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61. Kapitel / Chapter 61

In dem zwei Lichter ausgelöscht werden / In Which Two Lights are Put Out

Es kam ein Tag, an dem die Reihe züchtiger Vergnügungen und feierlicher Lustbarkeiten in Mr. Joseph Sedleys Familie durch ein Ereignis unterbrochen wurde, das sich in den meisten Häusern zuträgt. Wenn du in deinem Hause vom Salon in das Stockwerk hinaufsteigst, wo sich die Schlafzimmer befinden, so hast du vielleicht schon gerade vor dir in der Mauer ein kleines Bogenfenster erblickt, das einmal die Treppe zum zweiten Stock erhellt (wo die Kinderzimmer und Dienerräume sind), aber noch einen anderen Zweck erfüllt, den dir die Leute des Leichenbestatters erklären können. Sie setzen nämlich den Sarg in diesem Bogenfenster ab oder schieben ihn durch, damit sie den in dem schwarzen Behältnis schlummernden kalten Bewohner nicht auf unziemliche Weise stören.

 

There came a day when the round of decorous pleasures and solemn gaieties in which Mr. Jos Sedley’s family indulged was interrupted by an event which happens in most houses. As you ascend the staircase of your house from the drawing towards the bedroom floors, you may have remarked a little arch in the wall right before you, which at once gives light to the stair which leads from the second story to the third (where the nursery and servants’ chambers commonly are) and serves for another purpose of utility, of which the undertaker’s men can give you a notion. They rest the coffins upon that arch, or pass them through it so as not to disturb in any unseemly manner the cold tenant slumbering within the black ark.

Dieses Bogenfenster im ersten Stock eines Londoner Hauses beherrscht das Treppenhaus, die Hauptverkehrsader, auf der die Hausbewohner sich bewegen. Vor Tagesanbruch schleicht die Köchin hinab, um ihre Töpfe und Pfannen in der Küche zu scheuern. Der junge Herr steigt leise hinauf, nachdem er die Stiefel in der Halle gelassen hat, wenn er nach einer fröhlichen Nacht im Klub nach Tagesanbruch heimgekommen ist. Das junge Mädchen rauscht hinunter, glänzend und schön, mit frischen Atlasbändern und gestärktem Musselin, bereit, auf dem Ball Eroberungen zu machen, oder Master Tommy rutscht das Geländer hinunter, voller Verachtung für Stufen und Gefahr. Auf seinen starken Armen trägt der Ehemann liebevoll die lächelnde junge Mutter hinab, Stufe für Stufe, gefolgt von der Pflegerin, wenn der Tag gekommen ist, an dem der Arzt der bezaubernden Patientin erlaubt hat, wieder unten zu sein. John schlurft gähnend, das tropfende Talglicht in der Hand, hinauf, um zu Bett zu gehen, und bereits vor Sonnenaufgang wieder sammelt er die Stiefel ein, die ihn im Flur erwarten. Das ist die Treppe, über die man Säuglinge trägt, alte Leute führt, Gäste zum Ball geleitet, über die der Pfarrer zur Taufe, der Doktor ins Krankenzimmer und die Leute des Leichenbestatters ins obere Stockwerk gehen – was für ein Mahnzeichen des Lebens, des Todes und der Eitelkeit ist dieses Bogenfenster und die Treppe –, wenn du dich entschließt, sie zu betrachten, auf dem Podest sitzt und deine Blicke auf und nieder durch das Treppenhaus schweifen läßt. Auch uns wird der Arzt dort zum letzten Male besuchen, mein Freund im Narrenkleid, und die Pflegerin wird durch die Bettvorhänge blicken, und du wirst nichts bemerken. Dann wird sie ein wenig die Fenster öffnen, um frische Luft hereinzulassen. Nun wird man alle Fenstervorhänge auf der Straßenseite herablassen und in den hinteren Räumen wohnen, schließlich wird man die Rechtsanwälte und andere Leute in Schwarz herbeiholen und so weiter. Deine und meine Komödie ist dann ausgespielt, wir werden weit, weit weggetragen werden von den Trompetenstößen und dem Geschrei und den akrobatischen Kunststücken des Lebens. Sind wir vornehm, so wird man Leichenwappen über unserer letzten Wohnung aufhängen mit vergoldetem Cherubim und Mottos, die besagen, daß »Friede im Himmel« sei. Dein Sohn wird das Haus neu einrichten oder es vielleicht vermieten und in ein moderneres Viertel ziehen; dein Name wird im nächsten Jahr in der Klubliste unter »Todesfälle« aufgeführt sein. Wie sehr man dich auch beklagen mag, so wird doch deine Witwe darauf achten, daß ihre Trauerkleider hübsch aussehen. Die Köchin wird heraufschicken oder selbst kommen, um wegen des Essens zu fragen. Die Überlebenden werden den Anblick deines Bildes über dem Kaminsims bald ertragen können, und nach kurzer Zeit verschwindet dieses von seinem Ehrenplatz, und an seine Stelle tritt das des regierenden Sohnes.

 

That second-floor arch in a London house, looking up and down the well of the staircase and commanding the main thoroughfare by which the inhabitants are passing; by which cook lurks down before daylight to scour her pots and pans in the kitchen; by which young master stealthily ascends, having left his boots in the hall, and let himself in after dawn from a jolly night at the Club; down which miss comes rustling in fresh ribbons and spreading muslins, brilliant and beautiful, and prepared for conquest and the ball; or Master Tommy slides, preferring the banisters for a mode of conveyance, and disdaining danger and the stair; down which the mother is fondly carried smiling in her strong husband’s arms, as he steps steadily step by step, and followed by the monthly nurse, on the day when the medical man has pronounced that the charming patient may go downstairs; up which John lurks to bed, yawning, with a sputtering tallow candle, and to gather up before sunrise the boots which are awaiting him in the passages — that stair, up or down which babies are carried, old people are helped, guests are marshalled to the ball, the parson walks to the christening, the doctor to the sick-room, and the undertaker’s men to the upper floor — what a memento of Life, Death, and Vanity it is — that arch and stair — if you choose to consider it, and sit on the landing, looking up and down the well! The doctor will come up to us too for the last time there, my friend in motley. The nurse will look in at the curtains, and you take no notice — and then she will fling open the windows for a little and let in the air. Then they will pull down all the front blinds of the house and live in the back rooms — then they will send for the lawyer and other men in black, &c. Your comedy and mine will have been played then, and we shall be removed, oh, how far, from the trumpets, and the shouting, and the posture-making. If we are gentlefolks they will put hatchments over our late domicile, with gilt cherubim, and mottoes stating that there is “Quiet in Heaven.” Your son will new furnish the house, or perhaps let it, and go into a more modern quarter; your name will be among the “Members Deceased” in the lists of your clubs next year. However much you may be mourned, your widow will like to have her weeds neatly made — the cook will send or come up to ask about dinner — the survivor will soon bear to look at your picture over the mantelpiece, which will presently be deposed from the place of honour, to make way for the portrait of the son who reigns.

Welche Toten werden am zärtlichsten und leidenschaftlichsten betrauert? Ich glaube, diejenigen, von denen die Überlebenden am wenigsten geliebt wurden. Der Tod eines Kindes verursacht großen Kummer und Tränenfluten, wie sie dein Ende, lieber Leser, nie hervorrufen wird. Der Tod eines Kindes, das dich kaum gekannt hat, das dich nach einer achttägigen Abwesenheit vergessen haben würde, wirft dich mehr nieder als der Verlust deines besten Freundes oder deines ältesten Sohnes – eines Erwachsenen wie du, mit eigenen Kindern. Wir können rauh und streng gegen Juda und Simeon sein  – unsere Liebe und unser Mitleid wird stets dem kleinen Benjamin gelten. Und wenn du alt bist, wie mancher Leser es sein mag oder werden wird – alt und reich oder alt und arm –, so wirst du wohl eines Tages bei dir denken: Alle um mich her sind gute Menschen, sie werden sich aber nicht zu sehr grämen, wenn ich nicht mehr da bin. Ich bin sehr reich, und sie möchten mich gern beerben  – oder sehr arm, und sie sind es müde, mich zu ernähren.

 

Which of the dead are most tenderly and passionately deplored? Those who love the survivors the least, I believe. The death of a child occasions a passion of grief and frantic tears, such as your end, brother reader, will never inspire. The death of an infant which scarce knew you, which a week’s absence from you would have caused to forget you, will strike you down more than the loss of your closest friend, or your first-born son — a man grown like yourself, with children of his own. We may be harsh and stern with Judah and Simeon — our love and pity gush out for Benjamin, the little one. And if you are old, as some reader of this may be or shall be old and rich, or old and poor — you may one day be thinking for yourself — "These people are very good round about me, but they won’t grieve too much when I am gone. I am very rich, and they want my inheritance — or very poor, and they are tired of supporting me.”

Die Trauerzeit für Mrs. Sedley war kaum vorüber, und Joseph hatte kaum Gelegenheit gefunden, seine schwarze Kleidung abzulegen und in den glänzenden Westen zu erscheinen, die er so liebte, als es Mr. Sedleys Umgebung klar wurde, daß ein anderes Ereignis bevorstand und der alte Mann im Begriff stand, seine Frau in dem finsteren Land, wohin sie vorausgegangen war, aufzusuchen. »Der Gesundheitszustand meines Vaters«, bemerkte Joseph Sedley feierlich im Klub, »hindert mich daran, in dieser Saison meine großen Gesellschaften zu geben; wenn Sie aber um halb sieben ganz still kommen wollen, Chutney, mein Junge, zu einem einfachen Mahl mit einigen von der alten Garde – so werde ich mich stets freuen, Sie zu begrüßen.« So aßen Joseph und seine Bekannten und tranken ihren Rotwein in aller Stille, während im oberen Stockwerk der Sand des Lebens im Stundenglas des alten Mannes verrann. Der Butler in Samtschuhen brachte ihnen leise den Wein, und sie setzten sich nach dem Essen zu einer Partie Whist nieder, an der auch Major Dobbin zuweilen teilnahm. Hin und wieder kam auch Mrs. Osborne herab, wenn ihr Patient für den Abend versorgt war und in den leichten, unruhigen Schlummer des Alters gesunken war.

 

The period of mourning for Mrs. Sedley’s death was only just concluded, and Jos scarcely had had time to cast off his black and appear in the splendid waistcoats which he loved, when it became evident to those about Mr. Sedley that another event was at hand, and that the old man was about to go seek for his wife in the dark land whither she had preceded him. “The state of my father’s health,” Jos Sedley solemnly remarked at the Club, “prevents me from giving any large parties this season: but if you will come in quietly at half-past six, Chutney, my boy, and fake a homely dinner with one or two of the old set — I shall be always glad to see you.” So Jos and his acquaintances dined and drank their claret among themselves in silence, whilst the sands of life were running out in the old man’s glass upstairs. The velvet-footed butler brought them their wine, and they composed themselves to a rubber after dinner, at which Major Dobbin would sometimes come and take a hand; and Mrs. Osborne would occasionally descend, when her patient above was settled for the night, and had commenced one of those lightly troubled slumbers which visit the pillow of old age.

Der alte Mann klammerte sich während dieser Krankheit fest an seine Tochter. Aus keiner anderen Hand wollte er seine Brühe und Medizin nehmen. Seine Pflege war fast ihre einzige Beschäftigung; ihr Bett wurde dicht an die Tür zu seinem Zimmer gestellt, und das geringste Geräusch oder die leiseste Unruhe des launischen Kranken machten sie wach. Aber um ihm Gerechtigkeit widerfahren zu lassen – oft lag er manche Stunde schweigend und bewegungslos da, um seine gütige, sorgsame Wärterin nicht aufzuwecken.

 

The old man clung to his daughter during this sickness. He would take his broths and medicines from scarcely any other hand. To tend him became almost the sole business of her life. Her bed was placed close by the door which opened into his chamber, and she was alive at the slightest noise or disturbance from the couch of the querulous invalid. Though, to do him justice, he lay awake many an hour, silent and without stirring, unwilling to awaken his kind and vigilant nurse.

Er liebte seine Tochter jetzt vielleicht zärtlicher als je seit ihrer Kindheit. Bei der Ausübung ihrer freundlichen Dienste und ihrer Kindespflichten strömte dieses einfache Geschöpf einen hellen Glanz aus. Sie kommt so geräuschlos ins Zimmer wie ein Sonnenstrahl, dachte Mr. Dobbin, wenn er sie ins Zimmer ihres Vaters hineingehen und wieder erscheinen sah. Eine heitere Freundlichkeit erhellte ihr Gesicht, wenn sie sanft und leise hin und her wandelte. Wer hat nicht schon diesen süßen engelhaften Ausdruck der Liebe und des Mitleids auf den Gesichtern von Frauen gesehen, die bei ihren Kindern wachen oder im Krankenzimmer zu tun haben?

 

He loved his daughter with more fondness now, perhaps, than ever he had done since the days of her childhood. In the discharge of gentle offices and kind filial duties, this simple creature shone most especially. “She walks into the room as silently as a sunbeam,” Mr. Dobbin thought as he saw her passing in and out from her father’s room, a cheerful sweetness lighting up her face as she moved to and fro, graceful and noiseless. When women are brooding over their children, or busied in a sick-room, who has not seen in their faces those sweet angelic beams of love and pity?

So wurde eine jahrelange, geheime Fehde stillschweigend beigelegt. In diesen letzten Stunden vergaß der alte Mann, gerührt von ihrer Liebe und Güte, all seinen Ärger gegen sie und all das Unrecht, das er manche lange Nacht hindurch mit seiner Frau besprochen hatte: daß sie alles für den Jungen geopfert habe, daß sie sich nicht um ihre alten unglücklichen Eltern kümmere und nur an das Kind denke. Wie albern und unvernünftig, ja eigentlich sündhaft sie sich benommen habe, als man ihr George weggenommen habe. Der alte Sedley vergaß diese Anschuldigungen, als er seine letzte Rechnung machte, und ließ der sanften, klaglosen kleinen Märtyrerin Gerechtigkeit widerfahren. Als sie sich eines Nachts in sein Zimmer stahl und ihn wach fand, legte der alte gebeugte Mann seine Beichte ab. »Ach, Emmy, ich habe eben daran gedacht, daß wir sehr böse und ungerecht gegen dich gewesen sind«, sagte er und hielt ihr seine kalte, kraftlose Hand hin. Sie kniete sich am Bett nieder und betete, und er betete ebenfalls, ohne ihre Hand loszulassen. Mögen wir, lieber Freund, auch solche Gesellschaft bei unseren Gebeten haben, wenn wir an der Reihe sind.

 

A secret feud of some years’ standing was thus healed, and with a tacit reconciliation. In these last hours, and touched by her love and goodness, the old man forgot all his grief against her, and wrongs which he and his wife had many a long night debated: how she had given up everything for her boy; how she was careless of her parents in their old age and misfortune, and only thought of the child; how absurdly and foolishly, impiously indeed, she took on when George was removed from her. Old Sedley forgot these charges as he was making up his last account, and did justice to the gentle and uncomplaining little martyr. One night when she stole into his room, she found him awake, when the broken old man made his confession. “Oh, Emmy, I’ve been thinking we were very unkind and unjust to you,” he said and put out his cold and feeble hand to her. She knelt down and prayed by his bedside, as he did too, having still hold of her hand. When our turn comes, friend, may we have such company in our prayers!

Als er wach im Bett lag, zog wahrscheinlich sein früheres Leben an ihm vorüber – seine frühen, hoffnungsvollen Anstrengungen, seine Erfolge und sein Reichtum im Mannesalter, der spätere Niedergang und sein gegenwärtiger hilfloser Zustand – keine Hoffnung, sich am Schicksal zu rächen, das ihn betrogen hatte – weder einen Namen noch Geld zu hinterlassen – ein vergeudetes, nutzloses Leben voller Niederlagen und Enttäuschungen – und nun das Ende! Welches Los ist wohl das bessere, lieber Leser, reich und berühmt oder arm und enttäuscht zu sterben? Etwas zu besitzen und sich davon trennen zu müssen, oder aus dem Leben zu scheiden, nachdem man das Spiel gespielt und verloren hat? Es muß ein seltsames Gefühl sein, wenn ein Tag in unserem Leben kommt, an dem wir sagen: Morgen werden Erfolg oder Mißerfolg gleichgültig sein. Die Sonne wird aufgehen, und die Myriaden von Menschen eilen ihrer Arbeit oder dem Vergnügen nach, ich aber werde der Plackerei entronnen sein.

 

Perhaps as he was lying awake then, his life may have passed before him — his early hopeful struggles, his manly successes and prosperity, his downfall in his declining years, and his present helpless condition — no chance of revenge against Fortune, which had had the better of him — neither name nor money to bequeath — a spent-out, bootless life of defeat and disappointment, and the end here! Which, I wonder, brother reader, is the better lot, to die prosperous and famous, or poor and disappointed? To have, and to be forced to yield; or to sink out of life, having played and lost the game? That must be a strange feeling, when a day of our life comes and we say, “To-morrow, success or failure won’t matter much, and the sun will rise, and all the myriads of mankind go to their work or their pleasure as usual, but I shall be out of the turmoil.”

So kam dann ein Morgen, an dem die Sonne sich erhob und alle Welt aufstand und an die verschiedenen Arbeiten und Vergnügungen ging, mit Ausnahme des alten John Sedley. Der sollte nicht mehr mit dem Schicksal hadern und nicht mehr hoffen und Pläne schmieden, sondern nur noch einen stillen und unbekannten Aufenthaltsort auf einem Friedhof in Brompton an der Seite seiner alten Frau aufsuchen.

 

So there came one morning and sunrise when all the world got up and set about its various works and pleasures, with the exception of old John Sedley, who was not to fight with fortune, or to hope or scheme any more, but to go and take up a quiet and utterly unknown residence in a churchyard at Brompton by the side of his old wife.

Major Dobbin, Joseph und Georgy folgten in einem schwarz ausgeschlagenen Wagen seiner sterblichen Hülle zum Grabe. Joseph kam extra vom »Stern und Hosenbandorden« in Richmond, wohin er sich nach dem traurigen Ereignis zurückgezogen hatte. Er wollte nicht gern mit dem ... unter diesen Umständen ... im Hause bleiben, Sie verstehen. Emmy dagegen blieb und tat ihre Pflicht wie gewöhnlich. Sie war nicht besonders gramgebeugt und eher ernst als traurig. Sie betete um ein ebenso ruhiges und schmerzloses Ende und dachte voll ehrfurchtsvollen Vertrauens an die Worte, die ihr Vater während seiner Krankheit über seinen Glauben, seine Ergebung und seine Hoffnungen auf das Jenseits geäußert hatte.

 

Major Dobbin, Jos, and Georgy followed his remains to the grave, in a black cloth coach. Jos came on purpose from the Star and Garter at Richmond, whither he retreated after the deplorable event. He did not care to remain in the house, with the — under the circumstances, you understand. But Emmy stayed and did her duty as usual. She was bowed down by no especial grief, and rather solemn than sorrowful. She prayed that her own end might be as calm and painless, and thought with trust and reverence of the words which she had heard from her father during his illness, indicative of his faith, his resignation, and his future hope.

Ja, nach alledem meine ich, daß dieses Ende das bessere ist. Nehmen wir an, du bist sehr reich und wohlhabend und sagst an diesem letzten Tag: »Ich bin sehr reich, ich bin einigermaßen bekannt, ich habe mein ganzes Leben in der besten Gesellschaft verbracht und komme, dem Himmel sei Dank, aus einer höchst achtbaren Familie. Ich habe meinem König und Vaterland in Ehren gedient. Ich war mehrere Jahre im Parlament, und ich kann wohl sagen, meine Reden fanden aufmerksames Gehör und wurden recht gut aufgenommen. Ich schulde niemandem etwas, im Gegenteil, ich habe meinem alten Universitätsfreund Jack Lazarus fünfzig Pfund geliehen, um die ihn meine Testamentsvollstrecker nicht drängen werden. Ich hinterlasse meinen Töchtern je zehntausend Pfund – eine sehr gute Aussteuer für Mädchen. Ich vererbe mein Silber, mein Mobiliar, mein Haus in der Baker Street und eine hübsche Jahresrente meiner Witwe auf Lebzeit und meinem Sohn meine Landgüter, mein Geld in Staatspapieren und meinen erlesenen Weinkeller in der Baker Street. Ich hinterlasse meinem Kammerdiener zwanzig Pfund jährlich, und ich behaupte, niemand wird nach meinem Tod etwas gegen meinen Charakter sagen können.« Oder nehmen wir an, dein Schwanengesang klingt ganz anders, und du sagst: »Ich bin ein armer, gebeugter, enttäuschter, alter Bursche, und mein ganzes Leben war ein Fehlschlag. Ich war weder mit viel Verstand noch mit großem Vermögen begabt und bekenne, daß ich hundert größere und kleinere Fehler begangen habe. Ich gestehe, daß ich oft pflichtvergessen war. Ich kann meine Schulden nicht bezahlen. Hier liege ich hilflos und demütig auf meinem letzten Lager, bete um Verzeihung für meine Schwächen und werfe mich mit reuigem Herzen der göttlichen Gnade zu Füßen.« Welche von diesen beiden Reden, glaubst du wohl, mag die beste Leichenrede für dich sein? Der alte Sedley hielt die letztere, und in dieser demütigen Stimmung, an die Hand seiner Tochter geklammert, sah er das Leben und seine Eitelkeit unter sich hinwegsinken.

 

Yes, I think that will be the better ending of the two, after all. Suppose you are particularly rich and well-to-do and say on that last day, “I am very rich; I am tolerably well known; I have lived all my life in the best society, and thank Heaven, come of a most respectable family. I have served my King and country with honour. I was in Parliament for several years, where, I may say, my speeches were listened to and pretty well received. I don’t owe any man a shilling: on the contrary, I lent my old college friend, Jack Lazarus, fifty pounds, for which my executors will not press him. I leave my daughters with ten thousand pounds apiece — very good portions for girls; I bequeath my plate and furniture, my house in Baker Street, with a handsome jointure, to my widow for her life; and my landed property, besides money in the funds, and my cellar of well-selected wine in Baker Street, to my son. I leave twenty pound a year to my valet; and I defy any man after I have gone to find anything against my character.” Or suppose, on the other hand, your swan sings quite a different sort of dirge and you say, “I am a poor blighted, disappointed old fellow, and have made an utter failure through life. I was not endowed either with brains or with good fortune, and confess that I have committed a hundred mistakes and blunders. I own to having forgotten my duty many a time. I can’t pay what I owe. On my last bed I lie utterly helpless and humble, and I pray forgiveness for my weakness and throw myself, with a contrite heart, at the feet of the Divine Mercy.” Which of these two speeches, think you, would be the best oration for your own funeral? Old Sedley made the last; and in that humble frame of mind, and holding by the hand of his daughter, life and disappointment and vanity sank away from under him.

»Da siehst du«, sagte der alte Osborne zu George, »was von Verdienst, Fleiß und klugen Spekulationen und so weiter kommt. Sieh mich und mein Bankkonto an! Sieh dann deinen armen Großvater Sedley und sein Versagen an! Und doch war er vor zwanzig Jahren ein besserer Mann als ich – besser, würde ich sagen, um zehntausend Pfund.«

 

“You see,” said old Osborne to George, “what comes of merit, and industry, and judicious speculations, and that. Look at me and my banker’s account. Look at your poor Grandfather Sedley and his failure. And yet he was a better man than I was, this day twenty years — a better man, I should say, by ten thousand pound.”

Außer diesen Menschen und Familie Clapp, die von Brompton zu einem Beileidsbesuch hereinkam, kümmerte sich keine Menschenseele auch nur einen Pfifferling um den alten John Sedley oder erinnerte sich der Existenz eines solchen Mannes.

 

Beyond these people and Mr. Clapp’s family, who came over from Brompton to pay a visit of condolence, not a single soul alive ever cared a penny piece about old John Sedley, or remembered the existence of such a person.

Als der alte Osborne zum erstenmal von seinem Freund Oberst Buckler hörte (wie der kleine Georgy bereits berichtete), was für ein ausgezeichneter Offizier Major Dobbin sei, bezeigte er sehr verächtlich seinen Unglauben und drückte sein Erstaunen aus, daß solch ein Kerl überhaupt Verstand oder Ruf besitzen könnte. Er hörte aber das Lob des Majors von verschiedenen Bekannten. Sir William Dobbin hegte eine hohe Meinung von seinem Sohn und erzählte viele Anekdoten, aus denen man entnehmen konnte, wie gelehrt, tapfer und angesehen der Major war. Schließlich erschien sein Name in der Besucherliste von ein paar großen Gesellschaften des Adels, und dieser Umstand machte einen ungeheuren Eindruck auf den alten Aristokraten vom Russell Square.

 

When old Osborne first heard from his friend Colonel Buckler (as little Georgy had already informed us) how distinguished an officer Major Dobbin was, he exhibited a great deal of scornful incredulity and expressed his surprise how ever such a feller as that should possess either brains or reputation. But he heard of the Major’s fame from various members of his society. Sir William Dobbin had a great opinion of his son and narrated many stories illustrative of the Major’s learning, valour, and estimation in the world’s opinion. Finally, his name appeared in the lists of one or two great parties of the nobility, and this circumstance had a prodigious effect upon the old aristocrat of Russell Square.

Die Stellung des Majors als Vormund von George, dessen Besitz an seinen Großvater übergegangen war, machte einige Zusammenkünfte zwischen den beiden Männern notwendig. Dabei fiel dem alten Osborne, der ein scharfsichtiger Geschäftsmann war, einmal etwas auf, was ihn sehr stutzig machte und ihn zugleich peinigte und erfreute. Als er nämlich die Rechnungsbücher des Majors für sein Mündel und die Mutter des Knaben durchsah, bemerkte er, daß ein Teil des Geldes, von dem die arme Witwe mit ihrem Kind gelebt hatte, aus Dobbins eigener Tasche gekommen war.

 

The Major’s position, as guardian to Georgy, whose possession had been ceded to his grandfather, rendered some meetings between the two gentlemen inevitable; and it was in one of these that old Osborne, a keen man of business, looking into the Major’s accounts with his ward and the boy’s mother, got a hint, which staggered him very much, and at once pained and pleased him, that it was out of William Dobbin’s own pocket that a part of the fund had been supplied upon which the poor widow and the child had subsisted.

Er drängte Dobbin um Aufschluß, und der Major errötete und stotterte sehr, aber legte endlich doch ein volles Bekenntnis ab, denn er konnte ja nicht lügen. »Die Heirat«, sagte er (dabei verfinsterte sich das Gesicht seines Gegenübers), »war hauptsächlich mein Werk. Ich glaubte, mein armer Freund sei so weit gegangen, daß ein Lösen der Verlobung Ehrlosigkeit für ihn bedeutet hatte und für Mrs. Osborne den Tod. Und ich konnte, als sie ganz mittellos zurückblieb, nichts anderes tun, als ihr soviel Geld, wie mir entbehrlich war, zur Unterstützung zu geben.«

 

When pressed upon the point, Dobbin, who could not tell lies, blushed and stammered a good deal and finally confessed. “The marriage,” he said (at which his interlocutor’s face grew dark) “was very much my doing. I thought my poor friend had gone so far that retreat from his engagement would have been dishonour to him and death to Mrs. Osborne, and I could do no less, when she was left without resources, than give what money I could spare to maintain her.”

»Major Dobbin«, sagte Mr. Osborne, blickte ihn fest an und wurde ebenfalls rot, »Sie haben mich tief verletzt, aber erlauben Sie mir, Ihnen zu sagen, daß Sie ein ehrlicher Kerl sind. Hier ist meine Hand; es wäre mir wirklich nie in den Sinn gekommen, daß mein eigen Fleisch und Blut auf Ihre Kosten gelebt hat.« Die beiden schüttelten sich die Hände, und Major Dobbin war sehr verwirrt, daß auf diese Art seine barmherzige Heuchelei entdeckt worden war.

 

“Major D.,” Mr. Osborne said, looking hard at him and turning very red too — "you did me a great injury; but give me leave to tell you, sir, you are an honest feller. There’s my hand, sir, though I little thought that my flesh and blood was living on you — ” and the pair shook hands, with great confusion on Major Dobbin’s part, thus found out in his act of charitable hypocrisy.

Er bemühte sich, den alten Mann zu erweichen und ihn mit dem Andenken seines Sohnes auszusöhnen. »Er war so ein feiner Kerl«, sagte er, »daß wir ihn alle liebten und alles für ihn getan hätten. Ich war damals noch ein junger Mann und war ungeheuer geschmeichelt, daß er mich so vorzog. Ich fand mehr Vergnügen daran, in seiner Gesellschaft gesehen zu werden als in der des Oberkommandierenden. Ich kenne niemanden, der ihm an Mut, Tollkühnheit und anderen guten Soldateneigenschaften gleichkommt.« Und Dobbin erzählte nun dem alten Vater alle Geschichten, an die er sich noch entsinnen konnte, von der Tapferkeit und den Talenten seines Sohnes. »Georgy ist ihm so ähnlich«, fügte der Major hinzu.

 

He strove to soften the old man and reconcile him towards his son’s memory. “He was such a noble fellow,” he said, “that all of us loved him, and would have done anything for him. I, as a young man in those days, was flattered beyond measure by his preference for me, and was more pleased to be seen in his company than in that of the Commander-in-Chief. I never saw his equal for pluck and daring and all the qualities of a soldier”; and Dobbin told the old father as many stories as he could remember regarding the gallantry and achievements of his son. “And Georgy is so like him,” the Major added.

»Er ist ihm so ähnlich, daß ich manchmal zittere«, sagte der Großvater.

 

“He’s so like him that he makes me tremble sometimes,” the grandfather said.

Ein paarmal kam der Major zu Mr. Osborne zum Diner (es war während Mr. Sedleys Krankheit), und als die beiden nach dem Essen beisammensaßen, unterhielten sie sich nur von dem dahingegangenen Helden. Der Vater prahlte nach seiner Gewohnheit mit ihm und verherrlichte sich selbst durch die Erzählung von den Ruhmestaten und der Tapferkeit seines Sohnes. Seine Stimmung in bezug auf den armen Kerl war jetzt jedenfalls besser und liebevoller als bisher, und das christliche Herz des guten Majors freute sich über diese Anzeichen zurückkehrenden Friedens und Wohlwollens. Am zweiten Abend nannte ihn der alte Osborne »William«, gerade wie zu jener Zeit, als Dobbin und George noch als Knaben zusammen gewesen waren, und der ehrliche Major war von diesem Zeichen der Aussöhnung ergriffen.

 

On one or two evenings the Major came to dine with Mr. Osborne (it was during the time of the sickness of Mr. Sedley), and as the two sat together in the evening after dinner, all their talk was about the departed hero. The father boasted about him according to his wont, glorifying himself in recounting his son’s feats and gallantry, but his mood was at any rate better and more charitable than that in which he had been disposed until now to regard the poor fellow; and the Christian heart of the kind Major was pleased at these symptoms of returning peace and good-will. On the second evening old Osborne called Dobbin William, just as he used to do at the time when Dobbin and George were boys together, and the honest gentleman was pleased by that mark of reconciliation.

Als am nächsten Morgen beim Frühstück Miss Osborne mit der Verbissenheit ihres Alters und Charakters sich geringschätzig über Aussehen und Benehmen des Majors zu äußern versuchte, unterbrach sie der Herr des Hauses: »Du wärst recht froh gewesen, wenn du ihn für dich bekommen hättest, Miss O.; aber diese Trauben sind zu sauer. Haha! Major William ist ein feiner Kerl.«

 

On the next day at breakfast, when Miss Osborne, with the asperity of her age and character, ventured to make some remark reflecting slightingly upon the Major’s appearance or behaviour — the master of the house interrupted her. “You’d have been glad enough to git him for yourself, Miss O. But them grapes are sour. Ha! ha! Major William is a fine feller.”

»Das stimmt, Großpapa«, sagte Georgy beifällig, trat dicht an den alten Herrn heran, faßte ihn, gutmütig lachend, an seinem langen, grauen Backenbart und küßte ihn. Am Abend erzählte er die Geschichte seiner Mutter, die mit dem Jungen völlig einer Meinung war. »Das ist er wirklich«, sagte sie. »Dein lieber Vater hat es auch immer gesagt. Er ist ein sehr guter und rechtschaffener Mensch.« Dobbin kam zufälligerweise kurz nach diesem Gespräch herein, und das war wahrscheinlich der Grund, weshalb Amelia errötete, und der junge Taugenichts erhöhte ihre Verwirrung noch, indem er Dobbin den zweiten Teil der Geschichte erzählte. »Hör mal, Dobbin«, sagte er, »ich kenne ein ungewöhnlich nettes Mädchen, das dich gern heiraten möchte. Sie hat eine Unmenge Geld, trägt falsche Haare und schimpft von früh bis spät mit den Dienstboten herum.« »Wer ist es denn?« fragte Dobbin. »Tante Osborne«, entgegnete der Knabe, »der Großpapa hat es gesagt. Und stell dir mal vor, Dobbin, wie prima es wäre, wenn du mein Onkel würdest.« Die zitternde Stimme des alten Sedley im Nebenzimmer rief in diesem Augenblick nach Amelia, und das Lachen hörte auf.

 

“That he is, Grandpapa,” said Georgy approvingly; and going up close to the old gentleman, he took a hold of his large grey whiskers, and laughed in his face good-humouredly, and kissed him. And he told the story at night to his mother, who fully agreed with the boy. “Indeed he is,” she said. “Your dear father always said so. He is one of the best and most upright of men.” Dobbin happened to drop in very soon after this conversation, which made Amelia blush perhaps, and the young scapegrace increased the confusion by telling Dobbin the other part of the story. “I say, Dob,” he said, “there’s such an uncommon nice girl wants to marry you. She’s plenty of tin; she wears a front; and she scolds the servants from morning till night.” “Who is it?” asked Dobbin. “It’s Aunt O.,” the boy answered. “Grandpapa said so. And I say, Dob, how prime it would be to have you for my uncle.” Old Sedley’s quavering voice from the next room at this moment weakly called for Amelia, and the laughing ended.

Daß sich die Einstellung des alten Osborne änderte, war deutlich zu merken. Er fragte George zuweilen nach seinem Onkel und lachte über den Knaben, wenn dieser nachahmte, wie Joseph »Gott behüte mich!« sagte und seine Suppe verschlang. Dann erklärte er: »Es ist respektlos, wenn ihr jungen Burschen eure Verwandten verspottet. Miss Osborne, wenn du heute ausfährst, so gib meine Karte bei Mr. Sedley ab, hörst du? Mit ihm habe ich ja keinen Streit.«

 

That old Osborne’s mind was changing was pretty clear. He asked George about his uncle sometimes, and laughed at the boy’s imitation of the way in which Jos said “God-bless-my-soul” and gobbled his soup. Then he said, “It’s not respectful, sir, of you younkers to be imitating of your relations. Miss O., when you go out adriving to-day, leave my card upon Mr. Sedley, do you hear? There’s no quarrel betwigst me and him anyhow.”

Die Karte wurde erwidert, und Joseph und der Major wurden zum Diner geladen – wohl dem glänzendsten und langweiligsten, das Mr. Osborne je gegeben hatte. Jedes Stück des Familiensilbers wurde ausgestellt, und die beste Gesellschaft war geladen. Mr. Sedley führte Miss Osborne zu Tisch, und sie war sehr gnädig gegen ihn, während sie kaum ein Wort an den Major richtete, der furchtsam fern von ihr neben Mr. Osborne saß. Joseph sagte feierlich, es sei die beste klare Schildkrötensuppe, die er im Leben gegessen habe, und fragte Mr. Osborne, wo er seinen Madeira herhabe.

 

The card was returned, and Jos and the Major were asked to dinner — to a dinner the most splendid and stupid that perhaps ever Mr. Osborne gave; every inch of the family plate was exhibited, and the best company was asked. Mr. Sedley took down Miss O. to dinner, and she was very gracious to him; whereas she hardly spoke to the Major, who sat apart from her, and by the side of Mr. Osborne, very timid. Jos said, with great solemnity, it was the best turtle soup he had ever tasted in his life, and asked Mr. Osborne where he got his Madeira.

»Er ist von Sedley«, flüsterte der Butler seinem Herrn zu. »Ich habe ihn schon lange und mußte eine Stange Geld dafür bezahlen«, sagte Mr Osborne laut zu seinem Gast, und seinem Nachbar zur Rechten flüsterte er zu, er habe ihn »auf der Auktion des Alten« gekauft.

 

“It is some of Sedley’s wine,” whispered the butler to his master. “I’ve had it a long time, and paid a good figure for it, too,” Mr. Osborne said aloud to his guest, and then whispered to his right-hand neighbour how he had got it “at the old chap’s sale.”

Mehr als einmal fragte er den Major nach – nach Mrs. George Osborne – ein Thema, bei dem der Major sehr beredt sein konnte, wenn er wollte. Er erzählte dem alten Osborne, was sie alles erdulden mußte und von ihrer leidenschaftlichen Liebe zu ihrem Mann, dessen Andenken sie noch in Ehren halte, wie zärtlich und pflichtgetreu sie ihre Eltern unterstützt und wie sie ihren Knaben hingegeben habe, da sie dies für ihre Pflicht hielt. »Sie wissen nicht, was sie durchgemacht hat«, sagte der ehrliche Dobbin mit zitternder Stimme, »und ich hoffe und glaube, Sie werden sich mit ihr aussöhnen. Wenn sie Ihnen den Sohn genommen hat, so hat sie Ihnen dafür ihren eigenen gegeben. Wie sehr Sie auch Ihren George geliebt haben mögen, Sie können sich doch darauf verlassen, daß sie den ihrigen noch zehnmal mehr liebte.«

 

More than once he asked the Major about — about Mrs. George Osborne — a theme on which the Major could be very eloquent when he chose. He told Mr. Osborne of her sufferings — of her passionate attachment to her husband, whose memory she worshipped still — of the tender and dutiful manner in which she had supported her parents, and given up her boy, when it seemed to her her duty to do so. “You don’t know what she endured, sir,” said honest Dobbin with a tremor in his voice, “and I hope and trust you will be reconciled to her. If she took your son away from you, she gave hers to you; and however much you loved your George, depend on it, she loved hers ten times more.”

»Bei Gott, Sie sind ein guter Bursche«, war alles, was Mr. Osborne sagte. Es war ihm nie in den Sinn gekommen, daß der Witwe die Trennung von ihrem Sohn schmerzlich sein könnte oder daß es ihr Kummer bereiten könnte, zu sehen, wie er reich wurde. Man sprach schon von einer bevorstehenden und unvermeidlichen Versöhnung, und Amelias Herz begann bei dem Gedanken an die furchtbare Zusammenkunft mit Georges Vater bereits zu klopfen.

 

“By God, you are a good feller, sir,” was all Mr. Osborne said. It had never struck him that the widow would feel any pain at parting from the boy, or that his having a fine fortune could grieve her. A reconciliation was announced as speedy and inevitable, and Amelia’s heart already began to beat at the notion of the awful meeting with George’s father.

Zu dieser Versöhnung sollte es jedoch nicht kommen. Die langwierige Krankheit und der Tod des alten Sedley kamen dazwischen, und danach war eine Zusammenkunft eine Zeitlang unmöglich. Jene Katastrophe und andere Ereignisse mögen ihre Spuren in Mr. Osborne zurückgelassen haben. Er war in der letzten Zeit sehr hinfällig, stark gealtert, und seine Gedanken beschäftigten sich mit vielem. Er ließ seine Rechtsanwälte kommen und änderte offensichtlich etwas an seinem Testament. Der behandelnde Arzt erklärte ihn für sehr schwach und erregt und sprach von einem kleinen Aderlaß und Seeluft; er benutzte aber keines dieser Heilmittel.

 

It was never, however, destined to take place. Old Sedley’s lingering illness and death supervened, after which a meeting was for some time impossible. That catastrophe and other events may have worked upon Mr. Osborne. He was much shaken of late, and aged, and his mind was working inwardly. He had sent for his lawyers, and probably changed something in his will. The medical man who looked in pronounced him shaky, agitated, and talked of a little blood and the seaside; but he took neither of these remedies.

Eines Tages vermißte ihn sein Diener beim Frühstück und ging in sein Ankleidezimmer hinauf. Dort fand er ihn, auf dem Boden vor seinem Toilettentisch, vom Schlag getroffen. Miss Osborne wurde benachrichtigt, die Ärzte geholt, Georgy blieb der Schule fern, die Aderlasser und Schröpfer kamen. Osborne gewann zeitweise das Bewußtsein zurück, konnte aber nicht mehr sprechen, obwohl er sich ein paarmal krampfhaft bemühte. Vier Tage später starb er. Die Ärzte gingen, die Leute des Leichenbestatters kamen; die Fensterläden zum Russell Square wurden geschlossen. Bullock erschien in rasender Eile aus der City. »Wieviel hat er dem Jungen hinterlassen? Doch sicherlich nicht die Hälfte? Sicherlich doch gleiche Teile für alle drei?« Es war ein aufregender Augenblick.

 

One day when he should have come down to breakfast, his servant missing him, went into his dressing-room and found him lying at the foot of the dressing-table in a fit. Miss Osborne was apprised; the doctors were sent for; Georgy stopped away from school; the bleeders and cuppers came. Osborne partially regained cognizance, but never could speak again, though he tried dreadfully once or twice, and in four days he died. The doctors went down, and the undertaker’s men went up the stairs, and all the shutters were shut towards the garden in Russell Square. Bullock rushed from the City in a hurry. “How much money had he left to that boy? Not half, surely? Surely share and share alike between the three?” It was an agitating moment.

Was war es, was der arme alte Mann ein paarmal vergeblich auszudrücken versucht hatte? Hoffentlich der Wunsch, Amelia zu sehen, um sich, ehe er die Welt verließ, mit der lieben, treuen Frau seines Sohnes zu versöhnen. Das wird es höchstwahrscheinlich gewesen sein, denn sein Testament bewies, daß der Haß, den er so lange genährt, aus seinem Herzen verschwunden war.

 

What was it that poor old man tried once or twice in vain to say? I hope it was that he wanted to see Amelia and be reconciled before he left the world to one dear and faithful wife of his son: it was most likely that, for his will showed that the hatred which he had so long cherished had gone out of his heart.

In der Tasche seines Schlafrockes fand man den Brief mit dem großen roten Siegel, den ihm George von Waterloo geschrieben hatte. Er hatte auch die anderen Papiere seines Sohnes durchgesehen, denn der Schlüssel zu dem Kasten, in dem er sie aufbewahrte, war ebenfalls in seiner Tasche, und die Siegel und Umschläge waren erbrochen. Das war höchstwahrscheinlich in der Nacht vor dem Schlaganfall geschehen; der Butler hatte ihm noch den Tee in sein Studierzimmer gebracht und ihn dabei vorgefunden, wie er in der großen roten Familienbibel las.

 

They found in the pocket of his dressing-gown the letter with the great red seal which George had written him from Waterloo. He had looked at the other papers too, relative to his son, for the key of the box in which he kept them was also in his pocket, and it was found the seals and envelopes had been broken — very likely on the night before the seizure — when the butler had taken him tea into his study, and found him reading in the great red family Bible.

Als das Testament geöffnet wurde, stellte es sich heraus, daß die eine Hälfte des Vermögens George und die andere Hälfte zu gleichen Teilen den beiden Schwestern vermacht war. Mr. Bullock sollte zum gemeinsamen Vorteil aller die Geschäfte des Handelshauses weiterhin leiten oder die Firma löschen, wie er es für richtig hielt. Eine Jahresrente von fünfhundert Pfund auf Kosten des Vermögens von George sollte seine Mutter bekommen, »die Witwe meines geliebten Sohnes George Osborne«, die die Vormundschaft über den Knaben wieder übernehmen sollte.

 

When the will was opened, it was found that half the property was left to George, and the remainder between the two sisters. Mr. Bullock to continue, for their joint benefit, the affairs of the commercial house, or to go out, as he thought fit. An annuity of five hundred pounds, chargeable on George’s property, was left to his mother, “the widow of my beloved son, George Osborne,” who was to resume the guardianship of the boy.

»Major Dobbin, der Freund meines geliebten Sohnes«, war zum Testamentsvollstrecker ernannt, »und da er aus eigener Güte und Freigebigkeit aus seinem Privatvermögen meinen Enkel und die Witwe meines Sohnes unterhielt, als sie ohne andere Unterstützung waren« (fuhr der Testator fort), »danke ich ihm hiermit herzlich für seine Liebe und Achtung ihnen gegenüber und bitte ihn, eine Summe anzunehmen, die zum Kauf eines Oberstleutnantspatentes ausreichen wird, oder sie nach seinem Ermessen anders zu verwenden.«

 

“Major William Dobbin, my beloved son’s friend,” was appointed executor; “and as out of his kindness and bounty, and with his own private funds, he maintained my grandson and my son’s widow, when they were otherwise without means of support” (the testator went on to say) “I hereby thank him heartily for his love and regard for them, and beseech him to accept such a sum as may be sufficient to purchase his commission as a Lieutenant-Colonel, or to be disposed of in any way he may think fit.”

Als Amelia hörte, daß ihr Schwiegervater sich mit ihr ausgesöhnt hatte, schmolz ihr Herz, und sie war dankbar für das ihr hinterlassene Geld. Als sie aber vernahm, daß Georgy ihr wiedergegeben sei und wie und von wem und daß Williams Güte sie in ihrer Armut unterstützt habe und daß ihr der Mann und der Sohn von William gegeben worden seien – oh, da sank sie auf die Knie und flehte Segen auf das treue, gütige Herz herab. Sie beugte sich demütig nieder und küßte gleichsam die Füße dieser schönen, großmütigen Liebe.

 

When Amelia heard that her father-in-law was reconciled to her, her heart melted, and she was grateful for the fortune left to her. But when she heard how Georgy was restored to her, and knew how and by whom, and how it was William’s bounty that supported her in poverty, how it was William who gave her her husband and her son — oh, then she sank on her knees, and prayed for blessings on that constant and kind heart; she bowed down and humbled herself, and kissed the feet, as it were, of that beautiful and generous affection.

Dankbarkeit war alles, womit sie diese bewundernswürdige Hingabe und die Wohltaten lohnen konnte – nur Dankbarkeit! Wenn sie an eine andere Vergeltung dachte, so erhob sich das Bild Georges aus dem Grab und sagte: »Du bist mein, nur mein – jetzt und für immer.«

 

And gratitude was all that she had to pay back for such admirable devotion and benefits — only gratitude! If she thought of any other return, the image of George stood up out of the grave and said, “You are mine, and mine only, now and forever.”

William kannte ihre Gefühle, hatte er nicht sein ganzes Leben damit zugebracht, sie zu erraten?

 

William knew her feelings: had he not passed his whole life in divining them?

Als der Inhalt von Mr. Osbornes Testament der Welt bekannt wurde, war es sehr aufschlußreich, zu beobachten, wie Mrs. George Osborne in der Achtung ihres Bekanntenkreises stieg. Die Dienstboten in Josephs Haus, die ihre bescheidenen Aufträge in Frage stellten und meinten, sie wollten »den Herrn fragen«, ob sie gehorchen sollten oder nicht, dachten jetzt nicht mehr daran. Die Köchin vergaß, über die schäbigen alten Kleider zu lächeln (die durch den Putz der Küchendame am Sonntagabend zum Kirchgang wirklich in den Schatten gestellt wurden). Die anderen brummten nicht mehr, wenn ihre Klingel ertönte, oder vergaßen gar eine Zeitlang, dem Ruf zu folgen. Der Kutscher, der sonst knurrte, daß seine Pferde schon wieder heraus müßten und sein Wagen in ein Krankenhaus für den alten Kerl und Mrs. Osborne verwandelt würde, fuhr sie jetzt mit größter Bereitwilligkeit und zitterte, daß er durch Osbornes Kutscher ersetzt werden könnte. Er fragte, was diese Kutscher da vom Russell Square denn schon von der Stadt verstünden und ob sie es überhaupt fertigbrächten, vor einer Dame auf dem Bock zu sitzen. Josephs Freunde und Freundinnen interessierten sich plötzlich für Emmy, und die Beileidskarten häuften sich auf dem Tisch in der Halle. Joseph selbst, der sie als gutmütige, harmlose Bettlerin betrachtet hatte, der er aus Pflichtbewußtsein Nahrung und Obdach gab, behandelte nun sie und den reichen kleinen Jungen, seinen Neffen, mit der größten Achtung. Er war eifrig darauf bedacht, daß sie Abwechslung und Unterhaltung bekam nach all ihren Sorgen und Prüfungen – »das arme liebe Mädchen«. Er erschien jetzt sogar am Frühstückstisch und erkundigte sich angelegentlich, wie sie den Tag zu verbringen wünsche.

 

When the nature of Mr. Osborne’s will became known to the world, it was edifying to remark how Mrs. George Osborne rose in the estimation of the people forming her circle of acquaintance. The servants of Jos’s establishment, who used to question her humble orders and say they would “ask Master” whether or not they could obey, never thought now of that sort of appeal. The cook forgot to sneer at her shabby old gowns (which, indeed, were quite eclipsed by that lady’s finery when she was dressed to go to church of a Sunday evening), the others no longer grumbled at the sound of her bell, or delayed to answer that summons. The coachman, who grumbled that his ’osses should be brought out and his carriage made into an hospital for that old feller and Mrs. O., drove her with the utmost alacrity now, and trembling lest he should be superseded by Mr. Osborne’s coachman, asked “what them there Russell Square coachmen knew about town, and whether they was fit to sit on a box before a lady?” Jos’s friends, male and female, suddenly became interested about Emmy, and cards of condolence multiplied on her hall table. Jos himself, who had looked on her as a good-natured harmless pauper, to whom it was his duty to give victuals and shelter, paid her and the rich little boy, his nephew, the greatest respect — was anxious that she should have change and amusement after her troubles and trials, “poor dear girl" — and began to appear at the breakfast-table, and most particularly to ask how she would like to dispose of the day.

In ihrer Eigenschaft als Georges Vormund bot sie mit Zustimmung des Majors, ihres Mitbevollmächtigten, Miss Osborne an, in dem Haus am Russell Square wohnen zu bleiben, solange es ihr beliebe. Die Dame erklärte aber mit Dank, daß sie nicht daran denke, allein in dem traurigen Haus zu bleiben, und begleitet von zwei alten Dienern, reiste sie in tiefer Trauer nach Cheltenham. Die übrigen Dienstboten wurden großzügig entlohnt und entlassen. Der treue, alte Butler, den Mrs. Osborne zu behalten vorschlug, lehnte ab und zog es vor, seine Ersparnisse in einem Gasthaus anzulegen, wo es ihm hoffentlich nicht schlecht erging. Da Miss Osborne nicht am Russell Square wohnen wollte, lehnte es Mrs. Osborne nach einigen Besprechungen ebenfalls ab, das düstere alte Haus zu beziehen. Es wurde also ausgeräumt, die prächtigen Möbel und Einrichtungsgegenstände, die schrecklichen Kronleuchter und die trostlosen Spiegel verpackt und verstaut, die prachtvollen Rosenholzmöbel vom Salon wurden in Stroh gehüllt, die Teppiche zusammengerollt und verschnürt, die kleine auserlesene Bibliothek gutgebundener Bücher wurde in zwei Weinkisten gepackt, und all diese Kostbarkeiten wurden auf mehreren riesigen Möbelwagen in die Gewerbehalle gebracht, wo sie bis zu Georgys Volljährigkeit liegen sollten. Die großen, schweren, dunklen Silberkästen wanderten in die Keller der bedeutenden Bank von Stumpy und Rowdy, um dort denselben Zeitpunkt zu erwarten.

 

In her capacity of guardian to Georgy, she, with the consent of the Major, her fellow-trustee, begged Miss Osborne to live in the Russell Square house as long as ever she chose to dwell there; but that lady, with thanks, declared that she never could think of remaining alone in that melancholy mansion, and departed in deep mourning to Cheltenham, with a couple of her old domestics. The rest were liberally paid and dismissed, the faithful old butler, whom Mrs. Osborne proposed to retain, resigning and preferring to invest his savings in a public-house, where, let us hope, he was not unprosperous. Miss Osborne not choosing to live in Russell Square, Mrs. Osborne also, after consultation, declined to occupy the gloomy old mansion there. The house was dismantled; the rich furniture and effects, the awful chandeliers and dreary blank mirrors packed away and hidden, the rich rosewood drawing-room suite was muffled in straw, the carpets were rolled up and corded, the small select library of well-bound books was stowed into two wine-chests, and the whole paraphernalia rolled away in several enormous vans to the Pantechnicon, where they were to lie until Georgy’s majority. And the great heavy dark plate-chests went off to Messrs. Stumpy and Rowdy, to lie in the cellars of those eminent bankers until the same period should arrive.

Eines Tages besuchte Emmy mit George an der Hand, in tiefe Trauer gekleidet, das verlassene Haus, das sie seit ihren Mädchenjahren nicht mehr betreten hatte. Der Platz davor, wo die Möbelwagen beladen worden und weggerollt waren, war strohbedeckt. Sie begaben sich in die großen, leeren Räume. An den Wänden sah man noch die Spuren der Gemälde und Spiegel, dann gingen sie die große, glatte Steintreppe hinauf zu den oberen Räumen, in den, wo der Großpapa gestorben war, wie George flüsternd bemerkte, und dann noch höher in Georges eigenes Zimmer. Der Knabe hielt sich noch immer an ihrer Hand fest, aber sie dachte an einen anderen. Sie wußte, daß das Zimmer seinem Vater gehört hatte, wie es später ihm gehörte.

 

One day Emmy, with George in her hand and clad in deep sables, went to visit the deserted mansion which she had not entered since she was a girl. The place in front was littered with straw where the vans had been laden and rolled off. They went into the great blank rooms, the walls of which bore the marks where the pictures and mirrors had hung. Then they went up the great blank stone staircases into the upper rooms, into that where grandpapa died, as George said in a whisper, and then higher still into George’s own room. The boy was still clinging by her side, but she thought of another besides him. She knew that it had been his father’s room as well as his own.

Sie trat an eins der offenen Fenster (zu denen sie kranken Herzens emporgestarrt hatte, nachdem ihr das Kind weggenommen worden war) und konnte von dort aus über die Bäume vom Russell Square hinweg das alte Haus erblicken, in dem sie geboren war und wo sie in ihrer Jugend so viele glückliche Tage verlebt hatte. Alles tauchte wieder vor ihr auf: die schönen Ferien, die freundlichen Gesichter, die sorglose, fröhliche Vergangenheit und die langen Schmerzen und Prüfungen, die sie später zu Boden geworfen hatten. Sie dachte daran und an den Mann, der ihr treuer Beschützer, ihr guter Genius, ihr einziger Wohltäter, ihr zärtlicher, großmütiger Freund gewesen war.

 

She went up to one of the open windows (one of those at which she used to gaze with a sick heart when the child was first taken from her), and thence as she looked out she could see, over the trees of Russell Square, the old house in which she herself was born, and where she had passed so many happy days of sacred youth. They all came back to her, the pleasant holidays, the kind faces, the careless, joyful past times, and the long pains and trials that had since cast her down. She thought of these and of the man who had been her constant protector, her good genius, her sole benefactor, her tender and generous friend.

»Sieh mal, Mutter«, rief George, »hier ist ein G. O. mit einem Diamanten in das Glas geritzt. Ich habe es noch nie gesehen. Ich war es aber nicht.«

 

“Look here, Mother,” said Georgy, “here’s a G.O. scratched on the glass with a diamond, I never saw it before, I never did it.”

»Es war deines Vaters Zimmer, lange, lange vor deiner Geburt, George«, sagte sie und küßte den Knaben errötend.

 

“It was your father’s room long before you were born, George,” she said, and she blushed as she kissed the boy.

Als sie nach Richmond zurückfuhren, war sie sehr schweigsam. Dort hatten sie vorläufig ein Haus gemietet, und dort statteten ihr lächelnde Rechtsanwälte diensteifrige Besuche ab (die sie sicher auf die Rechnung setzten), und dort gab es natürlich auch ein Zimmer für Major Dobbin, der häufig herübergeritten kam, da er für sein kleines Mündel sehr viel Geschäftliches zu erledigen hatte.

 

She was very silent as they drove back to Richmond, where they had taken a temporary house: where the smiling lawyers used to come bustling over to see her (and we may be sure noted the visit in the bill): and where of course there was a room for Major Dobbin too, who rode over frequently, having much business to transact on behalf of his little ward.

Nun wurde auch Georgy auf unbegrenzten Urlaub aus Mr. Veals Schule genommen, und dieser erhielt den Auftrag, eine Inschrift für eine schöne Marmorplatte anzufertigen, die in der Findelhauskirche unter dem Monument Hauptmann George Osbornes angebracht werden sollte.

 

Georgy at this time was removed from Mr. Veal’s on an unlimited holiday, and that gentleman was engaged to prepare an inscription for a fine marble slab, to be placed up in the Foundling under the monument of Captain George Osborne.

Obwohl die Dame Bullock, Georges Tante, durch dieses kleine Ungeheuer um die Hälfte der Summe gebracht worden war, die sie von ihrem Vater erwartet hatte, bewies sie ihre christliche Gesinnung doch dadurch, daß sie sich mit der Mutter und dem Knaben aussöhnte. Roehampton ist nicht weit von Richmond entfernt. Eines Tages fuhr daher die Kutsche mit dem goldenen Bullenwappen am Wagenschlag und den schwammigen Kindern im Innern an Amelias Haus in Richmond vor, und die Familie Bullock fiel in den Garten ein, wo Amelia ein Buch las, Joseph in einer Laube gelassen Erdbeeren in Wein tauchte und der Major in einer indischen Jacke gebückt stand und Georgy seinen Rücken zum Bockspringen lieh. Der Junge sprang über Dobbins Kopf hinweg geradewegs in die kleine Vorhut der Bullocks hinein, die mit ungeheuren schwarzen Schleifen an den Hüten und breiten schwarzen Schärpen ihre trauernde Mama bei diesem Besuch begleiteten.

 

The female Bullock, aunt of Georgy, although despoiled by that little monster of one-half of the sum which she expected from her father, nevertheless showed her charitableness of spirit by being reconciled to the mother and the boy. Roehampton is not far from Richmond, and one day the chariot, with the golden bullocks emblazoned on the panels, and the flaccid children within, drove to Amelia’s house at Richmond; and the Bullock family made an irruption into the garden, where Amelia was reading a book, Jos was in an arbour placidly dipping strawberries into wine, and the Major in one of his Indian jackets was giving a back to Georgy, who chose to jump over him. He went over his head and bounded into the little advance of Bullocks, with immense black bows in their hats, and huge black sashes, accompanying their mourning mamma.

Er hat gerade das richtige Alter für Rosa, dachte die zärtliche Mutter und blickte auf ihr liebes Kind, ein ungesund aussehendes kleines Fräulein von sieben.

 

“He is just of the age for Rosa,” the fond parent thought, and glanced towards that dear child, an unwholesome little miss of seven years of age.

»Rosa, geh und gib deinem lieben Cousin einen Kuß«, sagte Mrs. Frederick. »Kennst du mich nicht, George? Ich bin deine Tante.«

 

“Rosa, go and kiss your dear cousin,” Mrs. Frederick said. “Don’t you know me, George? I am your aunt.”

»Ich kenne dich sehr gut, aber ich will nicht gern geküßt werden«, sagte George und wich vor der gehorsamen Liebkosung seiner Cousine zurück.

 

“I know you well enough,” George said; “but I don’t like kissing, please”; and he retreated from the obedient caresses of his cousin.

»Führe mich zu deiner lieben Mama, du drolliges Kind«, sagte Mrs. Frederick, und die beiden Damen sahen sich nun nach fünfzehn Jahren zum ersten Male wieder. In der Zeit, als Emmy mit Armut und Sorgen zu kämpfen hatte, war es der anderen nie eingefallen, sie zu besuchen; da es ihr aber jetzt leidlich gut ging, verstand es sich von selbst, daß die Schwägerin kam.

 

“Take me to your dear mamma, you droll child,” Mrs. Frederick said, and those ladies accordingly met, after an absence of more than fifteen years. During Emmy’s cares and poverty the other had never once thought about coming to see her, but now that she was decently prosperous in the world, her sister-in-law came to her as a matter of course.

So kamen auch viele andere. Unsere alte Freundin, Miss Swartz, kam mit ihrem Mann von Hampton Court herbeigedonnert, begleitet von Lakaien in quittegelber Livree, und sie liebte Amelia so ungestüm wie eh und je. Die Swartz hätte Amelia stets gern gehabt, wenn sie sie nur gesehen hätte, die Gerechtigkeit muß man ihr widerfahren lassen. Aber que voulez-vous? In dieser Riesenstadt hat man nicht die Zeit, seine Freunde zu suchen. Wenn sie aus Reih und Glied fallen, dann verschwinden sie, und wir marschieren ohne sie weiter. Wer wird denn schon vermißt auf dem Jahrmarkt der Eitelkeit?

 

So did numbers more. Our old friend, Miss Swartz, and her husband came thundering over from Hampton Court, with flaming yellow liveries, and was as impetuously fond of Amelia as ever. Miss Swartz would have liked her always if she could have seen her. One must do her that justice. But, que voulez vous? — in this vast town one has not the time to go and seek one’s friends; if they drop out of the rank they disappear, and we march on without them. Who is ever missed in Vanity Fair?

Kurz gesagt, sah sich Emmy noch vor Ende der Trauerzeit um Mr. Osborne im Mittelpunkt eines wirklich sehr vornehmen Kreises, dessen Mitglieder sich nicht vorstellen konnten, daß jemand, der dazugehörte, nicht sehr glücklich sein könnte. Es gab unter den Damen kaum eine, die nicht einen Peer in der Verwandtschaft gehabt hätte, wenn auch ihr Gemahl selbst nur Ladenbesitzer in der City war. Einige der Damen waren sehr gut unterrichtet und blaustrümpfig, sie lasen Mrs. Somerville und besuchten das Königliche Institut. Andere waren streng evangelisch und hielten sich an die Exeter Hall. Emmy kam sich in ihrem Geschwätz recht verloren vor, und bei ein paar Gelegenheiten, wo sie Mrs. Bullocks Gastfreundschaft annehmen mußte, litt sie entsetzlich. Diese Dame mußte sie unbedingt begönnern und hatte großzügigerweise beschlossen, sie umzuformen. Sie verschaffte Amelia Modistinnen und brachte ihren Haushalt und ihre Manieren in Ordnung. Sie fuhr sehr oft von Roehampton herüber und unterhielt ihre Freundin mit fadem Modeklatsch und lauem Hoftratsch. Joseph hörte ihr gern zu, aber der Major entfernte sich stets brummend, wenn diese Frau mit ihrer Pseudovornehmheit erschien. Bei einer der besten Gesellschaften von Frederick Bullock schlief er nach dem Essen direkt unter dem kahlen Schädel des Bankiers ein. Fred war immer noch darauf bedacht, daß das Osbornesche Vermögen von Stumpy und Rowdy in seine Firma überführt werden sollte, während Amelia, die weder Latein verstand noch wußte, wer den letzten Bombenartikel in der »Edinburgh Review« geschrieben hatte, die auch Mr. Peels neuerliches ungewöhnliches Schwanken bei dem verhängnisvollen Gesetz zur Unterstützung der Katholiken weder bedauerte noch lobte, stumm unter den Damen in dem großartigen Salon saß, der auf samtigen Rasen, wohlgepflegte Gartenwege und glänzende Gewächshäuser hinausging.

 

But so, in a word, and before the period of grief for Mr. Osborne’s death had subsided, Emmy found herself in the centre of a very genteel circle indeed, the members of which could not conceive that anybody belonging to it was not very lucky. There was scarce one of the ladies that hadn’t a relation a Peer, though the husband might be a drysalter in the City. Some of the ladies were very blue and well informed, reading Mrs. Somerville and frequenting the Royal Institution; others were severe and Evangelical, and held by Exeter Hall. Emmy, it must be owned, found herself entirely at a loss in the midst of their clavers, and suffered woefully on the one or two occasions on which she was compelled to accept Mrs. Frederick Bullock’s hospitalities. That lady persisted in patronizing her and determined most graciously to form her. She found Amelia’s milliners for her and regulated her household and her manners. She drove over constantly from Roehampton and entertained her friend with faint fashionable fiddle-faddle and feeble Court slip-slop. Jos liked to hear it, but the Major used to go off growling at the appearance of this woman, with her twopenny gentility. He went to sleep under Frederick Bullock’s bald head, after dinner, at one of the banker’s best parties (Fred was still anxious that the balance of the Osborne property should be transferred from Stumpy and Rowdy’s to them), and whilst Amelia, who did not know Latin, or who wrote the last crack article in the Edinburgh, and did not in the least deplore, or otherwise, Mr. Peel’s late extraordinary tergiversation on the fatal Catholic Relief Bill, sat dumb amongst the ladies in the grand drawing-room, looking out upon velvet lawns, trim gravel walks, and glistening hot-houses.

»Sie scheint gutmütig, aber fade zu sein«, sagte Mrs. Rowdy, »der Major scheint ungemein verliebt zu sein.«

 

“She seems good-natured but insipid,” said Mrs. Rowdy; “that Major seems to be particularly epris.”

»Es fehlt ihr bedauerlicherweise an Lebensart«, meinte Mrs. Hollycock. »Mein liebes Herz, es wird Ihnen niemals gelingen, sie umzuformen.«

 

“She wants ton sadly,” said Mrs. Hollyock. “My dear creature, you never will be able to form her.”

»Sie ist entsetzlich unwissend oder gleichgültig«, erklärte Mrs. Glowry mit Grabesstimme und einem traurigen Schütteln ihres Kopfes und Turbans. »Ich fragte sie, ob sie glaubte, daß der Papst im Jahre 1836, wie Mr. Jowls, oder 1839, wie Mr. Wapshot meint, fallen werde, und sie antwortete:›Der arme Papst, ich will's nicht hoffen. Was hat er denn getan?‹«

 

“She is dreadfully ignorant or indifferent,” said Mrs. Glowry with a voice as if from the grave, and a sad shake of the head and turban. “I asked her if she thought that it was in 1836, according to Mr. Jowls, or in 1839, according to Mr. Wapshot, that the Pope was to fall: and she said — ’Poor Pope! I hope not — What has he done?’”

»Sie ist die Witwe meines Bruders, meine teuren Freundinnen«, entgegnete Mrs. Frederick. »Und als solche, meine ich, sind wir verpflichtet, ihr bei ihrem Eintritt in die Welt alle nur mögliche Aufmerksamkeit und Belehrung angedeihen zu lassen. Sie können sich wohl vorstellen, daß bei jemandem, dessen Mißgeschick bekannt ist, keine eigennützigen Motive obwalten.«

 

“She is my brother’s widow, my dear friends,” Mrs. Frederick replied, “and as such I think we’re all bound to give her every attention and instruction on entering into the world. You may fancy there can be no mercenary motives in those whose disappointments are well known.”

»Die arme, liebe Mrs. Bullock«, sagte Mrs. Rowdy zu Mrs. Hollycock, als sie zusammen abfuhren. »Sie schmiedet stets Pläne und Ränke. Sie möchte gern, daß Mrs. Osborne ihr Bankkonto bei uns löscht und in ihrer Firma anlegt – und die Art und Weise, wie sie dem Jungen schmeichelt und es so einrichtet, daß er bei ihrer triefäugigen kleinen Rosa sitzt, ist wahrhaftig lächerlich.«

 

“That poor dear Mrs. Bullock,” said Rowdy to Hollyock, as they drove away together — "she is always scheming and managing. She wants Mrs. Osborne’s account to be taken from our house to hers — and the way in which she coaxes that boy and makes him sit by that blear-eyed little Rosa is perfectly ridiculous.”

»Ich wollte, die Glowry erstickte an ihrem ›Mann der Sünde‹ und ihrer ›Schlacht von Armageddon‹«, rief die andere, und der Wagen rollte über die Putney Bridge davon.

 

“I wish Glowry was choked with her Man of Sin and her Battle of Armageddon,” cried the other, and the carriage rolled away over Putney Bridge.

Diese Gesellschaft war für Eramy zu gräulich vornehm, und alle machten Freudensprünge, als eine Reise ins Ausland vorgeschlagen wurde.

 

But this sort of society was too cruelly genteel for Emmy, and all jumped for joy when a foreign tour was proposed.


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