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III. Weitere Entwicklung des Ordens

Als Franz mit den Seinen nach Assisi zurückgekehrt war, ließ er sich an einem Rivo torto (damals Rigus tortus) genannten, einsamen Orte im Tale unterhalb der Stadt nieder. Dort lebten sie in einer engen kleinen Hütte, die ihnen kaum genügenden Platz bot, dem Gebete und der Arbeit obliegend, zurückgezogen von dem Lärm der Welt. Und doch schlug dieser einst laut an ihre Zelle. Otto, der Deutschen Kaiser, früher der Schützling, jetzt als Nachfolger und Erbe der Politik Heinrichs VI. der Gegner des Papstes, zog mit einem glänzenden Gefolge an der Behausung des großen unbekannten Bettlers vorbei, der, ungelockt von dem höchsten weltlichen Prunk, sich begnügte, dem Herrscher einen Bruder in den Weg zu senden, mit mahnenden Worten der Vergänglichkeit alles irdischen Ruhmes. Und kaum waren diese verhallt, da verschwanden auch die blitzenden Waffen wieder, und die Stille des Gebetes kehrte zurück Bloß bei Th. I Leg. VI, S. 696..

Ein mutwilliger Bauer, der sich und seinem Esel Platz schaffte in der Hütte, vertrieb endlich die Einsiedler, und sie wählten sich die Portiuncula zum Aufenthalt Von allen Biographen erwähnt., die fortan ihre eigentliche Heimat wurde, da Franz sie vor allem liebte und hochhielt. Gerne überließen ihnen die Benediktiner vom Berge Subasio die Kirche, in deren Umgebung sich bald elende Zellen von Holz erhoben Vgl. unten die Besprechung der ältesten Franziskaner-Niederlassungen..

Von diesem Zeitpunkte an werden die Nachrichten über die äußeren Lebensereignisse des Franz sehr dürftig. Anstatt ihn auf seinen Wanderungen zu begleiten, vertiefen sich die Biographen in eine Schilderung seiner Tugenden und der wunderwirkenden Kraft seines Gebetes.

Es geht aus allem hervor, daß die folgenden zehn Jahre, in denen der Orden eine überraschende Verbreitung erhielt, von Franz benutzt wurden, predigend durch das ganze Land zu wandern. Wenn Matthäus Paris besonders von seiner Tätigkeit in Rom zu erzählen weiß, so lehren doch viele Stellen der Legenden, daß er sich nicht auf das mittlere Italien beschränkte, sondern ebensowohl den Norden wie den Süden durchzog. Von einer Reise nach Frankreich soll ihn der Bischof von Ostia mit dem Hinweise auf die ernsten Pflichten, die er daheim habe, abgehalten haben Th. I Leg. IX, S. 704.. In verschiedenen Zwischenräumen ist er dann immer wieder nach dem Ausgangspunkt seiner Tätigkeit, der Portiuncula, zurückgekehrt, von neuen Anhängern begleitet. Unmerklich nahm die apostolische Predigergenossenschaft mehr und mehr den Charakter einer Ordensgemeinschaft an. Die wachsende Zahl der Mitglieder dieser Gemeinde verlangte von selbst die eingehendere Feststellung einer ihnen gemeinsamen Regel, wie die Feststellung bestimmter Tage im Jahre, an denen die weit Verstreuten sich zusammenfanden, über ihre Tätigkeit Bericht ablegen und in der gegenseitigen Ermahnung und Prüfung eine Befestigung ihres Glaubens und ihrer Überzeugung erlangen durften. Wann Franz zuerst diese zweimal im Jahre wiederkehrenden Kapitel, die bei der Protiuncula abgehalten wurden, festgesetzt habe, ist uns nicht überliefert. Es scheint, daß am Feste des h. Michael nicht alle zu kommen verpflichtet waren, zu Pfingsten aber niemand fernbleiben durfte. Dann gab er denen, die er für würdig und fähig hielt, die Erlaubnis zu predigen und sandte sie in verschiedene Gegenden aus T. s. IV, S. 738 ff.. Die Erfahrung mochte es lehren, daß diese wandernden Prediger mißgünstig von dem Klerus angesehen wurden, in dessen Rechte sie als Fremdlinge einzugreifen schienen. Daher wurde es Franz nicht müde, den Seinen die größte Ehrfurcht vor den Priestern der Kirche einzuprägen und ihnen stets von neuem die Demut zu empfehlen, die allein imstande war, das Vorurteil zu entkräften T. s. IV, S. 738.. Er selbst ging mit dem Beispiele voran. Als einst der Bischof von Imola seine Bitte um die Erlaubnis zu predigen kurz mit den Worten abgefertigt hatte: »Es genügt, Bruder, daß ich meinem Volke predige«, neigte er das Haupt und ging von dannen. Doch bald nachher erscheint er wieder: »Herr, wenn ein Vater seinen Sohn aus der einen Tür vertrieben hat, so soll er durch die andere wieder eintreten.« Worauf der Bischof ihn gerührt in die Arme schließt und seine Bitte gewährt Th. II Leg. III, 85. S. 212. – B. IV, S. 758.. Die Ordensregel, wie sie später von Honorius gebilligt worden, beginnt sich in diesen Zeiten zu entwickeln Bon. erzählt, wie Franz die neue Regel in der Einsamkeit geschrieben, dann dem Elias übergeben habe. Dieser habe sie verloren und Franz durch göttliche Inspiration sie noch einmal in ganz gleicher Weise niedergeschrieben (S. 635). Später heißt es, Elias habe sich gegen die Regel als zu streng gewehrt, Gott selbst aber verkündet, sie sei nach Seinem Willen. Das zeugt von einer Zeit, in der es schon zwei Regeln, eine strengere und eine mildere gab. Vgl. Hase S. 57.

, da sich zwischen den beiden Regeln, wie sie in den Werken des Franz enthalten sind, kein wesentlicher Unterschied zeigt Vgl. auch Lucae Holstenii Codex Regularum monasticarum ed. Brochie T. III p. 22 (Aug. Vind. 1759 f.) und Karl Müller: Die Anfänge des Minoritenordens und der Bußbruderschaften. 1885.. Noch im Jahre 1216 handelt es sich, nach der Aussage des Jacobus von Vitry, um eine primitive Organisation; eine neue beginnt vor 1218 Vgl. die neuesten beweisenden Forschungen von Walter Goetz: »Die ursprünglichen Ideale des h. Franz von Assisi« in Historischer Vierteljahrschrift 1903. S. 19 ff. Im wesentlichen bestätigen dieselben gegenüber Sabatiers und Mandonnets Meinungen meine Auffassung..

Die Regel beginnt damit, daß Franz dem Papst und der römischen Kirche Gehorsam verspricht. Ersterer fügte hinzu, daß die anderen Brüder, welche fratres minores, Minderbrüder, genannt werden, nach dem demütigen Wunsche des Franz, gehalten seien, diesem und seinen Nachfolgern zu gehorchen. Nur die Provinzialminister dürfen Novizen aufnehmen. Wer eintreten will, muß seine Güter verkaufen und den Armen geben. Nach Ablauf des Probejahres, während dessen er sich in den Tugenden, namentlich der Demut, geübt, wird er zum Gelübde zugelassen. Er erhält eine Kutte. Nur wer es notwendig hat, darf Sandalen tragen. Die Hausarbeit wird als Mittel gegen den Müßiggang geboten. Die Gebetsstunden, die Fasten werden festgestellt, die Feier des kirchlichen Gottesdienstes nach der Kirche geregelt. An der Spitze des Ordens steht der Generalminister, dem alle Gehorsam schuldig sind. Unter ihm die Vorsteher der verschiedenen Provinzen, die Provinzialen und Guardiane. Diese haben den Generalminister zu wählen. In einem der Kardinäle der römischen Kirche hat der Orden sich einen Protektor zu erbitten. Alle drei Jahre findet ein Generalkapitel statt, auf dem die Provinzialen zu erscheinen haben. Ein solches kann auch zu anderer Zeit, wenn es geboten dünkt, vom General berufen werden. Die Brüder sollen den Bischöfen gegenüber demütige Unterwerfung zeigen. Der Mönchsorden hat in strenger Sonderung von dem der Nonnen zu leben. Die drei Hauptregeln aber sind: strikter Gehorsam, Keuschheit und Armut. Darin stimmt der neue Orden mit den älteren überein, nur daß die Armut hier viel weitgehender gefaßt wird: »Die Brüder sollen sich nichts aneignen, weder Haus, noch Feld, noch was es sei, sondern, gleich Pilgern und Fremdlingen in dieser Welt, dem Herrn in Armut und Demut dienend, gehen und Almosen suchen mit Zuversicht und ohne Scham; denn der Herr hat sich arm für uns in dieser Welt gemacht.« Der Gehorsam wird in der strengsten Form geboten. Franz selbst hat jenes verhängnisvolle Beispiel des Gehorsamen ausgesprochen, an das sich später die Jesuiten hielten: »Nimm einen leblosen Körper und setze ihn wohin du willst; du wirst sehen, daß er der Bewegung nicht widerstrebt, nicht murrt über die Lage, nicht verlangt, losgelassen zu werden. Wenn man ihn auf die Cathedra erhebt, so wird er nicht nach oben, sondern nach unten blicken, in Purpur gekleidet, um so bleicher erscheinen. Dies ist der wahrhaft Gehorsame So zuerst bei Th. II Leg. III, 89. S. 218. Danach hat es dann wörtlich Bon. VI, S. 758..« In christlicher Liebe sollen die Vorgesetzten für die Untergebenen sorgen. Nur der General darf den Brüdern die Erlaubnis zur Predigt erteilen, die wohlbedacht, keusch und kurz sein soll. Endlich wird gegenseitige Demut und Liebe, Sorge für die Kranken, Milde mit den Sündern in warmen Worten empfohlen.

Nicht allein aber Jünglinge und Männer waren es, die ihre Familie und ihr Hab und Gut im Stiche ließen, Franz zu folgen, sondern auch Jungfrauen und Frauen. Es geschah im Jahre 1212, daß die Tochter eines vornehmen Mannes in Assisi, Chiara Sciffi, dem Zuge ihres Herzens nicht widerstehend, nach S. Maria degli Angeli kam, wo sie Franz ihre Sehnsucht, sich ganz Gott zu weihen, offenbarte. In der Nacht auf den Palmsonntag, den sie mit den anderen Frauen festlich begangen, verläßt sie das väterliche Haus, entflieht zur Portiuncula, beraubt sich vor dem Altar der Maria der reichen Gewänder und des Schmuckes ihres Haares und wird dann von ihrem Berater in das Benediktinerkloster von S. Paolo bei Bastia gebracht. Nach kurzem Aufenthalte daselbst gesellt sie sich zu den Schwestern von S. Angelo di Panzo auf dem Berge Subasio und erhält 1213 eine eigene Heimat in S. Damiano. Bald folgen ihr die Schwester Agnes und die Mutter Ortolana, und der Orden der Klarissinnen ist begründet Leben der h. Klara, 2. Jahre nach ihrem Tode, wie Cristofani annimmt, vielleicht von Giovanni di Kant geschrieben: Acta SS. Aug. II, p. 755. – Cristofani, Poema. S. XIV f. – Ds. Storie di Assisi I, S. 142 ff.. Die Verbreitung desselben zunächst in Italien, binnen kurzem auch in andern Ländern, wetteifert mit dem der Minoriten.

Ungewiß bleibt es noch immer, wann Franz die dritte Institution, die Gemeinde der Brüder und Schwestern der Buße, die später allgemein die Tertiarier genannt wurden, ins Leben gerufen. Mit Müller müssen wir annehmen, daß dies nicht vor 1220 geschehen ist. Am 12. Dezember 1221 erhält sie ihre Billigung von Honorius Acta SS. Okt. II, S. 633. – Bonghi S. 79. – Karl Müller: Die Anfänge des Minoritenordens. Vgl. auch Götz: Die ursprünglichen Ideale des h. Franz von Assisi. – Die Regel: Francisci opera II.. Es war ein Ding der Unmöglichkeit, alle die Männer und Frauen, welche, hingerissen von der Predigt des Mönchs, diesem zu folgen entschlossen waren, in den eigentlichen Orden aufzunehmen, und doch verlangte die Menge, an den Gnadengütern desselben teilhaben zu dürfen. So blieb nichts übrig, als eine Gemeinschaft innerhalb der weltlichen Gesellschaft der Laien zu gründen, die durch gewisse Pflichten einer strengeren Religionsübung allein verbunden war. Der Gedanke war an sich nicht neu. Schon zu Norberts von Xanten Lebzeiten, in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts, hatte sich dem Prämonstratenserorden eine ähnliche Laienverbindung angeschlossen Hurter, Gesch. Innoc. IV, S. 146., die sich seinerseits wohl Dominikus, unabhängig von Franz, zum Vorbild nahm, da er die Gemeinschaft seiner später gleichfalls ›fratres de poenitentia‹ genannten Laienbrüder stiftete. Der volkstümliche Charakter des Franziskanertumes tritt nirgends so deutlich hervor, als in dieser Institution, die bald eine ungeahnte Bedeutung in Italien gewann, nicht allein für die Popularität der Minoriten, sondern ebensowohl für die lebendige Kenntnis der Bibel, für eine Ausgleichung der Stände und eine Milderung der kriegerischen Neigungen. Eine gemeinsame Tracht war nicht geboten, doch behielten viele auch in der Folgezeit ein schlichtes graues Gewand oder wenigstens den Strick unter der weltlichen Kleidung, die möglichst einfach sein sollte, bei. Ein jeder durfte im Besitze weltlicher Güter, in seiner bürgerlichen Stellung bleiben, nur ward er verpflichtet, ungerecht erworbenes Gut herauszugeben, mit seinem Nächsten sich zu versöhnen und getreulich die Gebote Christi zu erfüllen. Sie mußten sich häufigerem Fasten unterziehen, bestimmte Gebetsstunden einhalten, täglich eine Messe hören, von weltlichen Vergnügungen, wie Gelagen, Schauspielen und Tänzen, sich fernhalten. Christliche Liebe sollte der Inhalt aller ihrer Gefühle und Gedanken sein. Streitigkeiten wurden von Ordensleuten oder von Bischöfen geschlichtet. Waffen zu tragen war nur ausnahmsweise erlaubt, der häufige Besuch der Kranken, Wohltätigkeit im weitesten Sinne geboten.

Welche Ausdehnung auch dieser Stand der Tertiarier gewonnen, verkündet mit klagenden Worten ein Brief, der unter denen des Petrus de Vinea veröffentlicht ist und in dem es heißt: es gibt kaum einen, der nicht entweder der Laiengemeinde des Franziskus oder Dominikus angehörte Epistolarum Petri de Vineis libri VI, Basileae 1566, lib. I, cap. XXXVII. S. 233. Vgl. Hase S. 69: ein Brief des bischöflichen Klerus, nicht des Petrus selbst.! Mag dies stark übertrieben sein, so bleibt es nichtsdestoweniger erweislich, daß binnen kurzem Könige und Fürsten, wie die große Menge des Bürgerstandes, sich mit dem Stricke umgürtet haben und damit die strengen Schranken zwischen dem Mönchtume und den Laien fielen. Ersteres hatte fortan eine versteckte Macht hinter sich, wie vergleichsweise das moderne stehende Heer eine in den Waffen geschulte Volksmasse.

Aus der Bedeutung, welche in kurzer Zeit der Minoritenorden gewonnen hatte, allein schon wäre es zu schließen, daß Franz früher als 1223, in welchem Jahre Honorius III. seine Regel bestätigte, von neuem um Rat und Maßregeln sich an den päpstlichen Stuhl gewendet. Verschiedenes weist darauf hin, daß er es im Jahre 1216 tat. Da er von Innocenz nur eine mündliche Approbation erhalten, ist es sehr wahrscheinlich, daß er dem neuen Papste kurz nach dessen Antritt wiederum sich und seine Gemeinde empfahl, und zwar zu einer Zeit, in der das Lateranensische Konzil tagte, das in einer seiner Sitzungen aussprach: es dürfen keine neuen Orden mehr gegründet werden! Was er erreicht, weiß man nicht – vermutlich eine erneute mündliche Approbation, da 1219 in einem Schreiben Honorius sich der Minoriten annimmt. Offenbar konnte der Papst angesichts jenes Paragraphen des Konzils nichts Weiteres tun und verschob die förmliche Bestätigung der Regel auf spätere Zeit. Damals zuerst scheint Franz in dem Kardinal Hugo von Ostia, dem späteren Gregor IX., einen Freund gewonnen zu haben, da ihn derselbe nach der I. Legende vor den Papst geführt. Die Rede, die Franz bei dieser Gelegenheit hielt, machte den tiefsten Eindruck auf die gesamte erlauchte Versammlung Bis auf Hase und noch länger hielt man daran fest, 1216 sei die Regel approbiert worden. Dem widerspricht der Wortlaut der Regel von 1223. – Von einer Predigt, die Franz vor Honorius gehalten und von der Befreundung mit Kardinal Hugo erzählt die I. Leg. IX, 703. Die II. Leg. 1, 17 S. 42 hat die päpstliche Bestätigung des Hugo als Protektors des Ordens. Die T. s. IV, S. 739 erzählen dasselbe ziemlich wirr, so daß eine chronologische Reihenfolge nicht herauszufinden. Nach ihnen müßte man die Anordnung eines Protektorats über den Orden schon vor 1219 annehmen, nämlich vor der ersten Aussendung der Minister ins Ausland. Doch scheint es erst 1221 bestimmt worden zu sein, worüber unten mehr. Dagegen scheint es natürlich, die Erzählung der I. Leg., die B. dann wiederholt, auf dieses erste Erscheinen des Franz vor Honorius, das ich für durchaus wahrscheinlich halte, zu beziehen..

Es war wohl auch in jenem Jahre, daß sich Dominikus und Franz in Rom sahen. Ersterer war dahin gekommen, die Bestätigung seiner Regel zu erhalten, die ihm am Tage vor Weihnachten in einer Bulle gewährt wurde. Wenn Hase sich gegen ein persönliches Zusammentreffen der beiden Männer ausgesprochen hat, so wird er durch die II. Legende widerlegt, die höchst sachlich und glaubhaft davon berichtet. Die spätere Sage im Liber Conformitatum und Speculum schmückt dann nur legendarisch das Faktum aus. Thomas erzählt, wie beide beim Bischof von Ostia waren, der ihnen den Vorschlag machte, sie sollten doch ihren Brüdern gestatten, geistliche Würden anzunehmen, um so erfolgreicher wirken zu können. Da entsteht ein Wettstreit der Demut zwischen ihnen, wer darauf antworten solle. Endlich tut es Dominikus und weist das Anerbieten zurück, Franziskus folgt seinem Beispiel: »Herr, meine Brüder sind die Kleinen genannt, damit sie nicht sich herausnehmen, Große zu werden.« Als sie darauf voneinander Abschied nehmen müssen, bittet Dominikus Franz um seinen Strick, den dieser nach langem Widerstreben ihm gibt. Dann reichen sie sich die Hände, einer dem anderen sich hold empfehlend, und Dominikus sagt: »Ich wollte, Bruder Franz, dein und mein Orden würden einer und wir lebten nach gleicher Regel in der Kirche!« Später aber äußert er anderen gegenüber: »In Wahrheit sage ich euch, daß diesem h. Manne Franziskus alle übrigen Mönche folgen sollten, so groß ist die Vollkommenheit seiner Heiligkeit.« Daß diese erhebende Begegnung der zwei in ihrer Wirksamkeit gleich eingreifenden, in ihrem Wesen so verschiedenen Männer wirklich stattgefunden, scheint mir durchaus glaubhaft, wie denn auch erst nach diesem Jahre in des Dominikus Verordnungen die apostolische Armut ihren Platz gefunden zu haben scheint Jordanus vita S. Dominici (Acta SS. Aug. I, p. 554) sagt vom 1. Generalkapitel zu Bologna 1220: Tunc ordinatum est ne possessiones vel reditus de caetero tenerent fratres nostri, sed et iis renuntiarent, quos habuerant in partibus Tholosanis. Es ist lange ein Streit darüber geführt worden zwischen Dominikanern und Franziskanern. Erstere behaupten, daß diese Verfügung nur eine Bestätigung einer älteren sei – bringen dafür aber keine ausschlaggebenden Gründe. Für unsere Ansicht spricht es, daß Honorius noch in seiner Bulle von 1216 dem Orden »alle gegenwärtigen und zukünftigen Besitzungen« bestätigt.. War auch der Spanier zu ähnlichen Anschauungen, wie Franz sie hatte, durch seine Tätigkeit als Bekehrungsprediger der Albigenser gekommen, so hatte er doch mit seinen Jüngern die Chorregel der Augustiner annehmen müssen, während Franz, jeder Tradition ledig, von Anfang an die absolute Besitzlosigkeit zur Regel gemacht hatte. So war bei dem Zusammentreffen in Rom Dominikus der Empfangende, Franziskus der Gebende.

Möglicherweise hat sich das Anliegen, das Franz dem neuen Papste vorzutragen hatte, auf die Erlaubnis bezogen, Prediger, die ihm geeignet schienen, auf dem von nun an wahrscheinlich regelmäßig gehaltenen Generalkapitel zu Pfingsten zur Mission im Auslande zu bestimmen. Er nannte sie ministri. Zum ersten Male, so weit wir unterrichtet sind, scheint es 1218 geschehen zu sein, daß ein solcher, nämlich Elias, in den Orient gesandt ward Giordano di Giano a. a. O. 96. Voigt meint 1218, was auch sehr wahrscheinlich.. Auf dem Kapitel 1219 werden dann Brüder nach Italien sowohl als Deutschland, Ungarn und in andere Länder geschickt T. s. IV, S. 739: 11 Jahre nach Beginn des Ordens. – Giordano a. a. O. p. 517., mit einem Geleitschreiben des Papstes, in dem sie den Prälaten empfohlen wurden Datiert 11. Juni 1219. Wadding Ann. I p. 301. Chavin: storia di S. F. S. 155 verlegt auch zwei an sich bedenkliche angebliche Briefe des Franz in diese Zeit. Dagegen hat sich schon Bonghi mit gewichtigen Gründen gewehrt. S. 80. A. 89.. Vielleicht schon früher waren fünf Brüder nach Spanien und von da nach Marokko gewandert, wo sie den Märtyrertod erlitten hatten. Die Kunde davon mag Franz selbst den Wunsch eingegeben haben, nach Spanien zu gehen. Thomas in der I. Legende berichtet, daß er schon aufgebrochen war, aber durch eine Krankheit zurückgehalten wurde, woraus dann Bonaventura mit leichter Wortverschiebung macht, er sei bis nach Spanien gekommen. Wadding und fast alle folgenden Schriftsteller, ausgenommen Bonghi, haben darauf fortgebaut, ohne daß irgendeine andere Quelle es verbürgte Th. I cap. VII, S. 699: bonus deus – cum jam ivisset versus Hispaniam in faciem restitit et ne ultra procederet, aegritudine intentata eum a coepto itinere revocavit. – Bon. IX, S. 767, der sich zum Teil wörtlich an den Bericht des Thomas schließt: cum jam usque in Hispaniam perrexisset etc. So entsteht Geschichte..

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7. Bildnis des Franciscus.
Tafelgemälde aus dem 13. Jahrhundert.
Assisi, S. Maria degli Angeli.
(Gemalt angeblich auf das Brett, das ihm als Ruhestätte diente; dem Cimabue zugeschrieben.)

Sollte aber Franz auch das Martyrium, nach dem er ein glühendes Verlangen trug, versagt bleiben, so war es ihm doch vergönnt, unter den Heiden das Evangelium zu predigen. Schon im Jahre 1212 hatte er sich eingeschifft, um nach Syrien überzusetzen, ward aber von widrigen Winden an die dalmatinische Küste verschlagen, wo er froh sein mußte, ein Schiff zu finden, das ihn nach Ancona zurückbrachte Th. I, cap. VII, S. 699 sagt: sexto anno conversionis suae, was soviel heißt als 1212, da in der I. Leg. die conversio ins Jahr 1206 verlegt wird. S. oben. – Danach B. a. a. O. An beiden Orten die Erzählung von den die Mannschaft rettenden Nahrungsmitteln, die ein unbekannter Mann Franz mitgegeben.. Die Vermutung scheint mir sehr nahe zu liegen, daß Franz zu diesem Schritte durch die Kunde von dem Kreuzzuge der Kinder, der in jenem Jahre stattfand, bewogen wurde. Ein Teil derselben, die von Deutschland gekommenen, hatten am 26. August von Genua aus die sinnlose, beschwerliche Reise nach Brindisi fortgesetzt und höchst wahrscheinlicherweise den Weg durch das Spoletaner Tal genommen. Da mag Franz diese unglückseligen Opfer eines ruchlosen Fanatismus gesehen und, wie Innocenz, sich gesagt haben: »Diese Kinder machen uns zuschanden; indes wir schlafen, ziehen sie munter aus, das heilige Land zu gewinnen Über den Kreuzzug vgl. Hurter: Gesch. Innoc. II, S. 483 ff.!« Mit bloßen Gefühlen aber war es bei Franz nicht getan, und so hatte er sich selbst, der Kinder eines, zur heiligen Pilgerschaft aufgemacht.

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8. Franciscus.
Terracotta von einem unbekannten Meister des 14. Jahrhunderts.
Siena, Akademie.

Endlich bald nach Pfingsten sollte ihm sein Herzenswunsch erfüllt werden. Zu jener Zeit lag ein Kreuzfahrerheer bei Damiette unter der Führung des Königs Johann von Brienne und Leopolds von Österreich. Andreas von Ungarn, welcher der eigentliche Vorkämpfer gewesen, war in die Heimat zurückgekehrt, während die beiden anderen nach Ägypten zogen. Anfangs waren sie glücklich gewesen und am 5. November 1219 in den Besitz Damiettes gelangt, dann hatten die Gegner große Vorteile über sie errungen, so daß später im Frieden vom 18. August 1221 alle Eroberungen, auch Damiette, wieder verlorengingen und sie unverrichteter Dinge heimkehren mußten. Begleitet von einem Genossen, nach Giordano Pietro Cattaneo, nach Bonaventura Illuminatus, erschien Franziskus bei dem Kreuzheere und machte sich unverweilt zu dem Sultan Alkamil, der seinem 1218 gestorbenen Vater Aladil gefolgt war, auf. Der Landessprache unkundig, ward er, wie seine Minister in Deutschland und Ungarn, mißhandelt. Doch kam er, beständig: Sultan, Sultan! rufend, zu dem Fürsten, der, von milder Gemütsart wie Aladil, ihn ehrenvoll aufnahm und ihn gerne hörte. Bald jedoch mochte Franz die Zwecklosigkeit seiner Bemühungen einsehen und verließ, in der Hoffnung, das Martyrium zu erleiden, getäuscht, den mohammedanischen Hof und bald darauf Ägypten So wird das Ereignis übereinstimmend von den wichtigsten Quellen dargestellt: Th. I Leg. VII, S. 699. – Giordano a. a. O. S. 520. – Jacobus de Vitriaco, der selbst in Ägypten war: Historia Occidentalis cap. 38 (in den Acta SS. S. 618). – Anonymer Fortsetzer der Historia Tyrii (zwischen 1275 und 95 schreibend) in den Acta SS. S. 613.. Ehe er geschieden, soll er nach der II. Legende des Thomas warnend den Christen ihre Niederlage, die 1221 stattfand, vorausgesagt haben Th. II Leg. II, 2 S. 50.. Es war kaum anders denkbar, als daß sich die Phantasie der Franziskaner bald das Zusammentreffen ihres Vaters mit dem grausamen Sultan in ihrer Weise ausschmückte. Klingt des Bonaventura Erzählung von der Feuerprobe, die Franz zu bestehen sich angeboten, noch wohl glaublich, so bringt der Liber Conformitatum und das Speculum reine Erdichtungen Als solche schon von Suysken nachgewiesen. – Vgl. auch Hase S. 78.. Danach erhält er die Erlaubnis, im Lande zu predigen, und der Sultan selbst, im Herzen schon bekehrt, empfängt auf dem Sterbebette von zwei Franziskanern die Taufe. Aus jener Feuerprobe aber ist die Legende von dem Flammenlager entstanden, auf das er ein Weib, das ihn verführen will, auffordert, ihm zu folgen.

Seine baldige Heimkehr nach Italien scheint, wie zuerst Voigt nach Giordanos Bericht erwies, durch Unruhen im Orden veranlaßt worden zu sein. Die ersten Streitigkeiten hatten sich sofort erhoben, als das Haupt fehlte. Zwei Vikare hatte Franz vor seiner Abreise bestellt. Der eine, Matthäus von Narni, sollte die neuen Brüder in Assisi aufnehmen, der andere, Gregorius von Neapel, zur Inspektion in Italien umherreisen. Ersterer benutzte seine Stellung, strengeres Fasten einzuführen, ein Frate Filippo wußte sich zugunsten der Clarissinnen ein Breve vom Papst zu verschaffen – was aber das Gefährlichste war, Johannes de Capella, der in späterer Zeit wohl in Erinnerung an diese Vorgänge meist als Judas unter den Jüngern des Franz aufgefaßt wurde und sich nach Giordano, wie jener, erdrosselt haben soll, hatte sich vom Orden abgesondert, Aussätzige um sich gesammelt und vom Papste eine Bestätigung erbeten Voigt sieht in ihm denselben Johannes, der nach Salimbene p. 110 eine Congregatio heremitarum machte und identifiziert ihn zugleich mit einem Johannes, der nach Wadding 1219 an der Kurie intrigierte, um eine Milderung in der Regel zu erlangen.. Es muß ein schwerer Schlag für Franz gewesen sein, solche Nachrichten zu empfangen – gewaltsam wurde er aus seinem Himmel, in dem nur Liebe und Eintracht herrschte, in die wirkliche Welt der Zwiste herabgerissen. Mit Pietro, sowie Elias und Cesarius von Speier, den Elias im Oriente für den Orden gewonnen, kehrte er bekümmerten Herzens heim und ging, wie es scheint, direkt nach Rom, wo er sich von Honorius die Bestätigung des Kardinals Hugo von Ostia als Protektor des Ordens erbat So nahmen es Voigt und Bonghi an, und es hat durchaus die innere Wahrscheinlichkeit für sich, daß dies erst jetzt geschah.. Johannes de Capella wurde vom Papst abgewiesen und jenes dem Fra Filippo erteilte Breve widerrufen Giordano 12. 13..

Dann fand zu Pfingsten des Jahres 1221 ein großes Kapitel statt, von dem uns Giordano als Augenzeuge berichtet. Gegen 3000 Menschen erschienen zu demselben und lagerten auf der bloßen Erde in der Umgebung der Portiuncula. Die Bevölkerung versorgte sie überreichlich mit Nahrungsmitteln. Der ungewohnte Anblick solchen waffenlosen Lagers, in dem man nichts als Gebete hörte, lockte die Vornehmsten der Gegend sowie die Mitglieder des päpstlichen Hofes, der sich damals in Perugia aufhielt, herbei. Auf dieser Versammlung entschlossen sich von neuem viele, nach Deutschland zu ziehen, als ihr Minister ward Cesarius von Speier erwählt, ihrer einer war Giordano. Zu gleicher Zeit wäre Franz, so heißt es Th. II Leg. III, 81. S. 206., von seiner Stellung als General des Ordens zurückgetreten und hätte Pietro di Cataneo gewählt, doch ist dies irrig. Cataneo ist schon im März 1221 gestorben. So blieb Franz wohl an der Spitze der Gemeinschaft, und erst 1224 folgte ihm Elias. Wir erfahren von Giordano, daß Franz selbst sich so krank und schwach fühlte, daß er Elias an seiner Stelle das Wort führen ließ. Es war wohl nicht körperliches Leiden allein, das ihn quälte, er fühlte sich auch geistig niedergeschlagen und müde. Zu viele bittere Erfahrungen mögen es ihm klargemacht haben, daß er von Unmöglichem geträumt hatte: von der selbstlosen Eintracht einer großen Genossenschaft, daß er die Menschen falsch beurteilt, weil er sich selbst, den Ausnahmsmenschen, zum Maßstab genommen. Die Hoffnungsfreudigkeit seiner Lebensanschauungen war erschüttert. In bitteren Stunden muß ihm sein Lebenszweck verfehlt erschienen sein Ich schließe dies mit Bonghi aus einer in den Opera erhaltenen meditazione, in der Franz sich entschuldigt, daß er sich den Pflichten eines Ministers und mit ihnen der trüben Aufgabe, die sündigen Brüder zu strafen, entzogen habe. – Alle von Sabatier und Mandonnet aufgestellten Behauptungen von einem Konflikt des Franz mit der Kurie sind zurückzuweisen. Ich darf, ohne auf diese Frage überhaupt einzugehen, auf die Übereinstimmung der Ausführungen von Walter Götz (a. a. O.) mit meiner Darlegung verweisen.. Von einer solchen Enttäuschung, die sich in seinem Testament ausspricht, konnte sich eine Natur, wie die des Franz, die nur im Sonnenschein des Friedens sich zu entfalten und zu leben vermochte, wohl nie wieder ganz erholen. Fortan zieht er sich immer mehr auf sich selbst und auf Gott zurück und vollendet, worin er einzig den Frieden wiedererlangen mochte, die höchste, reine Ausbildung seines eigenen inneren Menschen. So liebevoll er auch für den Orden noch bemüht ist, überläßt er dessen Leitung doch anderen Händen, verschafft demselben aber selbst noch die erste Bedingung einer ferneren gedeihlichen Entwicklung, die förmliche Bestätigung der Regel durch den Papst. Sie ward ihm in einer Bulle vom 30. Januar 1223 zuteil. Honorius selbst bezeichnete diese erste schriftliche Approbation bloß als eine Bestätigung der Approbation seines Vorgängers und vermied so den Vorwurf, gegen die Bestimmungen des Laterankonzils einen neuen Orden ins Leben gerufen zu haben. Der Orden der Minoriten hatte seine rechtliche Stellung neben dem Benediktinerorden und dessen zahlreichen Abzweigungen erhalten.


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