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III. Die Darstellungen der Legende

Das erste monumentale Werk der neueren Kunst ist Giottos Franziskuslegende in der Oberkirche zu Assisi! Was die folgenden Jahrhunderte entwickelt und zur Blüte gezeitigt, tritt in seinen ersten Keimen jugendfrisch und vielverheißend allüberall in den zahlreichen Fresken hervor, die in langen Reihen die Wände der lichten Kirche schmücken. Wie frische, befreiende Luft weht es aus ihnen entgegen, es öffnet sich wie ein Blick in sonnige, reiche Gefilde. Da droben im stillen Assisi ist ein Versöhnungsfest, das nicht ergreifender, nicht freudiger gedacht werden kann, zwischen zwei Freunden gefeiert worden, die sich so lange verkannt, dem Menschen und der Natur. Der Mann, der mit gleicher, unendlicher Liebe beide umfing, Franz war es, der die Hände der lange Entfremdeten ineinanderlegte und die ersten Segensworte über den neuen Bund sprach. Das wäre ein Bild gewesen, wert, von dem Meisterpinsel Giottos gegenüber jener anderen Vermählung gemalt zu werden, die Christus zwischen dem Mönche und der Armut geschlossen.

Was Franziskus selbst in seinem Sonnenliede gesungen, ist der erste Ausdruck jubelnder Gewißheit über den Besitz der Geliebten, sind die Bezeugungen inniger, ganz sich hingebender Liebe für die Freundin, deren Schönheit und Liebreiz, schon lange im stillen geahnt, nun siegreich und leuchtend hervorbrach. Dasselbe Gefühl, das diesem Sange für immer eine so tief ergreifende Wirkung sichert, wird auch aus seinen Predigten, denen ganz Italien gelauscht, hervorgeklungen haben. Mehr noch als bittere Reue über das eigene sündliche Streben, Sehnsucht nach erlösender Gnade und Vorsätze zu sittlichem Leben werden die Hörer nach Hause genommen haben: ein neues Verständnis für die Natur! Im heißen Kampfe mit dem feindlichen Nächsten und den mannigfachen, verwirrenden Anforderungen der Zeit mochten sie plötzlich innehalten und mit den Augen des liebreichen Predigers den Frieden und die Schönheit der sie umgebenden Welt gewahren, die sie bisher nur bekämpfen zu müssen geglaubt. Da gewannen die grünen Täler, die grauen Berge ein anderes Aussehen, anders klang der Sang der Vögel, heller schien die Sonne und tiefer erblaute der Himmel durch die wandernden Wolken hindurch. Die Liebe zu aller der Herrlichkeit, wie sie begeisternd von den Lippen des Franziskus erscholl, kam über sie. So ward die Verehrung des Überirdischen zur Verehrung Gottes in der Natur. Wer möchte es jetzt nach so langer Zeit zu schildern wagen, wie das Naturgefühl unter dem Einflusse solcher Predigten kräftig hervorgelockt, wie es durch die im Sinne des Lehrers wirkenden Schüler genährt worden ist und allmählich immer intensiver weiter um sich gegriffen hat. Nur ahnen läßt es sich, vertieft man sich in das Studium jener Zeiten, in denen neben der grübelnden, die Philosophie und das Christentum verschmelzenden Scholastik das innerste Gemütsleben in der Mystik sich mit der von Gott erfüllten Natur in Einklang zu setzen suchte. Fast zur Gewißheit aber wird die Ahnung, daß dem Franziskus der beste Teil der neuen Geistesrichtung in Italien zu danken ist, betrachten wir deren künstlerische Äußerungen.

Wie er selbst von der Kunst gedacht, verrät uns keine Zeile der Biographen, nur eine alte von Marianus und nach diesem von Wadding wiedergegebene Tradition erzählt, daß er einst für den Schmuck der kleinen Kirche, die er zwischen S. Gemini und Porcaria zu Ehren der Maria erbaute, gesorgt. »Auf dem Antipendium des Altares ließ er mannigfache Geschöpfe malen: Engel, Knaben, Vögel, Bäume und ähnliches; darunter schrieb er die folgenden Sprüche, in denen er alle Geschöpfe zum Lobe des Schöpfers aufforderte:

Fürchtet den Herrn und gebt ihm Ehre (Offenb. 14, 7).

Würdig ist der Herr zu empfangen Lob und Ehre (Offenb. 4, 11).

Alle, die ihr Gott fürchtet, lobet ihn (Ps. 135, 20).

Gegrüßet Maria, gnadenreiche, der Herr mit dir (Luk. 1, 28).

Lobet ihn, Himmel und ganze Erde (Ps. 69, 35. 96, 11. 188, 1-4).

Lobet alle Flüsse den Herrn (Ps. 98, 8. Dan. 3, 78).

Lobet den Herrn, weil er gut ist (Ps. 147, 1. Dan. 3, 89).

Alle, die ihr dies leset, segnet den Herrn.

Alle Geschöpfe lobet den Herrn (Ps. 145, 10. Dan. 3, 57).

Alles Geflügel des Himmels, lobet den Herrn (Ps. 148, 10. Dan. 3, 80).

Alle Knaben, lobet den Herrn (Ps. 148, 12).

Jünglinge und Jungfrauen, lobet den Herrn (Ps. 148, 12).

Würdig ist das Lamm, das getötet ist, zu empfangen Lob und Ehre (Offenb. 5, 12).

Gesegnet sei die heilige Dreiheit und ungeteilte Einheit.

Heiliger Erzengel Michael, verteidige uns im Kampf Ann. I, 1213 S. 156. Vgl. E. Böhmer: Francesco d'Assisi in Damaris, Ztschr. v. Giesebrecht u. Böhmer 1864 S. 304..

Die Erzählung erscheint nicht unglaubwürdig, sieht doch dies Antipendium geradezu wie eine Illustration des Sonnengesanges aus! Doch nicht genug, daß der Heilige indirekt die künstlerische Empfindung durch den Einfluß seines Naturgefühles beseelte, so bot er auch in seinem Leben den reichhaltigsten Stoff, auf welchen dasselbe angewendet, durch welchen es gebildet werden konnte. Seit Jahrhunderten hatten in nimmer endenden Wiederholungen die Künstler das Leben Christi, der Maria und der Apostel schildern müssen und hatten, auf das Recht der allein seligmachenden Einbildungskraft verzichtend, in mehr oder weniger starren, schematischen Formen einer dem andern folgend, die Kultusbilder geschaffen, in denen fast jede Figur, jede Bewegung durch die Tradition geheiligt, vorgezeichnet war. Dazu kam, daß die Heiligen, mit denen der christliche Himmel sich bevölkert hatte, in den Augen der Nachgeborenen wohl die Vertreter erhabener Gedanken waren, aber außer den Wundern, die sie gewirkt, dem Märtyrertod, den viele erlitten, war an die wechselvollen Schicksale ihres Lebens keine lebendige Erinnerung geblieben, die einen reicheren Stoff der Kunst geboten hätte. Nur einer, und gerade der ältere Vorgänger des Franz: Benedikt, war durch die Lebensbeschreibung des Papstes Gregor auch als Mensch in dem Verlaufe seines langen Lebens dem Volke bekannt und vertraut geworden. Aus seinem Orden, der ja für Jahrhunderte die Pflege der Wissenschaft und mit ihr die Schreib- und Illuminierkunst ausschließlich übernommen, waren alle die zahlreichen Kodizes hervorgegangen, in denen mit Liebe und Ausführlichkeit die fleißigen Mönche sein Leben in Miniaturen schilderten. Noch zu Zeiten des Franz mag jener Freskenzyklus des Conxolus im Sacro Speco entstanden sein, auf dessen frische und unbefangene Erzählungsweise die florentinische Kunst der Zeit fast ein Recht hätte, eifersüchtig zu sein Die Bedeutung dieser Fresken für die italienische mittelalterliche, speziell die römische Kunst, ist bis jetzt noch lange nicht genug gewürdigt worden. Vgl. aber Max Zimmermann: Giotto und die Kunst Italiens im Mittelalter. Leipzig 1899. I, S. 254 ff.. In der Legende des Franz war nun aber plötzlich den Malern ein andrer, großer Vorwurf gegeben! Alte Vorbilder gab es nicht, der Gegenstand und die Empfindung waren neu. Die Biographien des Thomas von Celano und Bonaventura verraten es in jeder Zeile, wie begeisternd und die Phantasie anregend der reiche Stoff war – die Dichter bemächtigten sich seiner, aber selbst die Prosa ward zur Dichtung. War doch in deren Held eine durchaus eigenartige, in sich geschlossene Natur, die in dem ganzen Zusammenhange der menschlichen Gesellschaft eine gesonderte Stellung einnahm, gegeben – ein Mensch, dessen Leben und Handlungen nur der vielseitige harmonische Ausdruck eines einheitlichen Wesens war. Die Schilderung dieses Lebenswandels verlangte von selbst die dichterische Abrundung, die Form des Epos. Damit aber war der Phantasie der freieste Spielraum gelassen, die erste Grundbedingung für das Erwachen und die gesunde Entwickelung der jungen Kunst. So einfach wie die Anschauungen des Franziskus, so einfach waren die Begebenheiten seines Lebens; der Künstler brauchte bloß den Erzählungen der Mönche zu lauschen oder des Bonaventura Werk zu lesen, so traten die Bilder ungezwungen vor seine Seele. Was aber die schlichten Vorfälle so reizvoll, so geeignet für künstlerische Darstellung machte, war der geistige Gehalt, der allen den Episoden zugrunde lag. Die reinsten Empfindungen des menschlichen Herzens galt es zu überzeugendem Ausdruck zu bringen, allgemein Menschliches auch allgemein verständlich zu schildern. Dies war aber nur möglich, wenn der Phantasie eine liebevoll eingehende Beobachtung des Lebens zu Hilfe kam. So lag demnach auch in dem Stoffe selbst die unbedingte und dringende Aufforderung zum Studium der Natur, wie eine solche aus den Anschauungen Franzens hervorging. Der Gegenstand war – es kurz noch einmal zusammenzufassen – neu und reichhaltig, regte die Einbildungskraft an und verwies den Künstler auf die Natur als die einzige Lehrmeisterin. Darin liegt seine weittragende Bedeutung, dies muß der Gesichtspunkt sein, von dem aus eine Vergleichung der Darstellungen der Legende Franzens, als der ersten grundlegenden Schöpfungen der neueren Kunst, eine hervorragende Wichtigkeit gewinnt.

Fast das ganze 13. Jahrhundert hindurch überwiegt das künstlerische Interesse an der porträtmäßigen Gestaltung des Heiligen dasjenige für die einzelnen Lebensepisoden desselben. Wo solche erscheinen – und es geschieht zuerst auf Berlinghieris Tafel in Pescia – bilden sie illustrationsartig in kleinen Bilderchen eine Art Rahmen für die große Figur. Miniaturenhaft in Ausdehnung und Ausführung können sie trotz mancher lebensvollen Motive noch keinen Anspruch auf große künstlerische Bedeutung machen – sie sind nichts weiter als Vorstudien. Seine volle Wirksamkeit konnte der Stoff erst entfalten, als ihm größerer Raum an den Wänden der Unterkirche in Assisi gewährt wurde, als die fast lebensgroßen Dimensionen ein eingehenderes Naturstudium bedingten. In der Tat verdienen die Fresken des Meisters des Franziskus in mancher Beziehung bedeutungsvolle Vorgänger des gewaltigen Werkes genannt zu werden, in dem Giotto die Normen der neuen Kunst endgültig feststellte. Das 14. Jahrhundert steht dann ganz unter dem Einflusse desselben, erst im 15. macht sich zuerst durch Benozzo Gozzoli, weiter durch Domenico Ghirlandajo und Benedetto da Majano mit der freilich ziemlich unwesentlichen Erweiterung der Legende auch ein Fortschritt in der Komposition und naturgemäßen Durchbildung der Szenen geltend, bis mit der Abnahme der Vorliebe für zyklische Darstellungen eine oberflächliche, handwerksmäßige Übung eintritt, die nur hier und da ohne besonderen Geist und ohne Herz in den Klosterhöfen mit ermüdender Ausführlichkeit die alten Geschichten wiederholt.

Es mag wohl wenige Franziskanerkirchen in Italien gegeben haben, in denen nicht im Laufe des 14. und 15. Jahrhunderts die Legende dargestellt worden wäre, aber so verschwindend auch die Anzahl der uns erhaltenen Zyklen im Vergleiche zu den durch Umbauten und Übertünchung verloren gegangenen erscheinen mag, genügen sie doch, uns von den Phasen der Gesamtentwicklung der Kunst ein ziemlich deutliches Bild zu geben. Beklagenswert bleibt es immer, daß die von Vasari erwähnten Fresken Giottos in S. Francesco zu Ravenna und in S. Francesco zu Rimini, die höchst wahrscheinlicherweise das Leben des Heiligen zeigten Vasari I, 388: »alcune storie in fresco intorno alla chiesa«. Vasari I, 392: »nella chiesa di S. Francesco fece moltissime pitture.«, verschwunden, noch mehr, daß Paolo Uccellos Wandbilder in S. Trinità zu Florenz Vasari II, 206: »e in Santa Trinità, sopra alla porta sinistra dentro alla chiesa, in fresco, storie di S. Francesco: cio è il ricevere delle stimate, il riparare alla chiesa reggendola con le spalle, e lo abbocarsi con San Domenico.« und Squarziones Bilder in der Vorhalle von S. Francesco zu Padua Ridolfi: le maraviglie dell'arte, Venedig 1648, I, S. 110. – Rossetti: Descrizione di Padova 1776, S. 166, zu dessen Zeiten sie überweißt wurden. Ein Rest davon, Franz vor Innocenz, war noch zu Brandoleses (Guida 1795) und Moschinis (Guida 1817) Zeit zu sehen. nur aus kurzen Erwähnungen bekannt sind, von anderen weniger bedeutenden Werken ganz zu schweigen Margaritone. Vasari I, 365: in Pisa, S. Catherina: »in una tavoletta un S. F. con molte storie in campo d'oro.« – Taddeo Gaddi. Pisa, S. Francesco. Apsis. Vas. I, 575. – Puccio Capanna. Bologna. Wo? Vasari I, S. 404: »una tavola con la passione di Cristo e storie di S. F.« – Liberale di Verona. Vasari V, 279: ein Bild für die Capella di S. Bernardo in S. Fermo, Verona. – Taddeo Gaddi. Vas. I, 580: Alvernia in der Cap. der Stigmata Fresken (welchen Inhalts?). – Girolamo di S. Croce. Venedig, S. Francesco della vigna. 14 Episoden. – Waren auch die »molte cose«, die Cavallini in S. Francesco appresso Ripa in Rom malte (Vas. I, S. 538), Darstellungen aus dem Leben des Franz?. Die wichtigsten mir bekannten erhaltenen zyklischen Darstellungen der Legende, außer denen natürlich zahlreiche Einzelschilderungen mancher Episode berücksichtigt werden müssen, sind folgende:

 

 

  1. I. Aus dem 13. Jahrhundert:
    Berlinghieri. Pescia, S. Francesco. Tafelbild von 1235.
  2. Unbekannter Meister. Assisi, S. Francesco, Sakristei. Tafelbild.
  3. Derselbe. Rom, Christliches Museum des Vatikan. Tafelbild.
  4. Meister des Franziskus. Assisi, Fresken im Längsschiff der Unterkirche.
  5. Glasfenster. Assisi, Oberkirche.
  6. Meister von Siena. Siena, Akademie. N. 303. Tafelbild.
  7. Margaritone? Florenz, S. Croce, Capella Bardi. Tafelbild.
  8. Margaritone? Pistoja, S. Francesco. Tafelbild. (Nicht von mir gesehen.)

    II. Aus dem 14. Jahrhundert:
  9. Giotto. Assisi, Oberkirche. Fresken.
  10. Giotto. Florenz, S. Croce. Fresken der Capella Bardi.
  11. Taddeo Gaddi. Florenz, Akademie. Tafelbilder vom Schrank der Sakristei in S. Croce.
  12. Florentiner Meister. Pistoja, S.Francesco. Haupttribuna. Fresken.
  13. Semitecolo. Venedig, Akademie. Tafelbild.
  14. Piero e Paolo delle Messegne. Bologna, S. Francesco. Reliefs am Hauptaltar.
  15. Pisaner Meister. Ottana in Sardinien, Pfarrkirche. Tafelbild Vgl. Mitteilung hierüber von Enrico Brunelli in L'Arte 1903. VI. S. 384 ff..

    III. Aus dem 15. Jahrhundert:
  16. Florentinische Schule. Anfang des 15. Jahrhunderts. Florenz, S. Croce. Chiostro grande.
  17. Stefano di Giovanni, gen. il Sassetta. Bild des h. Franz bei Mr. Berenson in Florenz. Legenden: sechs bei M. Clarendon, Paris, je eine bei Comte de Martel in Chateau Beaumont und in Chantilly S. B. Berensons Artikel in »The Magazine« 1903, III, S. 3, wo gelegentlich der Franzlegenden über den Ausdruck des religiösen Gefühles in der Kunst gehandelt wird..
  18. Benozzo Gozzoli. Montefalco, S. Francesco. Tribuna. Fresken.
  19. Benedetto da Majano. Florenz, S. Croce. Kanzelreliefs.
  20. Domenico Ghirlandajo. Florenz, S. Trinità. Capella Sassetti.

    IV. Aus dem 16. Jahrhundert:
  21. Giolfinos Schule. Verona, S. Bernardino. Cap. S. Francesco.
  22. Adone Doni. Assisi, S. Francesco. Chiostro grande und andere weniger bemerkenswerte Werke, wie die Holzschnitte in des Rodulphus Historia Seraphicae religionis von 1586; einige Freskenreste im Bischöflichen Palais zu Bergamo usw.

1. Die ältesten Darstellungen

Obgleich schon in der ersten Biographie des Thomas von Celano eine reiche Fülle von malerisch zu verwertenden Begebenheiten mitgeteilt war, beschränkte sich die Kunst anfangs nur auf wenige Darstellungen: diese wenigen aber sollten die Wunderkraft des Heiligen in helles Licht setzen, gewissermaßen sein Recht darauf, verehrt und angebetet zu werden, den Gläubigen darlegen. Also handelt es sich zunächst nicht sowohl um Vorfälle aus seinem Leben, als um Heilungen, die an seinem Sarge stattfanden. Dieselben treten gleichberechtigt neben das große Wunder der Stigmatisation und die Vogelpredigt. Historisch, aber nur in wenigen Bildern, von der Lossagung vom Vater bis zum Tode erzählend, geht erst der Meister des Franziskus, dann der Künstler des Bildes in S. Croce vor, der seinerseits nun, inniger vertraut mit Bonaventuras Legende, dieser zahlreiche Szenen entnimmt, und zwar zum Teil auch solche, welche später nicht mehr dargestellt werden. So wächst mit der Ausführlichkeit der Schilderung zugleich deren innerer Zusammenhang, ohne daß jedoch die volle künstlerische Abrundung des Epos erreicht wird. Das blieb Giotto überlassen. Im folgenden mögen zunächst kurz die vorgiottesken Darstellungen besprochen werden, wobei aber ein Vergleich der auch von Giotto gemalten Szenen auf die Betrachtung von dessen Zyklus, der als der eigentliche Mittelpunkt der vergleichenden Betrachtung genommen werden muß, verschoben wird.

In der Wahl der vier Wunderheilungen stimmen die Künstler der Bilder in S. Francesco zu Prescia, in der Sakristei der Kirche zu Assisi und im Vatikan überein, nur daß das zuerst genannte außerdem noch die Vogelpredigt und die Stigmatisation aufweist. Auch auf dem in S. Croce erscheinen die Wunder. Das erste ist die Heilung des verwachsenen Mädchens, dessen Mißgestaltung, ein verdrehter Hals und an die Schulter angewachsener Kopf, bei der Berührung mit der Totenlade des Franz verschwand. Das arme Kind ist dargestellt, wie es vor dem Sarg, hinter welchem Mönche stehen, sitzt, während die Mutter knieend die Hilfe vom Himmel erfleht. An zahlreichen Zuschauern vorbei trägt diese es dann daneben auf den Schultern fort Vgl. Th. I Leg. lib. III, c. VIII S. 719. Eo namque die, quo sacrum et sanctum corpus beatissimi patris Francisci reconditum fuit velut pretiosissimus thesaurus, magis supercoelestibus aromatibus, quam terrenis speciebus inunctum, apportata est puella quaedam iam per annum habens collum monstruose plicatum et caput humero adnexum, nec poterat nisi ex obliquo sursum respicere. Quae dum sub arca, in qua pretiosum sancti reconditum iacebat corpus, caput aliquandiu immisisset, statim meritis sanctissimi viri collum erexit, et in condecenti statu caput extitit reparatum ita; quod puella ex subita sui mutatione obstupefacta nimis coepit fugere ac plorare. Fovea quaedam namque apparebat in humero, cui caput fuerat applicatum, propter situm quem fecerat infirmitas diuturna.. (Vgl. Abb. Anhang III, Tafel 45.)

Das zweite Wunder ist die Heilung des Bartholomeus von Narni, eines armen Mannes, der durch sechs Jahre lang sich mit einem durch gichtische Leiden vollständig abgestorbenen Beine abquälte und im Traumgesicht von Franz den Befehl erhielt, in ein Bad zu gehen. Von dem Bischof in seinem Glauben bestärkt, ward er von Franz selbst dahin geleitet und fand hier durch die Handauflegung des unsichtbaren Heiligen Gesundung Th. I Leg. ebds. S. 702. Cumque venisset ad locum et balneum fuisset ingressus, manum super pedem sensit imponi sibi, et aliam super tibiam, ipsam quietius extendentem. Continuo proinde liberatus de balneo exivit laudans, et benedicens omnipotentiam creatoris et b. F. servum eius. Vgl. kürzer Bon. Cap. XII, S. 755.. Auf allen Darstellungen sieht man Franz selbst kniend das Bein des Kranken anfassen, auf der andern Seite diesen froh, die Krücke über der Schulter tragend, von dannen eilen. Nur auf dem Bilde in Rom ist das Bad als kuppelförmiges Gebäude aufgefaßt, während der Vorgang sonst in felsiger Gegend, durch welche ein Bach fließt, vor sich geht. (Abb. Anhang III, Tafel 43 und 48.)

Als drittes Wunder findet sich die Teufelaustreibung vor dem Sarge des Franz. Im Beisein von erstaunten Mönchen entfliehen dem Munde einer übertrieben bewegt sich renkenden Frau, die von einem Manne gehalten wird, die kleinen dämonischen Unholde. Bei Berlinghieri sieht man daneben noch einen besessenen jungen Mann, dem die gleiche Befreiung zuteil wird. In diesem darf man vielleicht Pietro von Foligno erkennen, der auf einer Pilgerfahrt durch einen Trunk Teuflisches in sich aufgenommen hatte und erst durch die Berührung des Grabes geheilt werden konnte. Ob unter der Frau jene von Narni gemeint ist, oder eine der ungenannten, von deren Heilung Thomas spricht, muß dahingestellt bleiben Th. I Leg. ebds.: Veniens quoque ad tumbam sanctissimi patris furentibus daemonibus et crudelissime discerpentibus eum, claro et manifesto miraculo ad tactum sepulchri eius mirifice liberatus est. – Zwei Teufelaustreibungen, die er selbst vollzieht, werden bei Thomas I Leg. II, Cap. VIII, S. 702, danach von Bon. Cap. XII, S. 755 erzählt.. (Abb. Anhang III, Tafel 43 u. 45.)

Die vierte Darstellung zeigt die Heilung eines Krüppels, der gelähmt auf allen Vieren vor dem Altar des Heiligen kniet und im Beisein von Mönchen und andern Leuten Erlösung findet. Vermutlich ist es jener Niccolo von Foligno, der, nachdem er vergeblich sein Geld den Ärzten verschwendet, sich endlich zum Grabe des Franz tragen ließ und hier nach einer in Gebet verbrachten Nacht die volle Gesundheit wiedererlangte Th. I Leg. III, S. 719.. (Anhang III, Tafel 43.)

Auf dreien dieser Szenen, deren Komposition bei den verschiedenen Meistern im Wesentlichen sehr ähnlich ist, erscheint Franziskus nicht selbst, doch hatte schon Berlinghieri ihnen zwei andere hinzugefügt, in denen seine Person, nicht sein wunderreiches, unsichtbares Wirken die Hauptsache ist: die Vogelpredigt (Abb. Anhang III, Tafel 47) und die Stigmatisation. Das eine Bildchen zeigt den Heiligen, wie er, von zwei Männern gefolgt, bei einem Gebäude nach vorn gewandt die Hand zu Vögeln, die an einem Berge auf Bäumen sitzen, ausstreckt; auf dem anderen kniet er betend und schaut von dem Berge zu dem Seraphim auf, der hier noch nicht wie späterhin Strahlen entsendet Abb. Plon: St. François, S. 277.. Einen weiteren Schritt tut dann der Meister des Franziskus in den leider arg beschädigten, teilweise ganz zerstörten Fresken an der linken Längswand der Unterkirche zu Assisi, die in chronologischer Folge die Lossagung vom Vater, die Vision des Innocenz III., die Vogelpredigt, Stigmatisation und den Tod des Franz schildern. Auf die Bedeutung des Künstlers ist schon oben aufmerksam gemacht worden, hier kann nun bestimmter betont werden, wie befreiend der neue Stoff auf ihn gewirkt hat Vgl. oben S. 86. Eine nähere Beschreibung erscheint geradezu geboten, da man sich bisher kaum die Mühe gegeben, die für ihre Zeit trefflichen und bedeutungsvollen Fresken näher anzusehen. Nur Fratini wird ihnen von seinem Gesichtspunkte aus gerecht..

  1. Rechte Hälfte zerstört. Ein Bischof schlägt seinen Mantel um den nackten Körper des in geknickter Stellung nach vorn gewandt stehenden, die Hände nach oben erhebenden jugendlichen Franz. Links Zuschauer. Rechts nur noch wenige Reste einer Figur, in der wahrscheinlich der erzürnte Vater zu sehen ist. Obgleich das Nackte noch mißlungen ist, macht sich auf das entschiedenste eine gewisse Feinfühligkeit und Lebensbeobachtung in den Figuren geltend.
  2. Rechts liegt der Papst, die Tiara auf dem Kopfe, die rechte Hand erhebend, in weißem Gewande und rotem Mantel auf einem Lager, dessen Decke mit Rosetten ornamentiert ist. Links Reste von Franz, der, nach halb links gewandt, offenbar die nicht mehr sichtbare Kirche stützt.
  3. Franz, von einem anderen Mönche, dessen Kopf im 14. Jahrhundert übermalt worden ist, gefolgt, predigt nach links gewandt, die Rechte zum Segnen halb vorgestreckt, in der Linken ein Buch tragend, den Vögeln, welche sich von links kommend unter einem Baume versammelt haben. Franz ist sehr gut und natürlich bewegt. Wieviel weiter ist doch dieser Künstler schon gekommen, als Berlinghieri und Margaritone, die steif und in Reih und Glied in verschiedenen Reihen übereinander die Vögel aufbauen.
  4. Links nur noch Spuren von Franz. Oben schwebt der jugendliche Seraphim in der Stellung des Gekreuzigten, hinter jedem Arme einen Flügel, zwei andere gekreuzt vor dem Körper. Rechts ein Bergesabhang mit Pflanzen.
  5. V. Franz liegt, den Kopf nach halb rechts gewandt, im Halbprofil, die Augen geschlossen, die Arme längs des Körpers ausgestreckt, in einer durch den Strick gegürteten Kutte. Hinter ihm rechts steht ein Mönch im Chorgewand, der wohl seine Linke hält und das Rauchfaß schwingt. Hinter seinem Haupte werden drei Mönche, die, wie es scheint, Kerzen halten, sichtbar, vorn die Köpfe von drei Knienden, deren einer weinend die Hand an den Kopf legt. Ein vierter daneben berührt mit dem Zeigefinger die Seitenwunde des Heiligen und wendet sich zu dem Nachbar links, der erstaunt über den Anblick die Hand erhebt Abb. bei Fea: Descrizione di S. Francesco d'Assisi. Rom 1820. S. 23..

Lebendigkeit in Blick und Gebärde zeichnen diese Bilder vorteilhaft vor den sonstigen Werken der Zeit aus. Es ist fast nichts mehr von dem Schematismus der älteren Kunst zu bemerken, sondern alles spricht von Naturbeobachtung, so befangen auch die Zeichnung im einzelnen noch ist. Der Fortschritt gegenüber den doch mehr oder weniger konventionellen sonstigen Gemälden, die, stilistisch dieselben Merkmale tragend, dem Meister zugeschrieben werden mußten, verrät deutlich die fördernde Kraft und Anregung des Stoffes und rechtfertigt die bedeutsame Stellung, die bereits oben dem Meister des Franziskus unter den Vorgängern Cimabues und Giottos angewiesen wurde.

So kann es nicht Wunder nehmen, daß der Künstler, welcher die Zeichnungen zu den Glasmalereien des ersten Fensters rechts im Längsschiff der Oberkirche machte, in der Vogelpredigt, der Vision Innocenz' III. und der Stigmatisation fast getreu jene Fresken wiederholte. An Stelle der Lossagung vom Vater freilich setzte er, offenbar wiederum recht bedacht, das Wunderbare in dem Leben des Heiligen zu schildern, die Szene, wie dieser kniend vom Kruzifix in S. Damiano den Auftrag erhält, die Kirche wiederherzustellen, und vertauschte den Tod mit der Heilung des Bartolommeo von Narni, für welchen er die Vorlage in dem Bilde der Sakristei fand. Der Zeichnung nach ist er zweifellos ein Zeitgenosse des Meisters des Franziskus.

Eine wesentliche Bereicherung erhält der Zyklus durch den sienesischen Maler, der in der Lebendigkeit seiner Schilderung, in der warmen Begeisterung für seinen Stoff, in der Originalität seiner Erfindung ebenbürtig neben jenem Künstler genannt zu werden verdient. Einige Darstellungen können geradezu mit denen Giottos verglichen werden, ohne daß dies zu seinen Ungunsten ausfiele. Er beginnt die Erzählung mit der Lossagung des Jünglings, der liebevoll von dem hier vor einem prächtigen Gebäude sitzenden Bischof bekleidet wird, während links der Vater, umgeben von anderen Männern, steht. Es folgt die Szene, wie Franz, sehnsüchtig die Hände emporstreckend, in S. Damiano vor dem Kruzifixus kniet, der wirklich Fleisch und Blut gewonnen zu haben scheint und die Rechte nach ihm hinstreckt. Auf der Vision des Innocenz, der hier im Vordergrunde schläft, wird Franz links hinten sichtbar, wie er mit der Rechten einen von dem Gebäude sich ablösenden, fallenden Turm aufhält. Auf dem nächsten Bilde schreitet er, segnend die Hand bewegend und in gläubigem, sehr wahr dargestellten Aufblick nach oben, auf die vor einem bewachsenen Berge am Boden versammelten Vögel zu. Dann sieht man ihn kniend auf einem von zwei Engeln gezogenen Wagen über einem Gebäude, in dem schlafende Mönche liegen, in der Luft fahren. Die Stigmata empfängt er, weit die Arme ausstreckend, durch fünf Strahlen, die von dem oben über ihm schwebenden Seraphim senkrecht herniedergehen. Neu ist neben jener Vision des feurigen Wagens die Darstellung, wie er in Greccio das Presepe feierte. Vor einem Altare, hinter dem, erstaunt, aber etwas steif die Hände erhebend, ein Priester zwischen zwei Diakonen steht, kniet er, das in Windeln in der Krippe liegende Christuskind berührend. Endlich gewahrt man den auf der Bahre liegenden Heiligen, hinter dem zwei Bischöfe, umgeben von vielen Mönchen, die Exequien feiern. Wer die Bedeutung der Franzlegende für die Kunst sich recht deutlich machen will, braucht bloß diese reizvollen, lebendig und gefühlsinnig erzählten Vorgänge mit den Darstellungen des Lebens Christi von zeitgenössischen sienesischen Malern zu vergleichen! So verwandt die tief religiöse Auffassung aller dieser Meister auch ist, zeichnen sich doch die Bilder der neuen Legende durch größere Unmittelbarkeit der Anschauung und freieres Walten der Einbildungskraft aus.

Freilich hatte sie hier auch einen begabteren Interpreten gefunden, als jener war, der mit zwanzig Szenen das Altarbild des Franz in S. Croce ausschmückte, zum ersten Male also den reichen Stoff möglichst zu erschöpfen versuchte. Als erstes Bild erscheint hier die Almosenspende: der junge Franz gibt dem ihm begegnenden Armen sein Gewand, während links ein Mann darauf hinweist. Dann bei der Lossagung vom Vater sieht man ihn nackend, von dem sitzenden Bischof mit einem Mantel verhüllt, auf das Gewand weisen, das er zu Boden hat fallen lassen; Pier Bernardone, hinter dem sich Pica befindet, streckt steif die Hand nach rechts aus. Die folgende Darstellung, die später niemals wiederkehrt, aber in Bonaventuras Schilderung begründet ist, läßt sich am besten als » Wahl der Kutte« bezeichnen. Neben dem links sitzenden Bischof steht vorn der jugendliche Heilige, der mit einem Stabe die in Form eines liegenden Kreuzes aufrecht auf dem Boden stehende Kutte berührt. Auch die Szene, wie Franz kniend vor einem Altar, hinter dem ein Priester im Begriffe ist, ein Buch zu öffnen, mit dem links stehenden Bernhard das Orakelwort des Evangeliums hört, das die Grundlage seiner Regel werden sollte, ist von der späteren Kunst, so weit wir sie kennen, nicht verwendet worden. Ihr folgt die Bestätigung der Regel durch Innocenz, der von Bischöfen umgeben vorne sitzt und das Buch in Empfang nimmt, das der vor ihm kniende Franz ihm überreicht. Letzterer ist nur von einem Mönche und einem Laien begleitet erschienen. Dann schildert das nächste Bildchen: die Vogelpredigt in sehr naiver, noch ganz an Berlinghieri erinnernder Weise, wie er von zwei Mönchen gefolgt die rechts in fünf Reihen übereinander steif angeordneten Vögel segnet. Ein anderer, wiederum nur hier dargestellter Vorfall ist das Wunder, wie Franz, nachdem er sich in Ancona eingeschifft, einen großen Seesturm erlebt und das Schiff durch seine Fürbitte errettet wird. Da sieht man ihn vielen nackt vor ihm knienden, flehend die Hände erhebenden Leuten predigen. Als Prediger auch, von Illuminatus begleitet, erscheint er vor dem Sultan, der von vielem Volk umdrängt auf dem Throne sitzt. (Abb. Anhang III, Tafel 47.) Die Weihnachtsfeier in Greccio ist figurenreicher, aber nicht so lebhaft und dramatisch den Kern der Sache treffend wie in Siena wiedergegeben. Franz steht hier, gesondert von dem vorn in felsigem Boden liegenden Christkinde, rechts an einem Betpulte von Leuten umgeben, während in der Mitte hinten ein Priester am Altare die Messe zelebriert. Neu taucht in der Folge die Vision des Monaldus auf: neben einer Gruppe von Mönchen steht links der bärtige Franziskaner, wohl Antonius von Padua, dem in der Luft als Brustbild der Heilige erscheint. (Abb. Anhang III, Tafel 46.) Die Stigmatisation ist ähnlich wie bei sonstigen Bildern der Zeit dargestellt, indem nämlich von dem rechts fliegenden Seraphim drei Strahlen nach dem Haupte des in felsiger Gegend knienden Franz schießen, der die Arme ausbreitend erhebt. Dann weiter sind wiederum die Exequien geschildert: ein Geistlicher zu Häupten der Bahre liest in einem Buche, während hinten ein Mönch das Rauchfaß schwingt, andere herumstehen und vorne vier Krüppel sitzen. Zwei Engel tragen die Halbfigur des Verstorbenen nach oben. Für die Wunder, die Heilung des Mädchens, des Lahmen, die Austreibung der Teufel kann auf die oben gegebene Schilderung verwiesen werden, da wie sachlich so auch kompositionell die Bildchen sich wenig von jenen älteren unterscheiden. Von größerem Interesse sind einige andere, da sie nur auf dem Bilde von S. Croce erscheinen, zunächst eines, welches ganz allgemein die früheste Tätigkeit des Franz schildert, wie er nämlich als Krankenpfleger sitzend einen Aussätzigen auf dem Schoße hält, daneben rechts noch einmal einem zweiten die Füße wäscht. Ein anderes, auf dem er hinter einem Altar stehend zu einer Schar von nackten Bettlern, die Stäbe in der Hand tragen, sich wendet, ist als Aussendung der Jünger zu deuten. (Abb. Anhang III, Tafel 46.) Dann fehlt ferner jene rührende Szene nicht, wie er, von einem seiner Schüler begleitet, dem Hirten begegnet, der zwei Lämmer an einem Stabe über der Schulter trägt, die ihr Leben dem Mitleide des Heiligen verdanken sollten. Ein weiteres Bild gibt ihn nackt an eine Schandsäule gefesselt sitzend, einen Strick um den Hals, von neugierigen Männern und Frauen betrachtet, die er auffordert, ihn, den fleischlichen Sünder, der, von schwerer Krankheit geprüft, dem strengen Fasten untreu geworden, zu verachten. Welche Vorgänge endlich in den zwei übrigen Bildern dargestellt sind, vermag ich nicht zu bestimmen. Das eine zeigt eine Volksmenge, mit einem Diakon an der Spitze, die von einem Bischofe, neben dem noch drei andere Würdenträger sich befinden, gesegnet wird – das zweite die Begegnung eines Hirten mit einem Mönche (nicht Franz).

So mühsam eine eingehende Betrachtung dieses in dunkler Kapelle befindlichen und im Laufe der Jahrhunderte fast ganz schwarz gewordenen Altarwerkes ist, so wenig lohnend ist sie für den, der, von den Fresken in Assisi oder den Bildern in Siena kommend, hier ähnlich wertvolle Dokumente der jungen aufstrebenden Kunst zu finden hofft. Das sachliche Interesse, das es bietet, muß entschädigen für den Mangel an lebens- und empfindungsvoller Schilderung. Steif und konventionell im Geschmacke der aussterbenden älteren Kunstrichtung sind die Figürchen nebeneinandergestellt, so gut wie es eben ein Maler vermochte, dem das Dramatische des Stoffes nicht zum Bewußtsein kam und dem aus Bonaventuras phantasievollen Erzählungen nur der kahle Kern des Tatsächlichen in der Erinnerung haften blieb.

2. Giotto und die Kunst des 14. und 15. Jahrhunderts

Die bisher besprochenen zyklischen Darstellungen der Legende sind der Mehrzahl nach unabhängig voneinander entstanden. Jeder Künstler faßte den in den Lebensbeschreibungen gebotenen Text individuell auf, erst Giotto mit seiner künstlerischen Bedeutung und weitverbreiteten Wirksamkeit war es vorbehalten, für lange Zeit hinaus die Kompositionsweise zu bestimmen, bis die großen Florentiner des Quattrocento die neuen Prinzipien und Anschauungen auch auf diesem Gebiete in Anwendung bringen. Eine fast getreue Wiederholung einer Anzahl der achtundzwanzig großen Fresken, mit denen der Altmeister in der Oberkirche von Assisi am Ende des 13. Jahrhunderts die unteren Wandflächen des Längsschiffes schmückte, tritt uns allerdings bloß in S. Francesco zu Pistoja entgegen. Hier findet sich in dem Chore, zum größten Teile zerstört oder noch von der Tünche bedeckt und daher von der Forschung bisher nicht berücksichtigt, die Legende dargestellt. Soviel sich erkennen läßt, sind bei der Ausführung zwei Meister beschäftigt gewesen, deren einer, derber und roher in Zeichnung und Behandlung, schwerlich zu bestimmen sein dürfte, während der andere ein von Giottos frühem Stil beeinflußter Florentiner ist Von letzterem sicher: Franz in S. Damiano und die eine weibliche Heilige an der Rückwand. In der 1. Auflage dieses Buches stellte ich die Ansicht auf, der Künstler sei Lippo Memmi. Doch bin ich von ihr zurückgekommen.. Nach Vasari hätte Puccio Capanna jene Kapelle ausgemalt, doch weiß er auch von einem Bilde zu erzählen, das Lippio Memmi für den Hauptaltar geschaffen Vita di Giotto I, S. 403 und I, S. 556.. Wie es scheint, erhielt der Florentiner 1343 den Auftrag von einem Bernardino dei Ciantori, der einer Inschrift zufolge die Tribuna in diesem Jahre mit Fenstern, Gemälden usw. schmücken ließ, mußte aber wohl die Arbeit unvollendet lassen, die dann von einem andern schwächern Meister – ob Puccio Capanna, ist bei dem vollständigen Mangel an Kenntnis dieses Meisters nicht zu sagen – vollendet wurde. Oder arbeitete er, was dem Stil nach wahrscheinlich, schon früher und bezieht sich jener Auftrag nur auf die von dem zweiten Künstler gegebene Vollendung?

Daß für die Giottisten im übrigen weniger die Kompositionen Giottos in Assisi, als dessen spätere in S. Croce und an anderen Orten ausgeführte zum Vorbild geworden sind, darf nicht Wunder nehmen, da in letzteren sich doch die freiere Gestaltungsweise des mit den Jahren vorgeschritteneren Meisters geltend macht, welcher der Schüler sich anschloß. Unzweifelhaft aber ist es, daß Giotto selbst als Jüngling jene Fresken in Assisi geschaffen. So verdienstvoll die Forschungen sind, die Crowe und Cavalcaselle angestellt, so unbegreiflich bleibt es doch, daß sie die Franzlegende einem Meister von der Art des Gaddo Gaddi zuschreiben konnten, so unbegreiflich auch, daß ein Kunstkenner wie Rumohr nur an Spinello Aretino zu denken vermochte. Mit vollem Rechte hat Dobbert Giotto wieder zu seinem Rechte verholfen Rumohr: Ital. Forschungen, Berlin 1827, II, S. 66. – Crowe und Cavalcaselle. It. A. I, S. 344 ff. D. A. I, S. 181 ff. – Dobbert in Dohmes Kunst und Künstler III, Giotto S. 6.. Hätte ein anderer als dieser die Bilder gemalt – in neuerer Zeit ist irrtümlich die Vermutung ausgesprochen worden, es sei ein Sienese gewesen – so wäre eben dieser andere der Begründer der neueren Kunst, und von Giottos größtem Ruhme bliebe wenig übrig mehr. Es ist derselbe Geist, der mächtig und überzeugend aus ihnen spricht, wie aus den Fresken der Kapelle dell'Arena in Padua, das heißt der Geist der neuen Zeit! Wer sich an altertümlichen Formen und Behandlung stößt, die sich so leicht und logisch von selbst erklären, denkt man daran, daß es ein noch an Cimabue und dessen Richtung anknüpfender Künstler war, dem hier zum ersten Male vergönnt wurde, die eigenen Gedanken auszusprechen, muß blind sein für die Größe der Kunst, die aus jeder Komposition, aus jeder Figur, aus jeder Geberde spricht. Wie bestimmt nicht allein der Geist, sondern ebenso die Zeichnung jeden Details auf Giotto hinweist, wird weiter unten bei der Beschreibung von S. Francesco zur Sprache kommen Vgl. Näheres auch in meiner Monographie über Giotto, in den Künstlermonographien, Velhagen & Klasing, 1899.. Hier gilt es nur zu zeigen, welchen Einfluß der Stoff auf Giotto gewonnen. Selten ist es uns wie vor diesen Gemälden gewährt, den Geheimnissen künstlerischer Gestaltungskraft nachzugehen, zu beobachten, wie der Meister unbeirrt von früheren Darstellungen der dichterischen Anweisung allein folgt und diese, zu gleicher Zeit durch sie beschränkt und befreit, zu einer künstlerischen Tat umgestaltet. Bonaventuras vita war es, welche die Mönche dem jungen Künstler in die Hand gaben, daß er nach ihr des Heiligen Leben schildere, Bonaventuras Text müssen auch wir mit den Darstellungen vergleichen, wollen wir diese selbst ebenso wie Giottos Verdienst würdigen lernen. Bei Besprechung der einzelnen Szenen mögen dann kurz auch die zeitlich späteren Kunstwerke ihre Erwähnung finden.

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15. Die heilige Clara und die heilige Elisabeth.
Fresko von Tiberio d'Assisi. S. Maria degli Angeli in Assisi.

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16. Die heilige Clara.
Fresko von Simone Martini. Assisi, Unterkirche.

1. Wie dem Jüngling gehuldigt ward. (Abb. Anhang III, Tafel 1.) »Ein sehr einfältiger Mann in Assisi, der aber, wie man glaubt, von Gott selbst belehrt worden war, legte, als er einst dem durch die Stadt wandelnden Franz begegnete, den Mantel ab und breitete das Gewand vor dessen Füßen aus: versichernd, daß Franz noch jeder Verehrung würdig sein werde, als einer, dem es bestimmt sei, in nächster Zeit Großes zu wirken und deswegen von der Gesamtheit der Gläubigen glorreich geehrt zu werden Cap. I, S. 744. Die Übersetzung hält sich durchweg möglichst an den Wortlaut..« Giotto bringt den Vorgang selbst zu leicht verständlichem Ausdruck, indem er das Außerordentliche der Begebenheit in ihrer Wirkung auf je zwei erstaunt miteinander sprechende Bürger, die symmetrisch links und rechts angeordnet sind, verbildlicht Abb. von diesen und anderen Fresken bei Plon, S. François d'Assise. Photographien von diesem wie allen sonstigen Fresken der Oberkirche von Paolo Lunghi und Carloforti in Assisi, Alinari in Florenz. Abb. sämtlicher Fresken auch in meiner Monographie über Giotto.. Die Verehrung des Huldigenden, der kniend sein Gewand auf die Erde breitet, liegt deutlich ausgesprochen in dem Aufblicke seiner Augen zu dem jugendlichen Franz, der eben den Fuß auf den Mantel setzt und sich mit einer allerdings zu allgemein gehaltenen Handbewegung zu ihm wendet. Um die Örtlichkeit näher zu bestimmen, versuchte Giotto den Marktplatz von Assisi wiederzugeben, so gut der für Perspektive und Größenverhältnisse noch wenig geübte Blick es erlaubte. Der Tempel der Minerva mußte sich freilich eine etwas phantasievolle Behandlung und eine Bereicherung mit den gotischen Zutaten eines von reliefierten Engeln flankierten Rundfensters im Giebel und eines mosaizierten Architravs gefallen lassen. Der links daranstoßende Palazzo publico zeigt sehr schöne, wohl gleichfalls Giottos eigene architektonische Ideen verratende geteilte Fenster, von denen in Wirklichkeit jetzt jedenfalls nichts mehr sichtbar ist. Das wesentliche aber bleibt doch der Versuch, eine bestimmte Örtlichkeit naturgetreu darzustellen. Daß die Handbewegungen bei allem Streben nach Lebenswahrheit noch konventionell bleiben, darf nicht verwundern. – Eine andere Auffassung verrät das Fresko in Pistoja, das, sehr zerstört, nur noch erkennen läßt, wie Franz aus einem Hause auf einen die Arme vor ihm kreuzenden Mann zuschreitet. Später gibt Benozzo in Montefalco die Szene insofern verändert wieder, als er Franz von hinten auf den von einem Manne vorn ausgebreiteten Mantel zukommen läßt. (Abb. Anhang III, Tafel 2.)

2. Die Bekleidung des Armen. (Abb. Anhang III, Tafel 3.) Dieselbe wird von Bonaventura nach Thomas und den tres socii folgendermaßen geschildert Th. II Leg. I, 2, S. 11 f. – T. s. Cap. I, S. 725. – B. I, S. 744.: »Als Franz die Körperkräfte wiedererlangt und sich nach seiner Gewohnheit schmuckvolle Gewänder bereitet hatte, begegnete er einem gewissen vornehmen Manne, der edel von Geist, aber arm und schlecht gekleidet war. Dessen Armut in frommer Regung bemitleidend, zog er selbst sein Gewand aus und bekleidete jenen, um so zu gleicher Zeit die doppelte Liebespflicht zu erfüllen, das Schamgefühl des vornehmen Mannes zu schonen und dem Mangel des Armen abzuhelfen.« Sinnig verlegt Giotto den Vorfall in die Umgegend der Stadt, die man links auf einem mit Bäumen bewachsenen Berge sieht. Den Raum besser auszufüllen, dachte er sich Franz von dem links stehenden Pferde abgestiegen, wie er mit freundlichem Blicke dem älteren Manne, der ihn anschaut, den Mantel gibt, in dessen Ärmel noch seine rechte Hand steckt. Verständlich wird die Handlung durch die im Blicke wiederzugeben versuchte »fromme Regung«. Die Bedeutung fällt damit auf das geistige Motiv, und darin zeigt das Bild den großen Fortschritt gegen jenes oben erwähnte in S. Croce. Vollständig der Natur abgelauscht zugleich aber ist die Stellung des Pferdes, das die Ruhepause benutzt, sich Gras am Boden zu suchen. Bei Benozzo machte sich die Erinnerung an die ähnliche Handlung des heiligen Martin und deren übliche Darstellung geltend: der Jüngling reicht zu Pferde sitzend dem Armen den Mantel. Als zweiten Martin hatte den mitleidsvollen Franz schon früher Thomas von Celano in begeisterten Worten gepriesen. (Abb. Anhang III, Tafel 2, unten, ganz links.)

3. Die Vision des Palastes. (Abb. Anhang III, Tafel 4.) »In der folgenden Nacht aber,« heißt es weiter, »als er sich dem Schlummer ergeben, zeigte ihm die göttliche Güte einen prächtigen und großen Palast mit kriegerischen Waffen, die mit dem Zeichen des Kreuzes Christi bezeichnet waren, um ihm weissagend zu zeigen, daß die Barmherzigkeit, die er aus Liebe zum höchsten Könige dem armen Edlen erwiesen, mit unvergleichlichem Lohne vergolten werden solle. Also ward ihm auch, als er fragte: wessen alle jene Waffen sein würden, in höherer Versicherung die Antwort: ihm und seinen Soldaten würden sie gehören.« In der ersten Legende des Thomas von Celano war das Traumgesicht als solches noch schlicht geschildert: das eigene Haus, in dem er sonst nur Ballen von Tuch zu sehen gewöhnt war, schien Franz mit Waffen gefüllt zu sein. Erst bei den tres socii wird es dann zum reichen Palaste, und der Herr selbst erscheint ihm. Nach des Thomas II. Legende gewahrt er zugleich seine Braut von wunderbarer Schönheit Th. I Leg. I, S. 685. – Suyskens II Leg. § 5, S. 564. – Anon. Perus. ebd. – Tres socii, Cap. I, S. 725. – Th. II Leg. I, 2, S. 12. – Bon. Cap. I, S. 744. – Carmen, S. 24.. – An der Unmöglichkeit, ein Traumgesicht bildlich zu schildern, mußte der Künstler scheitern, so geschickt er es auch versuchte, durch die auf den großen Palast rechts hinweisende Bewegung des Heilandes, der hinter dem Lager des links schlafenden Franz steht, das Außerordentliche, Visionäre verständlich zu machen. Die ruhevolle Lage des letzteren, der das Haupt auf die rechte Hand gelegt hat, zeugt von überraschender Beobachtung, während andrerseits für den Entwurf des wahrhaft prächtigen Gebäudes, das natürlich höchst wirklich dasteht, seiner künstlerischen Phantasie freier Spielraum gelassen war. Damit verglichen erscheint die Darstellung im Klostergang von S. Croce, auf welcher Christus in halber Figur und in der Mandorla ihm erscheint, ziemlich ärmlich, wenn auch die Vertauschung der bei Giotto zu wenig sichtbaren Panzer mit Kreuzesfahnen glücklich zu nennen ist. Benozzo mochte sich wohl des Bildes Giottos erinnern, gab aber dem Prachtbau die bestimmte Gestalt des Palazzo vecchio in Florenz. (Abb. Anhang III, Tafel 2, unten, ganz rechts.)

4. Franz in S. Damiano. (Abb. Anhang III, Tafel 4.) Deutlich läßt sich auch hier die legendarische Ausschmückung einer einfachen Tatsache verfolgen. Hatte Thomas in seiner ersten Legende nur zu erzählen gewußt, wie Franz, beim Anblick des zerfallenen Kirchleins von Mitleid und Frömmigkeit bewegt, beschlossen, es wiederherzustellen, so verwandelt sich der innere Wunsch in der II. Legende und bei den tres socii in die wunderbare Aufforderung durch das Kruzifix. Und so erzählt auch Bonaventura den Vorfall Th. II Leg. I, 6. – B. II, S. 745.: »Als er eines Tages, um nachzusinnen, außerhalb der Stadt an der Kirche des h. Damianus vorbeiwandelte, der infolge allzu großen Alters der Einbruch drohte und von dem Geiste getrieben in dieselbe, um zu beten, eingetreten war, warf er sich vor dem Bilde des Gekreuzigten nieder und ward während des Betens von nicht geringem Geistestroste erfüllt. Und als er tränenden Auges zum Kreuze des Herrn aufblickte, hörte er mit den körperlichen Ohren eine Stimme, die von jenem Kreuze zu ihm ausging und dreimal sprach: ›Franziskus, gehe und stelle mein Haus wieder her, das, wie du siehst, ganz der Zerstörung anheimfällt.‹ Erzitternd staunte Franz, da er doch allein in der Kirche war, eine so wunderbare Stimme zu hören, und fühlte sich im Geiste entrückt, die Wirkung der göttlichen Rede im Herzen empfindend«.

Gab es auch schon vor Giotto auf dem Glasfenster der Oberkirche und auf dem Bilde in Siena Darstellungen des Wunders, so hielt er sich dennoch von Nachahmung frei und verstand es, was jenen älteren Meistern noch nicht gelungen, den Vorgang möglichst verständlich zu machen, indem er die verfallene Kirche selbst perspektivisch gestaltete und Franz in derselben kniend mit erstaunt erhobenen Händen nach rechts zu dem in der Apsis vorn etwas vorgeneigt stehenden Kruzifix aufschauen läßt. Wie in Siena scheint auch hier Christus selbst Leben gewonnen zu haben, aber nur in dem etwas vorgestreckten Kopfe. Die Form des Kreuzes, die aufrechte Haltung des Heilandes beweist, daß sich Giotto als ganz direktes Vorbild jenes alte Kruzifix von S. Damiano nahm, das noch jetzt in S. Chiara in Assisi zu sehen ist In dem abgeschlossenen Raume neben dem vorderen Querschiff. Eine gute Arbeit aus dem 12. Jahrhundert, wie es deren ja mehrere sonst in Pisa und Lucca gibt: Werke, die mehr als andere das Volkstümliche der italienischen Kunst auch in jenen Zeiten erkennen lassen. Die zu zweien und zu dreien gruppierten Frauen neben dem Körper Christi hat Giotto, der Deutlichkeit wegen, in Maria und Johannes verwandelt. – Abb. bei Plon, S. François S. 23 und bei Schnürer, Franz von Assisi, München 1907, S. 24.. Daß er der wirklichen Kirche S. Damiano nur die kleinen Verhältnisse für seine Darstellung entlehnte und sich einen Einblick verschaffte, indem er die Obermauern auf Säulen ruhen ließ, war durch die Komposition bedingt. Eine fast getreue Wiederholung derselben bringt der Nachahmer in Pistoja. In den späteren Zyklen findet sich die Szene nicht.

5. Die Lossagung vom Vater. (Abb. Anhang III, Tafel 5.) Die Geschichte kehrt in allen Legenden ziemlich gleichlautend wieder, nur daß Thomas sie kürzer behandelt und Bonaventura sich daher an die Schilderung der tres socii anschließt Th. I Leg. II, S. 687. – Suyskens II Leg. § 6, S. 569. – Anon. Per. ebd. – Th. II Leg. I, 7, S. 23. – T. s. II. – Bon. Cap. II, S. 746. – Carmen S. 72.. »Dann versuchte der Vater des Fleisches den Sohn der Gnade, des Geldes schon bar, vor den Bischof der Stadt zu führen, damit er in dessen Hände verzichtend das väterliche Gut lege und alles wiedererstatte, was er habe. Bereit, es zu tun, zeigt jener sich da als wahrer Liebhaber der Armut. Vor den Bischof gekommen, duldet er kein Säumen, nicht zaudert er in Bedenken, erwartet und macht nicht erst Worte, sondern legt sogleich alle Gewänder ab und erstattet sie dem Vater zurück. Da fand man aber, daß der Mann Gottes auf dem Fleische unter den feinen Kleidern ein Stück Fell trug. Dann, trunken von wunderbarer Glut des Geistes, wirft er auch das Hüftentuch fort, entblößt sich gänzlich öffentlich vor allen und sagt zum Vater: ›Bis jetzt habe ich dich meinen Vater auf Erden genannt, von nun aber kann ich befriedigt sagen: Vater unser, der du bist im Himmel, auf den ich meinen ganzen Schatz und die Zuversicht meiner Hoffnung gesetzt habe.‹ Wie dies der Bischof sah und die alles Maß übersteigende Liebesglut in dem Manne Gottes gewahrte, stand er sogleich auf, nahm ihn unter Weinen in seine Arme, wie er denn ein frommer und guter Mann war, und bedeckte ihn mit dem Mantel, mit dem er selbst bekleidet war, den Seinen befehlend, daß sie ihm etwas gäben, die Glieder seines Körpers zu bedecken. Gebracht aber ward ihm der ärmliche und geringe Mantel eines Bauern im Dienste des Bischofs; den nahm er an mit Dank und umgrenzte ihn in Form eines Kreuzes mit eigener Hand mit einem Stein, der zufällig zur Stelle war, so aus demselben eine Bedeckung für den gekreuzigten und armen, halbnackten Menschen machend. So ward der Knecht des allerhöchsten Königs nackt zurückgelassen, daß er dem nackten, gekreuzigten Herrn folgen könnte, den er liebte: so auch mit dem Kreuze bewehrt, daß er seine Seele dem Holze des Heils anvertraute, dank dessen er unversehrt dem Schiffbruch der Welt entgehen sollte.«

In höchst wirkungsvoller Weise hat Giotto, dem ja schon einige andere Meister versuchend vorangegangen waren, die volle Bedeutung dieser Szene schlagend in wenigen Figuren veranschaulicht. Man muß über sein dramatisches Vermögen, über die Sicherheit erstaunen, mit der er den ganzen Verlauf der Handlung in deren höchstem Momente eindrucksvoll zusammenfaßt – es ist der Augenblick gewählt, in dem der nackte Jüngling, um dessen Blöße der Bischof den Mantel schlägt, inbrünstig betend mit erhobenen Händen nach oben schaut, ohne noch Blick oder Ohr zu haben für den in äußerst glücklichen Kontrast gesetzten Vater, der, empört die habgierig geretteten Gewänder unter dem linken Arme, nur von einem anderen Bürger verhindert wird, den Sohn seine Wut körperlich fühlen zu lassen. Diese Figur sowie die zwei Knaben links, die in dem Schoße noch die Steine tragen, mit denen sie Franz auf dem Wege hierher verfolgt Von Bonav. kurz vorher erwähnt., vergegenwärtigen dem Beschauer die Vorfälle, welche Franz bewogen, sich vom irdischen Vater zu trennen, wie andrerseits in dem zum Begleiter nach rechts gewandten Blicke des Bischofes dessen vorausdenkende Fürsorge für den Schutzbefohlenen angedeutet ist. Zuschauende Bürger links hinter Bernardone vervollständigen die Szene, die durch das segnende Eingreifen der Hand Gottes in der Höhe ihre höchste Weihe erhält. Wenn auch an den Stellungen, der Zeichnung des Nackten noch viel auszusetzen, so verdient die Komposition in ihrer klaren, scharfen Zweiteilung, die Wiedergabe der ganz entgegengesetzten Gemütsbewegungen in Vater und Sohn die größte Bewunderung – das war aber auch ein Stoff, der zum Höchsten herausforderte!

Als Giotto denselben zum zweiten Male in der Capella Bardi zu behandeln hatte, behielt er das Schema im allgemeinen bei, nur aus Raumrücksichten die Komposition mehr in die Breite ziehend. (Abb. Anhang III, Tafel 6.) Der Örtlichkeit verlieh er durch den im Hintergrund angebrachten bischöflichen Palast größere Naturwahrheit. Was aber das Wesentliche ist, er spitzte den Gegensatz hier noch stärker zu: der Vater ist heftiger, leidenschaftlicher bewegt, so daß er von zwei Männern gehalten werden muß; die hier auf beide Seiten verlegten Kinder werden, im Begriff zu werfen, von einer Frau und einem Manne gezüchtigt und an den Haaren zurückgehalten, womit der Umschlag der öffentlichen Stimmung zugunsten des Franz gekennzeichnet wird. – Danach richtete sich dann auch Taddeo Gaddi in seinem kleinen, daher an Figuren nicht so reichen Bilde in der Akademie von Florenz und der Maler der Fresken im Klosterhofe von S. Croce. Auch des Semitecolo im ganzen viel ruhiger gehaltene Darstellung in Venedig unterscheidet sich nur in Unwesentlichem: des Franz Gewand liegt auf der Erde, vom Himmel kommt ein Glorienschein herab. Benozzo Gozzoli, im allgemeinen an Giottos Vorbild sich haltend, stellt Franz en face dar. (Abb. Anhang III, Tafel 6.) So folgt auch der Veroneser Meister in S. Bernardino dem älteren Schema. Ganz neu konzipiert erscheint nur Domenico Ghirlandajos Wandbild in S. Trinità, auf dem der schroffe Kontrast der streitenden Parteien vermieden, zugleich aber das wirksame und zum unmittelbaren Verständnis doch so notwendige Motiv des Gebetes aufgegeben ist. Der nackte Knabe kniet nach rechts gewandt vor dem würdigen, alten, liebevoll sich zu ihm neigenden Bischof, der den Mantel um ihn schlägt. Rechts davon eine Schar von meist teilnahmslosen Zuschauern. Links der Vater, den Schlagriemen in der Hand, halb verächtlich, halb gekränkt auf den Sohn zuschreitend, von einem Manne mit eindringlicher Gebärde beschwichtigt. Links noch andere Zuschauer. Mögen auch die herrlichen Köpfe einigermaßen dafür entschädigen, die Leidenschaft und Begeisterung der alten Darstellungen ist hier nicht mehr zu finden. Franz selbst ist ein Knabe wie tausend andere, aber nicht der von Gott erleuchtete, vom Feuer der Liebe entflammte Herold des Höchsten.

6. Die Vision Innocenz' III. (Abb. Anhang III, Tafel 8.) Als Innocenz unschlüssig war, ob er Franz die Predigt erlauben solle, ward ihm ein Traum zuteil. »Er sah nämlich im Traume (wie er berichtet hat), wie die Lateranensische Basilika ganz nahe schon dem Einbruch sei; ein ärmlicher, mittelgroßer und verächtlich aussehender Mann aber hielt sie, mit dem eigenen Rücken sie stützend, aufrecht, daß sie nicht falle. Wahrlich, sprach er, das ist jener, der durch Werk und Lehre die Kirche Christi aufrechterhalten wird.«

Die Legende, von der auch Matthäus Paris nichts weiß, taucht erst, und zwar fast genau gleichlautend, in Thomas' II. Legende und bei den tres socii auf, welch ersterem Bonaventura seinerseits wörtlich folgte Th. II Leg. I, 11. – T. s. IV, S. 737. – B. III, 750. Danach auch bei Malaspina in seiner Florentiner Chronik.. Wie wir gesehen, war sie schon vor Giotto wiederholt dargestellt worden, doch schuf sie dieser selbständig neu. Rechts liegt in seinem auf Säulen ruhenden Prunkgemach in tiefem Schlafe Innocenz, vor dessen Lager zwei Diener sitzen, deren einer von feinem künstlerischen Gefühl dazu bestimmt ist, das Augenmerk des Beobachters besonders auf den Papst und damit auf dessen bedeutungsvollen Zustand zu lenken. Er schaut nämlich aufmerksam Innocenz an, als [vernähme] er die im Schlafe gesprochenen Worte, ohne doch das Traumbild links zu gewahren. Hier steht Franz, die Linke in die Seite gestützt, die Säulenvorhalle der nach rechts fallenden Kirche mit der rechten Hand und der rechten Schulter stützend. Die Kirche aber, leider im oberen Teile nicht mehr erkennbar, ist zweifellos eine Reminiszenz, ja bewußte Wiedergabe der alten Lateransbasilika, da sie den echt römischen Basilikenstil und den hohen, mit geteilten Fenstern versehenen Turm zeigt. Offenbar sah Giotto selbst ein, daß trotz der Diener und der dem Franz zugewandten Stellung des Papstes die Darstellung als Traumbild nicht recht verständlich wurde, denn auf der Predella seiner Stigmatisation im Louvre (N. 192) fügte er, wie auf der Vision des Palastes Christus, so hier als vermittelnde Figur Petrus hinzu, der an das Lager herantretend seinen Nachfolger auf die Erscheinung aufmerksam macht Abb. Plon. Pl. XXI, S. 234.. Diese Veränderung behielt Taddeo Gaddi auf seinem Bildchen der Akademie in Florenz bei, auf dem der Papst nach links liegt, Franz nur den oberen und abbrechenden Giebelteil der Kirche aufhält Abb. Plon. Phot. Alin. So auch auf dem giottesken Freskenrest in der Kapelle des Camposanto in Pisa und im Hofe von S. Croce zu Florenz., ebenso auch Benedetto da Majano in seinem hübschen Thronrelief in der Berliner Skulpturensammlung, auf dem im Hintergrunde die zeitlich vorangehende Szene dargestellt ist, wie anfangs Innocenz den Bettelmönch von sich weist. Giottos Nachahmer in Pistoja dachte sich, sonst getreu die alte Komposition wiederholend, an des Petrus Stelle Christus selbst, während Benozzo, die Brüder Massegne in Bologna, Signorelli in der Predella seines großen Altarbildes in Perugia (Sala di Fiorenzo di Lorenzo 27) frei dem älteren Schema der Komposition folgen. – Die Vision des Palmbaumes fand ich nur im Chiostro von S. Croce dargestellt.

7. Die Bewilligung der Predigt. (Abb. Anhang III, Tafel 9.) »Darauf«, fährt Bonaventura fort, »bewilligte er das Geforderte und versprach noch mehr zuzugestehen; er billigte die Regel, gab ihnen den Auftrag, Buße zu predigen und ließ allen den Laienbrüdern, die den Knecht Gottes begleitet hatten, kleine Tonsuren machen, damit sie frei das Wort Gottes predigten.« Da versprachen dann nach den tres socii Franz und die Brüder kniend dem Papste Gehorsam und Verehrung Th. I Leg. V S. 692. – Anon. Per. s. II, S. 591. – Th. II Leg. I, 11, S. 32. – Tres socii IV S. 736 f. – Bon. III, S. 750. – Carmen S. 142..

Franz, hier zuerst bärtig dargestellt, kniet vom Papste die Regel in Empfang nehmend, an der Spitze der elf betend knienden Brüder, deren Anzahl Bonaventuras Bericht entspricht Später richtet sich die Zahl meist nach der Größe der Bildfläche.. Innocenz, der rechts auf dem Throne sitzt, segnet, offenbar sprechend, die Mönche. Neben ihm sitzen zwei Bischöfe, hinter ihm stehen zwei andere, die gespannt zuschauen, und jene beiden bärtigen Männer, die auf dem vorangehenden Bilde an seinem Lager Wache hielten. Die vortrefflich einfache Komposition zeigt wieder die klare Gliederung in zwei Teile. Ihre Bedeutung aber liegt besonders in dem energischen Bestreben, in Blick und Haltung die größte Aufmerksamkeit aller Beteiligten auszudrücken. Unverwandt haften die Augen der Bischöfe an Franz, die der Mönche am Papst, es ist, als würden die Gestalten wie erstarrt im Banne gehalten durch die auf einen Gedanken konzentrierte geistige Tätigkeit. Daneben macht sich, namentlich bei den Franziskanern, des Künstlers Bestreben geltend, durch verschiedenartige Typen verschiedene Individualitäten zu schildern und dadurch Mannigfaltigkeit in die Gefahr drohende Monotonie zu bringen. – Durchaus ähnlich, selbst was die Halle mit der auf Konsolen ruhenden Rundbogengalerie betrifft, ist Giottos Predellenbildchen zu der Stigmatisation im Louvre Abb. Plon. Pl. XXI, S. 234., nur mußten hier mehrere Brüder und die beiden sitzenden Bischöfe wegbleiben, da der Raum zu beschränkt war, wie auch auf Taddeo Gaddis Bildchen in der Florentiner Akademie bei gleicher Anordnung die stehenden Begleiter des Papstes fortgelassen wurden. Gleichfalls verwandt ist dieselbe Darstellung von einem giottesken Maler im Camposanto zu Pisa. Dagegen gestattete in der Capella Bardi die größere Breite der zu bemalenden Fläche Giotto, sich mehr auszudehnen und das Gedrängte der Mönchsgruppe zu vermeiden. Der Papst, hier links angebracht zwischen den beiden sitzenden Bischöfen, segnet Franz und reicht ihm die Rolle, auf der wie bei Taddeo zu lesen ist: »regula minorum fratrum hec est. S. Domini nostri Jesu Christi«. Die Mönche sind sämtlich bartlos. Nicht uninteressant ist es zu sehen, daß sich Giotto jene beiden bärtigen Gefolgsleute des Papstes noch nicht aus dem Kopfe geschlagen. Er verdoppelt sie hier und bringt sie in den Vorhallen an, die links und rechts an das mit einem Giebel bekrönte Gemach anstoßen. (Abb. Anhang III, Tafel 10.) Giottos Einfluß vermochte sich auch Benozzo nicht zu entziehen, als er dieselbe Szene in ähnlicher Anordnung in Montefalco malte.

Der Plastik war es vorbehalten, ein anderes Schema der Komposition aufzubringen. Offenbar empfanden die Brüder Massegne, als sie den Altar für Bologna machten, daß es unzulässig sei, im Relief die Figuren perspektivisch vertieft hintereinander anzuordnen, und zogen es daher zum Vorteile von deren Deutlichkeit vor, den Papst zwischen den Kardinälen fast en face in der Mitte sitzenzulassen, während Franz und seine Genossen kniend von rechts nahen. Ganz ähnlich, nur mit allen Mitteln seiner herrlichen, vorgeschrittenen Kunst, gestaltete Benedetto da Majano an der Kanzel von S. Croce die Szene. Da sitzt zwischen zwei Kardinälen, deren vorderer rechts sich zu einem jungen knienden Manne wendet, der Papst halb nach links gewandt in der Mitte und segnet den vor ihm knienden Franz, der die Regel zu lesen scheint. Zwei Mönche sind hinter diesem niedergesunken, zwei andere treten dahinter eben durch die Tür ein. Diese äußerst reizvoll bewegte Komposition schwebte dann offenbar Cosimo Rosselli vor, als er die ganz ähnliche für die Predella seiner Himmelfahrt in S. Ambrogio zu Florenz entwarf, auf der nur statt zwei sechs Kardinäle neben Innocenz sitzen. Als endlich Domenico Ghirlandajo die Capella Sassetti ausmalte, machte er aus Giottos einfachem Gemälde in S. Croce eine figurenreiche Darstellung, die durch die zahlreiche Versammlung des päpstlichen Hofes einen festlichen Charakter erhielt. (Abb. Anhang III, Tafel 10.) Da sieht man rechts auf hohem Throne unter dem Baldachin den Papst, wie er mit der Rechten segnend dem auf einer Stufe vor ihm knienden Franz die Regel reicht. In zwei Reihen, deren vordere dem Beschauer den Rücken zukehrt, sitzen links die Kirchenfürsten. Zwischen ihnen knien hinter Franz zu je zweien angeordnet acht Mönche. Vorne rechts steht Lorenzo Medici mit Gefolge, während dessen Söhne, von Angelo Poliziano, Matteo Franco und Luigi Pulci geführt, eine Treppe heraufsteigen. Im Hintergrunde sieht man die Piazza von Florenz mit der Loggia dei Lanzi und dem Palazzo vecchio Vgl. A. Warburg: Bildniskunst und Florentinisches Bürgertum. Leipzig. Einige andere von Vasari erwähnte, angeblich aber die Bestätigung der Regel durch Honorius III. darstellende Bilder seien kurz genannt: Taddeo Gaddi in S. Francesco zu Pisa (I, 575); Spinello Aretino in S. Francesco zu Arezzo (I, 681); Lorenzo di Bicci an der Fassade von S. Croce zu Florenz (II, S. 51)..

8. Die Vision des feurigen Wagens. (Abb. Anhang III, Tafel 11.) Von den älteren Biographen erzählt nur Thomas in der ersten Legende die wunderbare Begebenheit und an seinen Bericht lehnt sich Bonaventura an Th. I Leg. Cap. VI, 696. Danach Suysken II. leg. § 12. S. 595. – B. IV, S. 751. – Carmen S. 156.: »Als aber die Brüder am vorerwähnten Orte die Zeit verbrachten, betrat der heilige Mann an einem Sabbat die Stadt Assisi, um, wie es seine Sitte war, in der Kathedrale derselben früh am nächsten Morgen zu predigen. Während nun der gottgeweihte Mann, körperlich entfernt von den Söhnen, im Gebet zu Gott nach seiner Sitte die Nacht in einer Hütte, die im Garten der Canonici gelegen war, verbrachte, siehe da trat über die Schwelle des Hauses in mitternächtiger Stunde zu den Brüdern, die zum Teil ruhten, zum Teil im Gebet verharrten, ein feuriger Wagen von wunderbarem Glanze umgeben und bewegte sich dreimal hierhin und dorthin durch das Haus; auf demselben thronte eine leuchtende Kugel, die der Sonne gleich die Nacht hellmachte. In Erstaunen gesetzt sind die Wachenden, aufgeweckt zugleich und erschreckt die Schlafenden, und nicht minder spürten sie die Helle im Herzen als am Körper, da dank der Wirkung des wunderbaren Lichtes einem des andern Gewissen nackt und offenkundig erschien. Denn übereinstimmend, da alle wechselseitig in der anderen Herzen schauten, empfanden sie alle es deutlich, daß der heilige Vater wohl körperlich ferne, geistig aber gegenwärtig sei und verklärt in solchem Bilde, von höheren Lichtern umstrahlt und von höheren Gluten entflammt, durch übernatürliche Kraft ihnen vom Herrn auf strahlendem und feurigem Wagen gezeigt werde, auf daß sie wie wahre Israeliten jenem folgten, der von Gott, ein zweiter Elias, zum Wagen und Wagenlenker der vom Geist erfüllten Männer gemacht war. – Als aber der heilige Mann zu den Brüdern zurückgekehrt war, begann er die Geheimnisse ihres Innern zu durchforschen, sie zu trösten, ob jener wunderbaren Erscheinung und vieles zu weissagen von dem Vorwärtsschreiten des Ordens.«

Wie schon der Meister von Siena es getan, versetzte Giotto den zweirädrigen Wagen in die Luft und stempelte denselben dadurch sogleich zu einer wunderbaren Erscheinung. Hatte sich ihn jener aber von Engeln gezogen gedacht, so wählte Giotto Pferde. Die von Gott erleuchtete Anschauung der Mönche, die den kugelförmigen Glanz symbolisch für den Geist ihres Vaters nehmen, mußte vom Künstler zu bildlicher Wirklichkeit umgewandelt werden: inmitten der Strahlen sieht man den betend zum Himmel schauenden Franz. Unten stehen rechts zwei Mönche im Gespräche, der eine den andern auf die Vision weisend; ein dritter schreitet nach links, die in offenem Gebäude versammelten Brüder zu wecken, von denen einer bereits aufmerksam geworden ist. Das prophetische Hellsehen kommt in dem Mönche rechts zu großartig überzeugender Darstellung, und in der verschiedenen Lage der Schläfer zeigt sich feine Naturbeobachtung, während die roten Pferde das Studium der Antike verraten. Im ganzen ist die Szene sehr ruhig, getragen aufgefaßt, wozu das kleinere Bild Taddeo Gaddis in Florenz einen scharfen Kontrast bildet. Hier fährt der Wagen, ohne daß irgendeine bewegende Kraft sichtbar, mit dem die Arme nach oben ausstreckenden Franz in dem Gemach dicht über den Köpfen der vier Mönche hin, von denen zwei das Gesicht verhüllen, um sich vor dem Glanze zu schützen, der dritte wie traumbefangen die Rechte ausstreckt, der vierte wachend nach dem Heiligen hinlangt. (Abb. Anhang III, Tafel 12.) Außerdem fand ich die Szene nur unter den Fresken in S. Bernardino zu Verona, mit der Neuerung, daß Franz die aufgeregt zu ihm aufschauenden Mönche segnet.

9. Die Vision des Thrones. Der Reihenfolge bei Bonaventura nach hätte hier die Erscheinung des Heiligen in Arles ihren Platz finden sollen, doch mochte Giotto es wohl aus künstlerischen Rücksichten vermeiden wollen, neben jene eben besprochene Vision der Mönche eine zweite ähnliche Darstellung zu setzen und ließ daher gleich die folgende Geschichte sich anreihen, die Bonaventura nach des Thomas von Celano zweiter Legende folgendermaßen erzählt Th. II Leg. III, 63 S. 182. – B. VI. S. 7.:

»Da er die Demut ebenso an sich wie an allen seinen Untergebenen äußeren Ehren vorzog, hielt ihn der Freund der Demütigen, Gott selbst, höherer Stellung würdig, wie es die Vision zeigt, die der Himmel einem Bruder, einem Manne von besonderer Tugend und Devotion offenbarte. Als derselbe nämlich einst den Mann Gottes begleitet hatte und zugleich mit diesem in einer verlassenen Kirche in glühender Hingebung betete, sah er, in Ekstase geraten, unter vielen Stühlen im Himmel einen, der würdevoller als die anderen mit kostbaren Steinen geschmückt war und vom Glorienschein ganz wiederstrahlte. Verwundert in sich über den Strahlenglanz des erhabenen Thrones begann er in ängstlichem Sinne zu forschen, wer zu demselben sollte erhoben werden. Da hörte er eine Stimme, die ihm sagte: dieser Sitz gehörte einem der gefallenen Engel an und wird jetzt für den demütigen Franziskus aufbewahrt. Als dann endlich der Bruder aus der Verzücktheit des Gebetes zu sich gekommen war, war er dem Seligen, der voran hinausschritt, wie gewöhnlich gefolgt. Und als sie des Weges dahinschritten und in wechselnder Rede von Gott sprachen, fragte ihn jener Bruder, der Vision eingedenk, eifrig, was er von sich selbst halte, worauf der demütige Knecht Gottes sprach: ich scheine mir der größte Sünder.«

Vor allen anderen scheint diese Begebenheit für die künstlerische Darstellung besonders ungeeignet, wie uns eine solche auch nur in dieser einzigen zu Assisi erhalten ist. Die an sich unverständliche Anordnung der Stühle im Himmel bleibt störend und unkünstlerisch selbst auf dem Fresko Giottos, der in richtigem Gefühle, die Unwirklichkeit derselben zu zeigen, jene Stimme in einem Engel personifizierte. Dieser schwebt in der Höhe im Rücken des Franz, also unsichtbar für den Heiligen, der rechts vor dem Altar im Gebet vertieft kniet, und weist dem erstaunt zu ihm aufschauenden knienden Bruder mit der Linken den Thron des Luzifer, mit der Rechten dessen prädestinierten Nachfolger. So anmutig und fein bewegt der schlanke Gottesbote gezeichnet, so inbrünstig das Gebet des Heiligen zum Ausdruck gebracht ist – die schwere Körperlichkeit der fünf in der Luft schwebenden gotischen Stühle beeinträchtigt den Genuß der Komposition.

10. Die Vertreibung der Dämonen aus Arezzo. (Abb. Anhang III, Tafel 13.) Auch hier folgt Bonaventura fast wörtlich des Thomas' II. Legende, die zuerst den Vorfall schildert Th. II Leg. III, 51 S. 162. – Bon. VI, 758.. »Es traf sich einst, daß Franz nach Arezzo kam, als die ganze Bürgerschaft, von innerem Kriege erschüttert, sich gegenseitig zu vernichten drohte. In der Vorstadt gastlich aufgenommen, sah er aber über der Stadt frohlockende Dämonen und unten verwirrte Bürger, die sich zu gegenseitiger Vernichtung entflammten. Um jene aufrührerischen luftigen Gewalten zu verscheuchen, sandte er den Bruder Sylvester, einen Mann von taubenhafter Einfalt, gleichsam als Herold voraus und sagte ihm: gehe vor das Tor der Stadt und befiehl kraft des Gehorsams im Namen des allmächtigen Gottes den Dämonen, sogleich hinauszugehen. Es eilt der wahrhaft Gehorsame, die Befehle des Vaters zu vollziehen, und mit Lobgesängen das Antlitz des Herrn preisend beginnt er vor dem Tore der Stadt laut zu rufen: im Namen des allmächtigen Gottes und auf den Befehl seines Knechtes Franziskus, weicht weit auseinander von hier, alle ihr Dämonen! Sogleich kehrt die Stadt zum Frieden zurück, und mit großer Ruhe stellen alle Bürger untereinander die Gesetze des bürgerlichen Umgangs wieder her. Denn als die rasende Hoffart der Dämonen, welche jene Stadt gleichsam umlagert hatte von allen Seiten, ausgetrieben war, kam die Weisheit des Armen, nämlich des Franziskus Demut, zu Hilfe, schenkte den Frieden wieder und rettete die Stadt.«

Spricht auch die Legende nicht davon, daß Franz bei der Beschwörung selbst zugegen gewesen, so mußte der Künstler ihn doch, um ihm deren Verdienst vindizieren zu können, persönlich daran teilnehmen lassen. Wie er es getan, zeugt von seiner Einsicht wie von seinem wahren und tiefen Verständnisse für den Heiligen. Dieser kniet vor einer Kirche links hinter dem nach rechts gewandt mit erhobener Hand die Geister beschwörenden Sylvester in tiefes Gebet versenkt, das so zum eigentlichen Wundertäter wird. Der Bruder leitet gleichsam mit seiner Hand die Worte des Franz zu den teuflischen Gestalten empor, die mit Gebärden der Wut und Verzweiflung über Arezzo auseinanderstieben. Eine besonders schwierige Aufgabe war es, diese Stadt darzustellen. Giotto tat sein Bestes, indem er hinter der Stadtmauer auf ansteigendem Terrain Häuser und Türme eng hintereinander aufbaute, wobei ihm die vor den Toren von Assisi angefertigten Studien von Nutzen waren. Ja er ging noch weiter und machte den ersten, freilich mißglückten Versuch, die Entfernung der Stadt von den handelnden Personen des Vordergrundes durch eine in perspektivischer Verkürzung gesehene Figur, die aus dem vorderen Tore tritt, deutlicher zu machen. Besser gelang die schräge Hintersicht der Kirche links, als deren Vorbild unschwer S. Francesco in Assisi zu erkennen ist. – Entzieht sich die zerstörte Darstellung in Pistoja, die vermutlich dem Fresko in Assisi nachgebildet war, der Betrachtung, so macht sich Giottos Einfluß selbst noch in Benozzos Bilde deutlich bemerkbar, auf dem nur insofern eine Veränderung eintritt, als Sylvester hier hinter dem knienden, betenden Franz erscheint. (Abb. Anhang III, Tafel 14.) Durchaus verschieden ist die Auffassung der Massegne. Da sieht man Franz und den Genossen inmitten der aufgeregten Krieger der Stadt. Ersterer scheint zwischen einigen, die im Begriff stehen, sich zu töten, Frieden zu stiften, während Sylvester vor ihm kniend um die Austreibung der Dämonen fleht.

11. Franz vor dem Sultan. (Abb. Anhang III, Tafel 15.) Thomas in der ersten Legende weiß nur von der freundlichen Aufnahme, die der Sultan Franz bereitete, und von des letzteren Predigt zu erzählen und stimmt darin überein mit dem Berichte des Jacobus de Vitriaco. So ist es auch die Predigt allein, die auf jenem Bilde in S. Croce dargestellt ist. Erst Bonaventura schildert die Feuerprobe mit folgenden Worten Th. I Leg. VII, S. 699. – Danach II Anon. Leg. § 16 S. 611. – B. IX S. 767 f. – Vgl. in Suyskens Kommentar § 16, S. 613 den Bericht der Historia Tyrii und den des Jacobus auf S. 618. – Carmen S. 188.: »Der Knecht Christi aber, von höherer Offenbarung erleuchtet, sprach: ›Willst du mit deinem Volke zu Christus bekehrt werden, so will ich gern aus Liebe zum Herrn bei euch bleiben. Doch zögerst du des Mahomet Gesetz für den Glauben an Christus aufzugeben, so befiehl, daß ein sehr großes Feuer angezündet werde, und ich werde mit deinen Priestern das Feuer beschreiten, damit du so erkennest, welcher Glaube als der gewissere und heiligere nicht ohne Verdienst festzuhalten sei.‹ Ihm erwiderte der Sultan: ›Nicht glaube ich, daß irgendeiner meiner Priester, um seinen Glauben zu verteidigen, sich dem Feuer aussetzen oder irgendwelcher Art von Marter sich unterziehen möchte.‹ Er hatte nämlich gesehen, daß einer seiner Priester, ein erfahrener und hochbejahrter Mann, als er jenes Wort gehört, seinen Blicken entflohen war. Da erwiderte ihm der h. Mann: ›Wenn du mir in deinem und deines Volkes Namen versprechen willst, Christus fortan zu verehren, falls ich unverletzt aus dem Feuer herauskommen werde, so will ich allein ins Feuer schreiten, und werde ich verbrennen, so soll das meinen Sünden allein angerechnet werden, wenn mich aber die göttliche Kraft beschützt, so erkennet Christus, die Kraft und Weisheit Gottes, als den wahren Gott und als den Herrn und Heiland aller an.‹ Der Sultan aber antwortete, er wage nicht, diese Wahl anzunehmen; er fürchtete nämlich den Aufruhr des Volkes. Doch bot er ihm viele kostbare Geschenke an, die aber der Mann Gottes, der nicht nach weltlichen Dingen, sondern dem Heile der Seelen gierig war, alle wie Kot verschmähte.«

Man muß Giottos meisterliche Darstellung der Szene gesehen haben, um zu begreifen, welch vortrefflichen Vorwurf dieselbe der bildenden Kunst bot. Als echter Dramatiker erfaßte Giotto mit sicherem Blick hier wie in der Lossagung vom Vater den fruchtbarsten Augenblick, in dem das Vorhergehende zu eben so deutlicher Anschauung kommt wie das Folgende. Das Feuer ist angezündet und Franz in schlichter, gläubiger Ergebenheit bereit, dasselbe zu beschreiten. Er wartet noch, zum Sultan schauend, auf dessen Wink. Da vollzieht sich schon das Unerwartete: in eiliger Bewegung, scheu zurückschauend, flüchten links die Magier, deren Vorderster mit langem weißen Barte der Schilderung Bonaventuras entspricht, von dannen. Mit fast verächtlichem Blicke schaut ihnen der Bruder Illuminatus, der hinter Franz steht, nach, während rechts der von Trabanten umgebene auf prächtigem Throne sitzende Fürst strenge, fast erzürnt auf seine Priester blickt und mit der Rechten eine Bewegung nach dem Mönch zu macht, als wollte er sagen: Der kennt die Furcht nicht. Ein mit einer Loggia geschmücktes Gebäude bildet links den Hintergrund. Immer aufs neue muß man sich verwundern, mit wie wenig Mitteln hier alles gesagt ist, es kann nur zweifelhaft bleiben, ob der Ausdruck der Köpfe oder die Bewegung der Figuren trefflicher geglückt ist.

Fast, meine ich, muß man dieser älteren Komposition, die getreu wiederholt in Pistoja wiederkehrt, den Vorzug vor dem Fresko, das Giotto in der Capella Bardi malte, geben. Schwerlich dürfte er hier von dem vortrefflichen Schema abgewichen sein, wenn nicht die verhältnismäßig größere Breite der Bildfläche eine Veränderung verlangt hätte. (Abb. Anhang III, Tafel 16.) So sah er sich genötigt, den wiederum auf reichem Throne sitzenden Sultan in die Mitte zu versetzen. Er weist mit der Rechten auf Franz, der mit begeisterter Gebärde die Rechte erhebend zu ihm aufschaut und im Begriffe ist, in das hochaufflackernde Feuer zu schreiten, während rechts von ihm Illuminatus ängstlich betend steht. Vergeblich blickt der Sultan vorwurfsvoll auf die zwei Magier, vergeblich sucht ein Mohr sie zurückzuhalten: von innerster Furcht ergriffen flieht der eine nach links und hebt im Schreiten der zweite das Gewand, um nicht das Schreckliche zu sehen. So vortrefflich auch hier die Gemütsbewegungen, die Furcht auf der einen, die ekstatische Begeisterung auf der anderen Seite zum Ausdruck kommen, so bildet doch, strenggenommen, Franz nicht mehr den eigentlichen Mittelpunkt der Handlung, sondern der Sultan, und das gereicht dem Ganzen zum Schaden. Dafür ist aber wieder eine Gleichmäßigkeit in der Anordnung der Figuren erreicht, die für das Auge befriedigender wirkt als die schroffe Dreiteilung in Assisi, und so ist es gleichwohl nicht zu verwundern, daß die bedeutendsten Meister an das Schema von S. Croce sich anlehnen. So zunächst die Brüder Massegne in Bologna, die nur die Gruppen links und rechts vertauschen, dann Benedetto da Majano, dessen harmonische, fein abgewogene Darstellung Giottos dramatisches Feuer freilich vermissen läßt. Es könnte hier noch zweifelhaft bleiben, ob nicht doch der jugendliche Magier links, hinter dem zwei andere mit Büchern stehen, sich entschließen wird, den Worten des in der Mitte thronenden Sultans Gehör zu geben, der mit der Rechten auf das Feuer, mit der Linken auf Franz weist. Letzterer steht still ergeben, nicht wie bei Giotto siegesfreudig, betend auf der rechten Seite, von seinem Begleiter erwartungsvoll betrachtet. Eng an Giottos Auffassung schließt sich dann Domenico Ghirlandajo an, der Platz für das Feuer in der Mitte gewinnt, indem er den Sultan, welcher unter einem Baldachin sitzt, in den Mittelgrund verlegt. Zwei Magier sitzen, ähnlich wie bei Benedetto, auf den Stufen des Thrones. Der Sultan und Franz haben ganz die gleichen Bewegungen wie in S. Croce. Hinter letzterem aber knien hier betend zwei Mönche. Links entweichen die Magier, der vordere mit entsetzter Handbewegung nach rechts zurückschauend, von einem vom Rücken gesehenen jungen Manne auf das Feuer hingewiesen. Zwei florentinische Bürger sind als Zeugen im Hintergrunde rechts zugegen. Auch hier läßt sich die Bemerkung machen, daß in künstlerischer Auffassung Giotto hinter Ghirlandajo durchaus nicht zurücksteht, welcher die Fortschritte entwickelter Kunst nur in der überzeugenderen Raumwirkung und größeren Formenfreiheit bewährt. Wenig interessant ist das Fresko in Verona, auf dem man Franz mit sechs Begleitern neben dem Feuer vor dem Sultan sieht, der Magier links in keiner Weise das Interesse fesselt.

Benozzo aber wählte, dem Speculum folgend, einen anderen Stoff, um die Glaubensfreudigkeit des Mönches mitten unter den Mohammedanern zu schildern. Er stellt in Montefalco dar, wie Franz mit seinem Mönche vor dem rechts sitzenden Sultan erschienen, auf dessen Betreiben durch ein junges Mädchen verführt werden soll, das im Mittelgrunde sichtbar ist Siehe Speculum I, 80. – B. Pis. I, 10. – Vgl. damit die Erzählung, wie Friedrich II, um ihn zu versuchen, ein Weib zu ihm schickt..

12. Die Kreuzerscheinung des Franz. Nur Bonaventura berichtet mit kurzen Worten von derselben B. X, S. 769.: »Da wurde er des Nachts gesehen, wie er die Arme in Form eines Kreuzes ausgestreckt, mit dem ganzen Körper von der Erde erhoben und von einer leuchtenden Wolke umgeben betete; auf daß so der wunderbare den Körper umgebende Glanz Zeugnis ablegte von der wunderbaren Erleuchtung im Geiste.« Der Schilderung des Bonaventura zuwider, der Franz in einsamer Natur seinen Gebeten obliegen läßt, ist die Szene vor ein Stadttor verlegt, vor dem links vier erstaunte Mönche stehen, die zu dem rechts in einer Wolke über der Erde schwebenden Heiligen aufschauen. Dieser breitet die Arme aus und blickt auf Christus, der segnend aus Himmelssphären sich zu ihm neigt. Daß der Heiland selbst dargestellt ist, zeugt, wie schon öfters bemerkt wurde, von dem künstlerischen Bestreben, die bewegende Ursache der wunderbaren Erhebung bildlich zu vergegenwärtigen und damit den Sinn der Darstellung zu veranschaulichen. Waren es doch, wie es in dem Texte kurz zuvor heißt, Zwiegespräche mit dem Herrn, in denen er sich über die irdischen Gedanken erhob. Vortrefflich ist wiederum die geistige Erregung der Brüder wiedergegeben: während einer derselben halb entsetzt zurückfährt, beugt sich der andere vor, als wollte er durch näheres Anschauen das Geheimnis ergründen. Nur einmal noch auf einem kleinen Bilde des Fra Angelico in Berlin (Gal. N. 62) fand ich dieselbe Szene Nach dem Museumskatalog, Berlin 1931, ist »die Erscheinung des hl. Franciscus zu Arles« dargestellt., aber ganz unabhängig von Giotto dargestellt. (Abb. S. 182.) Hier sieht man die Mönche in einem geschlossenen Raume teils schlafend, teils mit erstaunten Gebärden nach oben schauen, wo dicht unter der Decke in einer Wolke und von Strahlenglorie umgeben Franz mit erhobenen Armen schwebt.

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17. Nonnen vom Capitel des San Francesco zu Siena.
Fresko von Ambrogio Lorenzetti, um 1331. London, Nationalgalerie.

13. Die Weihnachtsfeier in Greccio. (Abb. Anhang III, Tafel 18.) Eine höchst ausführliche, farbenreiche Erzählung des Thomas in seiner Legende liegt der folgenden Schilderung Bonaventuras zugrunde. »Es geschah aber im dritten Jahre vor seinem Tode, daß Franz, um die gläubige Verehrung zu wecken, bei Castrum Graecii das Andenken an die Geburt des Knäbleins Christus mit größtmöglicher Feierlichkeit zu begehen beschloß. Damit er aber nicht der Leichtfertigkeit geziehen werden könnte, erbat und erhielt er vom Papste die Erlaubnis, ließ eine Krippe zubereiten, Stroh herzubringen und einen Ochsen und einen Esel herbeiführen. Herbeigerufen werden die Brüder, herzu kommt das Volk, der Wald schallt von den Stimmen wider: und jene verehrungswürdige Nacht wird glänzend und festlich zugleich gemacht durch zahllose und helle Lichter, durch voll und einstimmig ertönende Lobgesänge. Da stand der Mann Gottes vor der Krippe, von frommer Liebe erfüllt, von Tränen besprengt und überströmend vor Freude. Es wird die Messe festlich gefeiert über der Krippe, der Levite des Herrn: Franziskus singt das heilige Evangelium. Dann predigt er dem umstehenden Volke über die Geburt des armen Königs, den er, sooft er ihn beim Namen nennen wollte, in zarter Liebesempfindung den Knaben von Bethlehem hieß. Ein tugend- und wahrhafter Krieger aber, der aus Liebe zu Christus den weltlichen Kriegsdienst verlassen und in innigem, vertrautem Umgange dem Mann Gottes verbunden war, der Herr Johannes von Graecium, hat ausgesagt, er habe ein gar wohlgebildetes Knäblein in jener Krippe schlummern sehen; das habe der selige Vater Franziskus mit beiden Armen umfaßt und, wie es geschienen, aus dem Schlummer erweckt. Und wahrlich, diese Vision des frommen Kriegers macht nicht allein die Heiligkeit dessen, der es gesehen, glaubhaft, sondern es beweist sie auch die Versicherung der Wahrheit, und die Wunder, die noch folgten, bestätigen sie Th. I Leg. X, S. 706. – Danach Anon. II Leg. § 23, S. 644. – Kurze Erwähnung in Th. II Leg. – Bon. Cap. X, S. 770. – Carmen, S. 246.

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18. Der Tod der hl. Clara.
Fresko von Puccio Campana.
Assisi, Basilica di S. Chiara.

Was noch schlicht mit wenigen Figuren auf dem Bilde der Akademie zu Siena, detaillierter, aber unverständlich auf dem zu S. Croce dargestellt ward, wird bei Giotto entsprechend der ausführlichen, lebendigen Legende Bonaventuras eine figurenreiche Komposition, die von den vielseitigen Studien des jugendlichen Künstlers zeugt. Im Presbyterium einer Kirche, das hinten durch eine Marmorwand mit Kanzel abgeschlossen wird, kniet vor dem Lesepult, an dem die Kerzen brennen, Franz in der Diakonentracht nach rechts gewandt und hebt das in ein Tuch gewickelte Christkind aus der Krippe, vor der in kleinen Verhältnissen Ochs und Esel liegen. Rechts unter dem Altarbaldachin befinden sich Mönche und ein Priester, der erstaunt auf das Wunder herabblickt. Links stehen eine Anzahl vornehmer Männer, ganz in den seltenen Anblick versunken. Dahinter singen Mönche, und in der Tür der Wand erscheinen Frauen. Nicht Johannes allein also, der wohl in dem Manne links zu sehen ist, welcher in wortloser Verwunderung die Hände faltet, wird die Vision zuteil, sondern allen Näherstehenden, nur der Mönche eifriger Chor und die Frauen scheinen nichts davon zu ahnen, was vor sich geht. Dem Künstler mußte es unmöglich scheinen, den wunderbaren Vorgang den Blicken der Umstehenden zu entziehen. Besondere Aufmerksamkeit verdient in diesem Bilde die überraschende Naturbeobachtung, die aus den Figuren der singenden Mönche spricht, und der merkwürdige Versuch eines Beleuchtungseffekts, der freilich zaghaft und nur wie andeutend ausfällt.

Der einfacheren älteren Auffassung nähert sich wieder Taddeo Gaddi, der auf dem kleinen Bildchen in der Akademie darstellt, wie links vor einem Altar ein h. Diakon nach rechts gewandt, von einem anderen Geistlichen unterstützt, die Messe zelebriert, die Anfangsworte des Evangeliums Johannis lesend, während rechts vor der Krippe Franz kniend das Christkind herzt. Figurenreicher, aber unabhängig von Giotto ist die Szene im Refektorium von S. Francesco zu Pistoja von einem vermutlich daselbst einheimischen Meister geschildert, dessen kurze Gestalten mit den kleinen Köpfen wohl ein spätgiotteskes, dabei aber doch eigentümliches lokales Gepräge tragen Vgl. Crowe und Cavalcaselle D. A. I, 313. Irgendwelche Verwandtschaft mit den Fresken im ehemaligen Refektorium von S. Croce kann ich nicht finden. Auch ist der Maler dieser Deckengemälde ein anderer als jener, der die Sakristei und Kapelle S. Lodovico ebenda gemalt hat. Er mag um 1400 tätig gewesen sein, da seine Bilder nicht ganz ohne Beziehung zu den Antonio Vite zugeschriebenen Fresken im Dom von Prato sind. Schwerlich aber hat letzterer selbst etwas mit ihnen zu tun. Vgl. Tolomei: Guida di Pistoja S. 138. C. u. C. Ital. A. II. S. 58.. Die Feierlichkeit geht hier in einer Holzhütte, die inmitten des Waldes steht, vor sich. Links kniet Franz das Kind haltend an der Krippe, Johannes schaut, ebenso wie ein Mönch und ein Laie, verwundert auf dasselbe hin. Im Mittelgrund zelebrieren ein Priester und ein Diakon am Altar die Messe, rechts singen fünf Mönche vor einem Lesepulte. Bei Benozzo endlich ist wie bei Giotto auf die zahlreiche festliche Versammlung, unter der sich auch Frauen befinden, das Hauptgewicht gelegt.

14. Die wunderbare Tränkung des Durstigen. (Abb. Anhang III, Tafel 19.) Die Darstellungen dieses Vorfalls sowie der Vogelpredigt beanspruchten weniger Raum und wurden daher von Giotto an die Eingangswand verlegt, obgleich sie Bonaventura zufolge schon früher ihren Platz hätten finden müssen. Des letzteren Erzählung schließt sich fast Wort für Wort an des Thomas zweite Legende, die zuerst von dem Wunder berichtet Th. II Leg. II, 16. S. 76. – B. VII, S. 762.. »Zu einer anderen Zeit, als der Mann Gottes sich in eine gewisse Einöde begeben wollte, um dort ungehindert der inneren Betrachtung obzuliegen, ritt er, da er sich schwach fühlte, auf dem Esel eines armen Mannes. Und während an dem heißen Sommertage jener Mann dem Diener Christi folgend den Berg hinanstieg, begann er, von dem steilen und langen Wege ermüdet und von allzuheißem Durste erschöpft, dringlich flehend hinter dem Heiligen zu rufen: ich sterbe vor Durst, sprach er, wenn ich nicht durch die Wohltat eines Trunkes erfrischt werde. Ohne Zaudern sprang der Mann Gottes vom Esel ab, beugte die Knie zur Erde, streckte die Hände zum Himmel empor und hörte nicht auf zu beten, bis er wußte, er sei erhört. Als endlich das Gebet zu Ende, sprach er zum Manne: ›eile zum Felsen, dort wirst du lebendiges Wasser finden, das dir in dieser Stunde mitleidsvoll Christus aus dem Steine zum Trinken hervorrief.‹ O staunenswerte Gnade Gottes, die sich so leicht seinen Knechten neigt! Es trinkt der durstige Mann das Wasser, das durch die Wirkung des frommen Gebetes aus dem Fels hervorgebracht war, und aus dem härtesten Stein schöpft er den Trank. Zuvor war da kein Quell gewesen noch konnte er, wie mit Sorgfalt untersucht worden, später gefunden werden.«

Unter allen der Natur abgelauschten Motiven, die in Giottos Zyklus so überraschend hervortreten, hatte keines einen größeren Eindruck auf Vasari hervorgebracht als das Trinken des durstigen Mannes. »Unter den anderen«, sagt er, »ist da eine ausnehmend schöne Geschichte, auf der ein Verdürstender, dessen lebhaftes Verlangen nach Wasser man wahrnimmt, zur Erde gebeugt aus einem Quell trinkt, in einer so großartig und bewundernswert wiedergegebenen Bewegung, daß es eine lebende Person zu sein scheint, die trinkt I, S. 377..« Auch hier mußte der Künstler, wollte er verständlich sein, das Gebet zugleich mit dessen Wirkung darstellen. Auf einem mit Bäumen bewachsenen, felsigen Berge kniet im Mittelgrund Franz, betend den Blick und die Hände erhebend, während rechts vorne der Mann, der Länge nach auf dem felsigen Boden ausgestreckt, auf die Hände sich setzend von dem hervorströmenden Wasser trinkt. Links stehen zwei miteinander redende Mönche, deren einer den Esel hält. Vasaris Lobspruch ist gerechtfertigt: die Haltung des Trinkenden ist von überraschender Natürlichkeit und Wirklichkeit, so daß man über ihr fast vergißt, was in jener Zeit dazugehörte, auch ein Tier so treffend lebenswahr wiederzugeben wie den Esel hier. In den späteren zyklischen Darstellungen der Legende fehlt diese Begebenheit.

15. Die Vogelpredigt. (Abb. Anhang III, Tafel 20 u. 21.) Unerschöpflich sind die alten Biographen in Erzählungen von der innigen Liebe, mit welcher Franz alle Tiere als Geschöpfe Gottes umfing. Was aber den Zeitgenossen wie ein Wunder erschien und daher in der frühesten Legendendarstellung von Berlinghieri schon wiedergegeben wird, ist die Predigt, welche der Mönch den Vögeln hielt. Selbst Matthäus Paris, der doch sonst wenig von dem Leben des Franz zu berichten weiß, erzählt, daß dieser, von den Römern verachtet, zum Tore zu den Vöglein, die ringsum saßen und flogen: Krähen, Weihen, Elstern und anderen hinausschritt und zu ihnen sprach: ›Ich befehle euch im Namen Jesu Christi, den die Juden gekreuzigt haben, dessen Predigt die elenden Römer verachteten, daß ihr zu mir kommt und das Wort des Herrn hört, im Namen dessen, der euch geschaffen und in der Arche Noah von den Wassern der Sintflut befreit hat.‹ Und sogleich auf seinen Befehl kam die ganze Menge der Vögel heran und umgab ihn; und als sie stille geworden und zu schwätzen aufgehört, hörten sie einen halben Tag lang die Worte des Mannes Gottes und bewegten sich nicht von der Stelle, sondern schauten immer das Antlitz des Predigers an A. a. O. S. 340 f.. Woher Matthäus diese dem Kern nach glaubliche Geschichte genommen, warum sie von den alten Biographen nicht erzählt wird, ist nicht zu sagen, doch stimmt ihr Inhalt im allgemeinen überein mit der Legende der Vogelpredigt bei Bevagna, die Bonaventura nach Thomas I. Legende so anmutig folgendermaßen bringt Th. I Leg. VII, S. 699. – Danach Anon. II Leg. § XVIII S. 622. – Bon. Cap. XII, 774. – Carmen S. 194.:

»Als er sich Bevagna näherte, kam er zu einem Orte, an dem eine große Menge von Vöglein verschiedener Art zusammengekommen war: als der Heilige Gottes dieselben sah, lief er eilig dahin und begrüßte sie, als wären sie der Vernunft teilhaftig. Sie aber alle erwarteten ihn und wandten sich zu ihm, so daß die, welche auf den Gesträuchen waren, die Köpfchen senkten, als er sich ihnen näherte, und in ungewohnter Weise sich nach ihm hinrichteten, bis er zu ihnen heranschritt und sie alle eifrig ermahnte, das Wort Gottes zu hören, indem er sprach: ›Meine Brüder Vöglein, gar sehr müßt ihr euren Schöpfer loben, der euch mit Federn bekleidet und die Flügel zum Fliegen gegeben hat; die klare Luft wies er euch zu und regiert euch, ohne daß ihr euch zu sorgen braucht.‹ Als er ihnen aber dies und ähnliches sagte, begannen die Vögel, in wunderbarer Weise ihre Freude bezeugend, die Hälse zu recken, die Flügel auszubreiten, die Schnäbel zu öffnen und aufmerksam auf ihn zu schauen. Er selbst aber in wunderbarer Glut des Geistes schritt mitten durch sie hin und berührte sie mit seinem Gewande; und dennoch bewegte sich keiner von der Stelle, bis er das Zeichen des Kreuzes machte und ihnen mit dem Segen des Herrn die Erlaubnis gab. Da flogen sie alle zugleich von dannen. Dies alles sahen die Genossen, die am Wege warteten. Als der einfältige und reine Mann zu denselben zurückgekehrt war, begann er sich selbst der Nachlässigkeit zu zeihen, daß er bisher den Vöglein noch nicht gepredigt habe.«

So reizvoll und frei im Vergleiche zu der steifen Darstellung des Berlinghieri schon die Bilder in der Unterkirche, in Siena, in S. Croce erschienen, so weit entfernt waren die Maler doch noch, gleich lebensvoll, wie den Heiligen selbst, auch die Vögel zu gestalten. Das blieb Giotto vorbehalten, bei dem die Schar der rechts unter einem Baum versammelten, dem Leben selbst mit Liebe nachgebildeten Tierchen auch in das richtige Größenverhältnis gegenüber dem links stehenden, freundlich segnend zu ihnen sich wendenden Franz gesetzt ist. Erstaunt schaut links von diesem ein Mönch, die Rechte erhebend, auf das Wunder. So einfach die Szene, so herzergreifend und rührend ist sie. Da es aber viele verschiedene Auffassungen für dieselbe nicht gab, so unterscheiden sich die sonst noch erhaltenen Bilder nur wenig voneinander: die Predella der Stigmatisation von Giotto im Louvre, auf der mit besonderer Liebe verschiedene Vogelgattungen, als Rabe, Hahn, Ente, Elster, Stieglitz, Schwalbe und andere naturwahr dargestellt sind Abb. Plon. Pl. XXI, S. 234., das sehr zerstörte Gemälde eines giottesken Meisters in der kleinen Kapelle des Camposanto zu Pisa, das ansprechende Bildchen eines Neapolitaners aus dem 14. Jahrhundert im Besitze des Herrn F. Murray in London, das neben den Vögeln auch Vierfüßler vor Franz versammelt zeigt, und das Fresko Benozzos in Montefalco.

16. Der Tod des Edlen von Celano. (Abb. Anhang III, Tafel 22.) Erst bei Bonaventura C. XI, S. 771. taucht die Erzählung von diesem Wunder auf, was um so mehr erstaunen muß, als sich dasselbe in Celano, dem Geburtsort des älteren Biographen, zugetragen. »Zu einer anderen Zeit, als er, zurückgekehrt von jenseits des Meeres, um zu predigen, nach Celano ging, lud ihn ein Edler in demütig bittender Frömmigkeit mit großer Dringlichkeit zur Mahlzeit ein. So kam er denn zu des Edlen Haus, und die ganze Familie frohlockte ob des Eintritts der armen Gäste. Bevor sie aber die Speise nahmen, brachte in gewohnter Weise der frommgesinnte Mann Gott seine Bitten und Lobgesänge dar und stand da, die Augen gen Himmel erhoben. Als das Gebet beendigt, rief er den gütigen Wirt vertraulich beiseite und sprach so zu ihm: ›Siehe Bruder Wirt, durch dein Bitten besiegt, habe ich dein Haus betreten, um zu essen; meinen Ermahnungen nun miß du schnell Glauben bei: sintemal du nicht hier, sondern anderswo essen wirst. Bekenne jetzt deine Sünden, vom Schmerze wahrer Reue zerknirscht: und nicht irgend etwas bleibe in dir, was du in wahrhafter Beichte nicht kundtuest. Der Herr wird dir's heute vergelten, daß du mit so großer Frömmigkeit seine Armen aufgenommen hast.‹ Sogleich schenkte jener Mann den Reden des Heiligen Glauben, offenbarte dessen Gefährten alle seine Sünden in der Beichte, verfügte über sein Haus und bereitete sich, so gut er vermochte, den Tod zu empfangen. Endlich traten sie ein zur Mahlzeit, und während die anderen zu essen begannen, hauchte plötzlich der Wirt seinen Geist aus, dem Worte des Mannes Gottes gemäß von plötzlichem Tode hingerafft.«

Es war keine erfreuliche Aufgabe, diese Erzählung bildlich wiederzugeben: das eigentlich Bedeutungsvolle derselben, die Prophezeiung, ließ sich nicht darstellen. Der mit dem Texte nicht vertraute Beschauer wäre geneigt, zu glauben, ein Sünder habe hier durch jähes Ende seine Strafe gefunden. Was sich wiedergeben ließ: den Schrecken und den Schmerz der Umstehenden über das Ereignis hat Giotto in überzeugend ergreifender Weise gebracht Abb. bei Otley: Specimens of the early Italian school.. Rechts sehen wir den vornehmen Mann auf dem Boden liegen, von einer tiefbewegten Frau gehalten, die vergeblich in seinen geliebten Augen noch Leben zu finden hofft. Eine zweite zerkratzt kniend in wildem Schmerzensausbruch ihr eigenes Gesicht. Drei andere mit aufgelösten Haaren eilen herbei, die eine ganz in den Anblick der Leiche versunken, die zweite bedacht, der verzweifelten Gattin zu helfen, die dritte halb neugierig, halb angstvoll sich vorbeugend. Dahinter drängen sich die Bediensteten des Hauses heran. Links aber hinter der gedeckten Tafel, die vor einer baldachinartig ausladenden Holzwand steht, hat sich Franz erhoben, die Rechte auf dem Tische, die Linke in ruhiger Bewegung zu einem Manne ausgestreckt, der wie Hilfe suchend sich zu ihm wendet. Ruhig gefaßt auch sitzt weiter links der Mönch. Zum ersten Male ward hier Giotto an einem neuen Stoffe die Gelegenheit geboten, den Ausbruch des tiefsten menschlichen Schmerzes darzustellen – es ist ein Wunder, wie es ihm gelungen. Jede Bewegung ist wahr und ergreifend. Da ist nichts mehr von der gefühllosen Übertriebenheit, wie sie der vorangehenden Kunst eigen gewesen; so getragen und gemäßigt ist die Ausdrucksweise, daß man die Größe der Qualen erst nach langer Betrachtung fassen lernt. Wo hat der junge Maler zuerst solch seelischem Leiden auf seinem Lebenswege begegnen müssen? In diesem Künstler lebt etwas vom griechischen Geiste neu wieder auf.

Was Giotto absichtlich vermieden, die Zweiteilung des Bildes, welche die Darstellung doch nicht deutlicher machen konnte, haben die Massegne angewandt: da sieht man links Franz mit dem Edlen sprechen, rechts diesen an der Tafel inmitten der frohen Gesellschaft zusammenbrechen Abb. Plon. S. 248.. Benozzo Gozzoli verwendete das Schema der Komposition für Wiedergabe einer anderen Legende. Auch hier wird Franz, von gedeckter Tafel aufschauend, an der links ein Mönch sitzt, von einem Manne auf einen Vorgang im Mittelgrunde rechts aufmerksam gemacht. Dort sitzt ein krankes Mädchen, von Genossinnen umgeben. Rechts vorn ist es noch einmal bei einer alten Frau kniend dargestellt.

17. Predigt vor Honorius III. (Abb. Anhang III, Tafel 23.) Alle Biographen wissen von diesem Ereignis, aber Bonaventura allein erzählt, daß Franz die studierte Predigt angesichts der päpstlichen Kurie vergessen und aus dem Stegreife gesprochen habe Th. I Leg. IX. S. 703. – Anon. II Leg. § 18, S. 626. – II Leg. I, 17 S. 42. – T. s. IV, S. 739. – Bon. XII S. 775. – Carmen S. 218.. »Denn als er einst auf Eingebung des Kardinals von Ostia vor dem Papste und den Kardinälen predigen sollte und dem Gedächtnis eine sorgfältig ausgearbeitete Rede eingeprägt hatte, vergaß er, als er in ihrer Mitte stand, die Worte der Erbauung vorzubringen, alles so vollständig, daß er gar nichts zu reden wußte. Doch als er dies in wahrhafter Demut kundgetan hatte, wandte er sich an die Gnade des heiligen Geistes und rief sie an und begann sogleich von so wirksamen Worten überzufließen, mit so zwingender Kraft den Geist jener erlauchten Männer zur Zerknirschung zu bewegen, daß es offenbar ward, nicht er, sondern der heilige Geist habe gesprochen.«

Das war eine neue, dankbare Aufgabe für den Künstler: es galt die Wirkung einer ergreifenden Predigt zu schildern. In einer herrlichen gotischen Halle thront rechts nach halb links gewandt der Papst, umgeben von drei Kardinälen auf jeder Seite, die alle gespannt den Worten des links stehenden Heiligen lauschen, der mit der Rechten eine etwas undeutliche wie nach hinten zurückweisende Handbewegung macht. Nahe neben ihm sitzt, in Sinnen vertieft, ein anderer Mönch. So einheitlich, so überzeugend ist selten wieder die Konzentration der Gedanken auf einen Gegenstand dargestellt worden – man glaubt die im Innersten packenden Worte des Bußpredigers zu hören, hält mit den Kirchenfürsten den Atem an, keines derselben zu verlieren. Wie der Papst, den vorgestreckten Kopf auf die eine Hand gestützt, mit seinen Blicken das geheimste Denken des wunderbaren Mannes zu ergründen sucht, wie sich die Aufregung des Kardinals neben ihm in der unwillkürlichen Handbewegung äußert, wie dessen Nachbar und der Mönch in Schmerz und Selbsterkenntnis versunken zu Boden schauen, das zeugt von einer Tiefe der Auffassung des menschlichen Gemütes, einem Vermögen für geistige Vorgänge den schlagendsten äußeren Ausdruck zu treffen, wie sie nur den größten unter den Künstlern eigen sind.

Wie matt erscheint dagegen des Taddeo Gaddi Bild in Florenz, wie ruhig, wie gelassen beobachtend sitzt dort der Papst und die drei Kardinäle, wie steif trägt rechts Franz, hinter dem sein Begleiter steht, seine Predigt vor!

18. Des Franz Erscheinung auf dem Kapitel zu Arles. (Abb. Anhang III, Tafel 24.) »Während der ausgezeichnete Prediger Antonius, der jetzt auch zu den herrlichen Bekennern Christi gehört, über den Titel des Kreuzes: Iesus Nazarenus rex Iudaeorum auf dem Kapitel zu Arles den Brüdern predigte, sah ein Bruder von bewährter Tugend, Monaldus von Namen, auf göttliche Ermahnung nach der Tür des Kapitels zurückschauend, mit seinen körperlichen Augen den seligen Franziskus, der in die Luft erhoben mit gleichsam am Kreuze ausgestreckten Armen die Brüder segnete. Alle Brüder aber fühlten sich von so großer und so ungewohnter Tröstung des Geistes erfüllt, daß ihnen der Geist im Innern diese als sicheres Zeugnis für die wahrhaftige Anwesenheit des heiligen Vaters gewährte, wäre ihnen dies nicht später sowohl durch offenkundige Zeichen, als auch durch die Worte desselben heiligen Vaters äußerlich bezeugt worden Bon. IV, S. 752 nach Th. I Leg. VI, S. 692. – S. auch Anon. II Leg. § 12, S. 595. – Carmen S. 160.

Eine größere in schöner gotischer Halle versammelte Anzahl von meist nach links gewandt auf Bänken und auf dem Boden sitzenden Mönchen hört bei Giotto den Worten des links stehenden Antonius zu, vor dessen Füßen ein Mönch in gleicher Darstellung, wie der auf dem vorhergehenden Bilde hockt. Links vorne sitzt Monaldus, den Kopf auf die Hand gestützt ruhig auf Franz schauend, der dicht hinter den Mönchen vor der Türe wenig über den Boden erhoben, die Arme ausgebreitet und mit der Rechten segnend, en face erscheint. Auch Antonius scheint ihn gewahr zu werden. War es Absicht, Wiederholungen zu vermeiden, aber die Wirkung der Predigt ist hier nicht so lebendig geschildert, das Ganze ungewöhnlich ruhig gehalten. Die ungezwungene Anordnung der Hörer zeugt von einem Streben, möglichst natürlich zu sein und den Schematismus der älteren Kunst zu vermeiden. [Auffallenderweise kehrt dann Giotto auf dem Fresko in S. Croce wieder mehr zu demselben zurück, indem er die Mönche in zwei Reihen anordnet, deren vordere vom Rücken gesehen ist]. (Abb. Anhang III, Tafel 25 unten.) Demgemäß wird ihnen auch allen, was Giotto wohl aus künstlerischen Rücksichten jetzt geratener schien, die Vision des Franz zuteil, der, etwas stärker bewegt, wie dort in der Türe erscheint. Antonius ist sonderbarerweise, vermutlich damit er nicht zu sehr das Augenmerk auf sich ziehe, links in den Hintergrund in einen Vorraum verlegt worden, an dessen Rückwand das Bild des Gekreuzigten sich befindet und in dem auch noch einige andere Mönche sitzen. Fast zu teuer, auf Kosten der lebendigen Gruppierung, scheint mir hier die größere Verständlichkeit des Visionären in dem Vorgange erkauft. An das spätere Fresko schließt sich dann Taddeo Gaddi an, bei dem Franz lebhafter im Fluge bewegt in Mitte der sieben Mönche erscheint, denen links Antonius predigt. (Abb. Anhang III, Tafel 25 oben.) Ganz verwandt sind auch die Darstellungen im Klosterhofe von S. Croce und auf einem Bildchen des Giovanni di Paolo in der Opera del duomo zu Siena.

19. Die Stigmatisation. (Abb. Anhang III, Tafel 26–29.) Wir stehen vor dem Hauptereignisse in dem Leben des Franz, jenem wunderbaren Vorgang, in dem die geistige Bedeutung des gottgeweihten Mannes, die in Worten und Taten bewährte Nachfolge Christi, symbolisch zusammengefaßt vom Himmel selbst die höchste Weihe erhielt. Hören wir hier Bonaventuras glaubensvolle Schilderung, um uns unbekümmert um die Wirklichkeit des Berichteten voll in die Seele jener gläubigen Zeit, in die Auffassung der Künstler versetzen zu können, die dies größte Wunder in Bildern und Skulpturen dem Volke zur stets sich erneuernden Verehrung veranschaulichten. Nachdem der Biograph erzählt, wie Franz sich auf den Berg Alvernia zurückgezogen, zu Ehren Michaels gefastet und mannigfache Verzückungen erfahren hat, fährt er fort Cap. VIII, S. 777.:

»Da ward es durch göttliche Weissagung seinem Geiste eingegeben, daß ihm durch Öffnen des Evangeliums von Christus offenbart würde, was an ihm und von ihm Gott am meisten willkommen sei. Nachdem er daher mit vieler Frömmigkeit ein Gebet vorausgeschickt, nahm er das heilige Evangeliumbuch vom Altare und ließ es im Namen der heiligen Dreieinigkeit durch seinen Genossen, einen gottergebenen und heiligen Mann öffnen. Als er aber bei dreimaligem Öffnen des Buches immer auf die Leidensgeschichte Christi stieß, da erkannte wahrlich der von seinem Gott erfüllte Mann, daß, wie er Christum in den Taten seines Lebens nachgeahmt, er ihm auch gleich sein solle in den Betrübnissen und Schmerzen des Leidens, bevor er aus dieser Welt hinüberginge ... Als er daher wiederum von seraphischen Sehnsuchtsgluten zu Gott getrieben und in der Süßigkeit des Mitleids sich ganz in den versetzte, der aus allzu großer Liebe gekreuzigt werden sollte, sah er, als er um die Zeit des Festes der Erhöhung des heiligen Kreuzes an einem Tage früh auf einem Abhang des Berges betete, einen Seraph, der sechs feurige und strahlende Flügel hatte, von der Höhe des Himmels herabkommen. Und als er im schnellsten Fluge in der Luft nahe zum Manne Gottes gekommen, erschien zwischen den Flügeln das Abbild eines gekreuzigten Menschen, der in Form eines Kreuzes und an ein Kreuz geheftet die Hände und Füße ausgestreckt hatte. Zwei Flügel erhoben sich über seinem Haupte, zwei waren zum Fliegen ausgespannt, zwei andere aber verhüllten den ganzen Körper. Da er dies sah, erschrak er heftig, und eine Freude, gemischt mit Trauer, kam über sein Herz. Denn er ward fröhlich ob des anmutsvollen Anblicks, da er sah, daß Christus selbst in der Gestalt des Seraph ihn anblickte; aber die Kreuzanheftung durchschnitt seine Seele mit dem Schwerte mitleidenden Schmerzes. Er verwunderte sich über die Maßen über den Anblick der so unerforschlichen Erscheinung: wohl wissend, daß die Schwäche des Leidens so gar nicht übereinstimmt mit der Unsterblichkeit des seraphischen Geistes. Endlich, da Gott es ihm offenbarte, erkannte er daraus, daß eine solche Erscheinung durch göttliche Vorsicht seinen Blicken sich darbiete, damit er als Freund Christi vorauserkenne, daß er nicht durch das Martyrium des Fleisches, sondern durch die Brunst des Geistes ganz zur Ähnlichkeit des gekreuzigten Christus verwandelt werden solle.

So ließ die Erscheinung, als sie verschwunden, eine wunderbare Glut in seinem Herzen zurück: zugleich aber drückte sie seinem Fleisch das nicht minder wunderbare Abbild der Zeichen ein. Denn sogleich begannen an seinen Händen und Füßen die Zeichen der Nägel zu erscheinen, wie er sie kurz zuvor an dem Bilde des gekreuzigten Mannes gesehen. Denn in der Mitte der Hände und Füße geheftet zeigten sich die Nägel, wie denn die Nägelköpfe in der inneren Seite der Hände und an den oberen der Füße erschienen und ihre Spitzen gegenüber zum Vorschein kamen. Und die Köpfe der Nägel an Händen und Füßen waren rund und schwarz, die Spitzen aber länglich, rückwärts gedreht und wie zurückgeschlagen, traten aus dem übrigen Fleische selbst hervor und überragten dasselbe. Die rechte Seite auch, wie von einer Lanze durchbohrt, zeigte eine verharschte, rote Wunde, die, oft das heilige Blut ergießend, die Tunica und das Hüfttuch besprengte.«

Von Berlinghieri an bis auf die neuesten Zeiten ist das wunderbare Ereignis, das seit Christi Zeiten seines gleichen nicht hatte, unzählig oft dargestellt worden. Es würde wenig verlohnen, alle die mehr oder weniger gelungenen Kunstwerke aufzuzählen und zu beschreiben, da sie im wesentlichen nur wenige Verschiedenheiten zeigen, wie solche ja der Stoff an sich unmöglich machte. Je weiter aber die Kunst fortschritt, desto mehr mußten die Künstler es sich angelegen sein lassen, das Wunderbare des äußeren Vorganges in den Zügen des Heiligen sich abspiegeln zu lassen. Die Verzückung, das Staunen, ja selbst das Leiden des rätselhaft Gekreuzigten zu schildern, war immer wieder eine lohnende Aufgabe. Dazu kam die verlockende Aufforderung, der Phantasie in der Darstellung der wildeinsamen Natur vollen Lauf zu lassen, der Landschaft eine wichtige Rolle in dem Drama einzuräumen. Von größerem gegenständlichen Interesse sind nur die ersten Versuche im 13. Jahrhundert, da die ganze spätere Kunst bis 1500 an dem von Giotto geschaffenen Schema den Hauptmotiven nach festhält. So sind zunächst folgende zum Teil schon erwähnte Darstellungen zu vergleichen:

  1. Fresko im Baptisterium von Parma.
  2. Berlinghieri. Pescia, S. Francesco.
  3. Sienesische Schule. Siena, Akademie N. 16.
  4. Sienesische Schule. Siena, Akademie N. 17.
  5. Meister des Franz. Fresko, Unterkirche in Assisi.
  6. Glasfenster der Oberkirche zu Assisi.
  7. Margaritone? Florenz, Akademie.
  8. Das Bild in S. Croce in Florenz.
  9. Schule von Siena. Siena, Akademie N. 303.
  10. Zeitgenosse Cimabues. München, Pinakothek N. 980.

Ganz für sich steht das Fresko in Parma, das im eigentlichen Sinne gar nicht die Stigmatisation darstellt. Franz steht wie predigend oder sprechend neben einem stehenden Seraph von gleicher Größe. Man hat gezweifelt, ob beide Figuren in Beziehung zueinander gedacht sind – mir scheint es unmöglich, sie trennen zu wollen, da sie einesteils kompositionell offenbar zueinander gehören, andernteils der Geflügelte durchaus nicht analog auf sonstigen entsprechenden Wandfeldern wiederkehrt, sondern nur einmal: rechts von unserer Darstellung, und zwar hier selbständig gedacht, aber zugleich als der bestimmte Seraph der Ezechielschen Vision gekennzeichnet, welch letztere demnach in eine Art Parallele zu der des Franz gestellt ist. Von dem dramatischen Vorgang freilich ist nicht die Rede, was für eine frühzeitige Entstehung sprechen dürfte.

Die anderen Bilder schildern die tatsächliche Begebenheit und stimmen zunächst darin überein, daß sie alle Franz allein, in bergiger Landschaft unweit seiner verschiedenartig dargestellten Zelle oder Kirche kniend, die Vision zuteil werden lassen. Der Seraph ist einer wörtlichen Auffassung der Legende zufolge als eine von drei Flügelpaaren umgebene jugendliche Gestalt in gekreuzigter Stellung, aber ohne Kreuz gezeichnet. Meist schwebt er senkrecht über Franz, der anfangs bei Berlinghieri die Hände zum Gebet gefaltet hat, dann dieselben nach oben ausstreckt; nur auf dem Margaritone zugeschriebenen Bild der Akademie und auf dem in S. Croce ist er, offenbar in der künstlerisch durchaus zu billigenden Absicht, die arge Kopfverdrehung des Heiligen zu vermeiden, mehr nach rechts verlegt. Anfangs fehlen die Strahlen, welche die wunderbare Übertragung der Wundenmale verdeutlichen sollen, gänzlich. Erst auf den beiden erwähnten Bildern stellen sie als drei breite Streifen die direkte Verbindung zwischen dem Seraph und dem Verzückten her, und zwar in der Art, daß sie auf den Heiligenschein des letzteren fließen und so gewissermaßen denselben bilden. Auf dem schon öfters erwähnten Bilde in Siena dagegen sind es fünf, die von den Füßen des Engels ausgehend Franziskus' Hände, Füße und Seite treffen. Der Künstler des Münchener Gemäldes hat sie als rote Blutstrahlen gedacht.

Den verschiedenartigen Versuchen und Auffassungen seiner Vorgänger machte Giotto, als er in Assisi das Wunder zuerst darzustellen hatte, ein Ende, indem er das wesentliche Schema der Komposition endgültig feststellte. (Abb. Anhang III, Tafel 26.) Auf felsigem Boden am Abhang eines mit wenigen Bäumen bewachsenen Berges, an den sich links eine kleine Kapelle lehnt, kniet auf dem rechten Beine, das linke vorgestellt, Franziskus und empfängt, die Hände wie erschreckt öffnend und nach oben schauend, die dreifachen Strahlen, die von den Malen des großen Engels ausgehen, der in der Stellung des Gekreuzigten, durch den Kreuznimbus als Christus gekennzeichnet, rechts in der Höhe schwebt. Im Vordergrunde rechts sitzt der Genosse vor seiner Zelle, in das Lesen eines Buches vertieft. – Neu und von verständigem künstlerischen Gefühle eingegeben ist zunächst die Stellung des Heiligen, die, eine klare Sonderung der Strahlen ermöglichend, fortan vor allen anderen beliebt bleibt, neu, daß Christus selbst der Erscheinende ist, neu endlich die Hinzufügung des Genossen. Daß die letztere nur aus dem Streben, die Bildfläche mehr zu beleben, hervorgegangen, zeigen die beiden anderen erhaltenen Darstellungen der Stigmatisation von Giotto, auf denen der Bruder nicht erscheint, das Bild im Louvre Nr. 1312. Mit der Aufschrift: Opus Jocti Florentini. – Abb. Plon. Pl. XXI, S. 234., das im übrigen genau dem älteren Fresko entspricht, und das Wandgemälde über der Capella Bardi. (Abb. Anhang III, Tafel 27.) Auf letzterem versucht Giotto dem Franz eine andere Stellung zu geben: nach links gewandt kniend wendet er sich zum Seraph nach rechts zurück, die Hände wie erschreckt erhoben. Christus erscheint hier am Kreuze, die strenge schematische Anordnung der Flügel weicht einer mehr naturalistischen, freieren Bewegung, indem das hintere Schwingenpaar abstehend den Körper trägt, das zweite hinter den Armen ausgespannt ihn in der Schwebe hält, das dritte halb vor ihm sich öffnend den Flug zu hemmen scheint. Auch Taddeo Gaddi läßt den Mönch fort und hält sich in der Stellung mehr an Giottos ältere Werke. Beeinflußt von dem Bilde in der Oberkirche ist die Stigmatisation in der Unterkirche zu Assisi, die Vasari als Arbeit des Meisters selbst bewunderte, während sie doch unzweifelhaft von demselben Künstler ist, der die ganze Passion Christi daselbst im Stile der Lorenzetti gemalt. Zwar zeigt Christus am Kreuz wie in jenem Bilde in S. Croce eine freiere Anordnung der Flügel, doch verrät die etwas ungeschickte, gezwungene Stellung des Franz, dessen Züge den Ausdruck des Leidens tragen sowie der rechts unfern einer etwas zu kleinen Kirche sitzende, lesende Mönch die Anlehnung an Giottos Jugendwerk. Nicht lange nachher mag der weitere Schritt geschehen sein, den Bruder in eine direkte Beziehung zu dem Vorgang zu setzen. Schon auf einem kleinen Bildchen der Sienesischen Schule aus dem 14. Jahrhundert in Brüssel (Gall. 400) ist er, erschreckt die Vision gewahrend, dargestellt. Wie man sieht, ging darin ungestört das künstlerische Gefühl seinen Weg, ohne auf die Tradition der Legende Rücksicht zu nehmen, der die Augenzeugenschaft des Mönches geradezu widerspricht. Doch mochte den Franziskanern, gegenüber den sich wiederholt geltendmachenden Zweifeln an der Wirklichkeit des Wunders, diese Auffassung nur eine willkommene sein.

So wird sie auch, als die einer bewegten dramatischen Darstellung günstigste, fast allgemein im 15. Jahrhundert, das durch einige Darstellungen Gentiles da Fabriano würdig eingeleitet wird Bildchen im Besitze des Sig re. Fornai in Fabriano und ein anderes ebendaselbst bei Sig re. Rosei.. Man darf sich verwundern, wie erfinderisch die Künstler gewesen, immer neue Motive für das Erstaunen, den Schrecken, die Bewunderung des Mönches zu finden, der anfangs nur eine unwesentliche Nebenfigur gewesen. Bald kniet er vom übernatürlichen Glanze geblendet, die Hand mit den Augen beschattend B. Gatta. Castiglione Fiorentino, S. Francesco. – Macrino d'Alba. Turin, Gall. – Gentile. Fabriano, Fornai. – A. della Robbia. Prato, Oratorio S. Lodovico. – Titian. Holzschnitt nach T., von Boldrini. Pass. VI. S. 235, 59. – Gentiles Richt. Vatikan, Christl. Mus. – D. Ghirlandajo. Narni, Stadthaus. Predella., bald ist er vom Anblick überwältigt zu Boden niedergesunken D. Ghirlandajo. Florenz, S. Trinità. – Taddeo Bartoli. Perugia, Gall. – Pesellino. Paris, Louvre 287. – Perugino, Schule, ebds. 431., bald eilt er von Grauen gepackt von dannen Cosimo Rosselli. Florenz, S. Ambrogio.. Nur einmal auf einem Bilde des Perugino in Perugia (Gall., Sala del Perugino) erscheinen zwei Mönche. Franz wird wohl zuweilen dargestellt, wie er im Begriffe ist, sich auf die Knie niederzulassen Gatta. Castiglione Fiorentino. – Macrino. Turin, Gall., meist aber kniet er in Verzückung. Die störend steifen Strahlen verschwinden mehr und mehr. Der Seraph erscheint gewöhnlich als Christus am Kreuz, zuweilen von Seraphimköpfen oder Putten umgeben D. Ghirlandajo. Florenz, S. Trinità. – Borgognone. Bergamo, S. Spirito. – Macrino. Turin, Gall., in einzelnen Fällen aber ist er als eigentlicher Seraph Andrea della Robbia. Prato, S. Lodovico. oder als Christuskind gedacht, oder es zeigt sich an seiner Stelle ein von Glanz umflossenes einfaches Kreuz Eusebio. Assisi, S. Damiano. – Tizian. Boldrinis Holzschnitt. – Marcantons Kupferstich B. 97., oder endlich er verschwindet ganz wie auf dem Gemälde Giov. Bellinis in S. Francesco zu Pesaro und auf dem Relief über dem Portal von S. Francesco in Piacenza. Nur einmal, auf einem Bilde aus der Schule des Taddeo Bartoli in Perugia, fand ich den bevorzugten Heiligen des Franz, dem zu Ehren er sich auf den mons Alvernia zurückgezogen: Michael, gleichsam Wacht haltend, der Vision beiwohnen. Sehr häufig benutzen die Künstler die günstige Gelegenheit, ihre Kenntnis der Tiere an den Tag zu legen und bevölkern die Waldeseinsamkeit mit allerlei Vierfüßlern, wie Hirschen, Rehen und Bären sowie Vögeln, unter denen der Falke, der ja nach Bonaventuras reizender Legende in inniger Freundschaft mit ihm lebte und ihn zur nächtlichen hora durch seinen Gesang aufmunterte, besonders oft wiederkehrt Schule von Siena. Siena, Ac. 16 u. 17. – P. Lorenzetti. Assisi, S. F. – Fresko: Pistoja, S. Francesco. – Altar der Massegne, Bologna. – B. da Majano. S. Croce. – D. Ghirlandajo. S. Trinità. – Gatta. Castiglione Fiorentino. – Robbia. Bibbiena, S. Lorenzo. – Jacopo Bellini, Skizzenbuch. London, British Museum.. Wohl keiner aber hat damit einen solchen Mißbrauch getrieben, wie jener Salvadore d'Antonio, der für S. Francesco in Messina die Stigmatisation gemalt. Wie Michelangelos Darstellung derselben ausgesehen, die etwa 1497 für einen Barbier entworfen, später in S. Pietro in Montorio zu Rom sich befand, wissen wir leider nicht mehr – nur daß sie secondo la maniera antica gemalt war Vasari VII, 149. Vgl. auch Varchis Leichenrede in den Quellenschr. f. Kstgesch. VI, S. 106 und Boissard: Ant. Rom. (Top. Romae) lib. I, S. 10..

Wie dann in der späteren Kunst der Italiener aus der Darstellung der Stigmatisation die eines der Vergänglichkeit der Dinge nachsinnenden Franz hervorgeht, ist schon berührt worden. Wo sie das Wunder selbst schildern, geschieht es mit dem ganzen Aufwand überraschender Lichteffekte, die ihrem Sinne entspricht. Da schwebt nicht mehr in handgreiflicher Wirklichkeit der Seraph herab, sondern der Himmel selbst öffnet sich in blendendem Strahlenglanze, und vor dem Anblick des in weiten Fernen schwebenden Kreuzes sinkt überwältigt, seiner Stimme fast beraubt, der Leidende zurück. Kaum denkt man angesichts solcher pathetisch übertriebener Darstellungen noch daran, daß auch schon Künstler des 15. Jahrhunderts dem Vorgang durch eigenartige Beleuchtung einen besonderen Reiz zu verleihen gesucht, eben jene Meister, die mehr wie alle anderen dieser Zeit den Zauber des Lichtes empfunden zu haben scheinen: Gentile da Fabriano und Piero della Francesca In den oben bereits erwähnten Bildern. Vgl. auch des Pomponio Amatheo Bild in S. Francesco zu Udine, das schon Vasari (V S. 120) rühmend erwähnt: da ist der Aufgang der Sonne dargestellt, deren erste Strahlen den Heiligen treffen..

20. Der Tod des Franziskus. Das Ende des Franz, den Eindruck seiner rührenden Abschiedsworte auf die Brüder zu schildern, hat keiner der Künstler außer Giotto versucht. Die ernste Todesfeier schien einen wirkungsvolleren Vorwurf zu bilden, zumal sich damit die Verehrung der Wundenmale, die Bekehrung jenes zweiten Thomas: des Ritters Hieronymus vereinigen ließ. Giotto nur versuchte es, zeitlich aufeinanderfolgende Begebenheiten zu verbinden, indem er im Vordergrund den Augenblick des Todes selbst wählt, im Mittelpunkt bereits die Geistlichen und Mönche zur Feier der Exequien versammelt zeigt. Wie hätte er sich auch dem Eindrucke von Bonaventuras tief ergreifender Schilderung entziehen und diese der allgemeineren Darstellung des Totenamtes opfern können! Daß aber etwas künstlerisch Unzuträgliches in einer Zweiteilung in diesem allzu großen Gedränge von Figuren lag, hat er offenbar selbst wohl empfunden, da er später, ohne die Klage um den Leichnam aufzugeben, das Ganze zu dessen Vorteile wesentlich vereinfachte und konzentrierte. Doch hören wir zuerst die Worte Bonaventuras Cap. XIV. S. 781, genau nach Th. II Leg. S. 306, die wiederum auf Th. I Leg. II Cap. III S. 713 zurückgeht. Bei den T. s. Cap. V S. 741 ganz kurz erwähnt. – Carmen S. 274 ff.:

»Als endlich die Stunde seines Hinscheidens nahte, ließ er alle Brüder, die an dem Orte waren, zu sich rufen und ermahnte sie, mit liebreichen Worten über seinen Tod sie tröstend, in väterlicher Zuneigung zur göttlichen Liebe. Über die Bewahrung der Geduld und der Armut und der Treue für die heilige römische Kirche predigte er ihnen, allen übrigen Anordnungen das heilige Evangelium voranstellend. Da aber die Brüder alle um ihn herumsaßen, breitete er, die Arme in Kreuzesform erhoben, weil er dies Zeichen immer geliebt, die Hände über sie aus. Und alle Brüder, die gegenwärtigen wie die abwesenden, segnete er in der Kraft und dem Namen des Gekreuzigten. Obendrein aber fügte er hinzu: Lebt wohl, ihr Brüder alle, in der Furcht des Herrn und bleibet immer in ihm. Und sintemalen die künftige Versuchung und Prüfung nahe ist: glücklich die, welche verharren werden in dem, was sie begonnen haben. Ich aber eile zu Gott, dessen Gnade ich euch alle empfehle. Und als so die liebliche Ermahnung erfüllt, hieß der von Gott geliebteste Mann ihm das Buch des Evangeliums bringen und verlangte, daß man ihm das Evangelium nach Johannes, das an der Stelle beginnt: »vor dem Tage des Paschafestes« lese. Er selbst aber, so gut er konnte, brach in die Worte dieses Psalmes aus: »Ich habe mit meiner Stimme zum Herrn geschrien, mit meiner Stimme habe ich zum Herrn gefleht« und führte ihn bis zum Ende. »Mich«, sprach er, »erwarten die Gerechten, bis du mir wiedervergiltst.« Endlich als alle Geheimnisse an ihm erfüllt waren und vom Fleische gelöst die heiligste Seele in den Abgrund göttlicher Klarheit versunken war, entschlief der selige Mann im Herrn. Einer aber von seinen Brüdern und Schülern sah seine selige Seele in Gestalt eines leuchtenden Sternes, auf weißer Wolke getragen, über viel Wasser in geradem Fluge aufwärts zum Himmel geführt werden: wie strahlend vom Glanze erhabener Heiligkeit und erfüllt von dem Reichtum göttlicher Weisheit und Gnade, dank welcher der heilige Mann sich das Recht erworben, in den Ort des Lichtes und des Friedens einzugehen, wo er ohne Ende mit Christus ruht.«

Hatte schon der Meister des Franz in der Unterkirche, im Gegensatz zu der kalten Darstellung der Exequien auf den Bildern in S. Croce und Siena, die Trauer der Mönche zu schildern gesucht, so beansprucht diese bei Giotto das Hauptinteresse. Rings um die ruhig und feierlich liegende Leiche sitzen und knien die Brüder, von stillem aber heftigstem Schmerze bewegt; da faßt der eine seine Hand, der andere küßt seinen Fuß, andere verbergen das Gesicht, einer links endlich richtet den Blick nach oben, wo von vier schlanken Engeln die in runder Mandorla erscheinende Halbfigur des Heiligen, der die Hände öffnet, gen Himmel getragen wird, begleitet von sechs anderen Himmelsboten, die links und rechts schweben. Im Mittelgrunde stehen zwischen fackelntragenden Mönchen ein Geistlicher, der in der Linken ein Buch, in der Rechten den Sprengwedel hält, und ein Gehilfe, der das geweihte Wasser in einem Gefäße trägt. Zahlreiche dichtgedrängte Mönche umgeben sie. So bewundernswürdig die Szene im Vordergrund empfunden und komponiert ist, so leidet die Komposition doch an Überfülle, und man erkennt den großen Fortschritt Giottos, vergleicht man damit das Fresko in S. Croce. (Abb. Anhang III, Tafel 31.) Da gelangt die Bewegung der Mittelgruppe klagender Mönche, die kniend und stehend die Bahre umgeben und seine Hände und Füße küssen, zu ruhiger Ausgleichung in den feierlich stehenden, symmetrisch zu Häupten und Füßen der Leiche angeordneten Geistlichen. Links liest in Mitte zweier Chorknaben ein Priester die Messe, zwei Laien stehen dahinter; rechts sieht man drei Mönche mit einer Totenfahne und zwei Kerzen und hinter ihnen zwei andere. In der Höhe aber tragen vier Engel die Halbfigur des Franz vom Strahlenstern umgeben nach oben, was erschreckt einer der Brüder unten gewahrt. Neu ist der Gedanke, jenen vornehmen Ungläubigen, dessen Bekehrung in Assisi noch den Gegenstand eines gesonderten Bildes abgab, schon hier mit anzubringen. Er kniet vom Rücken gesehen und legt die Hand in die Seitenwunde. Kein Wunder, daß diese meisterliche Komposition für die späteren Florentinischen Künstler im wesentlichen maßgebend blieb. Vereinfacht kehrt sie auf Taddeo Gaddis Bildchen, reicher gestaltet bei Benozzo sowie auf der Predella Cosimo Rosellis in S. Ambrogio zu Florenz wieder. Dann auch auf der Kanzel Benedettos da Majano, der die Szene in eine perspektivisch gesehene Kirche verlegt und zugleich die Anzahl der Figuren in der Mittelgruppe beschränkt. Domenico Ghirlandajo dagegen hält sich in der Anordnung ganz getreu an das Fresko in S. Croce: selbst die zwei Bürger hinter dem Bischof sind beibehalten, wie dort sind es neun Figuren, die, um die Leiche versammelt, derselben ihre Liebe, und zwar meist in ganz ähnlichen Gebärden, bezeugen. Nur den Hieronymus versetzte er in dem richtigen Gefühle, daß er bei Giotto eine zu untergeordnete Stellung einnehme, hinter die Bahre und ließ ihn vorgebeugt die Wunde befühlen. Die Vision, die als solche selbst hier nicht dargestellt ist, wird offenbar dem mittleren der drei Chorknaben rechts zuteil. – Unabhängig von Giotto entstanden die Kompositionen Semitecolos in Venedig (Akademie), der die von einem hintenstehenden Bischof gefeierten Exequien des aus den Wunden blutenden Franz schildert, und des Altars in Bologna, auf dem der konsekrierende Bischof im Vordergrund vor dem Heiligen erscheint. Ein umbrisches Bildchen dagegen im Christlichen Museum des Vatikans (Sch. IV, 1), das Allegrettos Einfluß zeigt, schließt sich mehr der reichen Darstellung in Assisi an.

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19. Begegnung des hl. Franciscus und Dominicus.
Oben: Terracottarelief von Andrea della Robbia. Florenz, Loggia di S. Paolo.
Unten: Fresko von Benozzo Gozzoli. Montefalco, Museo di S. Francesco.

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20. Franciscus und Dominicus.
Ausschnitt aus dem voranstehend abgebildeten Fresko von Benozzo Gozzoli.

21. Die Vision des Augustinus und des Bischofs von Assisi. (Abb. Anhang III, Tafel 34.) »Minister der Brüder«, heißt es weiter, »in der terra laboris war damals ein Bruder Augustinus, ein Mann durchaus heilig und gerecht; dieser, zur letzten Lebensstunde gelangt, rief plötzlich, nachdem er schon lange die Sprache verloren, so daß die Umstehenden es hörten, und sprach: ›erwarte mich, Vater, erwarte mich; siehe, schon komme ich mit dir.‹ Als aber die Brüder fragten und sich sehr verwunderten, zu wem er so redete, antwortete er kühn: ›seht ihr nicht unsern Vater Franziskus, der gen Himmel geht?‹ Und sogleich folgte seine Seele, aus dem Fleische wandernd, dem heiligen Vater. Der Bischof von Assisi hatte einer Wallfahrt halber sich nach dem Oratorium des Michael auf dem Berg Garganus begeben; ihm erschien der selige Franz in der Nacht seines Hinscheidens und sprach: ›siehe, ich verlasse die Welt und gehe gen Himmel.‹ In der Frühe sich erhebend, erzählte der Bischof den Genossen, was er gesehen und, nach Assisi zurückgekehrt, erfuhr er mit Bestimmtheit auf sein eifriges Nachforschen, daß in jener Stunde, in welcher es ihm durch die Vision bekanntgeworden, der selige Vater aus dieser Welt gewandert war.«

Es war eine schwierige Aufgabe, die in der vereinigten Darstellung dieser beiden Visionen Giotto gestellt war, und eine befriedigende Lösung nicht möglich, um so weniger, als der Raum beschränkt war. So entschloß er sich, das Fresko in direkte Beziehung mit dem vorhergehenden zu setzen, die Erscheinung, die dort dem einen Bruder zuteil ward, zugleich dem Augustinus und dem Bischof werden zu lassen. Da der Traum des Bischofs wenig Anziehendes bot, gab er diesen rechts auf seinem Lager nur in halber Figur und konzentrierte das Hauptinteresse auf die andere Szene, die, phantasievoll frei erfunden, wie es die kurze Erzählung Bonaventuras gestattete, zu den trefflichsten Kompositionen des ganzen Zyklus gehört. In einem kirchenartigen Raum sieht man Augustinus, wie er eben, von einem Mönche gehalten, von überirdischer Gewalt gleichsam und innerer Sehnsucht zugleich vom Lager erhoben, sitzend die Arme nach dem gen Himmel fahrenden Vater ausstreckt. Erstaunt und betrübt betrachten ihn die umstehenden Mönche, von denen einer ihn stützt. Ein anderer naht sich vorn von rechts mit fragender Bewegung, ein dritter rechts wird die Vision gewahr und fährt erstaunt mit der Rechten an den Kopf. Ergreifender, wahrer konnten die Worte der Sehnsucht und Liebe: »Erwarte mich, Vater, ich komme!« nicht zum Ausdruck gebracht werden. Es ist wunderbar zu sehen, zu welcher Freiheit der Gestaltung im Laufe der Arbeit Giotto schon vorgedrungen, wie sicher, ja unfehlbar er die inneren Anschauungen zu monumentalen, ergreifenden Darstellungen zu gestalten wußte. Und solche Kompositionen sollte ein Meister zweiten Ranges geschaffen haben? Was bliebe dann von Giottos Ruhme übrig?

Das Fresko der Capella Bardi, das dieselben Szenen bringt, steht hinter diesem ersten glücklichen Wurfe weit zurück. (Abb. Anhang III, Tafel 35.) Kommt hier auch der Bischof mehr zu seinem Rechte, der, schlafend auf dem Lager ausgestreckt, vor dem zwei Männer sitzen, die Halbfigur des die Hände erhebenden Franz erscheinen sieht, so geht der Vision des Augustinus der Zauber jener überzeugenden Unmittelbarkeit, die Lebendigkeit ab. Warum Giotto wohl den Bruder hier ruhig betend nach rechts gewandt auf dem Lager sitzen läßt, an dem er doch früher so wahr die Sehnsucht und Aufregung eines Sterbenden gezeigt? Gelassen steht die Schar der Mönche, welche die Exequien zu feiern gekommen sind, am Fußende, nur einer fährt erstaunt zurück, woraus erst man zu schließen berechtigt ist, daß Augustinus eben seine Vision mitteilt. Das bezeugt auch der lauschende Kopf eines anderen Mönches, der hinter diesem sichtbar, den Vorhang zurückzieht. Der Unterschied der beiden Kompositionen liegt darin, daß man, um die in S. Croce zu verstehen, genau den Vorgang kennen muß, während vor dem Bilde in Assisi jeder sogleich fühlt, es stelle die beseligende Vision eines Sterbenden vor.

Spätere Darstellungen der Legende kenne ich nicht.

22. Die Bekehrung des Hieronymus. (Abb. Anhang III, Tafel 36.) Die älteren Biographen wissen nichts von dieser Begebenheit, erst Bonaventura schildert sie folgendermaßen XV, S. 782.: »Die Bürger von Assisi, soviel ihrer kommen wollten, wurden zugelassen, jene heiligen Stigmata mit ihren Augen zu betrachten und mit ihren Lippen zu küssen. Einer aber unter ihnen, ein Edler, gelehrt und klug, Hieronymus von Namen, ein sehr berühmter und gefeierter Mann, der an den heiligen so gestalteten Wundenmalen gezweifelt hatte und ungläubig war wie Thomas, bewegte glühender und kühner angesichts der Brüder und der anderen Bürger die Nägel und betastete die Seite mit seinen eigenen Händen, damit er, indem er jene wahrhaftigen Zeichen der Wunden Christi befühlend berührte, jeden Zweifel aus seinem und aller Herzen wie eine Wunde wegschnitte. Deswegen er auch selbst vielen anderen zum beständigen Zeugen dieser mit solcher Gewißheit erkannten Wahrheit wurde und sie mit einem Eide bei Berührung des Allerheiligsten befestigte. Die Brüder aber und Söhne, die zum Ende des Vaters herbeigerufen waren, weiheten jene Nacht, in welcher der holde Bekenner Christi abgeschieden war, derart mit göttlichen Lobgesängen, daß es schien, es wären nicht die Exequien eines Abgeschiedenen, sondern eine Engelwache.«

Es lag im Stoffe, daß dies Bild der Darstellung von Franziskus' Tode sehr ähnlich ausfallen mußte. Der Heilige liegt auf der Bahre, und vor ihm kniet halb nach links gewandt der vornehm gekleidete Hieronymus und berührt mit der Linken die Seitenwunde. Links und rechts nahen sich einige Bürger, rechts zuvorderst ein Soldat, der auf das Wunder hinweist. Nahe hinter der Leiche steht dichtgedrängt die Schar der Mönche, Kerzen in den Händen; ein Priester, von zwei Gehilfen begleitet, deren einer den Sprengwedel ins geweihte Wasser taucht, liest die Messe. Zu Häupten und zu Füßen stehen Mönche in Chorgewändern mit großen Fackeln. Der Querbalken in der Höhe, auf welchem Bilder der Maria mit Kind, des Gekreuzigten und des Michael nach der Sitte der Zeit angebracht sind, kennzeichnet den Raum als Inneres der Portiuncula. – Auch hier hat das Verlangen, die Exequien nach Bonaventuras Vorgang möglichst festlich zu schildern, zu einer Überfüllung geführt, die der Durchbildung und Lebendigkeit der einzelnen Figuren etwas geschadet hat. Daß die Bekehrung des Hieronymus später von Giotto und der folgenden Kunst mit der Darstellung des Todes verbunden wird, ist bereits bemerkt worden.

23. Der Leichnam vor San Damiano. (Abb. Anhang III, Tafel 32.) »Als es aber Morgen geworden, nahmen die Scharen, die zusammen gekommen waren, Baumzweige, vervielfältigten die Wachskerzen und trugen unter Hymnen und Gesängen den heiligen Leichnam nach der Stadt Assisi. Als sie aber an der Kirche San Damiano vorbeikamen, in welcher jene edle Jungfrau Clara, die jetzt verklärt im Himmel ist, damals eingeschlossen mit den Jungfrauen weilte, und dort ein wenig haltmachten, boten sie den heiligen, mit himmlischen Perlen geschmückten Leichnam jenen heiligen Jungfrauen dar, ihn zu sehen und zu küssen B. XV, S. 782.

Nur eine bildliche Darstellung dieser Szene, die in der Kirche zu Assisi, ist uns erhalten, aber wir brauchen auch keine andere, den Zauber dieses rührenden Abschiedes ganz und voll zu empfinden. Es ist wohl das herrlichste aller der Bilder, in denen Giotto so jung so Bewundernswertes geschaffen, und immer wieder kehrt man zu ihm zurück, sich von ihm entzücken und rühren zu lassen.

Soeben haben die Träger der Bahre, vornehme Bürger von Assisi, dieselbe vor der reichen Fassade der Kirche niedergelassen, da eilen von Liebe und Sehnsucht getrieben die lieblichen, jugendlichen Nonnen heraus, von dem teuren Vater und Freunde für immer Abschied zu nehmen. Ihnen voran Clara selbst, die den Blick auf die stillen, leblosen Züge des Toten gerichtet, sich zu ihm neigt, mit der Linken die Seitenwunde berührend, mit der Rechten seinen Kopf hebend. Neben ihr ist in heißer Liebesbrunst eine Schwester niedergesunken, seine Hand zu küssen. Eine dritte drückt den Mund auf das Mal des Fußes, während sieben andere tränenden Blickes aus der Dunkelheit der Kirche hervoreilen, gleich aufgescheuchten Tauben, wie schön gesagt worden ist. Links steht die Schar der Bürger und Mönche, Kerzen in der Hand, deren Schein die Kirche hell erleuchtet, ein Knabe ist auf einen Baum gestiegen, Zweige zu brechen. Schlichter und ergreifender hätte der wortlose Schmerz, die lautere Liebe dieser gottgeweihten Jungfrauen nicht dargestellt werden können – noch haben sie nicht die Sprache gefunden, ihr Leid zu klagen, nur der Blick, der unbeweglich an dem Toten hängt, kündet von der nach Ausdruck ringenden Empfindung. Bald wird sie überströmen in Worten, wie sie ihnen Thomas von Celano in den Mund gelegt: »O Vater, Vater! Was werden wir nun tun! Warum verläßt du uns Unglückliche, wem überläßt du uns so vereinsamt? Warum hast du uns nicht vor dir fröhlich dahin gesandt, wohin du gehst, statt uns leidend hier so im Stiche zu lassen? Was willst du, daß wir so eingeschlossen in diesem Gefängnis tun, da du beschlossen, niemals mehr, wie du pflegtest, uns zu besuchen? Mit dir geht all unsere Tröstung von hinnen, und der Welt begraben bleibt uns kein gleicher Trost. Wer wird fortan uns trösten in unserer so großen Armut an Verdiensten sowohl als Dingen? O Vater der Armen, der Armut Freund! Wer wird fortan in der Stunde der Versuchung uns, die wir so zahllose Versuchungen schon erlitten, beistehen, ein sorglicher Kenner der Versuchungen? Wer wird fortan uns Geprüfte in der Stunde der Prüfung trösten, ein Helfer in Prüfungen, die allzusehr uns getroffen? O bitterste Trennung, o feindliche Entfernung! O allzu entsetzlicher Tod, der du Tausende von Söhnen und Töchtern, solchen Vaters beraubt, vernichtest, der du dich eilst, unwiderruflich ihn zu entfernen, dank dem unsere Bestrebungen, so gering sie auch sind, in reichster Blüte standen Th. I Leg. lib. II cap. IV, S. 715 f. – Danach kürzer in der Anon. II Leg. § 29, S. 672.

24. Die Kanonisation. Die Beschreibung der Festlichkeit, als zu weitläufig zu erzählen, unterläßt Bonaventura. Von den anderen Biographen sagen nur die tres socii in kurzen Worten: »es folgten dann diese Dinge in der Stadt Assisi in Gegenwart von vielen Prälaten und namentlich auch von Fürsten, Baronen und einer unzähligen Menge Volkes aus allen Teilen der Welt, die eben jener Herr und Papst zu der Feierlichkeit im Jahre 1228, im zweiten Jahre seines Pontifikates, hatte zusammenrufen lassen T. s. XVIII, S. 741.«. So blieb es Giotto überlassen, nach seinem Gutdünken die Festlichkeit darzustellen. Die Heiligsprechung gewissermaßen zu begründen, brachte er zugleich einige Figuren an, die bei dem Sarkophage, der vorn unten steht, Hilfe suchen und in deren einer, die vorne liegt, vielleicht jenes Mädchen mit dem verwachsenen Kopf zu sehen ist. Leider ist die kleinere obere Hälfte des Bildes total zerstört. Rings um die Lade ist eine große Volksmenge versammelt: links stehen zahlreiche Männer, hinten einige Mönche, rechts sitzen viele Frauen, die zum Teil ihre Kinder mitgebracht haben. Dahinter rechts sieht man drei Bischöfe und einen in traurige Gedanken vertieften Mönch sitzen, hinter denen wiederum viel Volk sich zusammendrängt. Links war die Kanzel, auf der man sich den Papst, die Heiligsprechung vollziehend, zu denken hat. Man sieht, wie eifrig der Künstler bemüht war, durch wechselnde Handlung und Ausdruck der Köpfe, durch gruppenweise Anordnung der Figuren die allzu leicht sich ergebende Monotonie zu vermeiden.

Außer dieser Darstellung der Szene kenne ich keine andere.

25. Die Vision Gregors IX. (Abb. Anhang III, Tafel 33.) Eigentlich hätte dieses Bild richtiger seinen Platz vor dem eben besprochenen erhalten sollen, da die Begebenheit zeitlich vorangeht und Gregor ja erst durch die Erscheinung bewogen wird, Franz heiligzusprechen. Doch hielt sich Giotto an die tatsächliche Reihenfolge des Bonaventura, der im 1. Kapitel der Wunder die Vision, von der alle früheren Biographen nichts wissen, folgendermaßen berichtet B. XVI, S. 784.:

»Denn der Papst Gregor IX. seligen Angedenkens, von dem der heilige Mann weissagend vorausgesagt, daß er zur apostolischen Würde erhoben werden sollte, trug, bevor er den Fahnenträger des Kreuzes dem Verzeichnis der Heiligen beischrieb, ein Bedenken und Zweifel im Herzen über die Seitenwunde. In einer Nacht aber, wie der glückselige Priester selbst unter Tränen berichtet hat, erschien ihm der selige Franziskus mit scheinbar strengem Gesicht im Traume: und das Zaudern seines Herzens der Lüge zeihend, erhob er den rechten Arm, enthüllte die Wunde und forderte eine Schale von ihm, das sprudelnde Blut, das aus der Seite floß, aufzufangen. Da bot ihm in der Vision der Papst die verlangte Schale, die bis zum Rande mit dem aus der Seite hervorströmenden Blute sich zu füllen schien. Von da an begann er von solcher Verehrung für jene heilige Wunde bewegt zu werden und von solchem Eifer zu erglühen, daß er in keiner Weise es mehr dulden konnte, daß irgend jemand sich herausnahm, jene schimmernden heiligen Zeichen durch hochmütige Bekämpfung zu schwärzen, ohne ihn mit strengem Vorwurf zu verwunden.«

Auf reichem Lager, das mit einem Baldachin überspannt ist, läßt Giotto den Papst, den Kopf auf die Hand gestützt, schlafen, mit der Rechten die Phiole in Empfang nehmen, die ihm der hinten stehende Franz, der mit der Rechten seine Wunde entblößt, reicht. Vorn auf dem Boden sitzen vier Diener, der eine rechts in Schlaf versunken, ein anderer so eben wie von einem Geräusch erwacht, auch der dritte aufmerksam geworden lauschend, der vierte links den Rosenkranz betend. Wie schon früher läßt der Künstler also auch hier die Vision auf unbewußt sie empfindende Nebenpersonen wirken, wodurch er den Beschauer auf das Wunderbare des Vorganges aufmerksam macht, der sonst durchaus wirklich erscheinen würde. Darin aber ganz besonders verrät sich das feine und rein künstlerische Gefühl Giottos, welches seine Bilder aus der Sphäre untergeordneter Illustrationen eines als bekannt vorausgesetzten Textes zu selbständigen, sich aus sich selbst erklärenden Schöpfungen erhebt. Die Komposition kam ihm wieder in Erinnerung, als er in Santa Croce die bereits besprochene Vision des Bischofs von Assisi malte. Vielleicht auch hat er den Vorfall als Traumbild, nicht als eigentliche Vision aufgefaßt, da er, wie später der Meister der Fresken in Verona, den Heiligen an das Bett herantreten läßt. Auf dem Altar der Massegne erscheint dieser in der Luft schwebend.

26. Die Heilung des Mannes von Ilerda. (Abb. Anhang III, Tafel 38.) Wir werden im folgenden sehen, daß Giotto, die Wunderkraft des Heiligen nach dessen Tode zu schildern, nicht jene älteren Darstellungen wiederholte, die ihm weniger Gelegenheit bieten mochten, fesselnde Kompositionen zu entwerfen und zudem meist die Anwesenheit des Franz selbst vermissen ließen, sondern daß er sich an einige ausführliche Schilderungen Bonaventuras hielt. Zunächst an jene von dem Manne in Katalonien, der eines Nachts auf einsamem Wege, für einen andern angesehen, angefallen und schwer verwundet wurde. Der eine Arm samt der Schulter war vom Körper getrennt worden, und in der Brust klaffte eine offene Wunde. Von den Ärzten aufgegeben, von seiner Frau selbst, die den schlimmen Geruch nicht ertragen konnte, vermieden, ging er dem gewissen Tode entgegen und suchte seine Hilfe nur noch bei seinem geliebten Schutzheiligen Franz. »Und siehe, während er auf seinem elenden, einsamen Schmerzenslager lag und wachend laut wehklagend immer wieder den Namen des Franziskus rief, stand einer bei ihm in Gestalt eines Minoriten, der, wie ihm schien, durchs Fenster eingetreten war; der rief ihn beim Namen und sprach: weil du Glauben gehabt hast in mich, siehe, so wird dich der Herr befreien. Als aber der Kranke ihn fragte, wer er sei, erwiderte er, er sei Franziskus. Und sogleich sich ihm nähernd, löste er die Binden der Wunden und salbte, wie es schien, alle seine Wunden mit Salbe. Sobald er aber die weiche Berührung jener heiligen Wunden, die durch die Kraft der Stigmata des Erlösers zu heilen vermochten, merkte, ward die Fäulnis vertrieben, das Fleisch wieder hergestellt und die Wunden zusammengefügt, und heil und unversehrt erlangte er das frühere Wohlsein wieder: als das geschehen, schritt der selige Vater hinweg.« Da ruft der Genesene die Frau, die kommt mit den Nachbarn, und alle verwundern sich über das Geschehene.

Auf andere noch glücklichere Weise wie auf dem vorigen Bilde, macht Giotto hier diesen Vorfall verständlich. Während links zwei Frauen, das Zimmer verlassend, dem draußenstehenden Arzte sich zuwenden, der in einer Gebärde des Verzweifelns die Hände nach unten streckt, ist bereits Franz, von zwei Engeln gefolgt, deren einer das Salbenbüchschen hält, an das Lager des Kranken herangetreten und schließt mit der Rechten dessen breite Seitenwunde, von der er die Binden gelöst hat. Von den Himmelsbewohnern geleitet, scheint er sichtbarlich aus der Höhe herniedergestiegen, dem treuen Bekenner zu helfen. Der scharfe Kontrast zwischen der Ohnmacht der Menschen, die den Gatten und Freund aufgeben, und der Kraft des Himmels, die ihn rettet, verleiht dem Bilde jenes dramatische Gepräge, das Giottos eigenstes Erbteil war.

27. Die Beichte der vom Tode Erwachten. (Abb. Anhang III, Tafel 38.) Auch von diesem Wunder weiß erst Bonaventura zu erzählen B. XVI, S. 785.: »In dem Kastrum des Berges Maranus, dicht bei Benevent, war eine Frau, die in besonderer Verehrung am h. Franz hing, den Weg alles Fleisches gegangen. Als aber die Kleriker bei Nacht, die Exequien und Vigilien mit Psalmen zu singen, zusammengekommen waren, erhob sich plötzlich angesichts aller die Frau auf dem Bette und rief einen, der dabeistand, nämlich ihren Paten, herbei und sprach: ›Ich will beichten, Vater! Denn gestorben bereits sollte ich einem harten Gefängnis überantwortet werden, da ich die Sünden, die ich dir offenbaren werde, noch nicht gebeichtet hatte. Aber der h. Franziskus, dem ich lebend mit fromm ergebenem Sinne gedient habe, bat für mich, und so ward es mir bewilligt, jetzt zum Körper zurückzukehren, daß ich durch Enthüllung jener Sünde das ewige Leben mir erwerbe. Und siehe, vor euren Augen werde ich, habe ich sie geoffenbart, zur versprochenen Ruhe eilen.‹ Zitternd also dem zitternden Priester beichtend, legte sie sich, nachdem sie die Absolution empfangen, ruhig auf das Lager zurück und entschlief selig im Herrn.«

Selbst Giotto mochte es nicht recht glücken, diesen für bildliche Wiedergabe wenig geeigneten Vorfall darzustellen. Obgleich man links in der Höhe Franz, für die Seele betend, vor Christus knien sieht, obgleich das eigentlich Wesentliche durch den Engel, der über der Beichtenden schwebend einen Teufel vertreibt, näher zu kennzeichnen versucht ist, vermag doch das Bild nicht, lebhafte Empfindungen in uns hervorzurufen. In einem hohen Raume sitzt, nach links gewandt, die Frau auf der Bahre und vertraut dem hinten kniend sich zu ihr neigenden alten Beichtiger ihr Geheimnis. Rechts stehen fünf zwischen Klage und Erstaunen schwankende Frauen und ein Kind, links eine Anzahl von Geistlichen, die mit Kerzen zur Feier der Exequien gekommen sind. Stärker noch als auf dem vorhergehenden Fresko macht sich eine Neigung für übertrieben lange Gestalten geltend.

28. Befreiung des Häretikers Petrus. (Abb. Anhang III, Tafel 37.) Ein der Häresie angeklagter Mann, namens Petrus, war unter Gregor IX. gefangengenommen worden und wurde vom Bischof von Tibur in dunklem Gefängnis bei spärlicher Kost gehalten. Da er aber in sich ging, jeglichen falschen Glauben von sich tat und sich dem h. Franz empfahl, erbarmte sich Gott seiner. »Denn vor der Nacht seines Festtages um die Abenddämmerung stieg der h. Franz, sich erbarmend, in den Kerker hinab; und jenen bei seinem Namen rufend, befahl er ihm, schnell sich zu erheben. Der aber von Furcht erschreckt, wer der Fragende sei, hörte, der h. Franziskus sei da. Und als er sah, daß durch die Kraft der Gegenwart des h. Mannes die Fesseln seiner Glieder gebrochen zu Boden fielen und daß die Türen des Kerkers geöffnet wurden, da die Nägel von selbst heraussprangen, und der Weg, hinauszugehen, ihm offen stehe, da konnte er vor Staunen darüber, daß er endlich befreit, nicht fliehen, sondern erschreckte an der Türe schreiend alle Wächter. Als diese dem Bischof gemeldet, daß er befreit von den Fesseln sei, eilte der Priester, nachdem er den Vorgang der Sache erkannt, fromm und bewegt zum Gefängnis und betete, offenkundig die Kraft Gottes erkennend, daselbst den Herrn an. Die Fesseln wurden auch vor den Papst und die Kardinäle gebracht, die, als sie sahen, was geschehen war, sehr verwundert Gott segneten B. XVI, S. 790..

Dieses Wunder, das nur von Bonaventura erzählt wird, beschließt den Zyklus der Darstellungen in der Oberkirche. Giotto wählt den Augenblick, in dem der Gefangene in schlichtem Gewande aus dem Tore eines runden Baues, über dem eine der Trajanssäule nachgebildete Säule emporragt, das Fußeisen in der Hand, dasselbe dem Bischof weisend, hervortritt. Zwei Krieger stehen links hinter ihnen und machen den letzteren, der betend auf den Knien liegt, auf das Wunder aufmerksam. Weiter links stehen vor einem eigentümlichen Gebäude mit durchbrochenem Turme fünf Geistliche, von denen der eine erstaunt nach oben blickend die gen Himmel fliegende Gestalt des Heiligen gewahrt. Die Komposition, deren Eindruck durch die manierierte Länge der Figuren etwas beeinträchtigt wird, ist vortrefflich dramatisch entworfen – man könnte an ihr studieren, was unter dem fruchtbarsten Moment zu verstehen ist. Der geistige Urheber des Wunders mußte selbst noch sichtbar sein, sollte es verständlich werden. Die Örtlichkeit ward durch die antiken Bauwerke (das Septizonium des Severus) unschwer als Rom bestimmt. Eine durchaus andere Lösung der Aufgabe fand Giovanni Santi auf seinem Bild in Cagli: da befreit Franz selbst, von einem Engel geleitet, aus dem Gefängnis den Bekehrten, auf dessen Namen sein in der Nähe stehender Schutzpatron Petrus hindeutet.

So ausführlich in den achtundzwanzig Fresken Giottos in der Oberkirche zu Assisi die Franziskuslegende behandelt erscheint, so war doch damit der reiche Stoff noch nicht erschöpft. Noch wußte Bonaventura durch mancherlei Erzählungen die Künstler zu fesseln, und so scheint es geboten, ehe die Darstellung einiger später entstandenen Legenden ins Auge gefaßt wird, den besprochenen Werken noch eine Reihe anderer in der Betrachtung folgen zu lassen, die das Lebensbild des Heiligen zu einem Ganzen abzurunden vermögen.

Die Erweckung des aus dem Fenster gefallenen Knaben (Abb. Anhang III, Tafel 39), ein Wunder, das nur Bonaventura kennt Cap. XVI, S. 786.: »Das kaum siebenjährige Söhnchen eines Notares in der Stadt Rom, das in kindlicher Weise der Mutter, die zur Kirche des h. Markus ging, zu folgen verlangte, während es doch von ihr zu Hause zu bleiben gezwungen wurde, warf sich aus einem Fenster des Palastes herab und hauchte, durch die heftige Erschütterung zerschmettert, sogleich den Geist aus. Die Mutter aber, welche noch nicht weit fortgegangen war, kehrte auf das Geräusch des Stürzenden, den jähen Fall des teuren Pfandes der Liebe ahnend, schnell zurück; und als sie den Sohn durch so bejammernswerten Fall ihr entrissen fand, legte sie an sich selbst die rächenden Hände und regte durch Schmerzensgeschrei die ganze Nachbarschaft zur Klage auf. Ein Bruder aber vom Orden der Minoriten, namens Raho, der sich dorthin, um zu predigen, begab, eilte zu dem Knaben hin und sprach, erfüllt vom Glauben zum Vater: glaubst du, daß Franz, der Heilige Gottes, deinen Sohn von den Toten erwecken kann, dank der Liebe, die er immer zu Christus gehabt, der gekreuzigt wurde, um den Menschen das Leben wiederzuschenken? Und auf die Antwort jenes, er glaube fest und bekenne es im Glauben und wolle für immer der Knecht des Heiligen sein, wenn er durch dessen Verdienst ein so großes Geschenk von Gott zu empfangen gewürdigt werde, warf sich jener Bruder mit dem ihn begleitenden Bruder im Gebet nieder, auch die andern auffordernd, zu beten. Als dies geschehen, begann der Knabe ein wenig den Mund zu öffnen, erhob sich selbst mit offenen Augen und erhobenen Armen; und sogleich wandelte er vor allen unversehrt, dank der wunderbaren Kraft des Heiligen dem Leben und der Gesundheit zugleich wiedergeschenkt.«

Als eine Ergänzung zur Legende der Oberkirche finden wir diese Begebenheit, wie die folgende, an der Schlußwand des rechten Querschiffes der Unterkirche dargestellt, und zwar von demselben Meister, der die Kapelle des h. Nikolaus ausgemalt hat und der wohl kein anderer als Giotto selbst ist Vgl. Beschreibung von S. Francesco w. u. Abb. Plon. Pl. XXVI, S. 268.. Dieser sah sich hier genötigt, wollte er verständlich sein, zwei verschiedene Zeitpunkte der Handlung nebeneinander zu schildern. Links fällt aus dem turmartigen Palaste kopfüber der Knabe herab. Unten aber sieht man ihn, wie er wiedererweckt zum Leben betend sich erhoben hat. Dicht hinter ihm, mit innigem Blick ihn anschauend, kniet die Mutter, links sind drei andere Frauen, rechts von ihm die beiden Mönche niedergesunken, um die sich im Kreise eine große Menge kniender Frauen versammelt hat. Vor ihnen befindet sich, im Gebet vertieft der Vater, während vor der Fassade von S. Marco Leute stehen, von denen einer gen Himmel schaut, wo eben Franz, von einem Engel gefolgt, verschwindet. Einige andere Zuschauer sieht man im Hintergrund. Die Darstellung läßt das rechte dramatische Leben vermissen, man liest auf den Gesichtern wenig mehr als eine dankbare Frömmigkeit, da doch der wunderbare Vorfall staunenswert genug war, die Augenzeugen in lebhafte Erregung zu versetzen. Dazu macht sich eine gewisse Unklarheit in der gedrängten Anordnung geltend.

Einfacher und wirksamer ist des Taddeo Gaddi kleines Bildchen in der Berliner Galerie (Nr. 1074) komponiert, obgleich hier die Handlung in drei aufeinanderfolgenden Momenten geschildert wird. Links stürzt aus dem Fenster eines Gebäudes der weiß und rot gekleidete Knabe herab. Dann sieht man ihn unten, in ein Leichentuch gehüllt, liegen und neben ihm links die Mutter knien, die mit emporgestreckten Armen zu dem ihr erscheinenden Franz betet, während rechts die beiden Mönche knien, hinten eine Frau. Doch schon ist auch das Wunder vollzogen: hinter der Bahre steht dankbar betend der lebende Knabe.

Domenico Ghirlandajo, der das Unkünstlerische in diesem Nebeneinander empfand, versetzt den Sturz des Kindes kaum erkennbar in die perspektivisch hinten gesehene Straße und beschränkt sich darauf, den Augenblick der Erweckung wiederzugeben. Er läßt den durch das Machtwort des in der Höhe erscheinenden halbfigurigen Franz soeben erwachten Knaben auf der Bahre in der Mitte sitzen, neben der zwei Frauen sitzen und eine dritte erstaunt die Hände bewegend steht. Links kniet mit aufgelösten Haaren die betende Mutter, hinter ihr die beliebte Schar Florentiner Bürger und Frauen, denen ganz rechts eine andere entspricht. Rechts knien betend aufschauend die Mönche. Wie bei Taddeo ist hier keine bestimmte Figur auf den Vater zu deuten. Das Ganze geht so teilnahmslos vor sich, daß man kaum glauben sollte, ein bedeutsames Wunder sich vollziehen zu sehen.

Erweckung des durch den Einbruch eines Hauses Getöteten. Die Begebenheit, die ebenso schwer wie die vorhergehende bildlich darzustellen war, wird folgendermaßen von Bonaventura, und zwar von ihm allein berichtet B. Cap. XVI, S. 786.:

»In der Stadt Suessa, in einem Teile, der ›Bei den Säulen‹ genannt wird, brach plötzlich ein Haus zusammen, verschlang einen Jüngling und tötete ihn sofort. Die Männer aber und Frauen, die, von dem Getöse des Zusammenbruchs aufgeregt, von allen Seiten zusammenliefen, erhoben hie und da das Holz und die Steine und gaben der unglücklichen Mutter den toten Sohn zurück. Diese aber, von bitterstem Schluchzen erfüllt, rief, so laut sie es konnte, mit schmerzerfüllten Worten: ›H. Franziskus, h. Franziskus, gib mir meinen Sohn wieder‹. Nicht allein aber sie, sondern alle Anwesenden erflehten mit Ungestüm die Hilfe des seligen Vaters. Da aber kein Laut noch ein Gefühl in ihm war, legten sie den Leichnam auf eine Bahre und erwarteten den kommenden Tag, ihn zu begraben. Die Mutter jedoch, die Glauben an den Herrn hatte, tat ein Gelübde, sie wolle den Altar des h. Franz mit einer neuen Decke bekleiden, wenn er ihren Sohn ins Leben zurückriefe. Und siehe da, um die Mitternachtsstunde begann der Jüngling zu gähnen, und wie die Glieder warm wurden, erhob er sich lebendig und unversehrt und brach in Worte des Lobes aus. Aber auch den Klerus, der zusammengekommen war, und das ganze Volk forderte er auf, Gott und dem h. Franz mit fröhlichem Geiste Lob und Dank darzubringen.«

In zwei Darstellungen, die links und rechts von dem Eingang zur Nikolauskapelle sich befinden, zerlegt Giotto die Ereignisse der Erzählung. Auf der einen sieht man neben dem eingebrochenen Hause zwei Männer den Leichnam halten, der von drei Bürgern traurig betrachtet wird, während die Mutter mit aufgelösten Haaren den verlorenen Liebling küßt. Hinter ihr stehen klagend, an den Haaren sich reißend und die Wangen zerkratzend, drei andere Frauen, noch andere Klagende kommen von rechts. Auch hier macht sich eine gewisse Willkür in der Anordnung geltend, der Schmerz ist mit großer Leidenschaftlichkeit dargestellt. Auf dem andern Bilde sehen wir eine große Anzahl von Klerikern und Bürgern links vor einem Hause mit offener Loggia, in der Franz fliegend den sich erhebenden Toten erfaßt und segnet, versammelt. Ein in mißlungener perspektivischer Ansicht zu klein geratener Mann weist sie zurück auf den rechts hinter ihm die Treppe herabsteigenden Erweckten, dem betend die Frauen folgen. Rechts vorne wohnt eine Gruppe von Männern dem Vorgang bei. Beide Kompositionen verraten die Stileigentümlichkeiten Giottos, lassen sich aber an Prägnanz und künstlerisch harmonischer Auffassung den Fresken der Oberkirche nicht gleichstellen.

Das Martyrium der sieben Brüder. Obgleich das Ende der sieben gottbegeisterten Franziskaner nicht eigentlich mit dem Leben des Franz zusammenhängt, hat man doch frühe angefangen, es mit in die Darstellungen desselben einzureihen und so Franz selbst in der Höhe schwebend erscheinen und seinen Söhnen in der Stunde des Todes durch seine Gegenwart Mut verleihen zu lassen. Die Legende selbst weiß nichts davon zu erzählen, sie schildert nur, wie sich unter Leitung des Daniel, Ministers von Calabrien, die Brüder Samuel, Angelus, Donatus, Leo, Nikolaus und Hugolinus, von sehnlichem Verlangen nach dem Martyrium getrieben, nach Afrika in die Stadt Septa zu den Sarazenen begeben. Durch nichts abgeschreckt, zu predigen und vergeblich vom Könige zum Widerruf aufgefordert, befiehlt dieser endlich, sie zu töten. Da lassen sie sich von Daniel, der sie umarmt und in ihrer Gottergebenheit stärkt, segnen und schreiten dann mutig in den Palast des Königs. »Sie gingen aber in großer Freude und den Herrn mit unendlicher Lust der Seele lobend dahin, gleich als ob sie zu einem prächtigen Mahle geladen wären. Als sie aber zum Ort der Todesstrafe gekommen, beugten sie ihren Nacken, empfahlen die Seelen dem Herrn und erlangten durch Trennung der Häupter die Krone des Märtyrertums. Ihre heiligen Köpfe aber wurden zermalmt und die Körper elendiglich von den Kindern und Sarazenen zerstückelt Nach dem Text der Legende bei Sedulius: Historia seraphica vitae B. P. Francisci. Antwerpiae 1613. S. 175-77.

Die zwei ältesten erhaltenen Darstellungen sind ein der bekannten Folge angehöriges Bildchen des Taddeo Gaddi in der Akademie zu Florenz (Abb. Anhang III, Tafel 40) und die Reste eines großen Fresko des Ambrogio Lorenzetti in S. Francesco zu Siena. Auf ersterem schwingt soeben der Henker das Schwert, einem über den Leichen anderer Mönche knienden Mönch den Kopf abzuschlagen. Am Leben sind nur noch der links stehende Minister und ein Bruder. Rechts zwei Soldaten. Oben erscheint Franz vor einer Glorie, aus der Gottes Hand kommt, wie er auf die Schreckensszene herabweist und für die unglücklichen Söhne bittet. Bewegter, aufgeregter schildert Lorenzetti den Vorfall. Da sitzt der barbarische König in gotischer Halle, das Schwert über die Knie gelegt, auf dem Thron und schaut nach links, wo vorne ein Henker das Schwert gegen einen von drei knienden Mönchen schwingt, während im Hintergrunde einige Befehlshaber zuschauen. Franz selbst ist hier nicht sichtbar. Wohl aber auf dem Relief des Benedetto da Majano, das unzweifelhaft die vollendetste bildliche Darstellung des Vorganges ist. (Abb. Anhang III, Tafel 40.) Hier sieht man auf seinem Thronsessel rechts den Sultan mit einem seiner Weisen sprechen, während links ein halbnackter Mann sein Schlächterhandwerk betreibt. Vier Brüder liegen schon enthauptet, dem fünften droht der Streich, zwei andere knien gottergeben seitwärts. Hinter ihnen stehen einige andere Mönche. Im Hintergrunde gewahrt man vor einer Kirche Daniel, wie er die dem Tod Geweihten segnet, während Franz kniend in der Höhe von den Händen Gottes die Gewährung seiner Fürbitte erhält. – Die Freskenreste in einer Seitenkapelle von S. Francesco in Pistoja sind zu gering, als daß sich Bestimmtes über die Komposition aussagen ließe, und von den Gemälden Lorenzos di Bicci an der Fassade von S. Croce und Peruginos in S. Francesco zu Perugia, von denen Vasari spricht, ist nichts mehr erhalten Vasari II, S. 51 und III, S. 580..

Auf den Anteil, den Franz an den in sehr geringer Zahl erhaltenen Darstellungen des Lebens der Chiara hat, namentlich auf ihre Weihe zur Himmelsbraut, ist nur kurz noch hinzuweisen, auch verdienen eine Anzahl unwesentlicher Begebenheiten, die in dem ermüdend ausgesponnenen Zyklus im Klosterhofe von S. Croce verbildlicht wurden, nur flüchtige Erwähnung: wie er die Regel schreibt, Almosen spendet, verschiedene seiner Jünger einkleidet, wie Petrus und Paulus ihm erscheinen und den Schatz der Armut zusichern Fioretti cap. XIII., wie der Knabe, der ihn nachts vor himmlischer Erscheinung beten sieht, leblos zu Boden gesunken Fioretti cap. XVII., und andere künstlerisch und inhaltlich wenig interessante Dinge. Bemerkenswert ist nur, daß auch jene Vision des Pacificus, in der dieser zwei sich kreuzende Schwerter vor dem predigenden Franz erscheinen sah, hier vorkommt. Jenes von der späteren, namentlich spanischen Kunst mit so großer Vorliebe verwandte Motiv des dem Saitenspiel des Engels lauschenden Heiligen, das auf die anmutige Erzählung Bonaventuras zurückgeht B. V, S. 756 nach Th. II Leg. III, 66. S. 186., fand ich nur einmal in dem uns beschäftigenden Zeitraum und dabei nebensächlich verwertet in dem landschaftlichen Hintergrunde einer Madonnendarstellung des Andrea del Sarto, die sich jetzt im Museum zu Madrid befindet.

3. Die spätere Legendendichtung und ihre Darstellungen

Im Laufe der Zeit ward die schon bei Bonaventura an wunderbaren Ereignissen so reiche Lebensbeschreibung des Franz noch durch allerlei, zum Teil in dessen Geiste, zum Teil spitzfindig absichtlich erfundene Begebenheiten erweitert und ausgeschmückt. Da gewann zunächst in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts die Überlieferung von dem durch Christus selbst ihm bewilligten Portiuncula-Ablaß eine festere Form. Dann entstand das für die weiteren Kreise des Volkes bestimmte Speculum, das mit stärkerer Hervorhebung des Wunderbaren den Lebenslauf des gotterfüllten Menschen neu erzählte. Endlich verstieg sich jener Bartholomäus Pisanus zu seinen »conformitates«, in denen das Leben des Franz nach dem Christi umgemodelt und umgedeutet wurde. Im allgemeinen hat diese spätere Dichtung der Kunst verhältnismäßig wenig neue Stoffe zugeführt, wenn auch die Mönche wiederholt bei der Ausschmückung ihrer Kirchen den Künstlern statt des Bonaventura das Speculum als Richtschnur in die Hand gegeben haben mögen. So geschah es unter anderen in S. Bernardino zu Verona, woselbst die Fresken als Erklärung noch jetzt zum großen Teil den Text des Speculums tragen. Doch hat auch schon Benozzo, wie gezeigt werden soll, einiges Wenige der neuen Franzliteratur entlehnt. Im wesentlichen aber folgt die Kunst des Quattrocento, wie wir gesehen, Giotto und Bonaventura, so daß in diesem Abschnitte nur einzelnes ergänzend nachzutragen ist.

1. Die Darstellungen der Legende des Portiuncula-Ablasses. (Abb. S. 74.) Aus dem hellen Reiche poetisch verklärter Geschichte treten wir in das Halbdunkel willkürlicher Erfindung. Keiner der alten Biographen erwähnt auch nur mit einem Worte die wunderbare Erteilung des Ablasses, und dennoch ist dieser, als historisch beglaubigt, der katholischen Kirche das wichtigste Faktum in Franzens Leben geworden. Unter den Anhängern Luthers sind die Männer zu suchen, die zuerst mit Entrüstung die ganze Geschichte eine Fabel nennen: Erasmus Alberus und Martinus Chemnitius, denen am Ende des 17. Jahrhunderts Remis folgt Alberus: Der Barfuser Münche Eulenspiegel. Wittenberg. 1542. – Chemnitius: examen Conc. Trid. P. IV, c. 12. – Remis: tractus brevis historico-theologicus 1697. – Ds.: dissertatio hist. theol. Köln 1701.. Ist auch die Zahl der Gegner eine verschwindend kleine gegenüber den Gläubigen, so ist doch die Frage, wie Hase richtig sagt, für den Historiker längst entschieden. Wer mit Aufmerksamkeit in Suyskens Kommentar das dort am bequemsten zusammengestellte Material vergleicht, kommt ohne Wahl zu folgenden allgemeinen Resultaten.

Die alten Lebensbeschreibungen erwähnen den Ablaß nicht, und die Versuche, dies Schweigen zu erklären, entbehren jeder Berechtigung. Es finden sich ferner keine päpstlichen Stiftungsbriefe. Erst im Jahre 1277 tauchen allerlei Zeugnisse auf, die sich auf einen Pater Massäus – welcher unter den sogenannten Jüngern gemeint sei, ist nicht herauszufinden – und den Frater Petrus Zalfanus berufen. Die Erzählung ist hier noch einfach, weiß nichts von der Erscheinung Christi, erwähnt nur die einmalige Bestätigung durch den Papst und die Verkündigung vor den sieben Bischöfen Das wesentlichste Zeugnis das des Benediktus von Arezzo und Raymerius de Mariano v. J. 1299 in einem Codex von 1325 in Assisi.. Dann hört man erst wieder im Anfang des 14. Jahrhunderts von der Legende, und zwar durch einen fälschlich 1327 datierten, vielmehr bald nach 1307 geschriebenen Brief des Theobald, Bischofs von Assisi Derselbe ist nämlich benutzt in der Chronica Fabrianensis, die ein 1322 gestorbener Bruder Franziskus geschrieben. Die Stelle könnte allerdings interpoliert sein. Es heißt aber vom frater Marinus, daß er »noviter circa annum 1307« gestorben sei.. Hier wird bereits von der nächtlichen Vision des Franz gesprochen, die ihn veranlaßt, zu Honorius zu gehen und von diesem vollständigen Ablaß zu erbitten. Auf dem Heimwege erhält er in einem Traum die himmlische Bestätigung. In einem Schreiben des Bischofs Konrad von Assisi 1335 endlich hat die Geschichte ihre endgültige Form erhalten. Hier tritt in ganz loser, unvermittelter Weise zu dem Bisherigen die Rosenlegende hinzu, und in recht geistloser Art ist die Handlung dadurch ausgedehnt, daß zwei Visionen in der Kapelle und in der Folge auch zwei Bestätigungen durch den Papst erzählt werden Vielleicht bezeichnet des Bartolus Geschichte des Ablasses, die 1470 in Trevi gedruckt sein soll, aber schon Anfang des 14. Jahrh. geschrieben sein muß, das Zwischenstadium zwischen beiden Briefen. Auch hier die doppelte Bestätigung, nur fehlt noch die Geschichte von den sieben Bischöfen.. Offenbar ist diese Legende gemacht worden! Die außerordentliche Verehrung, welche der Ort genoß, der Zusammenlauf des Volkes mag, wie Hase bemerkt, das Verlangen hervorgerufen haben, der Kirche durch den Ablaß eine noch höhere Bedeutung und Würde zu verleihen. Im Volke selbst mögen sich die wesentlichen Bestandteile der Erzählung gebildet haben, die dann durch jene Schreiben der Bischöfe eine bestimmtere Form erhielten. Es scheint mir nicht unmöglich, daß speziell die Rosenlegende, welche ja an die ähnliche in Subiaco heimische Benediktinerlegende erinnert, schon vor des Franziskus Lebzeiten in irgendeiner Weise mit dieser Benediktiner-Niederlassung Portiuncula in Beziehung gestanden Vgl. zur Rosenlegende: Gregors vita des heil. Benedikt in den Acta SS. März III. Bd. S. 278.. Um 1335 also erst hat die Geschichte von der Erteilung des Ablasses an Franz ihre ausgeprägte Form erhalten. Damit geht es denn wohl zusammen, daß ihre älteste künstlerische Verherrlichung etwa in die Mitte des 14. Jahrhunderts anzusetzen ist – nämlich jenes Fresko, welches angeblich Puccio Capanna an der Fassade der Portiuncula gemalt haben soll. Noch Giotto, als er die Oberkirche ausschmückte, hat offenbar nichts von dem Ablaß gewußt: wie hätte er sonst vergessen dürfen, solch bedeutungsvolles Ereignis in dem Leben des Franz zu verherrlichen?

Ehe wir einen kurzen Blick auf die Darstellungen der Legende werfen, müssen wir diese, wie sie im Schreiben Konrads verzeichnet ist, aber abgekürzt erzählen. Der Bischof verstand es nicht zu schildern, wie ein Thomas von Celano oder ein Bonaventura – die Unwahrheit rächte sich an ihm! Franz ist hier nicht derselbe Mensch, der uns so voll Leben, eine so ganz in sich abgeschlossene und verständliche Natur aus den älteren Lebensbeschreibungen entgegentritt, sondern ein schemenhaftes Werkzeug kirchlicher Zwecke, wie tausend andere. Welche ihm ganz widersprechende Rolle ist in dieser Geschichte dem schlichten, bescheidenen Manne zugedacht! Es gibt kein lehrreicheres Beispiel dafür, wie groß der Unterschied zwischen der historisch begründeten und nur volkstümlich ausgeschmückten Legende und der künstlich gezwungen erdachten Legende ist. Die alten Biographien hat sozusagen Franz selbst gemacht, da er die Biographen unter den Bann seiner großen historischen Persönlichkeit zwang, jene Ablaßfabel ist auf Franz gedichtet worden. Dort lebendiger, rascher Fluß der Erzählung, farbenreiche und treffende Schilderung, hier ermüdende Weitschweifigkeit, trockener prosaischer Ton, Unglaubwürdigkeit der Handlung. Man sieht, es kam nur auf eines an, den Ablaß und seine Verkündigung immer von neuem mit fataler Peinlichkeit zu wiederholen, als ließen sich duch Wiederholungen die unsicheren Sachen glaubhafter machen Brief des Theobald: Acta SS. S. 879 ff. – Brief des Konrad ebds., auch bei B. Pisanus lib. conf. II. B. II. S. 135-139. Ital. Übersetzung von Pieraccino Pieri von Florenz 1309, publ. in: Sulla indulgenza della Porziuncula, testo inedito dal Trecento, publ. da Luigi Lenzotti, Modena 1872. Danach bei Guasti: La basilica di S. M. d. Angeli. Florenz 1882. S. 15 ff..

Als Franz, so erzählt die Legende, eines Nachts in glühendem Gebete in seiner Zelle bei der Portiuncula verweilte, ward ihm geoffenbart, daß Christus mit Maria und vielen Engeln in der Kirche sich befinde. Er eilt dahin und wirft sich vor dem Altare zu Boden nieder. Da fordert ihn der Heiland auf, eine Bitte zum Heile des menschlichen Geschlechtes zu tun. Franz fleht ihn an, allen denen, welche die Kirche betreten, Ablaß von ihren Sünden zu gewähren. Als Maria selbst sich für ihn verwendet, gewährt Christus die Bitte, befiehlt ihm aber, die Bestätigung in seinem Namen vom Papste zu verlangen. Wohlgemut macht sich Franz am anderen Morgen mit dem Bruder Massäus auf und geht zu dem damals in Perugia befindlichen Honorius III., dem er sein Anliegen vorträgt. Als dieser ihn fragt, auf wie viele Jahre der Ablaß sich erstrecken solle, erwidert er: »Heiliger Vater, es gefalle Eurer Heiligkeit mir nicht Jahre, sondern Seelen zu geben.« Dann erbittet er vollständige Indulgenz im Namen Christi. Nach einigem Zaudern sagt Honorius: fiat in nomine Dei, und läßt sich von dem Entschlusse auch nicht duch die Bedenken der Kardinäle abbringen. »Darauf beugt der heilige Franziskus sein Haupt vor dem Papste zur Verehrung und geht fort, um den Palast zu verlassen und nach S. Maria degli Angeli zurückzukehren. Als ihn der Papst so weggehen sieht, ruft er ihn und sagt: ›o einfältiger Narr, was nimmst du denn mit von diesem Ablaß?‹ Antwortet Franz: ›Heiliger Vater, mir genügt Euer Wort allein. Ist es das Werk Gottes, so kommt es Ihm zu, es zu offenbaren, und darüber will ich kein anderes Instrument noch eine Bulle, außer daß das Papier die Jungfrau Maria, der Notar Christus sei und die Engel die Zeugen.‹ Auf dem Heimwege wird ihm dann in einem Traumbilde die Gewißheit der himmlischen Bestätigung des Ablasses« Soweit geht die Erzählung der Legende bei Theobald. Das folgende, die Bestimmung des Tages, taucht erst bei Bartolus und Konrad auf..

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21. Der hl. Dominicus.
Terracottabüste von Niccolo del' Arca.
Bologna, Chiesa di S. Domenico.

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22. Teile einer Predella mit Darstellungen aus dem Leben des hl. Franciscus.
Temperabilder auf Holz, aus der Schule des Fra Angelico.
Berlin, Kaiser-Friedrich-Museum.
Oben: Begegnung der hl. Dominicus und Franciscus.
Unten: Erscheinung des hl. Franciscus zu Arles.

Nach der Portiuncula zurückgekehrt, betet darauf einst Franz nachts in der Zelle, als der Teufel ihm naht und ihn versuchen will. Schnell entkleidet er sich, eilt nackt hinaus und wirft sich in die Dornen, sein Fleisch zu züchtigen. Siehe, da erscheint plötzlich großes Licht um ihn, und an dem [Strauche] fangen rote und weiße Rosen zu blühen an, und eine Schar von Engeln zieht an ihm vorbei nach der Kiche zu, ihn auffordernd, eben dahin zu Christus und Maria zu kommen. Im Begriff in die Zelle zu eilen, um sich anzukleiden, sieht er, daß er bereits durch ein Wunder mit der Tunika versehen. Da bricht er zwölf rote und zwölf weiße Rosen vom Strauch und eilt zur Kapelle, wobei es ihm scheint, als wäre der Weg mit seidenen Stoffen belegt. Als er die Rosen auf den Altar legt, gewahrt er über ihm Christus und Maria. Auf die Frage des ersteren, warum er säume, den Wunsch der Mutter Gottes zu erfüllen, ersucht er den Herrn, ihm den Tag zu bestimmen. Auf Bitten der Maria nennt dieser darauf die Zeit von der Vesper des 1. bis zur Vesper des 2. Augustes und befiehlt ihm, zum Papste zu gehen und ihm als Beleg seiner höheren Sendung die Rosen zu zeigen.

Mit drei Genossen macht sich Franz am nächsten Tage auf, kommt nach Rom, stellt sich mit Verehrung dem Papste vor und überreicht ihm die Rosen. Nachdem Honorius Rat gehalten mit den Kardinälen, gewährt er Franz den Ablaß für den bestimmten Tag und verspricht ihm, zu diesem die Bischöfe von Assisi, Perugia, Todi, Spoleto, Foligno, Nocera und Gubbio zu senden, damit sie dem Volke die Gnade verkündeten. Als nun der Tag nahte, ließ Franz eine Kanzel bauen und begab sich mit den Bischöfen auf dieselbe. Auf ihre Bitten verkündete er dann selbst in langer Predigt dem versammelten Volke den Ablaß. Da erstaunten jene, denn sie hatten nicht geglaubt, daß die Indulgenz für immer und alle Zeiten gelten sollte. Einer nach dem andern nimmt das Wort, um Franz entgegen nur 10 Jahre Dauer für sie festzustellen, aber auf göttlichen Willen verwandeln sich ihnen unbewußt die eigenen Worte und sie wiederholen und bekräftigen wider die eigene Absicht, was Franz gesagt. So ward der Portiunculaablaß veröffentlicht.

Es ist wohl nicht nur ein Zufall, daß diese wenig fesselnde Legende, gleichsam als verdiente sie es nicht, von einem Künstler ersten Ranges nicht dargestellt worden ist, und daß die mit ihr sich beschäftigenden Bilder uns so kalt lassen wie die Erzählung selbst. Der erste, der die Erteilung der Indulgenz zu malen hatte, war nach Vasari Puccio Capanna, dessen Fresko an der Oberwand der Fassade der Portiuncula schon zu des Aretiners Zeit arg von dem Lampenqualm geschwärzt war I, S. 403.. In einem Briefe vom 11. Januar 1492, der an zwei Bürger von Assisi gerichtet ist und von einem Legat von 12 Gulden handelt, das von Mariotto di Lodovico d'Assisi gestiftet worden, »um jene Devotion oberhalb der Türe der glorreichsten Jungfrau Maria zu restaurieren«, schlägt Bernhardin von Siena vor, das Geld lieber zu einem neuen Dormitorium zu verwenden, »das notwendiger erscheint als jene Malereien, die mir sehr gefallen, einmal weil sie fromm sind, dann auch wegen des Andenkens, das man hat, daß unser h. Vater selbst sie habe malen lassen. Denn ich fürchte, daß besagte Malereien durch Retouchieren verdorben werden« Vgl. Guasti: a. a. O. S. 93, wo der Brief nach dem Manuskripte des Grimaldi: Dissertazione sull' antica chiesa che circondava Portiuncula, das in S. M. d. A. aufbewahrt wird, publiziert ist.. Offenbar meint er jenes Fresko des Capanna, doch scheint sein frommer Wunsch nicht in Erfüllung gegangen zu sein, da nach Vasari vermutlich in eben jener Zeit Niccolo Alunno aus Foligno die Fassade bemalte III, S. 510.. Obgleich dessen Bild wiederum einer neuen Komposition von Martelli im Jahre 1639, die 1688 von Providoni restauriert wurde, und letztere endlich im vorigen Jahrhundert dem Fresko Overbecks weichen mußte, erhalten wir doch, wie Milanesi und Guasti bemerkten, eine Anschauung von Alunnos Arbeit aus einem der Fresken Tiberios in der Capella delle Rose, auf dem die alte Portiuncula dargestellt ist. Darnach sah man über der Türe von Engeln umgeben Christus in Wolken thronen, wie er mit der Rechten drei Schlüssel, das Symbol des Ablasses, der tiefer links knienden Maria reicht, unterhalb welcher Franz in reichem Pluviale kniet. Neben ihm sieht man eine betende Frau, rechts die drei knienden Genossen. Vermutlich wiederholte diese Komposition nur die Grundzüge des Capannaschen Bildes.

Später als letzteres, nämlich 1393, sind die kleinen Seitenkompositionen zu der in der Portiunculakapelle befindlichen Verkündigung entstanden, die früher demselben Meister zugeschrieben wurde, obgleich neuere Untersuchungen eine Inschrift zutage gefördert haben, nach welcher sie vom Prete Ilario da Viterbo gemalt ist Vgl. Guasti: a. a. O. S. 62: Istam tabulam fecit fieri Frater Franciscus de Sancto Gemino de helemosinis procuratis A. Domini 1393 incepta de mense Augusti completa de mense Novembris in istis partibus durante guerra et caristia. Presbiter Ylarius de Viterbo pix.. In fünf Szenen, deren Darstellungen uns nur aus einem ricordo des Providoni im Archive der Kirche bekannt werden, da sie selbst nicht sichtbar sind, gibt Ilario die Legende Vgl. Guasti a. a. O.. Da ist zunächst dargestellt, wie Franz nackt in den Dornen steht, dann wie ihn zwei Engel in die Kapelle führen, wie er, den Blick auf die Erscheinung des Christus und der Maria gerichtet, vor dem Altar kniet, auf dem Rosen liegen, wie er die Rosen dem Papste bringt, endlich wie der Ablaß verkündigt wird. – Der gleichen Zeit etwa mag ein Fresko in S. Francesco zu Arezzo angehören, das mir von Parri Spinelli zu stammen scheint und Franz zeigt, wie er nach links gewandt betend vor der Fassade einer Kirche kniet, über der Christus mit Engeln ihm erscheint. Ein Engel weist ihn auf den Herrn hin. Obgleich die Darstellung mit keiner der Visionen genau übereinstimmt, ist doch offenbar die erste gemeint gewesen. Dann wäre ferner ein Fresko an einem Hause in Assisi zu erwähnen, das von einem schwächlichen Nachahmer des Benozzo in der Art des Matteo da Gualdo gefertigt wurde, der drei Szenen auf einer Komposition verbindet. In der Höhe erscheint Christus sitzend, in der Linken den Rosenkranz, neben ihm Maria, beide umgeben von anbetenden und musizierenden Engeln. Unten kniet Franz, einen Kranz von Rosen haltend, von zwei Engeln berührt. Rechts führt ein anderer ihn nach links dem Altar zu. Links reicht er kniend in gotischer Halle dem Papst, der von Bischöfen umgeben ist, den Kranz.

Ihre Verherrlichung in einem Zyklus größerer Fresken fand die Legende erst durch die Hand des Tiberio d'Assisi, der sie zweimal und zwar fast in durchaus gleicher Weise: 1507 in der dicht bei S. Maria degli Angeli gelegenen Capella delle Rose, die an dem Orte des Wunders erbaut und im 15. Jahrhundert erweitert worden war, und 1512 in einer Kapelle im Vorhof von S. Fortunato dicht bei Montefalco malte. Wie Ilario verteilt er die Handlung auf fünf Bilder:

I. Die Geißelung. Der blondbärtige Heilige kniet halbnackt, in der Rechten die Geißel, vor einer Strohhütte im Gestrüpp. Links (in Montefalco rechts) von ihm stehen zwei Engel, der eine betend, der andere die Linke in die Hüfte gestemmt.

II. In der Mitte von zwei Engeln, deren einer auf die Rosen in der Hand des Franz zeigt, während der andere auf die nicht sichtbare Kirche weist, schreitet der Heilige gesenkten Blickes in einer Landschaft nach rechts.

III. Hier kniet er betend die Hände erhebend nach halb links gewandt vor dem Altare, über dem in Wolken der segnende Christus sitzend erscheint. Neben diesem sitzt die Hände empfehlend nach Franz ausgestreckt links Maria. Eine Schar musizierender Engel, die in der üblichen Peruginoschen Weise angeordnet sind, umgibt sie, zwei andere knien betend links und rechts vom Heiligen, dessen Rosen auf dem Altar liegen. Die Vermittlung der Maria kommt hier weniger deutlich zum Ausdruck als bei Alunno.

IV. Vor dem rechts in einer Halle sitzenden Papste, der erstaunt die Rechte erhebt, kniet Franz und reicht ihm die Rosen dar. Links kniet ein anderer Mönch. Im Mittelgrunde sitzen die Kardinäle und links stehen drei Laien, deren vorderster dem Beschauer zugewandt auf den Heiligen weist Abb. Plon. S. 117..

V. Rechts auf einem Gerüst steht nach links gewandt eine zahlreiche kniende Volksmenge, Frauen und Männer, unter denen einige im Pilgergewande predigen, hinter ihnen die sieben Bischöfe. Rechts vorn stehen Knaben, links und im Hintergrunde viele Männer vor der Fassade der Portiuncula, neben welcher links noch ein vergittertes Gebäude sich befindet Abb. Plon. S. 119..

Viel Erfreuliches ist von diesen Bildern nicht zu sagen. Sie wiederholen schlecht und recht die Stellungen und Typen der umbrischen Hauptmeister, namentlich, wie mir dünkt, des Pinturicchio Außerdem sind in Assisi noch in dem an die Kapelle stoßenden kleinen Oratorium von derselben Hand in größerem Bilde Franz mit seinen Begleitern, ferner die Heiligen Chiara, Antonius, Bonaventura, Ludwig, Rosa und Bernhardin, an der Decke Gottvater gemalt..

Etwas später ist das bedeutende Glasfenster von S. Francesco zu Arezzo, das Vasari dem Guglielmo de Marcilla zuspricht, entstanden. Auf ihm sehen wir dargestellt, wie Franz kniend, inmitten zweier Reihen von Kardinälen nach links gewandt, dem thronenden Papste die Rosen überreicht. Rechts knien seine vier Genossen. Endlich mögen noch kurz die zwei Bilder aus dem Zyklus in S. Bernardino zu Verona erwähnt werden, auf deren einem die Vision und im Hintergrunde die Geißelung in den Dornen, auf dem andern geschildert ist, wie Franz selbst, ein zweiter Christus, aus dem Limbus die Seelen der Sünder emporzieht, die von Engeln nach oben getragen werden.

2. Die Begegnung des Franz mit Dominikus. Es kann wohl kein Zweifel mehr darüber sein, daß die beiden großen Ordensgründer sich selbst persönlich gekannt und wenigstens einmal sich gesehen und gesprochen haben. Bleibt es auch mehr als fraglich, ob Dominikus im Jahre 1219 dem ersten Generalkapitel der Franziskaner beigewohnt, wovon erst das Spekulum und Bartholomäus Pisanus zu erzählen wissen, so verdient, wie bereits oben erwähnt, die Angabe des Thomas von Celano, der in seiner II. Legende (III, 86, S. 213) von einem Zusammentreffen in Rom zur Zeit des Honorius berichtet, gewiß Glauben. So ist es auch sehr wahrscheinlich, daß die schon im 13. Jahrhundert auftauchende Legende von der Vision des Dominikus, deren bildliche Darstellungen wir hier zu vergleichen haben, an jene Erzählung des Thomas anknüpft und zugleich ihre Entstehung der Absicht verdankt, das Gemeinsame der beiden Orden auf ein gemeinschaftliches Handeln ihrer Stifter zurückzuführen Vgl. eine Stelle in der vita S. Dominici von Bartholomäus Tridentinus. Acta SS. Aug. T. I, p. 560. Ferner die gemeinsame Encyclica der beiden Ordensgeneräle von 1255 bei Wadding: Annal. T. III p. 380 ff. Ausführlicheres in Suyskens Kommentar, a. a. O. § XIV, S. 605, und in Hases Franz von Assisi.. Obgleich der Erste, der sie berichtet, der Bruder Gerardus de Fracheto Vitae Fratrum I, 1. Acta SS. Aug. I, p. p. 442., als Gewährsmann den General der Dominikaner Jordanus, der sie durch andere Predigermönche von einem Gefährten des h. Franz erfahren, geltend macht, erwähnt Jordanus doch den wunderbaren Vorfall mit keinem Worte in seiner Biographie des Dominikus. Dagegen wird die Geschichte auch von dem Zeitgenossen des Gerardus, Theodoricus de Apolda Acta SS. a. a. O. p. 576. – Auch bei Suysken a. a. O. § XIV, S. 605., erzählt, und zwar mit der Bemerkung, man wisse von ihr durch Franz selbst. Wie dem auch sei, so verdanken wir die meisten Darstellungen der Legende doch den Dominikanern, und zwar tauchen sie erst im 15. Jahrhundert auf.

»Als nach gewohnter Sitte Dominikus des Nachts in einer Kirche wachte,« erzählt jener Theodoricus, »sah er den zur Rechten des Vaters sitzenden Sohn sich im Zorne erheben, um alle Sünder der Erde zu töten und alle, die Ungerechtes täten, zu verderben. Er stand aber schrecklich anzusehen in der Luft und schwang gegen die im Argen liegende Welt drei Lanzen; die eine, um damit die stolzen Nacken der Hochmütigen zu durchbohren, die andere, um mit ihr die Eingeweide der Habsüchtigen auszuschütten, die dritte, um mit ihr die fleischlichen Begierden Ergebenen zu durchstoßen. Da aber niemand seinem Zorne widerstehen konnte, eilte gnädig gesinnt die Jungfrau und Mutter herbei und bat ihn, seine Füße umfangend, daß er derer schonte, die er selbst erlöst habe, und die Gerechtigkeit durch Barmherzigkeit mäßige. Da sprach der Sohn zu ihr: ›siehst du nicht, wie viele Beleidigungen mir auferlegt werden? Meine Gerechtigkeit erträgt so viel Schlechtes nicht ungestraft.‹ Darauf spricht die Mutter: ›Du, der du alles weißt, weißt auch, daß es einen Weg gibt, auf dem du sie zu dir führen wirst. Ich habe einen treuen Knecht, den du in die Welt senden wirst, daß er ihnen deine Worte verkündige und sie zu dir, dem Heiland aller, bekehrt werden. Auch einen andern Knecht habe ich, den ich ihm zum Helfer geben werde, damit er in gleicher Weise handle.‹ Der Sohn sprach: ›Siehe, versöhnt hat mich dein Anblick. Du aber zeige mir die, welche du so großer Aufgabe bestimmen willst.‹ Da brachte die Herrin Mutter dem Herrn Jesus Christus den seligen Dominikus dar. Und der Herr sprach zur Mutter: ›Gut und eifrig wird er vollbringen, was du gesagt.‹ Sie brachte ihm auch den h. Franz dar, den der Herr in gleicher Weise lobte. Dominikus aber betrachtete aufmerksam in der Vision den heiligen Genossen, den er zuvor nicht gekannt hatte, und als er ihn am folgenden Tage in der Kirche antraf, erkannte er ihn aus dem, was er in der Nacht gesehen hatte, und mit heiligen Küssen ihn aufrichtig umarmend, sprach er: ›Du bist mein Genosse, du wirst gleichen Schritt mit mir halten; stehen wir zusammen, dann wird kein Gegner etwas wider uns vermögen.‹ Auch erzählte er jenem die Vision. Von da an sind sie ein Herz und eine Seele geworden im Herrn, was sie auch ihren Nachfolgern für ewig zu bleiben geboten.«

Die anmutige Erzählung drückt treffend die Anschauung der Zeit von der Bedeutung der beiden mächtigen Genossenschaften aus. Wie die beiden Männer vom Abte Joachim vorher verkündet waren, der eine als eine Taube, der andere als ein Rabe, wie ihre Bilder schon vor ihrer Geburt auf sein Betreiben in S. Marco zu Venedig angefertigt sein sollten, wie sie von den Päpsten selbst als die zwei großen Lichter gepriesen wurden, so erschienen sie auch in der Phantasie des Volkes vereint, in inniger Liebe verbunden. Wie es ja auch Dante ausspricht (Par. XI, 40. 41):

Von einem sprech ich, weil, was man von ihnen
Auch preisen mag, man nie vom andern schweigt.

Die erste mir bekannte Darstellung dieser Vereinigung ist in dem Freskenzyklus des Hofes von S. Croce erhalten. Da tritt noch ganz die wunderbare Vision in den Vordergrund. Rechts knien Dominikus und Franz, der mit geschlossenen Augen hier als der Träumende aufgefaßt erscheint, nebeneinander, und über ihnen in der Luft stehend weist Maria Christus auf sie hin. Dieser in schwebender Bewegung sticht mit drei Lanzen nach den Köpfen von drei Personen, die links auf einer Rasenbank vor Bäumen sitzen. Die vorderste, ein Krieger mit Keule und Schild, versinnbildlicht den Hochmut, die zweite, eine Frau, welche einen Geldbeutel umfassend allzu deutlich ihre Sinnesart erkennen läßt, die Sinnenlust, die dritte, eine Frau, die in der Rechten einen Kamm haltend sich im Spiegel beschaut, die Eitelkeit der Welt. Ob Paolo Uccellos Fresko in S. Trinità die Szene ähnlich darstellte, ist nicht bekannt.

Ihre eigentliche Verherrlichung findet die Begegnung der Mönche erst durch Fra Angelico, der auf einem reizenden Bildchen der Berliner Galerie zeigt, wie Franz und Dominikus, vor der Türe einer Kirche auf sich zuschreitend, sich die Hände reichen. (Abb. S. 182.) Je ein Gefährte ist Zeuge des erhebenden Anblicks. In der Luft links oben sieht man in einer Glorie Christus sitzend, der in der Linken zwei Pfeile, in der Rechten einen dritten nach Maria hinhält, welche, die Linke vor der Brust, vor ihm kniet und auf Dominikus hinweist. Ähnlich erscheint die Begrüßung auf einer kleinen Zeichnung desselben Meisters im Berliner Kupferstichkabinet.

Dem Vorbild seines Lehrers folgte Benozzo auf einem der Fresken in Montefalco, läßt aber hier die Freunde sich schon inniger umarmen. (Abb. S. 163 und 164.)

Später dann tritt die eigentliche Vision in den Hintergrund und man begnügt sich, die Umarmung und Liebesbezeigungen der beiden, also das ohne jedes Wunderbare verständliche schöne Motiv allein zu geben. Am herrlichsten mag es wohl Andrea della Robbia auf seinem Relief in der Loggia der Piazza di S. Maria Novella in Florenz verstanden haben, einem Werke, das zur Legende Anlaß gegeben, die Heiligen hätten sich einst in jenem ehemaligen Kloster des h. Paulus getroffen. (Abb. S. 163.) Möglich immerhin, daß die Darstellung selbst durch eine alte Tradition des Hospitals hervorgerufen wurde und ihrerseits später dieselbe wieder befestigte Vgl. Vasari II, 180 f. – Annales ord. Praedicatorum 1756. Bd. I, p. 272.. Das würde noch glaubhafter, bezöge sich eine von Wadding nach Marianus gebrachte Angabe von einer ganz alten gleichen Darstellung daselbst auf ein älteres Bild und nicht auf jenes Relief Wadding: Annales I. Bd., S. 113, der die Begegnung ins Jahr 1211 verlegt..– Das Zusammentreffen der Heiligen allein schildert auch Fra Angelico auf einem Bildchen der Galerie in Parma (429), dann ein Schüler Botticellis (Paris, Louvre 186), Benedetto Coda (Rimini, Dom), ein Venezianer in einer Zeichnung zu London (Brit. Mus., Sloane Collection, fälschlich Giorgione zugeschrieben), und Fra Bartolommeo auf dem Hintergrunde seines großen Bildes im Louvre (57), das die Verlobung des Christkindes mit Katharina von Siena darstellt Vgl. auch Zeichnungen desselben in London: Brit. Museum und Lille: Musée Wicar 251..

3. Die Geburt des Franz kenne ich nur in einer Darstellung, dem Fresko Benozzos in Montefalco, das die bewußte Nachbildung der Geburt Christi deutlich verrät. (Abb. Anhang III, Tafel 2, oben.) Der Erzählung nach litt die Mutter an heftigen Wehen, als einst ein göttlicher Bote in Gestalt eines Pilgers zu ihr trat und ihr sagte, sie werde nicht in kostbarem Gemache, sondern im Stalle den Sohn gebären. Den Worten folgend sucht sie den niedrigen Aufenthaltsort auf und wird dort durch die schmerzlose Geburt des Franziskus beglückt. Bei Benozzo nehmen, entsprechend der Inschrift, die wohl im 15. Jahrhundert an jener Örtlichkeit angebracht wurde:

Hoc oratorium fuit bovis et asini stabulum,
In quo natus est Franciscus mundi speculum,

die beiden Tiere teil an der bewegten Szene. Eine Frau reicht einer anderen das Kind, während eine dritte sich am Boden zu tun macht. Links tröstet eine vierte die Mutter.


Eine große Reihe von Kunstwerken ist an unsrem Blick vorübergezogen. Schauen wir noch einmal zurück, so drängt sich uns der Eindruck, welche Fülle des Neuen und Bedeutenden mit Franz und seiner Legende der Kunst geschenkt worden war, stärker und überzeugender auf. Zuerst gleich nach dem Tode des populären Mannes gewahrten wir allüberall die Versuche, sein Andenken in zahlreichen Bildnissen lebendig zu erhalten, das eifrige Bemühen, getreue Porträts zu schaffen, das schließlich im Laufe der Zeit dem Bestreben, weniger die Züge als das Wesen des Mannes idealistisch aufgefaßt wiederzugeben, weichen muß. Wir haben dann gesehen, welche wichtige Rolle die asketische Figur des Franz in der weiteren Kunstentwicklung spielt, von welcher Bedeutung die Aufgabe, eine so gewaltige Innerlichkeit im Bilde rein äußerlich darzustellen, für den Künstler der Renaissance gewesen ist. Endlich haben wir in der Legende des Franz den ersten großen allgemein verständlichen, populären Stoff, der seit der evangelischen Erzählung von Christi Leben entstanden, kennengelernt, haben ihn auf den Begründer der neuen Malerei wirken sehen! Zu Giotto und seinem Freskenzyklus in der Oberkirche müssen wir noch einmal hier zurückkehren.

In diesen Werken eines jungen Geistes, der mit so wunderbarer Sicherheit in der Gestaltungskraft das Richtige zu treffen wußte, tritt uns die volle Überlegung und die reife Wahl entgegen, die sonst nur eine Mitgift des höheren Alters zu sein pflegt. Dieses Maßhalten in der Darstellung der Leidenschaften, verbunden mit dem tiefen, wahren Nachempfinden menschlichen Fühlens, wirkt immer aufs neue überraschend. Giotto hatte die glücklichste Anlage des Genies in der Wiege erhalten, er ist von vornherein bestimmt gewesen, die Natur und das menschliche Sein in ihr mit einem anderen Blicke zu erfassen als die Künstler vor ihm. Die Dinge der Außenwelt vereinten sich eben in seinem Auge zu einem Bilde, dem sein lebhaftes Gefühl Wirklichkeit verlieh. Gewiß, die starke Begabung war vorhanden – was aber wollte es für einen solchen Geist heißen, in früher Jugend alle Kräfte auf eine so große Aufgabe konzentrieren zu müssen, die alle seine Fähigkeiten in kurzer Zeit zum höchsten entwickelte! Sie riß ihn mächtig mit einem Rucke aus der beengenden, schwülen Atmosphäre der älteren Kunstrichtung hinaus in die freie belebende Himmelsluft. In kurzer Zeit wuchsen ihm da die Flügel zu ungehemmtem Fluge! Wohl gab es manches in der Geschichte des Franz, was bildlich wiederzugeben fast unmöglich schien – ihm diente es nur zur Übung, zwang ihn, sich nach Auswegen umzusehen. Die mannigfachen rein geistigen Vorgänge verständlich zu machen, war er genötigt, sich Gestalten zu schaffen, in denen er sie widerspiegeln ließ. Was aber so künstlerisch bedeutungsvoll in den verschiedenen Szenen war, war der Gefühlsinhalt. Von allen edlen Empfindungen des Herzens gibt es wohl keine einzige, die der Maler nicht hätte schildern müssen: Liebe, Mitleid, Glaube, Hoffnung, Dankbarkeit, Hingebung, Bescheidenheit wechseln in beglückender Folge mit einander ab. Doch fehlen neben dem Lichte nicht die Schattenseiten: Furcht, Schrecken, Kummer, Verzweiflung, Wut – man könnte glauben, jede Herzensregung in Ausdruck und Gebärde der zahlreichen Figuren in der Freskenreihe zu finden. Und was das Entscheidende war: frisch und unberührt trat das künstlerische Gefühl an die Darstellung aller dieser Affekte heran, da deren Träger nicht die altgewohnten Typen der biblischen Geschichte, sondern neue unbekannte Persönlichkeiten waren, welche näher kennen und lieben zu lernen die erste Bekanntschaft verlockte. Dann aber trat für die Kunst dasselbe ein, was so häufig im Leben der Fall: die feinen eingehenden Beobachtungen, zu denen das fremde ungewohnte Wesen des neuen Bekannten aufgefordert hatte, kamen den älteren Freunden zugute, an denen man nun so viele neue Seiten zu entdecken begann, daß sie fast andere geworden zu sein schienen. Das Leben des Franz in Assisi war die notwendige Vorbedingung für das Leben Christi, das Giotto später in der Arena zu Padua malte! – Doch nicht Menschen allein hatte Giotto in Assisi kennenzulernen, die Legende gebot auch eine innige Beschäftigung mit der Landschaft: da ging der junge Meister hinaus und suchte, freilich noch mit ungefüger Hand, die malerischen Linien der Berge, den Wuchs der Bäume mit dem Stifte zu bannen. Die Städte mit ihren Häusern, Türmen und Mauern galt es auf engem Raum zusammenzuschieben und ihnen ein deutliches, individuelles Gepräge zu geben, damit man den Ort der Handlung erkenne. Mit wachsender Begeisterung benutzt Giotto die Gelegenheit, seiner Neigung zur Architektur die Zügel zu lassen. Kurz: dem Walten der Phantasie wie dem Naturstudium gleich günstig, beides in gleicher Weise bedingend war die umfassende Aufgabe, die dem Jüngling gestellt wurde. Mehr als man bisher geahnt, verdankt die Kunst dem Franziskus. Da aber Giotto zugleich ein Genius war, der, wie wenige berufen zum Höchsten, doch wieder den Anschauungen der Zeit jenes noch so nahe stand, darf es uns auch nicht wundernehmen, daß seine Darstellungen der Legende an herzlicher Einfalt, wie sie dem Stoffe entsprach, an frischer Ursprünglichkeit bei weitem alle späteren übertreffen, so ausgezeichnet durch feineres Erfassen der Natur und vollendetere Wiedergabe des Körperlichen viele der letzteren auch sein mögen. Kein anderer ist so berufen gewesen, ein reines Andenken an den Armen von Assisi zu erhalten, als Giotto. Es ist vielleicht nicht zu viel behauptet, daß, wer Franz wirklich verstehen will, eine innige Kenntnis der Fresken in Assisi haben muß!


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