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I

Ins Gäßchen »Sieh um dich« läuten die großen Glocken der Stadt. Von der Pellinger Höh' und dem Franzensknüppchen, von dem einst Franz von Sickingen die Stadt beschossen, vom Grünberg durch die traubenbehängten Reihen der Rebstöcke herab dröhnt Kanonieren. Die Trikolore weht. Wehe dem Bürger, aus dessen Fenster nicht Fahnentuch flaggt: blauweißrot! Die Männer tragen die dreifarbene Kokarde am Hut, die Frauen haben sie an die Haube gesteckt.

Auf dem Hauptmarkt, auf dem Domfreihof, vor dem Justizgebäude in der Dietrichsgasse ragt ein Freiheitsbaum – junge, schlanke Eichen von Eifelhöhen. Die unteren Äste sind ihnen abgestutzt, die oberen mit dreifarbenen Bändern umwunden, ihren Wipfel krönt eine Jakobinermütze.

Durchs Gäßchen »Sieh um dich« windet sich ein langer Zug; durch die Glockenstraße, über den Markt, durch die Fleisch- zur Nagelgasse. Munizipalität und Geistlichkeit, Professoren und Studenten, Vorsteher aller Ämter, Lehrer, Zünfte, Schulknaben und -mädchen, hervorragende Bürger und Stadtmusikanten, alle Beamte von Stadt und Umkreis ziehen hinter berittenen Chasseurs zum Dekadensaal. Trompeter blasen schmetternd, Tambours wirbeln dröhnend, Waisenkinder singen gellend. Soldaten zu Fuß, Soldaten zu Pferd; Jungfrauen, bekränzt und in weißen Kleidern, schwenken Rosengirlanden zwischen sich, hohe Herren in schwarzseidenen Mänteln lassen drei lange Federn vom Hute wehen. Viel neugieriges Volk rundherum: Bauern im blauleinenen Kittel der Eifel, Mädchen, im festgeflochtenen, wassergestrählten Haarnest den blanken Unschuldspfeil. Fremde Gaffer, von denen man nicht weiß, woher und wohin. Dazwischen Männer mit Ziegenbärten, denen man's ansieht, wie sie heißen: Herzchen Rosenblatt, Moyses Mohnsam, Mendel Löw, Afrom May, Itzig Nudel, Leib Süßkind. Und über allem ein Himmel tiefblau und schwer. –

Trier feierte am 1. Vendémiaire des Jahres V. (22. September 1796) das Fest der Gründung der französischen Republik: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit!

Im Dekadensaal, dem einstigen Promotionssaal der Universität, war eine Pyramide errichtet, darauf stand eine weibliche Statue, das Symbol der Republik; sie hielt in der hängenden Rechten das Bündel Stäbe mit dem herausragenden Beil, ihre Linke hob einen Speer empor, an dem die Freiheitsmütze steckte. Huldigend verneigten sich die wie in Prozession an ihr Vorüberziehenden. Aber manch Trierer Auge blickte mit Schaudern. Da stand zur Seite der Republik noch so ein Weibsbild, mit Helm und Lanze, aber sonst nackt, und das streckte gegen einen Priester, der im Ornat zwischen kirchlichen Insignien und heiligen Gefäßen am Sockel der Pyramide zu sehen war, die Zunge heraus, und bacchantische Kinder, splinterfasernackig, trampelten auf dem Kurhut und auf dem erzbischöflichen Kreuz mit dem Pallium herum. O Clemens Wenzeslaus, Kurfürst von Trier, wenn du das sähest! Doch gut, daß du nicht mehr hier bist, dachte manch Trierer Herz.

Man hatte ihm manches verdacht, dem Clemens Wenzeslaus. Wenn der nicht versippt gewesen wäre mit dem französischen Königshaus, nicht allzu gastlich den emigrierten Adel und die verpönte Geistlichkeit Frankreichs im Kurfürstentum aufgenommen, es seinen Neffen, den Brüdern Ludwigs XVI., nicht erlaubt hätte, zu Koblenz einen Hofhalt einzurichten mit allem Trara, wer weiß, ob dann das Land nicht verschont geblieben wäre vom Mißtrauen und der Rache der Republik. Nun mußte man leiden, selber ganz unschuldig, aber Clemens Wenzeslaus, der dicke Hasenfuß, der war geflohen.

Und doch, es hatte sich lange Zeit fröhlich gelebt unterm Kurhut; der Krummstab war ein mildes Zepter gewesen. Weiß Gott, wenn der Clemens Wenzeslaus heute wiederkäme, man würde sich wiederum einspannen vor seinen Wagen anstatt der Pferde, wie im Jahre 93 des alten Kalenders zu Koblenz geschehen war, nach des Kurfürsten Rückkehr von seiner ersten Flucht. Und zärtlich würde man rufen: »Kommen Eure Kurfürstliche Durchlaucht doch wieder in den Schoß Ihrer treuen, nach Höchstihnen sich so innigst sehnenden Untertanen zurück, schenken Höchstsie uns den Segen Höchstihrer Nähe!« Das Volk hatte »Vivat!« geschrien und »noch fufzig Joahr!«

Doch nun war das erst drei Jahre her und alles, alles schon so ganz anders! Man wußte nicht, ob man lieben oder hassen sollte und wo und wen. Wie war auch den Bürgern mitgespielt worden seitdem! Es war nicht einmal im Jahre 92, als die Kaiserlichen mit den Franzosen sich um Trier herumbalgten und von der Pellinger Höh' aus die Stadt beschossen wurde, ganz so schlimm gewesen. Freilich harte Zeit auch da. Das Herz hatte sich dem anständigen Menschen, der sein Vaterland liebte, umgedreht, wenn er's erleben mußte, daß Soldaten, die wie Plundermätze aussahen: die einen in Hüten, die anderen in Kasketen, diese in Pelzmützen, jene in Bauernkappen, mancher im Leinenkittel und viele im Wollenkamisol, wenige nur in regelrechter Uniform, die meisten ohne Strümpfe in durchlöcherten Schuhen, daß die Sieger wurden. Sieger über die Truppen der Österreicher, Preußen und Landeskinder, die, wenig zuvor nur, schmuck wie zum Ball ausgezogen waren in die Champagne zum Spaziergang nach Paris.

Wehe, welche Tage in Triers Mauern! In Nächten, in denen man nicht schlafen konnte, sah man wiederum diese schmucken Truppen ausrücken und dann, wiederkehrend, die Stadt durchflüchten wie irre Träume. Von tausend waren Hunderte tot. Und abermals Hunderte in wenigen Wochen durch strömenden Regen ohn' Unterlaß, durch Hunger und Kot zu wankenden Schatten geworden, die aufs Pflaster hinsanken, nicht mehr aufstehen wollten. In »Kranen« schiffte man die Flüchtenden ein; was an Schiffen und Kähnen zu haben war, wurde requiriert. Die Mosel hinab, das war die Losung. Wer noch laufen konnte, lief auf eigene Faust – nur fort, fort! Aber viele Krümmungen macht die Mosel, in unendlichen Windungen umschlängelt der Fluß felssteile Berge von allen Seiten; wer weiß, wie viele, um abzukürzen, die Flußstraße verließen und sich auf unkenntlichen Höhenpfaden verstrickten ins Dickicht noch ungelichteter Wälder und, todmüde dahinstolpernd, verlorengingen in entlegenen Köhlerhütten. Geforscht wurde nach keinem Verlorengegangenen, ein einzelnes Menschenleben war heute so gut wie gar nichts. Blut war in der Mosel und Seuche und Hunger an beiden Ufern und wenig Barmherzigkeit.

Wenn die Bürger Triers ihren Kindern, die dazumal noch am Gängelband geführt wurden, von jenen Tagen erzählten, dann schauten die auch jetzt noch verständnislos drein; sie begriffen gar nicht, warum die Mutter ein Kreuz schlug und ihre Wange sich bleichte. Sie hatten ja das Leben nie anders gekannt: Lärm auf den Straßen, Abteilungen französischer Soldaten, die an die Türen schlugen, auf Leiterwagen davonführten, was sich noch von Schuß- und Hiebwaffen in den Häusern befand, und auch das mit sich nahmen, was einzelne, die geflüchtet waren, bei Verwandten und Freunden von ihren Möbeln und Wertsachen zurückgelassen hatten. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – Todesstrafe für den, der etwas einbehielt von dem, was der Flüchtende ihm anvertraut hatte, auf Freundestreue und Redlichkeit bauend. In den Klöstern und bei den alteingesessenen Familien, da fand sich am meisten. In manchem Patrizierhaus nahm man der alten Mamsell, die treu wie die Hauskatze am Hause hing, ihr Bettzeug weg und dem Diener, der langsam die verschlossene Eingangstür öffnete, die Livree, die er viele Jahre im Dienst seiner Herrschaft getragen hatte. Die Kinder verstanden nicht, wie bitter es tut, vom Altgewohnten zu lassen. Warum weinte die Mutter so schmerzlich, daß sie nicht mehr im Dom in der Muttergotteskapelle ihre Andacht halten konnte? Sie sei es von Kindheit auf so gewohnt gewesen. Nun mußte sie anderswo beten gehen. Viel Auswahl war nicht; im Dom war jetzt ein Furagemagazin, auch Möbel aus dem kurfürstlichen Palast waren dort eingestellt, bis man sie abführte nach Frankreich. Im Palast selber lagen die Soldaten, die die Krätze hatten. Sankt Matthias war Lazarett geworden, seine schönen Glocken hatte man in Stücke geschlagen. In die Dreifaltigkeitskirche hatten die Kommissäre den Wein gelegt, den sie den Klöstern und den Kellern der Ausgewanderten entnommen; siebzig Fuder wurden in einem Monat drin abgestochen. In der Kirche der Karmeliter hatte man der Mutter Gottes ihr kostbares Kleid und den mit Silber bestickten Mantel ausgezogen, ihr statt dessen einen Sack übergestülpt. Im Kloster der adligen Nonnen zu St. Irminen hatten die Franzosen ihr Schlachthaus eingerichtet, in St. Simeon die bleiernen Platten des Daches abgedeckt und St. Martin ausgeplündert. In St. Maximin lagen die großen Statuen der Bischöfe mit der Nase an der Erde, die bunten Glasfenster, von Steinwürfen verletzt, verloren im Windstoß klirrend ein Scheibenstück nach dem anderen. In der Abtei Marien waren die Orgelpfeifen herausgerissen, und mit St. Paulin war's nicht viel besser bestellt. Nach Liebfrauen konnte die Mutter doch noch beten gehen; aber es stolperten immer etliche im hallenden Schiff herum, scharrten mit den Füßen, rauchten und sprachen ganz laut, und das störte sie.

Der Vater ballte die Faust: das war noch nicht das Schlimmste. Aber daß man der Jugend, schon den Kindern in der Schule, die Göttin der Vernunft, ein nackiges Weibsbild, vorsetzen wollte an Stelle »Unserer Lieben Frau«, das war Ärgernis ohnegleichen. Man sah's ja, wohin solcher Unglaube führte. Mägdlein, die sonst ganz sittsam gewesen, setzten ihre Kinder hinter Hecken und Zäunen ab, fahrendes Volk gaukelte auf allen Märkten, mit den Bänkelspielerinnen in kurzen Röcken trieben ehrsamer Bürger Söhne sich herum. Ein Volk ohne Religion ist ein Volk ohne Sitte; nichts auf der Welt kann dem simplen Herzen seinen Herrgott ersetzen.

Oh, und die Angst, die man ausgestanden hatte, vor den durchziehenden befreundeten Truppen nicht minder als dann vor den feindlichen! Der Krieg nimmt, wo er kann, und was er kann; man hatte gegeben, aber alles Geben hörte doch einmal auf. Ja, als die Emigrierten mit ihren geflüchteten Schätzen ins Land gekommen waren, die Marquis, die Marquisen, hohe Geistliche und adlige Nonnen, als die ihr Gold, Edelsteine, Perlen, Brillanten, eingelegte Waffen, kostbares Pelzwerk und Kleider zu Geld machten und für die Wohnung, die man ihnen einräumte, reichlich zahlten, da war jedermann gut bei Kasse gewesen. Man hatte ordentliche Preise genommen zu Trier. Aber seit die Patrioten, wie die Republikaner sich nannten, die Emigranten geächtet hatten, daß die nur in wenigen verborgenen Winkeln sich aufzuhalten getrauten, als Todesstrafe darauf stand, wer einen Emigrierten bei sich aufnahm, da war die beste Erwerbsquelle verlorengegangen. Denn die Assignaten, mit denen die Republikaner zahlten, waren nichts weiter als dreckiges Papier; nicht einmal echt waren die immer.

Und doch sollte man zahlen, mußte zahlen; die Kontribution von drei Millionen Livres, die Bourbotte, der Repräsentant des französischen Volkes, der Stadt und den besetzten benachbarten Ortschaften auferlegt hatte, wurde eingetrieben eins, zwei, drei. Klang es nicht wie Hohn, wenn es in der Proklamation von Bourbotte also hieß: »In Erwägung, daß die französische Republik, indem sie den Bewohnern der durch ihre Armeen eroberten Länder Schutz und Sicherheit gewährt, begründete Rechte hat, von ihnen den Zoll der Dankbarkeit zu fordern, den sie dem großmütigen Verfahren einer Nation schulden, die weit davon entfernt ist, die Rechte auszuüben, die der Krieg den Siegern anheimgibt – sie will ihre Macht nur gebrauchen, um die königlichen Unterdrücker zu zerschmettern, diese Geißeln der Welt – und in weiterer Erwägung, daß, wenn die französische Nation auf all die Vorteile Verzicht leistet, welche sie von ihrem Sieg in dem Kurfürstentum Trier ziehen könnte, so ist sie jedoch genötigt, sich wenigstens für ihre Kosten und Auslagen zu entschädigen, die die Unterhaltung der Armeen, deren sie bedarf, um die Frechheit der Tyrannen im Zaum zu halten, erfordert.«

Gnade, Gnade, woher soviel nehmen?! Es wurde in den Häusern zusammengeschrappt, was sich noch an Werten darin befand: Bargeld, Hypothekenbriefe, altes Familiensilber, eingemauerte Weine, Schmucksachen, Porzellane, Bilder, Samte, Uhren, Pelze, Seidenstoffe. Alles wurde hervorgeholt, und es reichte doch nicht. Trommler gingen durch die Stadt: binnen vierundzwanzig Stunden mußte die Kontribution bezahlt sein, die Munizipalität von Trier haftete mit dem Kopfe dafür. Der letzte Sparpfennig wurde hingegeben, die letzte Hosenschnalle. –

Aber das Schlimmste, das Unerträglichste, das kam doch jetzt: man mußte Feste mitfeiern, die einem nicht Feste waren. Man mußte mitjubeln und hätte doch fluchen mögen. Aber still, um Gottes willen still, daß keiner ein Murren hört! Das Gesicht in zufriedene Falten gelegt, daß niemand einem ansieht, wie es innen würgt! Vorsichtig schaute mancher ehrsame Mann sich um: überall lauerten jetzt Spione, es gab Leute genug, die sich nicht scheuten, den Angeber zu spielen, nur um ein Sündengeld vom Kommissär. Tiefer wurden die Diener vor den zwei nackenden Weibern.

Es wurde viel geredet heute im Dekadensaal, französisch, deutsch und wieder deutsch und französisch.

»Despotismus, Knechtschaft, Unterdrückung, Finsternis hinter uns – Freiheit, Gleichheit, Menschenrechte und Aufklärung vor uns!«

»Krieg den Palästen, Friede den Hütten!«

»Der Kampf zwischen Licht und Finsternis, zwischen Tugend und Laster, zwischen Freiheit und Knechtschaft ist zu Ende, hell strahlt die Zukunft der neuen Menschheit!«

Die neuen freiheitlichen Einrichtungen seien in der Tat ein unvergleichliches Glück, versicherte auch Triers Bürgermeister. Ein wenig ängstlich blickte der Herr, aber desto lauter erhob er die Stimme: ein unvergleichliches Glück! Und wem verdankte man das Glück dieser Befreiung? Den tapferen Truppen, die man den Vorzug hatte, in Triers Mauern zu beherbergen. Damit gab er den beiden Demoisellen, die er rechts und links neben sich stehen hatte, ein Zeichen, und diese schönsten Jungfrauen der Stadt, die eine mit nachtschwarzem Scheitel, die andere blond wie die Sonne, nahmen die Lorbeerkränze, die sie auf dem Haar trugen, ab und bekrönten damit zwei Soldaten, die man bereitgestellt hatte aus dem Militärhospital.

Die Musik setzte ein, schmetternde laute Musik. Aller Hände erhoben sich. Der Kommissär nahm den Eid ab: »Ich schwöre Treue der Republik.«

Dann Gesang eines Liedes:

»Heut jauchzet wonnetrunken
Mein freies Vaterland.
Es lag in Nacht versunken
Am schweren Sklavenband.
Da riß die schwarze Wolke:
Des Thrones Pfeiler sank –
Dem großen Frankenvolke
Den wärmsten Kindesdank!«

Unter Absingung dieses Liedes, das ein Trierer Bürger gedichtet hatte, drängte alles aus dem stickigen Dekadensaal, in dem noch die ganze Septemberhitze brütete, hinaus ins Freie. Es ging durch die Neue Straße über die Weberbach gegen das Alttor.

Da war ein königlicher Thron aufgestellt, mit Purpur und Gold reich behängt. Soldaten zu Fuß, Soldaten zu Pferd stürmten gegen ihn und schossen und stürmten wieder an, bis vier im Gebüsch versteckte Mann, verborgene Seile in Händen, die dem goldenen Thronsessel um die Füße geschlungen waren, ihn umrissen. Er stürzte polternd zusammen – so soll es allen Thronen ergehen! Mit Bajonetten und Kolben schlugen die Soldaten auf die letzten Trümmer ein. Pauken- und Trompetengetöse. Alles Volk schrie: »Nieder mit den Tyrannen! Es lebe die Republik!«

Das Lärmen betäubte die Ohren. Heute gab's was zu sehen. Seit das Gepränge der Prozessionen mit blumenstreuenden Engelchen, mit Lämmchen tragenden Jungfrauen, mit teppichbelegten Straßen, mit Musik und Gesang, mit purpurnen Baldachinen, mit rauschenden Fahnen, mit süßen Marienbildern und segnenden Heiligen, mit Glöckchengeklingel und Weihrauchdüften nicht mehr stattfinden durfte im frommen Trier, hatte man soviel nicht zu sehen bekommen.

»Schad um's Thrönche, daß es is kapores,« wisperte leise Herz Rosenblatt aus Reil an der Mosel dem Moyses Mohnsam aus Bridel zu. »E schönes Stück!« Sie hatten beide dasselbe Geschäft: mit allem zu handeln.

»Nu«, wisperte Moyses Mohnsam ebenso leise, zog die Schultern hoch und wiegte den Kopf: »Lasse mir nur erst fort sein die Gojim. Wann mir werde sein hier tout seuls, werde mir schon noch eppes finde vom Thrönchen.«

Im Gebüsch am Tor niedergekauert, warteten die beiden Juden geduldig, bis auch der letzte von der Menge verschwunden war. Die verlief sich bald, gab's doch heute noch mehr zu sehen; am Nachmittag Tanz und Musik in allen Wirtshäusern, Konzert und Ball für die feinen Leute, am Abend Freudenfeuer auf der Eurener Höhe. Der Galgen, der bei Dorf Euren jenseits der Mosel stand, sollte verbrannt werden, zum Zeichen, daß es nun vorbei war mit der alten Herrschaft im Lande.


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