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IV. Die letzten Lebensjahre das Franz und sein Ende

Seit seiner Bekehrung war das Leben des Franziskus geteilt gewesen zwischen Predigt und Gebet, in den letzten Jahren scheint es immer mehr in letzterem aufgegangen zu sein. Der Kampf mit mancherlei Widerwärtigkeiten, die bitteren Enttäuschungen, die er erfahren, hatten ihn in sich selbst zurückgescheucht und die Flammen seines in Liebe zu Christus erglühenden Herzens nur stärker genährt. Hatte er schon früher in Stunden der Verzückung dem Himmel sich nahe gefühlt, so entschwand jetzt immer ferner und ferner die Erde seinen Blicken. Wie getrennt vom Körper für Stunden, ja Tage führte der Geist ein von allen irdischen Beziehungen gelöstes Dasein. Aus den engen Schranken der Sinnlichkeit schwang er sich zu einem zeit- und raumlosen Gefühl empor, das er selbst die Liebe Christi nannte. Es war die Vollendung dessen, was er auf Erden erstrebt, das Vorerfahren der ewigen Seligkeit. Erstaunt und erschreckt vor solch ungeheurem Gefühlsleben, solch übersinnlich sinnlicher Glaubenswonne sucht man vergeblich die Worte, sie zu schildern. Die alten Legenden halfen sich, so gut sie konnten: von der Gebeteskraft emporgezogen, sahen ihn die Jünger zu nächtlicher Stunde über die Erde erhoben schweben, von Strahlen des ewigen Lichtes umflossen, schien eine Wolke ihn zu entführen, gleich Elias nahm ihn ein feuriger Wagen auf. Wer möchte ihnen die bilderreiche Sprache verargen! Ein solches Gebet mußte zur Vision werden. Allzu leicht nur gewöhnt sich der kalt verständige Mensch in seinem wohl geregelten Dasein daran, für das zur Ekstase gesteigerte psychische Leben nur spöttische Blicke zu haben. Mit dem Geisteskranken hat er Mitleid, für den Übergeistigten nur ein Lächeln vornehmer Herablassung – dieses unfehlbare Zeichen einer Anmaßung, welche eine ärmlich beschränkte Anschauung der unendlichen Fülle der Lebenserscheinungen verrät. Er sollte feiner unterscheiden! Wohl gibt es eine bacchantische, frech erzwungene Erregtheit, die Widerwillen und Abscheu vor der vernunftlosen Komödie erregt – die Geschichte christlicher Sekten selbst noch in jüngster Zeit bringt Beispiele genug dafür! Wer aber möchte mit ihr die enthusiastische Schwungkraft eines edlen und reinen Herzens, welche den Bannkreis der Gesetze dieser sichtbaren Welt durchbricht, verwechseln? Aus einem edlen und reinen Herzen aber, wenn je es eines gegeben, erstand auch jenes überschwengliche Gefühl der Gottesgemeinschaft, das Franz über die Leiden seines elenden, geknechteten Körpers erhob.

Denn siech und leidend hat er die letzten Jahre verbracht. Er selbst hat es eingesehen, daß er viel gegen seinen Bruder, den Körper, gesündigt (multum peccatum in fratrem corpus) T. s. I, S. 728.. Nun kam die Zeit, in der er es büßen sollte. Mit ergreifender Ergebung, ja mit Freuden hat er alle Schmerzen ertragen. Dieselben erschienen ihm nicht als Feinde, sondern als Freunde, und, wie die Tiere auf dem Felde und die Vögel, nannte er sie Schwestern Th. II Leg. III, 38. S. 300.. Sie waren ihm von Gott gesandt, und als Gottesboten nahm er sie auf. Insonderheit von einem schweren Augenleiden sprechen die alten Biographen, das häufig ärztliche Behandlung erforderte. So mußte er einst mit einem glühenden Eisen von den Ohren bis an den Augen gebrannt werden, was Anlaß zu der reizenden Erzählung gab, das Feuer selbst habe sich dem Freunde aller Geschöpf« freundlich erwiesen und ihm keine Schmerzen zugefügt. »Mein Bruder Feuer«, hatte er gesagt, »vor allen andern Dingen, die auf Schönheit Anspruch machen, hat dich der Allmächtige wirksam, schön und nützlich geschaffen. Sei mir in dieser Stunde geneigt, sei mir freundlich, weil ich immer dich im Herrn geliebt. Ich bitte den großen Herrn, der dich geschaffen, daß er deine Hitze mäßige zu sanftem Brennen, so daß ich's ertragen kann.« Dann versichert er lächelnd, es habe nicht geschmerzt, und erstaunt bricht der Arzt in die Worte aus: »Fast glaube ich, daß zur ursprünglichen Unschuld Der zurückgekehrt, nach dessen Willen selbst das Wilde sanft geworden.« Th. II Leg. III, 102. S. 238 – danach B. V, S. 755. Dieses Mannes Blick hatte die Tiefen und Wunder heiligen Wesens ergründet!

Mit den eigenen Leiden ward auch das Nachempfinden der Leiden Christi immer lebendiger in Franz. Seinen erstaunten Jüngern schien er schon auf dieser Erde in innigem, ja irdischem Verkehr mit Christus zu stehen. Er selbst konnte, wie es scheint, die Erinnerung an das Erdenleben seines Heilandes nicht oft, nicht lebendig genug sich wachrufen. So beging er einst, drei Jahre vor seinem Tode, zu Greccio das Weihnachtsfest in ganz besonderer Weise. In einer einsam im Walde gelegenen Kirche bereitete er mit einem treuen Anhänger Johannes eine Krippe, ließ den Ochsen und Esel herbeiführen und feierte dann im Beisein vielen Volkes die Heilige Nacht und den Knaben von Bethlehem, dessen Namen er vor süßer Empfindung kaum auszusprechen vermochte. Jener Johannes will es gesehen haben, wie er, vor der Krippe knieend, das Kind selbst in den Armen gehalten.

Das klingt wie eine Vorbereitung auf das Ereignis, welches seinem Leben nach dem Glauben der Zeit, wie nach dem bis auf den heutigen Tag herrschenden Glauben der katholischen Kirche die höchste Weihe verlieh: die Stigmatisation. Selbst des Wunderbaren entkleidet, bezeichnet sie doch den Höhepunkt seiner geistigen Entwicklung. Wer von ihr erzählen will, muß sich an die alten Legenden halten.

Wie Franziskus einst in seinen Jugendjahren von einem Bibelworte die Vorschrift für sein ganzes Leben erhalten, so wandte er sich jetzt im Gefühle, daß seinen Tagen bald ein Ende gesetzt werde, wiederum an das Orakelwort des Evangeliums. Aufs neue wollte er sich versichern, auf welchem Wege er das ewige Heil erlangen könnte. Und als er dreimal das Buch aufgeschlagen, begegnete ihm dreimal die Passion des Herrn. Da wurde er dessen froh, daß er durch Leiden sich die Seligkeit erwerben solle Dies steht wie eine Prophezeiung in der I. Leg., ohne direkte Verbindung mit der Stigmatisation selbst. Bonaventura bringt beide Ereignisse in unmittelbaren Zusammenhang, in Anlehnung an die I. Leg..

Zwei Jahre vor seinem Tode zog er sich in die Einsamkeit auf den Berg Alvernia zurück, der unfern Bibbiena mit seinem bewaldeten Gipfel sich über die umliegenden Höhen erhebt und eine weite Aussicht über fruchtbare Täler gewährt. Wie alle Orte, die Franz geliebt, zeichnet sich auch Alvernia durch einsame, großartige Naturschönheit aus. Steil fällt in zerklüfteten Felsen die höchste Spitze des Berges nach den niederen Hügeln, die sich zu ihm hinziehen, ab. Droben aber prangen im frischesten, hellsten Grün mächtige Buchen, vermischt mit dunklem Nadelholz. Man könnte sich in den fernen deutschen Norden versetzt fühlen, schweifte nicht rings der Blick über die kahlen Bergzüge des Apennin und bliebe er nicht drunten in den Tälern an den trotzig gehäuften Steinmassen italienischer Städte haften. Es ist ein Platz, wie geschaffen zur inneren Erhebung und Befreiung, mag man von schroffen Felsvorsprüngen hinabschauen in die nahen und doch so fernen Tiefen, aus denen eine üppige grüne Kultur heraufleuchtet, oder unter den Bäumen ausgestreckt durch die schwanken Zweige hindurch in die unermeßliche Bläue dringen, in welche seit jeher die Sehnsucht der Menschheit hinaufgestrebt hat. Und die Vögel singen da oben, als hätten sie alle sich aus dem ganzen Lande dahin gezogen!

Dort sah Franziskus in göttlicher Vision einen Mann wie einen Seraphim in der Luft über sich stehen, mit ausgestreckten Händen und geschlossenen Füßen an ein Kreuz geheftet. Zwei Flügel erhoben sich über dem Haupte, zwei waren zum Fliegen ausgestreckt, zwei endlich verhüllten den ganzen Körper. Von Schreck und Freude erfaßt, sann er dem Bilde nach, was es bedeute – da begannen an seinen Händen und Füßen die Nägelmale zu erscheinen und eine Wunde an der Seite. Die Zeichen waren wirklichen Nägeln, gewölbt an der einen, spitz an der anderen Seite, zu vergleichen Nach I. Leg. II, 1. S. 708 f. – T. s. V S. 741..

Was uns hier und bei den tres socii noch ziemlich einfach berichtet wird, ward, wie es nur natürlich erscheint, zunächst von Bonaventura, dann von der späteren Legende immer reicher ausgeschmückt. Der erstere hält sich im Wortlaut abwechselnd an Thomas und an die drei Genossen, fügt seinerseits aber hinzu, daß das Ereignis am Feste des hl. Michael stattgefunden habe, daß sich mit Franz ein Genosse auf dem Berge aufhielt, und daß Franz auf den Rat des Illuminatus sich entschlossen, die Begebenheit den Seinen zu erzählen, womit die spätere allgemeine Kenntnis, für welche die früheren Biographen keinen Aufschluß geben, erklärt werden sollte. Eine Anzahl Wunder halfen den Glorienschein vergrößern. Die Fioretti wissen dann bereits sehr viel mehr. Sie scheinen die Vision eines Bruders Philippus, Ministers von Toscana, zu kennen, die in einem Manuskripte von 1282 in Assisi geschildert wird Publ. von Suysken in den Analecta § XI, S. 860. Auch stimmen sie in manchen Punkten mit dem unten zu erwähnenden Addio di S. Francesco des Frate Masseo überein.. Einzelnes dürfte historisch glaubwürdig sein, so: daß Orlando, der Graf von Chiusi, Franz den Berg Alvernia zum Aufenthalt angewiesen, daß Letzterer sich in Begleitung seiner Jünger Masseo, Leone und Agnolo dahin begeben. Auf dem Wege erfrischt er einen durstigen, ihn geleitenden Bauern durch den Trunk aus einer Quelle, die er gleich Moses aus dem Felsen ruft. Nach mancherlei Visionen und Anfechtungen erfolgt die Stigmatisation, wobei der ganze Berg in Flammen zu stehen scheint, so daß im Tale rastende Kaufleute sich aus dem Schlummer zur Weiterreise erheben, da sie glauben, die Sonne sei aufgegangen. Die Fioretti haben nun auch erfahren, was das von Bonaventura angedeutete Geheimnis war, das der Seraphim Franz mitgeteilt: es ist das Versprechen, daß diesem vergönnt sei, jährlich an seinem Todestage die Seelen der Brüder aus dem Fegefeuer zu befreien.

Wir brauchen die Legende nicht weiter zu verfolgen. Auch wäre es zwecklos, deren poetische Erzählung auf dem Wege nüchterner Kritik zu widerlegen. Das ist bereits von Hase in der ausführlichsten Weise geschehen und hieße nur dessen Ausführungen wiederholen Ganz kurz sei auf das Wesentliche dabei hingewiesen. (Hase a. a. O. S. 143.) Eigentliche Zeugen, die aussagten: wir haben die Wundmale gesehen, gibt es außer Elias (Schreiben an die fernen Brüder bei Wadd. II, p. 149) nicht. Auch die Päpste Gregor IX und Alexander IV in ihren Breven gegen die in Mähren und in Castilien sich erhebende Opposition wider den Stigmataglauben (Wadd. II, 1237 S. 429. – IV, 1259 S. 102) treten als solche nicht auf, obgleich es hier so geboten schien. Elias weiß ebensowenig wie Matthäus Paris (S. 341) von der Erscheinung des Seraph, vielmehr sagen beide, die Wundenmale seien kurz (15 Tage) vor dem Tode erschienen, letzterer auch, sie seien nach demselben wieder verschwunden. Daß Franz sie sich selbst beigebracht, ist nicht zu denken, viel eher, daß Elias es getan. Dann erklärt sich leicht die überhastete Bestattung, die schon am Morgen der Nacht erfolgt, in der Franz gestorben, die fieberhafte Eile, mit der Elias bei der Übertragung den Leichnam der aufgeregten Menge entführt (1230). Auf das Zeugnis und die Wirksamkeit des Elias geht schließlich alles zurück! – Anzumerken wäre dann nur noch, daß Bonaventura in seinem Itinerarium mentis in Deum (opera Peltier. Paris 1868. Bd. XII S. 21) angibt, er habe von der Erscheinung durch den Genossen des Franz erfahren, der damals mit ihm war. Das dürfte Illuminatus sein, dem offenbar Bonaventura das meiste von dem Neuen, was er in seiner vita bringt, verdankt. Im Addio (vgl. unten) ist Illuminatus mit Franz in Alvernia.. Wem der Wunderglaube einmal Bedürfnis ist, der läßt sich von reinen Vernunftgründen doch nicht überzeugen, und schließlich versteht der eine nur unter dem Bilde dasselbe, was der andere glaubt; daß nämlich die Tage auf dem Berge Alvernia tatsächlich den Höhepunkt in dem geistigen Leben des Franziskus bezeichnen. In ekstatischem Gebete, in fieberischer Verzückung muß ihm die Gemeinschaft mit Christus im Leben und Leiden zur vollen Wirklichkeit geworden sein, in »seraphischen Gluten« seine Seele sich zu einer Gottanschauung und Vergöttlichung erhoben haben, die man wohl ferne ahnen, aber nicht schildern kann.

Zur Erde zurückgekehrt zog er dann zu erneuten Leiden ins Tal und zu den Menschen hinab, nachdem er in ergreifender Weise von seinen auf dem Berge bleibenden Genossen Abschied genommen. In einer erst kürzlich zum Vorschein gekommenen Gedenkschrift des Masseo mag uns eine Erinnerung an seine Scheidensworte erhalten sein, die wohl zu dem Bilde passen, das uns die alten Legenden von dem Manne geben. Nachdem er den Seinen den geweihten Berg zu dauerndem Aufenthalte und Verehrung empfohlen, besteigt er den Esel, den ihm der Graf von Chiusi geschickt, da seine Körperkräfte nicht zum Gehen auslangten, und verläßt unter Tränen die Freunde und den stillen geweihten Ort, an dem ihm Gott solche Gnade erwiesen.

»Verharret in Frieden, teuerste Söhne, Gott segne euch, teuerste Söhne, behüte euch Gott! Ich trenne mich von euch mit dem Körper, aber ich lasse euch mein Herz. Ich gehe von hinnen mit meinem Bruder, dem Lamm Gottes, und gehe von hinnen nach S. Maria degli Angeli und hierher werde ich nicht mehr zurückkehren. Ich scheide, behüte euch alle Gott, behüte euch Gott! Behüte dich Gott, Berg, behüte dich Gott, behüte dich Gott, Berg Alverna, behüte dich Gott, Berg der Engel, behüte dich Gott, Teuerster, behüte dich Gott! Teuerster Bruder Falke, ich danke dir für die Liebe, die du mir erzeigt, behüte dich Gott! Behüte dich Gott, ragender Fels, nimmer mehr werde ich hierher kommen, dich zu besuchen. Behüte dich Gott, Fels, behüte dich Gott, behüte dich Gott, behüte dich Gott, Fels, denn in deine Tiefen hast du mich aufgenommen, daß der Dämon verspottet draußen blieb; nimmer wieder werden wir uns sehen. Behüte dich Gott, S. Maria degli Angioli, ich empfehle dir diese meine Söhne, Mutter des ewigen Wortes.«

Dann schied er und verfolgte den Weg nach dem Monte Acuto über den Monte Arcoppe und Foresto. Auf der Höhe daselbst noch blieb er stehen, stieg vom Esel ab, kniete nieder, das Gesicht nach Alvernia gewandt, tat ein heißes Gebet und rief das letzte Lebewohl:

»Behüte dich Gott, Berg Gottes, heiliger Berg, mons coagulatus, mons in quo bene placitum est Deo habitare. Behüte dich Gott, Berg Alverna! Gott Vater, Gott Sohn, Gott h. Geist segne dich, bleibe in Frieden, denn nimmer sehen wir uns wieder Publ. in Amonis Ausgabe der II. vita des Thomas, S. 314. Es ist weder angegeben, woher diese Schrift stammt, noch wodurch sie beglaubigt ist. Doch trägt sie bis zu einem gewissen Grade die Glaubwürdigkeit in sich selbst. Sie beginnt: Gesù, Maria; Speranza mia. Fr. Masseo peccatore ... pace e salute a tutti li fratelli. Schluß: Io Fra Masseo ho scritto tutto. Dio ci benedica. Dieser Masseus ist wohl derselbe, auf dessen Zeugnis indirekt der Portiuncula-Ablaß zurückgeht, vermutlich der um 1280 gestorbene (vgl. Suysken Comment. S. 881). Die Schrift hat offenbar den bestimmten Zweck, das Kloster Alvernia besonders zu empfehlen, gemäß dem Wunsche des Franz. Davon abgesehen, mögen jene Worte des Abschieds, aus der Erinnerung niedergeschrieben, doch ein Bild von der eigentümlichen Redeweise des Franz geben. Sie erinnern lebhaft an die Fioretti, die diesen auch stets in ähnlichen, meist dreifachen Wiederholungen sprechen lassen. Liegt dem nicht eine glaubwürdige Volkstradition, die auch aus manchen anderen Einzelheiten der Fioretti sehr frisch und lebendig spricht, zugrunde? Solch merkwürdige Ausdrucksweise gerade mußte im Gedenken des Volkes fortleben.

Wie abwesend im Geiste zieht er durch das Tal und bemerkt es nicht, wie er durch Borgo San Sepolcro, dessen Bevölkerung ihn zu sehen und berühren herbeieilt, gelangt ist Th. II Leg. III, 41. S. 148. Danach bei B. Die Fioretti verlegen mit Recht, wie es scheint, diesen Vorfall, wie die Heilung eines achtjährigen Knaben in Città di Castello, in diese Zeit seiner Heimkehr.. Bei den Aussätzigen kehrt er ein, denn von neuem strebt er in stärker erwachtem Mitgefühl, die Menschen seine Liebe empfinden zu lassen; wie in den Jugendjahren zog es ihn wieder zu den Aussätzigen, zu den Armen – aber der kranke Körper versagte ihm seine Dienste, die Kräfte waren gebrochen. Mit wunderbarer Geduld und Freudigkeit ertrug er die Schmerzen und wollte lange von der Strenge des Lebens nicht weichen. Zweifelnd wandte er sich endlich an einen Genossen mit der Frage, ob es wohl kein Unrecht wäre, dem Körper Sorge angedeihen zu lassen. Der traf das Richtige: »Kannst du deinem Körper, o Vater, das Zeugnis geben, daß er sich immer gehorsam erwiesen im Dienste des Herrn?« Freudig bejahte der Kranke es. Da fuhr der Bruder fort: »Wo bleibt dann, Vater, deine Freigebigkeit, wo dein frommer Dank? Ist es nicht recht, daß du solchem Freunde, der sich so oft für dich dem Tode ausgesetzt, in so großer Not hilfst?« Von Stunde an unterwarf sich Franz der ärztlichen Behandlung und den Anordnungen der Freunde: »Freue dich, Bruder Körper, und schone meiner, denn sieh, schon handle ich freudig nach deinem Wunsche, freudig eile ich, dir in deinen Schmerzen zu Hilfe zu kommen Th. II Leg. III, 137. S. 296..« Aber selbst ärztlicher Beistand vermochte nichts mehr. Vergeblich unterzog er sich in Rieti schmerzhaften Operationen, vergeblich suchte er in Siena Heilung. Sein Körper magerte ab, der Magen war durch das lange Kranksein geschwächt, die Leber verdorben. Oft spie er Blut. Vier Brüder sorgten mit Aufopferung und Liebe für ihn, endlich hielt es Elias für geraten, ihn in die Heimat zu bringen. Das geschah im Frühjahr 1226. Anfangs verlebte er einige Zeit in der Nähe von Cortona, dann, als die Beine und Füße anzuschwellen begannen und der Magen kaum mehr Speise aufzunehmen vermochte, bat er den Freund, ihn nach Assisi zu bringen. Wie im Triumphe geleitete jubelnd das Volk den kranken, geliebten Mann in die Stadt. Entsetzliches muß er damals ausgestanden haben, da er, der mutige Gotteskämpfer, einem Bruder verriet, jedwedes Martyrium würde ihm leichter sein, als noch drei Tage solche Schmerzen zu ertragen. Sein letztes Wort aber blieb immer: Gottes Wille geschehe!

Als er endlich die Todesstunde herannahen fühlte, ließ er sich nackt auf den Boden legen, um nackend und arm aus dem Leben zu gehen. Als aber der Guardian ihm im Namen des h. Gehorsams befahl, mit einer fremden Kutte sich bekleiden zu lassen, gehorchte er und brach in jubelnde Worte aus, da er erkannte, wie er seiner Herrin Armut bis zuletzt die Treue bewahrt Th. II Leg. III, 139. S. 304. – B. XIV, S. 780.. Dann segnete er, des Augenlichtes beraubt, mit den Händen tastend, das Haupt des Elias und alle die Brüder, die weinend und schluchzend ihn umstanden: »Lebt wohl, alle ihr Brüder, in der Furcht des Herrn und bleibet immer in Christo, denn eine große Prüfung wird über euch kommen, und die Heimsuchung naht. Glücklich die, welche in dem, was sie begonnen, verharren werden, künftiges Ärgernis wird manche von ihnen trennen! Ich aber eile zum Herrn, zu meinem Herrn, dem ich fromm im Geist gedient, habe ich Vertrauen zu gehen.« Aus dem bischöflichen Palaste ließ er sich nach der Portiuncula bringen und verbrachte die letzten Tage in Lobgesängen. Die Geschöpfe alle, selbst den Tod, forderte er Gott zu preisen auf und ermahnte sie in Worten, die er selbst einst gedichtet, zur göttlichen Liebe. »Willkommen sei mein Bruder Tod!« Dann brach er in die Worte des siebenundsiebzigsten Psalmes aus: »Ich schreie mit meiner Stimme zu Gott, zu Gott schreie ich und er erhöret mich.« Als er noch die Brüder getröstet und ihnen die Armut zum letzten Male empfohlen, bat er, ihm das Leiden des Herrn nach dem Evangelium Johannes zu lesen und ließ sich mit Asche bestreuen, da bald ja sein Körper Staub und Asche sein werde. Dann kam die letzte Stunde, in der »die reine Seele vom Fleische sich löste und in den Abgrund himmlischer Klarheit einging, der Körper aber im Herrn entschlief Vgl. für alles Vorhergehende die I. Legende, für Einzelnes auch die II. Leg. III, cap. 139, S. 302 ff.«.

An den Abendstunden des 4. Oktober 1226 war Franziskus gestorben, die Nacht verging den Brüdern und allem Volke in Lobgesängen – »es war als hielten die Engel Wache«. Früh am andern Morgen ward der Leichnam an dem Kloster der Chiara, die mit ihren Schwestern den letzten Abschied vom geliebten Vater nahmen, vorbei nach der Stadt gebracht und in S. Giorgio bestattet. Die Wunder, die an seinem Grabe geschahen, das allgemeine Verlangen der Gläubigen veranlaßten zwei Jahre später Gregor IX., den Mann des Volkes heiligzusprechen. Der Papst selbst mit großem Gefolge vollzog am 16. Juli 1228 die Kanonisation Vgl. für die kleinen und ausführlichen Details Th. I Legende, die T. s. – B. cap. XV.. In demselben Jahre ward der Grundstein zur Kirche des Heiligen gelegt, die 1230 so weit gediehen war, daß in festlichem Gepränge der Leichnam in sie überführt werden konnte. Dabei kam es zu Unruhen, man wollte offenbar noch einmal den geliebten Toten sehen. Im Tumulte brachte Elias mit seinen Brüdern den Sarg in die Kirche und ließ die Türen schließen Vgl. Bulle Gregors 16. Juni 1230 bei Wadd. II, p. 234.. Seit jenem Augenblicke hat man bis auf den Anfang des XIX. Jahrhunderts nicht gewußt, wo Franz bestattet sei. Die Sage ging, er stehe unten in einer in den Fels gehauenen Unterkirche, aufrecht und wie lebendig, die Hände im Gebete zum Himmel erhoben. Als man im Jahre 1818 Nachforschungen anstellte, fand man die Gebeine im nackten Felsen beigesetzt, wie er es selbst nach Dantes herrlichen Versen gewollt.

Als der, der ihn berufen, aus der Pein
Zur Wonn' ihn rief, den Lohn hier zu erwerben,
Daß er sein Knecht war niedrig, arm und klein,
Empfahl er noch, als seinen rechten Erben,
Den Brüdern seine Frau, ihm lieb und wert,
Zu treuer Lieb im Leben und im Sterben.
Eh' ihrem Schoß die Seele, schon verklärt,
Entfloh, heimkehrend zu des Vaters Reiche,
Ward nur die Erd' als Sarg von ihm begehrt Übers. Streckfuß. Braunschweig 1858. Paradies XI, 109–117..


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