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VII.

Worin man Mrs. Hudelson wegen ihres Gatten sehr bekümmert sehen und hören wird, wie energisch die gute Mitz ihrem Herrn den Kopf zurechtsetzt.

 

Was antworteten nun Mr. Dean Forsyth und der Doktor Hudelson auf diese Witzeleien des »Whaston Punsch«? – Einfach gar nichts, schon deshalb, weil sie den betreffenden Artikel des respektlosen Blattes gar nicht kennen lernten. »Unangenehme Dinge, die man über uns sagen könnte, unbeachtet zu lassen, ist noch das beste Mittel, nicht darunter zu leiden,« hat der weltkluge de la Palisse gesagt. Solche mehr oder weniger geistreiche Witzeleien sind ja nun für die, auf die sie zielen, wenig angenehm, und selbst wenn die betreffenden Personen nichts davon erfahren, so liegt das doch anders bezüglich ihrer Angehörigen und Bekannten. Mitz vorzüglich war rein wütend. Ihren Herrn zu verdächtigen, jene Feuerkugel, die die öffentliche Sicherheit gefährdete, herangelockt zu haben, nein, das war zu arg! Ihrer Ansicht nach mußte Mr. Forsyth den Verfasser jenes Artikels verklagen. Der Richter John Porth würde diesen schon zu einem gehörigen Schadenersatz verurteilen, ohne von der Gefängnisstrafe zu sprechen, die jener wegen seiner verleumderischen Anschuldigungen verdiente.

Die kleine Loo hatte den betreffenden Artikel ernst genommen und gab dem »Whaston Punsch« ohne Zögern recht.

»Ja, er hat recht, sagte sie, warum haben sich Mister Forsyth und Papa einfallen lassen, den verwünschten Kiesel zu entdecken? Ohne sie wäre er unbemerkt vorübergezogen, wie so viele andere, die kein Unheil angerichtet haben.«

Das Unheil, richtiger das Unglück, woran das Mägdlein hier dachte, war die unvermeidbare Rivalität zwischen dem Onkel Gordons und dem Vater Jennys mit allen ihren Folgen, und das am Vorabend einer Verehelichung, die die schon engen Bande zwischen den beiden Familien noch fester verknüpfen sollte.

Die Befürchtungen der Miß Loo waren auch begründet, und was geschehen sollte, das geschah. So viel Verdacht Mr. Dean Forsyth und der Doktor Hudelson auch gegenseitig hatten, war es doch noch zu keinem Bruche zwischen ihnen gekommen. Wenn zwischen beiden eine Erkältung eingetreten war und sie es vermieden, einander zu begegnen, so war es bisher doch dabei geblieben. Jetzt freilich, seit der Mitteilung der Sternwarte von Boston, war es vor der Öffentlichkeit festgestellt, daß die Ehre der Entdeckung des Meteors beiden Astronomen von Whaston zukam. Was würden die nun tun? Würde jeder von ihnen auf die Priorität bei dieser Entdeckung Anspruch erheben? Würden sie darüber privatim unterhandeln oder sich in einen öffentlichen Streit einlassen, der für die Presse von Whaston sicherlich – wie man sagt – ein gefundenes Futter wäre?

Das wußte niemand, ehe vielleicht die Zukunft darauf Antwort gab. Gewiß ist nur das eine, daß weder Mr. Dean Forsyth noch der Doktor Hudelson die Hochzeit, deren Datum den Verlobten viel zu langsam herankam, je wieder erwähnten. Wenn jemand vor dem einen oder dem andern darauf zu sprechen kam, hatten sie allemal etwas vergessen, was sie nötigte, sofort nach ihrem Observatorium zurückzukehren. Hier verbrachten sie überhaupt die meiste Zeit, jeden Tag nur noch eifriger beschäftigt und noch mehr in Nachdenken versunken.

Wenn das Meteor von Berufsastronomen wieder gesehen worden war, erschien es ja im Grunde nutzlos, daß Mr. Dean Forsyth und der Doktor Hudelson sich um dessen Wiederauffindung bemühten. Vielleicht hatte es sich für die Sehschärfe ihrer Instrumente viel zu weit entfernt. Eine alles in allem annehmbare Hypothese, die nur durch nichts bestätigt werden konnte. Wenn sie aber ihre unablässige Wachsamkeit Tag und Nacht und mit Ausnützung der geringsten Aufklärung am Himmel nicht bald aufgaben, mußten sie rettungslos krank werden.

Beide erschöpften sich in fruchtlosen Bemühungen, die Bahnelemente des Asteroiden zu berechnen, dessen einziger und ausschließlicher Verkünder jeder von ihnen zu werden hoffte. Hiermit eröffnete sich noch eine vielversprechende Aussicht, einer dem andern den Rang abzulaufen. Den beiden Astronomen mochte bisher gleiches Verdienst zustehen, dem erfolgreichsten Mathematiker mußte dann aber doch die Siegerpalme zufallen.

Ihre einzige Beobachtung war freilich von viel zu kurzer Dauer gewesen, genügend Unterlagen für eine solche Berechnung zu bieten. Es war noch eine zweite, vielleicht noch manche weitere Beobachtung nötig, die Bahn der Feuerkugel mit Gewißheit zu bestimmen. Das war der Grund, warum Mr. Dean Forsyth und der Doktor Hudelson, jeder in der Befürchtung, von seinem Rivalen ausgestochen zu werden, den Himmel mit gleichem Eifer und ... gleichem Mißerfolg beobachteten. Das launenhafte Meteor erschien nicht wieder über dem Horizont von Whaston oder, wenn es doch der Fall war, nur im strengsten Inkognito.

Die vergeblichen Bemühungen der beiden Astronomen spiegelten sich auch in ihrer Gemütsverfassung wieder. Man durfte ihnen gar nicht mehr zu nahe kommen. Zwanzigmal an jedem Tage brauste Mr. Forsyth heftig gegen Omikron auf, der ihm dann in derselben Tonart antwortete. Der Doktor war aber dazu verurteilt, seinen Ingrimm selbst zu verschlucken und das tat er denn auch.

Wer hätte sich's unter diesen Umständen erlaubt, ihm von der Hochzeit und der Trauungsfeierlichkeit zu sprechen?

Jetzt waren drei Tage verstrichen seit Veröffentlichung der Mitteilungen, die den Zeitungen von der Bostoner Sternwarte zugegangen waren. Die Himmelsuhr, deren Zeiger die Sonne ist, würde den 22. April geschlagen haben, wenn der große Uhrmacher sie mit einer Glocke ausgestattet hätte. Noch gegen zwanzig Tage, dann dämmerte der wichtige Tag herauf, obgleich Loo in ihrer Ungeduld behauptete, das betreffende Datum schiene im Kalender ganz zu fehlen.

Ob es nun wohl ratsam war, den Onkel Francis Kordons und den Vater Jenny Hudelsons an diese Hochzeitsangelegenheit zu erinnern, von der die beiden nicht mehr sprachen, als ob sie niemals einen glücklichen Abschluß finden sollte? Mrs. Hudelson war der Ansicht, daß es besser sei, ihrem Gatten gegenüber davon zu schweigen. Mit den Vorbereitungen zur Hochzeit hatte er sich nicht zu beschäftigen ... ebensowenig wie er sich um seinen eignen Hausstand kümmerte. Eines Tages würde sie ganz freundlich zu ihm sagen:

»Hier ist dein Rock, dein Hut, deine Handschuhe. Es ist Zeit, sich nach der Saint-Andrewkirche zu begeben. Gib mir deinen Arm und laß uns gehen.«

Dann würde er wohl auch, ohne darüber erst nachzudenken, mitgehen, wenigstens unter der Bedingung, daß das Meteor nicht gerade im gleichen Augenblicke vor dem Objektive seines Teleskops vorüberzöge.

Doch wenn die Ansicht der Mrs. Hudelson in dem Hause der Morrißstraße allenthalben geteilt und der Doktor nicht veranlaßt wurde, sich über seine Haltung gegenüber Mr. Dean Forsyth zu erklären, erging es diesem weit schlimmer. Mitz wollte nichts hören. Voller Wut über ihren Herrn, verlangte sie nur, wie sie sagte, mit ihm unter vier Augen zu sprechen und die so gespannte Lage zu klären, die beim geringsten Zwischenfall einen Bruch zwischen den beiden Familien herbeizuführen drohte. Und welch schlimme Folgen mußte das haben! Eine verschobene, vielleicht gar aufgehobene Hochzeit, die Verzweiflung der beiden Verlobten, vorzüglich ihres lieben Francis, ihres »Söhnchens«, wie sie ihn nach alter familiärer und zärtlicher Gewohnheit zu nennen pflegte. Was könnte der junge Mann auch tun nach einem Bekanntwerden der Verhältnisse, die dann eine Wiederausgleichung unmöglich gemacht hätten?

Als sie sich am 22. April im Speisezimmer allein, ihrem Wunsche gemäß unter vier Augen befand, hielt sie ihren Herrn zurück, als dieser sich eben der Treppe des Turmes zuwenden wollte.

Mr. Forsyth fürchtete, wie bekannt, jede Auseinandersetzung mit Mitz. Er wußte, daß eine solche nicht zu seinem Vorteil ausging, und hielt es deshalb für klüger, jede Gelegenheit dazu zu vermeiden.

Als er sich jetzt die Haushälterin verstohlen angesehen hatte, deren Gesicht ihm wie eine dem Platzen nahe Bombe mit glimmender Lunte erschien, hielt er es für angezeigt, sich aus dem Bereiche der Wirkung der Explosion zu flüchten, und schlug deshalb den Rückzug nach der Tür ein. Doch bevor er noch deren Klinke niedergedrückt hatte, stand die alte Dienerin breit vor ihm und sah mit durchbohrendem Blicke ihren Herrn an, der scheu vor ihr zurückwich.

»Herr Forsyth, begann sie, ich habe mit Ihnen zu sprechen.

– Mit mir zu sprechen, Mitz? Dazu hab' ich augenblicklich keine Zeit.

– Na, wahrlich, ich eigentlich auch nicht. Ich habe ja noch mit dem ganzen Frühstücksgeschirr zu tun. Ihre Rohre können aber weiß Gott ebenso gut warten wie meine Teller.

– Und Omikron? ... Ich glaube, der ruft mich schon.

– Ihr Freund Krone? (Mitz sagt: ami Krone für Omikron.) Der fehlte gerade noch! Er wird von mir sehr bald auch noch etwas zu hören bekommen, Ihr Freund Krone! Sie können ihn immer darauf vorbereiten. Ja ja, sagen Sie ihm nur, ich ließe ihn einstweilen schönstens grüßen, das heißt, bis auf weiteres.

– Ich werd' es ausrichten, Mitz. Aber mein Bolid? (Feuerkugel.)

– Bolid? ( Beau lide.) Ich weiß nicht, was das ist; doch was Sie auch davon sagen mögen, Herr Forsyth, etwas Schönes (Mitz sagt beau) kann's nicht sein, wenn sich's um das handelt, was Ihnen seit einiger Zeit einen Stein an Stelle des Herzens gesetzt hat.

– Ein Bolid, Mitz, erklärte ihr Mr. Dean Forsyth mit Lammsgeduld, das ist ein Meteor, und ...

– Aha, rief Mitz, der bekannte Auswürfling ( NB. sie spricht: met dehors). Nun, der wird es ebenso machen wie Freund Krone: er wird warten.

– Sapperment ... das geht zu weit! rief Mr. Forsyth, der sich an der empfindlichsten Stelle verletzt fühlte.

– Und übrigens, fuhr Mitz fort, ist der Himmel jetzt ganz bedeckt. Der Bolid wird ins Wasser fallen, und die richtige Zeit für Sie, sich mit dem Anstarren des Mondes zu vergnügen, die ist's jetzt doch auch nicht.«

Damit hatte sie ja recht: die anhaltend trübe Witterung war ganz dazu angetan, Mr. Forsyth und den Doktor Hudelson zur Verzweiflung zu bringen. Seit achtundvierzig Stunden war der Himmel mit dichten Wolken bedeckt, am Tage kein Sonnenstrahl, in der Nacht kein Flimmern eines Sternes. Weiße Dunstmassen wälzten sich von Horizont zu Horizont hin wie ein Krepeschleier, in den sich die Turmspitze der Saint-Andrewkirche zuweilen hineinbohrte. Unter diesen Verhältnissen war natürlich jede Himmelsbeobachtung ausgeschlossen und war es unmöglich, die heißumstrittene Feuerkugel wieder aufzufinden. Allem Anscheine nach waren die Astronomen der Staaten Ohio und Pennsylvanien auch nicht besser dran, und ebenso die andern Sternwarten der Alten und Neuen Welt. In den Tagesblättern war auch keine weitere Nachricht bezüglich der Wiedererscheinung des Meteors zu finden gewesen. Freilich erregte das ja kein so großes Interesse, daß die wissenschaftliche Welt es mit besonderm Eifer verfolgt hätte, handelte es sich dabei doch nur um eine ziemlich bedeutungslose kosmische Erscheinung, und es mußte einer schon ein Dean Forsyth oder ein Hudelson sein, deren Wiederkehr mit einer Ungeduld zu erwarten, die sich bei ihnen zur wahren Leidenschaft steigerte.

Als ihr Herr die Unmöglichkeit eingesehen hatte, Mitz zu entweichen, nahm diese, die Arme gekreuzt haltend, wieder das Wort:

»Sagen Sie einmal, Herr Forsyth, sollte es Ihnen zufällig aus dem Gedächtnis entschwunden sein, daß Sie einen Neffen Namens Francis Gordon haben?

– Ah, der liebe Francis, antwortete Mr. Forsyth mit gutmütigstem Ausdruck. Nein, nein, den vergesse ich ja nicht. Wie geht's ihm denn, dem braven Francis?

– Sehr gut, danke für die Nachfrage, Herr Forsyth.

– Mir kommt's vor, als hätt' ich ihn seit einiger Zeit gar nicht mehr gesehen?

– Ganz recht, seit dem Frühstück nicht mehr.

– Ich dächte gar ... oder sollte ich mich täuschen?

– Ihre Augen hängen ja doch wohl nur am Monde, Herr Forsyth? fragte Mitz, indem sie ihren Herrn nötigte, sich ihr mehr zuzuwenden.

– O nein, meine gute Mitz. Bedenke aber, ich bin so sehr beschäftigt ...

– Ja freilich, so sehr, daß Sie eine wichtige Sache ganz vergessen zu haben scheinen.

– Eine wichtige Sache vergessen? ... Und die wäre?

– Daß sich Ihr Neffe doch bald verheiraten will.

– Verheiraten? ... Hör' ich recht! Heiraten?

– Und wollen Sie mich nicht fragen, mit wem?

– Nein, Mitz. Wozu überhaupt diese Frage?

– Na, da hört sich doch alles auf! Man braucht doch wahrlich kein Hexenmeister zu sein, um zu wissen, daß man eine Frage stellt, um darauf eine Antwort zu erhalten.

– Eine Antwort worauf, Mitz?

– Eine Erklärung über Ihr Verhalten gegenüber der Familie Hudelson. Sie wissen doch recht gut, daß es eine Familie Hudelson gibt und auch einen Doktor Hudelson, der in der Morrißstraße wohnt, außerdem eine Mistreß Hudelson, die Mutter der Miß Loo und der Miß Jenny Hudelson, der Verlobten Ihres Neffen?«

Im Verhältnis wie der Name Hudelson, jedesmal mit stärkrer Betonung, aus dem Munde der alten Mitz kam, faßte sich Mr. Dean Forsyth an der Brust, an der Seite oder am Kopfe, als hätte ihn ganz aus der Nähe eine Kugel getroffen. Er litt schwer, schien dem Ersticken nahe und das Blut stieg ihm zum Kopfe.

»Nun, haben Sie mich verstanden? fuhr Mitz fort, da er keine Antwort gab.

– Ob ich dich verstanden habe? rief ihr Herr.

– Ja freilich ... nun also? wiederholte die alte Dienerin mit noch stärkrer Stimme.

– Francis denkt also noch immer an diese Heirat? sagte Mr. Forsyth endlich.

– Na, das versteht sich doch ganz von allein, erklärte Mitz. Ganz so, wie er daran denkt, Atem zu holen, der liebe Kleine! So, wie wir alle daran denken, wie Sie, das muß ich wohl annehmen, auch Sie selbst daran denken.

– Wie? Mein Neffe ist noch immer entschlossen, die Tochter dieses Doktor Hudelson zu heiraten?

– Natürlich, die Miß Jenny, Herr Forsyth ... Ich gebe Ihnen Brief und Siegel darauf, daß er dazu entschlossen ist. Bei Gott, er müßte doch geradezu den Kompaß verloren haben, wenn er von diesem Wege abgewichen wäre ... Wie und wo könnte er eine reizendere Braut, ein frischeres junges Mädchen finden ...

– Wenn die Tochter eines Mannes, unterbrach sie Mr. Forsyth, eines Mannes, der – eines Mannes, den ... kurz, eines Mannes, dessen Name ich nicht über die Zunge bringe, überhaupt reizend sein kann.

– Das ist denn doch gar zu arg! platzte Mitz hervor und band ihre Schürze ab, als ob sie sich dieser als Waffe bedienen wollte.

– Halt nur, halt, Mitz!« murmelte ihr Herr, etwas beunruhigt wegen ihrer drohenden Haltung.

Die alte Dienerin schwang ihre Schürze, deren Band bis zur Erde hinabfiel.

»Nein, das ist noch nicht dagewesen! erklärte sie. Nach fünfzigjährigem Dienste möchte ich aber lieber in eurem Winkel verfaulen wie ein toller Hund, als länger bei einem Manne zu bleiben, der sein eigen Fleisch und Bein zerreißt! Ich bin nur eine arme dienende Person, aber ein Herz hab' ich doch, Herr Forsyth, ja, das hab' ich!

– Aber ich bitte dich, Mitz, erwiderte Mr. Dean Forsyth betroffen, du weißt wohl gar nicht, was er mir angetan hat, dieser Hudelson?

– Nun, was hat er Ihnen denn getan?

– Er hat mich bestohlen!

– Ich dächte gar!

– Jawohl, bestohlen! Ganz abscheulich bestohlen!

– So? Und was hat er Ihnen denn gestohlen? Ihre Uhr ... Ihre Börse ... etwa Ihr Taschentuch? ...

– Meinen Boliden!

– Ach, immer Ihren kostbaren Boliden! rief die alte Dienerin mit ironischem und Mr. Forsyth aufs tiefste verletzendem Hohnlächeln. Es ist ja schon lange, daß man nicht mehr von dem berühmten Auswürfling gesprochen hat. Das verstehe der liebe Himmel, wie man wegen eines solchen umherschlendernden Dinges in einen solchen Zwiespalt geraten kann! Gehört denn Ihr Bolid Ihnen mehr als Herrn Hudelson? Haben Sie vielleicht Ihren Namen darauf gestempelt? Gehört der denn nicht der ganzen Welt, dem ersten besten, auch mir, selbst meinem Hunde, wenn ich einen hätte, was Gott sei Dank nicht der Fall ist? Sollten Sie ihn vielleicht für Ihr Geld gekauft haben oder wäre er Ihnen durch Erbschaft zugefallen?

– Mitz, nun ist's genug! polterte Mr. Forsyth, der sich nicht mehr bezähmen konnte, heraus.

– Ach was, Mitz hin, Mitz her! rief die alte Dienerin, der immer mehr die Galle überlief. Man muß doch wahrlich so dumm sein wie Saturn, sich wegen eines solchen Steinklumpens, den kein Mensch wieder zu Gesicht bekommt, mit einem alten Freunde zu überwerfen!

– Schweig' nun, schweige! befahl der bis ins Herz getroffene Astronom.

– Nein, Herr Forsyth, ich werde nicht schweigen, und wenn Sie auch noch Ihr Beta, Freund Krone, zu Hilfe rufen.

– Beta Omikron! Immer schöner!

– Ja, auch Beta wird mir nicht den Mund verschließen ... ebensowenig wie unser Präsident den Erzengel, der vom Allmächtigen zur Verkündung des Endes der Welt herunterkäme, zum Schweigen verurteilen könnte!«

Mr. Dean Forsyth fühlte sich durch diese schreckliche Phase wie vor den Kopf geschlagen; hatte sein Kehlkopf sich so zusammengeschnürt, daß er kein Wort mehr hindurchließ, seine Stimmritze so, daß sie keinen Laut mehr hervorbringen konnte? Gewiß ist es jedenfalls, daß es ihm nicht gelang zu antworten. Hätte er auch in überschäumender Wut seine treue, aber streitbare Mitz an die Tür schleudern wollen, es wäre ihm doch unmöglich gewesen, das hergebrachte »Hinaus! ... Im Augenblick hinaus! Komm mir nicht mehr vor die Augen!« herauszustoßen.

Mitz hätte ihm übrigens auch dann nicht gehorcht. Nach fünfzigjährigen Diensten läuft eine Dienerin wegen eines unheilbringenden Meteors nicht von dem Herrn fort, den sie hat zur Welt kommen sehen.

Es war jedoch Zeit, daß dieser Auftritt ein Ende nahm. Das Wetter klärte sich plötzlich auf, durch die Scheiben des nach dem Garten gelegenen Fensters drang ein heller Lichtstrahl ins Zimmer.

In diesem Augenblick, das war Mr. Dean Forsyths erster Gedanke, befand sich der Doktor Hudelson gewiß schon auf seinem Wartturm. Er sah fast seinen Rivalen, der diese Aufhellung ausnützte und mit dem Auge am Okular seines Teleskops die Tiefen des Himmels absuchte.

Da konnte er sich nicht länger halten. Der Lichtstrahl wirkte auf ihn wie auf einen gasgefüllten Ballon. Er schwoll auf, verstärkte seine Auftriebskraft und zwang ihn, in die Luft emporzusteigen. Mr. Dean Forsyth warf – um im Bilde zu bleiben – wie Ballast allen in ihm aufgespeicherten Zorn von sich und wandte sich der Tür zu.

Leider stand Mitz vor dieser und schien gar nicht geneigt, ihn hindurchzulassen. Sollte er sich nun gar genötigt sehen, sie am Arme zu packen, einen Ringkampf mit ihr zu beginnen und vielleicht noch Omikron zu Hilfe zu rufen?

Zum Glück kam es nicht so weit. Jedenfalls war die alte Dienerin von der Erregung, in die sie sich hineingeredet hatte, jetzt selbst erschöpft. Trotz aller Gewohnheit, ihrem Herrn Vorwürfe zu machen, war das doch niemals zu solchem Ungestüm ausgeartet.

Ob es nun die hiermit verbundne physische Anstrengung war oder das schwerwiegende Thema des Streites, eines Themas, das ihr besonders nahe ging, da es sich dabei um das zukünftige Glück ihres lieben »Söhnchens« handelte, jedenfalls »klappte« Mitz plötzlich »zusammen« und sank schwer auf einen Stuhl nieder.

Mr. Dean Forsyth – zum Lobe sei's ihm nachgesagt – vergaß darüber die Sonne, den blauen Himmel und sein Meteor. Er trat auf die alte Dienerin zu und fragte teilnehmend, was ihr fehle.

»Ich weiß es nicht, Herr Forsyth. Mir ist's, als hätte sich mir der Magen im Leibe umgedreht.

– Der Magen umgedreht? wiederholte Mr. Dean Forsyth, völlig verdutzt über das seltsame Leiden.

– Ja ja, versicherte Mitz mit weinerlicher Stimme. Ich muß einen Knoten am Herzen haben.

– Hm!« machte Mr. Forsyth, dessen Verwunderung durch diese zweite Aussage nicht vermindert wurde.

Auf gut Glück verordnete er der Kranken alles, was unter ähnlichen Umständen üblich ist: Lockerung der Kleidung, Essigeinreibungen auf Stirn und Schläfen, ein Glas Zuckerwasser ...

Leider gewann er nicht die Zeit, das Nötige zu besorgen.

Vom Turme herab erschallte Omikrons Stimme:

»Die Feuerkugel! Herr Forsyth, die Feuerkugel!«

Mr. Dean Forsyth vergaß die ganze übrige Welt und stürzte nach der Treppe.

Noch war er kaum verschwunden, als Mitz alle ihre Kräfte wiedergefunden hatte und ihrem Herrn nachgeeilt war. Während dieser, immer drei Stufen der Wendeltreppe nehmend, schnellstens hinaufsprang, rief ihm – wie als Rächerin – die Stimme der Dienerin nach:

»Herr Forsyth, denken Sie daran, daß aus der Hochzeit Francis Gordons und Jenny Hudelsons etwas wird und daß die Trauung an dem dazu bestimmten Tage erfolgt! Das wird aber geschehen, Herr Forsyth, oder – und diese Alternative entbehrte aus dem Munde der wackern Mitz nicht eines bedenklichen Beigeschmacks – oder Sie bekommen es mit mir zu tun!«

Mr. Dean Forsyth antwortete nicht ... er hörte nichts. Mit eiligen Sätzen stürmte er die Treppe seines Turmes hinauf.


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