Ludwig Tieck
Denkwürdige Geschichtschronik der Schildbürger
Ludwig Tieck

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Caput III.

Berathschlagungen. – Philemon trägt seine Gedanken vor, die Beifall finden.

Die Männer, als sie diesen Brief empfingen, wunderten sich anfangs, dann aber gingen sie in sich und sahen ein, daß ihre Frauen das größte Recht von der Welt hätten. Sie beschlossen also, nach ihrer Heimath zurückzukehren, und nahmen deshalb von den Fürsten und Königen Urlaub, die sie ungern entließen und nur auf das Versprechen, daß sie zurückkehren wollten, sobald man ihres Raths bedürfe.

Ein Jeder fürchtete sich vor seiner Hausfrauen, besonders vor dem ersten Empfange; aber als sie angekommen waren, vergaßen Alle über die Freude des Grolls, und man sah allenthalben Trinkgelage, man hörte Gesang und freundschaftliche Gespräche und Jedermann war zufrieden.

Als sich aber die Männer nach dem Zustande ihres Landes umsahen, fanden sie Alles in der größten Verwirrung. Das Gesinde war ungehorsam, die Aecker lagen unbebaut, die Werkzeuge waren in Stücken gegangen oder verrostet, das Vieh war abgestorben, 19 Nesseln und Unkraut wucherten auf den Wiesen und in den Saatfeldern, die Kinder hielten sich für die Vornehmsten und sprachen in Alles mit, kurz, es läßt sich nicht beschreiben, welche Verwirrung, Verwickelung und Unordnung im ganzen Staate herrschte. Die Männer nahmen daraus so viel ab, daß ihre Gegenwart ganz unumgänglich nöthig sey; das machte ihnen schlaflose Nächte, denn sie sahen nicht ein, wie sie von den Fürsten und großen Herren abkommen wollten, die sie so lieb gewonnen hatten.

Sie hielten endlich eine allgemeine Versammlung, worin die Noth des Vaterlandes in einer recht kräftigen Rede Allen an's Herz gelegt wurde, und die der Redner endlich damit beschloß, daß man ein Mittel ersinnen müsse, irgend einen Anschlag, um von den Fürsten loszukommen, um im Stande zu seyn, die eigenen Angelegenheiten wieder einzurichten.

Die weisen Männer dachten nach, und endlich erhob sich einer, Gerard genannt, und sagte: Meine lieben Freunde und Mitbürger, es ist unsers Verstandes wegen, daß wir uns von unserm Vaterlande haben entfernen müssen, weil die Weisheit unsrer Rathschläge uns weit und breit zu bekannt gemacht hat, so ist es meine unmaßgebliche Meinung, daß wir uns nicht gleich so plötzlich von den Fürsten und Herren losmachen, denn sie möchten über uns ergrimmt werden, gegen uns ausziehen, uns gefangen nehmen und den guten Rath mit Gewalt von uns fordern, den wir ihnen im Guten versagen; denn es ist immer ein gefährliches Unternehmen, sich den Großen zu widersetzen, ihr Verlangen mag nun billig oder unbillig seyn. Deshalb schlag' ich vor, daß wir noch auf 20 einige Zeit zu den Fürsten zurückkehren, ihnen aber so schlechte Rathschläge ertheilen, daß sie uns bald freiwillig als untauglich entlassen.

Als er ausgeredet hatte, setzte er sich wieder nieder, und Barthel, ein sehr erfahrner Mann, stand auf und antwortete: Mein lieber Schwager, Dein Rath ist aus einer sehr guten Meinung hervorgegangen, nur glaub' ich, daß wir auf diesem Wege das Ziel gänzlich verfehlen möchten. Es ist mit dem Verstande und den Zufällen in dieser Welt eine so wunderliche Einrichtung, daß beide selten zusammentreffen. Ein verständiger Rath ist meistentheils nichts weiter, als ein gutgemeinter Wunsch, der bedächtlich ausgesäet wird, und über den die Folgezeit mit ehernen Füßen hinstampft und dadurch Schuld ist, daß er gar nicht aufgehn kann. Es ist daher nicht genug, daß man säet, sondern es muß auch eine Windstille folgen. Kein naschender Vogel darf die Saamenkörner wegfressen, dann muß ein milder Regen folgen, die Nachtfröste müssen ausbleiben, und unter diesen günstigen Umständen geht die Pflanze auf und wird nachher doch noch vielleicht vom Hagelschlag, oder durch Raupen und andres Ungeziefer verdorben. Eben also ist es mit der Weisheit, die ausgesprochen auf keinen dürren Boden fallen muß, wenn sie Wurzel fassen soll; ein guter Rath muß gerade so vernünftig gebraucht werden, wie vernünftig man ihn gegeben hat, denn sonst ist er oft wie ein übel zusammengelegtes Messer, das den verwundet, der es bei sich trägt. Auch müssen sich die Zufälle so schicken, alle Kleinigkeiten, auf die man vorher gar nicht rechnen kann, daß die Umstände und die Zeit den guten Rath vertragen. Denn so wie 21 es thöricht wäre, die Schafe in jeder Jahreszeit zu scheeren, wenn sie auch Wolle haben, eben so unbesonnen wäre es oft, den an sich guten Rath in der und jener Stunde zu befolgen, wo sich die Gegenwart, wie ein aufgebrachter Truthahn, mit allen Federn dagegen sträubt. Und habt Ihr es, meine Freunde, nicht selber aus der Erfahrung gelernt, daß guter Rath oft wie ein blinder Gärtner ist, der bei aller seiner Erfahrung die Obstbäume verdirbt und die Blumenwurzeln mit seinem Spaden zersticht? Befanden wir uns oft nicht in großer Noth, wenn wir guten Rath frisch und gesund vorangeschickt hatten, und er unterwegs krank ward und, von den Umständen aufgehalten, liegen bleiben mußte? Nun wurde nachgeräthelt und abgenommen und hinzugethan, verschoben und versetzt, gelenkt und gerenkt, daß wir manchmal unsere ersten eigenen Gedanken nicht wieder kannten. Statt daß oft der Unbesonnene einen Rath vom Bogen schießt, ohne hinzusehn, und doch das Weiße der Scheibe trifft. Hieraus, meine lieben Mitbürger, wollte ich nur die Anwendung auf uns machen, daß uns schlecht geholfen wäre, wenn wir uns damit abgäben, thörichten Rath zu ertheilen; denn wider alles Verhoffen könnte so in dieser thörichten und ungereimten Welt gerade der beste Rath entstehn und wir würden noch mehr hochgeschätzt und gesucht, und es gelänge uns denn das, was tausend andern Narren gelingt, die auf ihre Einfalt sich durch die Welt betteln, und eben dadurch reicher werden, als die verständigen Leute, die ihnen Almosen geben.

Diese Meinung des alten Barthel schien den Schildbürgern noch mehr Weisheit zu enthalten; sie 22 fielen ihm daher Alle bei und sahen sich dann einander an, da sie noch keine Arznei für ihre Krankheit gefunden hatten. Endlich erhob sich Philemon, den man fast für den hellsten Kopf erklärte, und redete. Er war noch jung, aber seine Gebehrden und sein Anstand, so wie seine deutliche, zierliche Aussprache, brachten ihm selbst bei den Aeltesten Ehrfurcht zuwege. Sein einziger Fehler als Redner war, daß er sich etwas zu lange vorher räusperte, den Kragen zurechtschob u. s. w., so daß er darin gleichsam den Fechtern nachahmte, die sich vorher mit Oel salben und alle Gelenke geschmeidig zu machen trachten. Er redete folgendermaßen:

Verehrungswürdige Freunde und Mitbürger!

Ich ersuche Euch demüthig, mir geduldig zuzuhören und Euch durch meine Vorschläge nicht erbittern zu lassen, wenn sie sich Eures Beifalls nicht erfreuen dürfen.

Es scheint eine eben so alte als ausgemachte Wahrheit zu seyn, daß man viel leichter Andern als sich selber rathen könne. Dies beweiset diese ansehnliche Versammlung, die aus den erfahrensten Männern besteht, und die, um die Minerva und ihr ganzes Gefolge zu beschämen, ihrer eigenen Angelegenheiten wegen immer noch in Verlegenheit ist. Würden es jene Fürsten und Könige glauben können, wenn sie es hörten oder läsen, die lehrbegierig zu Euren Füßen saßen und Eure weisen Reden mit Aufmerksamkeit und tiefer Demuth auffingen? Ist denn der Verstand so kurzarmig, daß er sich selber nicht helfen kann, wenn es die Noth gebietet? Wir haben ein Handwerk daraus gemacht, Andre aus dem Wasser zu ziehn, ohne das 23 Naßwerden zu scheuen, und jetzt wäre fast nöthig, daß wir nach jenen Thoren um Hülfe riefen, da es scheint, als wenn wir die edle Kunst des Schwimmens verlernt hätten.

Man dürfte sogar darauf kommen, an unserer bisherigen Weisheit zu zweifeln, da wir unsern Staat haben verfallen lassen, um andern aufzuhelfen; denn so wenig das ein gutes Auge zu nennen ist, das nur das Nahe bemerkt und das Fernliegende nicht zu sehn im Stande ist, eben so wenig ist das ein gutes Gesicht, das nur das Fernliegende unterscheidet und dem das Nächste gleichsam zu nahe steht, so daß es deswegen darüber hinwegsehn muß. Ich wage es, zu behaupten, daß wir uns beinahe in diesem letztern Falle befunden haben. Wir sind Köche gewesen, die nur für Andre kochen und selbst mit dem Abhube vorlieb nehmen; da wir Tag und Nacht uns mit der Weisheit abgearbeitet haben, ist sie uns gleichsam zu unserm Gebrauch etwas zu Geringes geworden.

Gar vortrefflich hat der verständige Barthel in schönen Figuren deutlich gemacht, wie selten sich die Weisheit eigentlich mit den Begebenheiten dieser Welt vereinigen lasse, denn es ist fast immer, als wenn die schlanke Grazie mit einem unbeholfenen Bauerntölpel spatzieren gehn wolle; sie werden sich nicht mit einander vertragen. Eben darum ist es auch ein undankbares Geschäft, die Umstände mit der Weisheit auszugleichen und dann wieder den Verstand durch die Umstände zu verkümmern, so daß Beide nur so eben wie Mann und Frau mit einander leben können; und eben deswegen habt Ihr, verehrungswürdige Väter, nicht so ganz Unrecht gehabt, wenn Ihr am Ende eine 24 heimliche Verachtung gegen die Wissenschaft der Erfahrung und gegen die Klugheit bekamt, so daß Ihr auch lieber in Euren eignen Häusern die Unwissenheit aufwachsen ließet, um nicht in den Ruhestunden auch das lästige Gewerbe fortzusetzen. – Bemerkt, wie fein ich nun den vorigen Tadel zum Lobe herumgedreht habe und wo ich alsbald hinaus will.

Es giebt nämlich gewiß noch einen höhern Verstand, als mit dem wir uns bisher in unserm undankbaren Leben beschäftigt haben; einen Verstand, der zarter und feiner ist, so daß man ihn vielleicht den wohlgerathenen, ausgebildeten jungen Sohn jener altfränkischen, bäurischen Erfahrungsweisheit nennen könnte. Ehe die Flöte erfunden war, war der Dudelsack das lieblichste Instrument, und als man noch keinen Kaffee kannte, war Warmbier ein vornehmes Frühstück. Daß aber alle menschliche Kenntniß wachsen und sich verfeinern müsse, werdet Ihr nicht im Stande seyn zu läugnen, denn es hieße nichts anders, als behaupten, man habe nun die Gestalt der Weisheit von oben bis unten genau gesehn, man sey bis an den kleinen Zehen gekommen und fühle nun ganz deutlich, daß hier die Schuhe anfingen. Das riesengroße Bild der Göttin steht aber mit dem Haupte über die Wolken hinaus, und mit den kolossalen Füßen ist sie tief in die Erde gegründet, so daß vielleicht noch viele Jahrhunderte vergehn, ehe das Menschengeschlecht ihre Form ganz kennen lernt. Es wäre aber ein unedler Vorsatz, wenn wir in der Kniekehle wollten stehn bleiben, in die wir uns jetzt eingegraben haben; wir sind bloß so weise geworden, indem wir immer nach größerer Weisheit strebten. So wie wir uns also für vollendet halten, 25 und das Trachten nach dem Höherklimmen aufhört, so schüttelt uns die Göttin wie Staub von sich, und wir fliegen dann weit in's Feld der Unwissenheit hinein und liegen im Sande der Thorheit und werden von den Dornen der Dummheit gestochen und gänzlich zerrieben.

Es giebt aber keinen bessern Ständer, keine bessere Grundlage, um das Gebäude des Verstandes aufzuführen, als wenn man stets vor Augen hat, was man eigentlich will. Wenn wir unsern Willen in einer ungewissen Ferne wandeln sehn und nicht darauf wetten mögen, ob er Vogel oder viergefüßt sey, dann ist unser Können nur ein tauber Handlanger, der sich aus den Befehlen des Baumeisters nicht zu vernehmen weiß. Und dies, meine Freunde, war in dem Auslande unser Fall. Wir mußten immer auf's Gerathewohl auf die Jagd gehn, da das Terrain zu groß war, um es genau kennen zu lernen; und so mußten wir freilich oft vorlieb nehmen, einen kleinen Hasen zu erschnappen, wenn wir uns auf einen ansehnlichen Hirsch Rechnung gemacht hatten. In solcher beschränkten Lage muß man sich genau an die Erfahrung halten, und an jene blöde Weisheit, die nicht wagt, weil statt eines großen Gewinnstes auch ein großer Verlust fallen könnte, und die den Zufall immer für verständiger als den Verstand halten muß, weil er sich durchaus nicht vom Verstande berechnen läßt. In solchen Umständen ist es gut, den Pferden des Scharfsinns die Augen von der Seite zuzubinden, damit sie immer nur gerade aussehn und das Lenken vertragen. Diesen Zustand, den wir nur verlassen haben, möcht' ich, wenn mir diese kühne Metapher erlaubt ist, den 26 Milchbart unserer Weisheit nennen, den wir dem Auslande, als gleichsam einem Apollo, geopfert haben, um dem männlichen, kräftigern Nachschusse Platz zu machen. Denn hier sind wir nun in unserm kleinen beschränkten Vaterlande, wo es uns vergönnt ist, genau zu wissen, was wir wollen, wo wir Alles also auch um so dreister angreifen dürfen. Hier können wir Alles mit einem Blicke umschaun und unsre bisherigen Erfahrungen als Vordersätze zu weit scharfsinnigern Folgerungen benutzen; hier können wir die fliegende Spekulation mit kriechender praktischer Vernunft vermählen, und so in unserm Eigenthum eine Weisheit treiben, die Alles weit übertrifft, was die Sterblichen bisher auch nur geahndet haben.

Um diesen Vorsatz auszuführen, ist es aber nöthig, daß wir unser Vaterland nicht wieder verlassen, und ich komme also nun zum eigentlichen Zweck meiner Rede.

Der verständige Barthel hat Recht, wenn er Gerards gut gemeinten Vorschlag verwirft; ein besserer muß also dessen Stelle ersetzen. Hier ist er:

Um recht sicher zu seyn, müssen wir keinen der gewöhnlichen Wege gehn, weil man sonst unsre wahre Absicht gar zu leicht entdecken könnte. Wir müssen einen kühnern Plan entwerfen, den uns die Spekulation vielleicht an die Hand giebt.

Es ist bei manchen Gelegenheiten nicht undienlich, die Naturgeschichte nachzuschlagen, und jene unschuldigen, eingeschränkten Politiker, ich meine die sogenannten Thiere, zu beobachten, und einen Wink, den sie uns geben, auf eine klügere Art zu benutzen. So wissen wir, daß der Biber sich selbst der aromatischen 27 Arznei entäußert, wegen der ihn der Jäger verfolgt, um nur in Sicherheit zu entkommen. Uns hat man wegen unserer köstlichen Weisheit nachgestellt, die man in uns fand, und dieser wunderbaren Essenz wegen, die einmal ohne unser Zuthun in uns wächst, wird man uns auch niemals in Ruhe lassen. Guter Rath ist theuer, sagt das Sprichwort, und eben deswegen wird man noch immer Jagd auf uns machen. Wir sollten also scheinbar dem Biber nachahmen, und uns freiwillig dessen berauben, was uns so kostbar macht; der Verstand ist die Ursache unsers Unglücks, wir müssen daher dem Scheine nach den Verstand auf einige Zeit beiseite legen, und eben dadurch im höchsten Grade verständig seyn.

Da es keine Frage weiter ist, ob wir weise Männer sind, so wird es uns eben um so leichter werden, Narren zu scheinen, und dadurch wird die Welt bethört werden, und die Fürsten und Herren werden von uns ablassen. Einen solchen Plan auszuführen ist nur dem Weisen möglich, denn für den Thoren ist es ein gefährliches Unternehmen, sich mit der Narrheit vertraut zu machen; statt daß er sie regieren sollte, regiert sie ihn, und so muß er nach dem Anlaufe den ganzen Abhang des Berges wider seinen Willen hinunterlaufen.

Dies ist mein Vorschlag. Laßt uns thöricht scheinen, um klug zu bleiben, uns're Widersacher hintergehn, und unsern eigenen Verstand vollkommen machen, indeß wir in unserm kleinen Lande so glücklich sind, und es so glücklich machen, als es nur möglich ist. – Dixi.

Er setzte sich nieder und ein lauter Beifall erscholl 28 durch die ganze Versammlung. Alle nahmen sich vor, die Thoren zu spielen, und Jeder überlegte, welche Rolle er wohl am besten durchzuführen im Stande sey. Nur Gerard stand auf, und sagte:

Wie, meine Freunde, sollt' ich denn mein ganzes Leben mit dem Studium der Weisheit verloren, und es nun endlich bis zum Narren gebracht haben? Sind das die Früchte des tiefen Forschens? Wahrlich, ich will doch lieber der ganzen Welt Rath ertheilen, als in meinem Hause für mich selber ein Narr seyn.

Es war aber Einer in der Versammlung, den die übrigen nur immer aus Scherz Pyrrho zu nennen pflegten, weil er oft an den unbezweifelsten Sachen zweifelte. Dieser antwortete:

Mein lieber Gerard, Ihr hättet ganz Recht, wenn die Rede davon wäre, daß wir simple Narren ohne weitern Zusatz seyn wollen. Wenn Ihr aber bedenkt, daß wir zum Besten des Vaterlandes es werden wollen, so könnt Ihr mir Euren Beifall nicht versagen. Ist es süße Pflicht, für sein Vaterland zu sterben, so ist es vielleicht eine noch lieblichere Aufgabe, den Kopf in der Thorheit unterzutauchen, und sich vom Grunde dieser wunderlichen Quelle herauf den Kranz eines Patrioten zu holen. Die meisten Menschen sind Narren ihr Lebelang, ohne sich und Anderen zu nutzen; wir haben den schönen Gewinn, daß wir den Staat und unsre Mitbürger damit erfreuen. Welches Opfer könnte zu groß seyn!

Nur erlaube mir diese verehrungswürdige Versammlung einige Zweifel, die ich nicht gänzlich verschweigen darf. – Es entsteht die Frage, ob es durchaus kein ander Mittel der Rettung giebt, als das 29 vorgeschlagene? Man sagt: Wer Pech angreift, besudelt sich; und so, fürcht' ich, ist es mit der Narrheit beschaffen. Es läßt sich nicht mit ihr spaßen, sie macht keinen Unterschied unter Groß und Gering, Arm und Reich, und ihre höchste Schadenfreude ist es, von einem verständigen Manne den Stempel der Vernunft wegzulöschen. Ja, es fällt mir ein, ob nicht vielleicht, ohne daß wir daran denken. unsere Zeit gekommen ist, daß wir umschlagen und aus gutem Weine ein kamiges Getränk werden. Ich meine, daß wir vielleicht schon Narren sind, und aus keiner andern Ursache einen solchen Vorschlag thun und ihn genehmigen; dann dürfte es uns vielleicht wider Willen ziemlich leicht werden, das aufgegebene Thema durchzuführen. Es ist mit dem Menschen vielleicht wie mit dem Obst, das auch nur auf eine kurze Zeit durch sich gut ist und einen natürlichen Hang zum Verwildern hat, eben so wie sich auch die Kartoffeln mit jedem Jahre verschlechtern, wenn man sie nicht wieder aus neuem Samen zieht. Wenn man etwas Besseres haben will, verliert man oft noch, so wie der Hund in der Fabel, das Gute obenein, und so könnte es uns mit unserer zukünftigen Weisheit gehn. Wir werden am Ende, zum Beispiel für die ganze Welt, aus Ueberklugheit dumm, und dann, – wie soll es dann werden? Bedenkt also, Ihr weisen Männer, bedenkt den Schritt, den Ihr zu thun gesonnen seyd; es ist fast eben so mißlich, als zu heirathen, und darum seyd um des Himmelswillen nicht allzurasch.

Er hatte ausgeredet, und man fand seinen Vortrag nicht unweise; aber dennoch ging das Gesetz 30 durch, das Philemon vorgeschlagen hatte, daß künftig jeder Schildbürger nur darauf sinnen solle, wie er den Narren natürlich genug darstellen könne.



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