen ¼ 4 Uhr meine Wohnung. Zunächst fuhr ich mit dem nächsten Zuge um 4 Uhr früh nach Köpenick, um wenigstens das Rathaus zu sehen, kehrte aber bereits um 6 Uhr nach Berlin zurück, nachdem ich in einem entlegenen besseren Lokal gefrühstückt hatte. Dort verweilte ich einige Stunden und begab mich in einer Droschke nach der Seestraße, stieg dort aus und machte mich mit dem Orte bekannt, wo die Wachen kampierten.

Nachdem ich mich genügend informiert, suchte ich wieder ein Gartenlokal auf, in welchem ich zu Mittag speiste. Auf dem Wege dahin hatte ich noch eine Begegnung mit einem Major der Luftschifferabteilung. Auch das bürgt zur Genüge dafür, daß die so sehr bemängelte Uniform in durchaus tadellosem Zustande war. Nachdem ich gespeist, begab ich mich etwa um ½ 12 Uhr auf den Platz, um die Wachen in Empfang zu nehmen.

Wider mein Erwarten sah ich bereits eine im Abmarsch begriffen. Wie ich später erfuhr, war es die Mannschaft von der Schwimmanstalt.

Da sie nicht in ordnungsmäßiger Weise grüßte, rief ich ihr zu: » Halt«

Und der Kommandierende der Wachtmannschaft ließ halten und machte mir in vorschriftsmäßiger Weise die Meldung über das Woher und Wohin!

Ich muß hierzu bemerken, daß mich dieser Gefreite nach annähernd zwei Jahren, als ich zu meiner Erholung im Kurhaus Jaegerhof bei Duisburg weilte, besuchte. Er wohnte nämlich in der Nachbarschaft in Homberg o. R. Ich fragte ihn gesprächsweise, was er sich denn gedacht hätte, als ich ihn anrief?

Er antwortete mir, er hätte geglaubt, er würde drei Tage bekommen und dadurch auch die Knöpfe verlieren, weil er mich nicht hätte sehen wollen, um mir nicht mit seinem Kommando die Achtungsbezeigung leisten zu müssen.

Ich teilte also ihm und der Mannschaft mit, daß sie jetzt nicht zur Kaserne marschieren dürften, sondern auf höhern Befehl durch mich zu einer anderen Dienstleistung kommandiert würden. Dann befahl ich dem Gefreiten, auch die zunächst gelegene Wache von dem Schießstande des 2. Garderegiments herbeizurufen. Dies geschah in kürzester Frist.

Als auch die zweite Wache herangetreten und ihr Führer die vorschriftsmäßige Meldung gemacht hatte, teilte ich ihm dasselbe mit, bestimmte den ersten Wachtkommandanten zum Kommandierenden des Ganzen, ließ ihn die Mannschaft rangieren und schließen und befahl den zweiten Kommandanten an die Queue. Darauf befahl ich den Abmarsch zum Bahnhof Puttlitzstraße.

Ich hatte mit Rücksicht darauf, daß die Mannschaft ja nicht zu der Kaserne zurückmarschieren konnte, bestimmt, daß sie sich zunächst in der ersten Bahnhofsrestauration durch ein paar Glas Bier erfrischen und dann in Köpenick zu Mittag speisen sollte. Die nötigen Barmittel dazu händigte ich dem Führer ein. Ebenso die Fahrkarten, da ich einen Wagen nicht requirieren mochte.

So ging's nach Köpenick!

In Rummelsburg mußte umgestiegen werden. Da noch etwas Zeit war, traten die Mannschaften ans Büfett, um sich zu stärken.

Bei dieser Gelegenheit machte ich die Beobachtung, daß sie sich in etwas breiter Weise mit der Zivilbevölkerung unterhielten.

Um für Köpenick das unmöglich zu machen, beschloß ich, ein kleines Korrektionsmittel anzuwenden, ließ der Mannschaft vorderhand aber freien Willen, obgleich ich sie hätte antreten und Gewehr bei Fuß dastehen lassen können. In Köpenick habe ich dann die Mannschaften in der Restauration zu Mittag speisen lassen. Ich hatte ihnen dazu eine Viertel Stunde Zeit gegeben, währenddessen spazierte ich auf dem Korridor des Bahnhofes auf und ab. Pünktlich trat die Mannschaft heraus.

Ich ließ zunächst vor dem Bahnhofe aufmarschieren und machte die Diensteinteilung für das Rathaus. Dann ließ ich die Seitengewehre aufpflanzen, lediglich um die Mannschaft daran zu erinnern, daß sie nicht zum Vergnügen, sondern zum Dienst kommandiert sei. Es klappte alles, und ich hatte während der Dauer meines dortigen Aufenthaltes keine Veranlassung, noch einmal eine Rüge zu erteilen.

Instruktionen für die Behandlung einzelner Personen hielt ich nicht für notwendig, da ich aus Erfahrung weiß – wie sich das auch in diesem Falle wieder bestätigte –, daß ein Mann, der auch nur ein Jahr gedient hat, vollständig darüber informiert ist, wie er einen ihm zugeteilten Gefangenen zu behandeln hat.

Instruktionen zu irgendeiner gewalttätigen Handlung hatte von meiner Seite niemand erhalten. Ich wußte ganz genau, daß ich zu dem, was ich befehlen würde, unbedingten Gehorsam finden oder ihn mir jedenfalls verschaffen würde.

Später ist die Frage aufgeworfen worden, was ich wohl getan hätte, wenn nun die Bevölkerung Partei für ihre Behörde ergriffen und mich und meine Mannschaft angegriffen hätte.

Diese Frage zu beantworten ist gar nicht möglich.

Im gegebenen Augenblick würde ich eben gehandelt haben, wie es für einen Offizier in solcher Lage geboten ist!


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