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44. Kapitel / Chapter 44

Ein weitschweifiges Kapitel zwischen London und Hampshire / A Round-about Chapter between London and Hampshire

Das Familienhaus unserer alten Freunde, der Crawleys in der Great Gaunt Street, trug noch immer an der Vorderseite das Leichenwappen, das dort zum Zeichen der Trauer über Sir Pitt Crawleys Ableben angebracht worden war; dieses heraldische Sinnbild war jedoch schon in sich selbst ein äußerst prächtiger, strahlender Einrichtungsgegenstand, und das ganze übrige Haus wurde bald eleganter, als es je unter der Regierung des seligen Baronets gewesen war. Der schwarze Bewurf wurde von den Ziegeln entfernt, und sie boten nun einen munteren Anblick, rot mit weißen Streifen; die alten Türklopfer in Gestalt von Bronzelöwen wurden schön vergoldet, der Zaun gestrichen, und das trübselige Haus in der Great Gaunt Street wurde das hübscheste in der ganzen Gegend, ehe noch die gelben Blätter in Hampshire auf den Bäumen der Allee zu Queen's Crawley, unter denen Sir Pitt Crawley zum letztenmal dahinfuhr, von grünen ersetzt wurden.

 

Our old friends the Crawleys’ family house, in Great Gaunt Street, still bore over its front the hatchment which had been placed there as a token of mourning for Sir Pitt Crawley’s demise, yet this heraldic emblem was in itself a very splendid and gaudy piece of furniture, and all the rest of the mansion became more brilliant than it had ever been during the late baronet’s reign. The black outer-coating of the bricks was removed, and they appeared with a cheerful, blushing face streaked with white: the old bronze lions of the knocker were gilt handsomely, the railings painted, and the dismallest house in Great Gaunt Street became the smartest in the whole quarter, before the green leaves in Hampshire had replaced those yellowing ones which were on the trees in Queen’s Crawley Avenue when old Sir Pitt Crawley passed under them for the last time.

Eine kleine Frau mit passendem Wagen wurde ständig in der Nähe dieses Hauses gesehen. Auch eine ältliche Jungfer in Begleitung eines kleinen Knaben konnte man täglich dort bemerken. Es war Miss Briggs mit dem kleinen Rawdon, deren Aufgabe darin bestand, die innere Erneuerung von Sir Pitts Haus zu überwachen, die weibliche Schar zu beaufsichtigen, die mit den Gardinen beschäftigt war, die Schubladen und Schränke zu durchwühlen und zu durchstöbern, die vollgestopft waren mit schmutzigen Reliquien und dem aufgehäuften Flitterkram von zwei Generationen Lady Crawleys, und Verzeichnisse vom Porzellan, dem Glas und anderen Sachen in den Wandschränken und Vorratskammern anzufertigen.

 

A little woman, with a carriage to correspond, was perpetually seen about this mansion; an elderly spinster, accompanied by a little boy, also might be remarked coming thither daily. It was Miss Briggs and little Rawdon, whose business it was to see to the inward renovation of Sir Pitt’s house, to superintend the female band engaged in stitching the blinds and hangings, to poke and rummage in the drawers and cupboards crammed with the dirty relics and congregated trumperies of a couple of generations of Lady Crawleys, and to take inventories of the china, the glass, and other properties in the closets and store-rooms.

Mrs. Rawdon Crawley hatte den Oberbefehl über all diese Tätigkeit mit Generalvollmacht von Sir Pitt, Möbel zu verkaufen, zu vertauschen, zu beschlagnahmen oder zu kaufen. Sie fand kein geringes Vergnügen an dieser Beschäftigung, bei der sie ihrem Geschmack und ihrer Begabung freien Lauf lassen konnte. Die Renovierung des Hauses war beschlossen worden, als Sir Pitt im November in die Stadt kam, um seine Rechtsanwälte aufzusuchen. Bei dieser Gelegenheit hatte er fast eine Woche unter dem Dach seines liebevollen Bruders und seiner Schwägerin in der Curzon Street gewohnt.

 

Mrs. Rawdon Crawley was general-in-chief over these arrangements, with full orders from Sir Pitt to sell, barter, confiscate, or purchase furniture, and she enjoyed herself not a little in an occupation which gave full scope to her taste and ingenuity. The renovation of the house was determined upon when Sir Pitt came to town in November to see his lawyers, and when he passed nearly a week in Curzon Street, under the roof of his affectionate brother and sister.

Er war zuerst im Hotel abgestiegen; sobald aber Becky von der Ankunft des Baronets erfuhr, war sie allein hingefahren, um ihn zu begrüßen, und kehrte nach einer Stunde mit Sir Pitt neben sich im Wagen zur Curzon Street zurück. Es war oft unmöglich, sich der Gastfreundschaft dieses unschuldigen, lieben Geschöpfes zu entziehen, so freundlich bestand sie darauf und so offen und liebenswürdig bot sie sie an. Becky ergriff Pitts Hand begeistert und dankbar, als er zusagte zu kommen. »Ich danke Ihnen«, sagte sie und sah dem Baronet tief in die Augen, der darauf heftig errötete. »Wie das Rawdon glücklich machen wird.« Sie eilte in Pitts Schlafzimmer hinauf und führte die Diener, die seine Koffer brachten, hinein. Dann kam sie lachend herein, mit einer Kohlenschaufel aus ihrem eigenen Zimmer.

 

He had put up at an hotel at first, but, Becky, as soon as she heard of the Baronet’s arrival, went off alone to greet him, and returned in an hour to Curzon Street with Sir Pitt in the carriage by her side. It was impossible sometimes to resist this artless little creature’s hospitalities, so kindly were they pressed, so frankly and amiably offered. Becky seized Pitt’s hand in a transport of gratitude when he agreed to come. “Thank you,” she said, squeezing it and looking into the Baronet’s eyes, who blushed a good deal; “how happy this will make Rawdon!” She bustled up to Pitt’s bedroom, leading on the servants, who were carrying his trunks thither. She came in herself laughing, with a coal-scuttle out of her own room.

In Pitts Zimmer brannte bereits ein munteres Feuer (es war, nebenbei gesagt, Miss Briggs' Zimmer, die oben bei den Mädchen schlafen mußte). »Ich wußte, daß Sie kommen würden«, sagte Rebekka mit freudestrahlendem Blick. Sie war in der Tat wirklich froh, ihn als Gast bei sich zu haben.

 

A fire was blazing already in Sir Pitt’s apartment (it was Miss Briggs’s room, by the way, who was sent upstairs to sleep with the maid). “I knew I should bring you,” she said with pleasure beaming in her glance. Indeed, she was really sincerely happy at having him for a guest.

Solange Pitt bei ihnen wohnte, beorderte Becky Rawdon ein paarmal, dienstlich auswärts zu speisen, während der Baronet den glücklichen Abend allein mit ihr und der Briggs verbrachte. Sie ging in die Küche hinunter und bereitete ihm eigenhändig kleine Delikatessen. »Ist das Ragout nicht vortrefflich?« fragte sie. »Ich habe es für Sie zubereitet. Ich kann Ihnen auch noch bessere Gerichte kochen, und das will ich, wenn Sie mich das nächste Mal besuchen.«

 

Becky made Rawdon dine out once or twice on business, while Pitt stayed with them, and the Baronet passed the happy evening alone with her and Briggs. She went downstairs to the kitchen and actually cooked little dishes for him. “Isn’t it a good salmi?” she said; “I made it for you. I can make you better dishes than that, and will when you come to see me.”

»Alles, was Sie anfassen, gelingt Ihnen«, sagte der Baronet galant. »Das Ragout ist in der Tat ausgezeichnet.«

 

“Everything you do, you do well,” said the Baronet gallantly. “The salmi is excellent indeed.”

»Wissen Sie, als Frau eines armen Mannes muß man sich nützlich machen«, entgegnete Rebekka munter, worauf ihr Schwager beteuerte, daß sie würdig sei, die Gemahlin eines Kaisers zu sein, und daß eine der bezauberndsten Eigenschaften der Frau jedenfalls Geschick bei Erledigung der häuslichen Pflichten sei. Dabei dachte Sir Pitt mit etwas wie Ärger an Lady Jane daheim und an eine bestimmte Pastete, die sie unbedingt selbst hatte zubereiten und ihm zum Mittagessen servieren wollen – eine abscheuliche Pastete.

 

“A poor man’s wife,” Rebecca replied gaily, “must make herself useful, you know”; on which her brother-in-law vowed that “she was fit to be the wife of an Emperor, and that to be skilful in domestic duties was surely one of the most charming of woman’s qualities.” And Sir Pitt thought, with something like mortification, of Lady Jane at home, and of a certain pie which she had insisted on making, and serving to him at dinner — a most abominable pie.

Außer dem Ragout, das aus Lord Steynes Fasanen von seinem Landsitz Stillbrook zubereitet worden war, kredenzte Becky ihrem Schwager eine Flasche Weißwein, die Rawdon aus Frankreich mitgebracht und für nichts bekommen hatte, wie die kleine Schwindlerin erzählte, während das Getränk, das auf den bleichen Wangen des Baronets ein Feuer entfachte und eine Glut in seinem schwachen Körper, in Wirklichkeit ein guter Weißwein aus dem berühmten Keller des Marquis von Steyne war.

 

Besides the salmi, which was made of Lord Steyne’s pheasants from his lordship’s cottage of Stillbrook, Becky gave her brother-in-law a bottle of white wine, some that Rawdon had brought with him from France, and had picked up for nothing, the little story-teller said; whereas the liquor was, in truth, some White Hermitage from the Marquis of Steyne’s famous cellars, which brought fire into the Baronet’s pallid cheeks and a glow into his feeble frame.

Nachdem er die Flasche petit vin blanc ausgetrunken hatte, reichte sie ihm die Hand und führte ihn hinauf in den Salon. Dort machte sie es ihm auf dem Sofa am Kamin bequem und setzte sich zu ihm und lauschte mit zärtlichem Interesse seinem Gespräch. Dabei säumte sie ein Hemd für ihren lieben kleinen Knaben. Immer wenn Mrs. Rawdon besonders demütig und tugendhaft erscheinen wollte, dann kam dieses Hemdchen aus ihrem Handarbeitskasten hervor. Es war für Rawdon jedoch, lange bevor es fertig war, zu klein geworden.

 

Then when he had drunk up the bottle of petit vin blanc, she gave him her hand, and took him up to the drawing-room, and made him snug on the sofa by the fire, and let him talk as she listened with the tenderest kindly interest, sitting by him, and hemming a shirt for her dear little boy. Whenever Mrs. Rawdon wished to be particularly humble and virtuous, this little shirt used to come out of her work-box. It had got to be too small for Rawdon long before it was finished.

Rebekka hörte Pitt also zu, sprach mit ihm, sang ihm vor, schmeichelte ihm und lockte ihn, so daß er täglich lieber von seinen Anwälten in Gray's Inn zu dem lodernden Feuer in der Curzon Street zurückkehrte, eine Freude, an der auch die Männer des Gesetzes teilhatten, denn Pitts bombastische Reden waren schier endlos. Als er abreiste, empfand er direkt Abschiedsschmerz. Wie hübsch sie aussah, als sie ihm von ihrem Wagen aus Kußhändchen zuwarf und ihr Taschentuch schwenkte, als er seinen Platz in der Postkutsche eingenommen hatte! Einmal führte sie das Taschentuch sogar an die Augen. Als die Kutsche abfuhr, zog er die Seehundsmütze über das Gesicht, sank zurück und dachte darüber nach, wie sie ihn achtete und daß er es verdiente und daß Rawdon ein einfältiger, langweiliger Bursche sei, der seine Frau nicht halb zu schätzen wisse, und wie stumm und dumm seine eigene Frau sei, verglichen mit der glänzenden, kleinen Becky. Becky hatte vielleicht selbst all diese Dinge angedeutet, aber so feinfühlig und zart, daß man kaum wußte, wann oder wo. Ehe sie sich trennten, war noch beschlossen worden, daß das Haus in London für die nächste Saison neu instand gesetzt werden sollte und daß sich die Familien der Brüder zu Weihnachten wieder auf dem Lande treffen sollten.

 

Well, Rebecca listened to Pitt, she talked to him, she sang to him, she coaxed him, and cuddled him, so that he found himself more and more glad every day to get back from the lawyer’s at Gray’s Inn, to the blazing fire in Curzon Street — a gladness in which the men of law likewise participated, for Pitt’s harangues were of the longest — and so that when he went away he felt quite a pang at departing. How pretty she looked kissing her hand to him from the carriage and waving her handkerchief when he had taken his place in the mail! She put the handkerchief to her eyes once. He pulled his sealskin cap over his, as the coach drove away, and, sinking back, he thought to himself how she respected him and how he deserved it, and how Rawdon was a foolish dull fellow who didn’t half-appreciate his wife; and how mum and stupid his own wife was compared to that brilliant little Becky. Becky had hinted every one of these things herself, perhaps, but so delicately and gently that you hardly knew when or where. And, before they parted, it was agreed that the house in London should be redecorated for the next season, and that the brothers’ families should meet again in the country at Christmas.

»Ich wünschte, du hättest ihm ein bißchen Geld aus der Tasche gezogen«, sagte Rawdon verstimmt zu seiner Frau, als der Baronet fort war. »Ich würde gern dem armen Raggles etwas geben, zum Henker, wenn es nicht wahr ist. Weißt du, es ist nicht recht, wenn wir dem Alten sein ganzes Geld vorenthalten; es würde vielleicht unangenehm werden, und er könnte sein Haus jemand anders vermieten.«

 

“I wish you could have got a little money out of him,” Rawdon said to his wife moodily when the Baronet was gone. “I should like to give something to old Raggles, hanged if I shouldn’t. It ain’t right, you know, that the old fellow should be kept out of all his money. It may be inconvenient, and he might let to somebody else besides us, you know.”

»Sag ihm«, entgegnete Becky, »daß alle bezahlt werden, sobald Sir Pitts Angelegenheiten geordnet sind, und gib ihm eine Kleinigkeit als Anzahlung. Hier ist ein Scheck, den uns Sir Pitt für den Jungen hiergelassen hat.« Mit diesen Worten nahm sie aus ihrem Beutel ein Papier, das ihr Schwager ihr für den kleinen Sohn und Erben des jüngeren Zweiges der Familie gegeben hatte, und reichte es ihrem Mann.

 

“Tell him,” said Becky, “that as soon as Sir Pitt’s affairs are settled, everybody will be paid, and give him a little something on account. Here’s a cheque that Pitt left for the boy,” and she took from her bag and gave her husband a paper which his brother had handed over to her, on behalf of the little son and heir of the younger branch of the Crawleys.

In Wirklichkeit hatte sie selbst schon sehr vorsichtig das Gelände sondiert, auf das sie sich nach dem Wunsch ihres Mannes wagen sollte, es war ihr aber zu unsicher erschienen. Bei der leisesten Andeutung von Geldschwierigkeiten war Sir Pitt Crawley erschreckt hochgefahren und hatte eine lange Rede gehalten, in der er erklärte, wie bedrängt seine eigene Geldlage sei, daß die Pächter nicht zahlen wollten, daß ihn die Angelegenheiten seines Vaters und die Dinge, die mit dem Ableben des alten Herrn zusammenhingen, sehr viel gekostet hätten und daß er Hypotheken abzahlen wolle und daß die Konten bei seinen Bankiers und Agenten schon überzogen seien. Pitt Crawley endete damit, daß er einen Kompromiß mit seiner Schwägerin schloß und ihr eine sehr geringe Summe für ihren kleinen Jungen gab.

 

The truth is, she had tried personally the ground on which her husband expressed a wish that she should venture — tried it ever so delicately, and found it unsafe. Even at a hint about embarrassments, Sir Pitt Crawley was off and alarmed. And he began a long speech, explaining how straitened he himself was in money matters; how the tenants would not pay; how his father’s affairs, and the expenses attendant upon the demise of the old gentleman, had involved him; how he wanted to pay off incumbrances; and how the bankers and agents were overdrawn; and Pitt Crawley ended by making a compromise with his sister-in-law and giving her a very small sum for the benefit of her little boy.

Pitt wußte, wie arm sein Bruder sein mußte. Es konnte der Beobachtung eines so kühlen und erfahrenen alten Diplomaten nicht entgehen, daß Rawdons Familie nichts besaß, wovon sie leben konnte, und daß man Equipagen und Häuser nicht umsonst halten konnte. Er wußte recht gut, daß er das Geld bekommen oder, besser, sich verschafft hatte, das aller Voraussicht nach seinem jüngeren Bruder hätte zufallen sollen, und er empfand ganz sicher geheime Gewissensbisse, die ihn aufforderten, einen Akt der Gerechtigkeit oder, sagen wir, des Ausgleichs gegenüber seinen enttäuschten Verwandten zu vollziehen. Als gerechter, anständiger Mann, nicht ohne Denkvermögen, der seine Gebete sagte und seinen Katechismus kannte und äußerlich seine Pflicht im Leben tat, mußte er fühlen, daß er seinem Bruder etwas zukommen lassen müsse und daß er, moralisch gesehen, Rawdons Schuldner sei.

 

Pitt knew how poor his brother and his brother’s family must be. It could not have escaped the notice of such a cool and experienced old diplomatist that Rawdon’s family had nothing to live upon, and that houses and carriages are not to be kept for nothing. He knew very well that he was the proprietor or appropriator of the money, which, according to all proper calculation, ought to have fallen to his younger brother, and he had, we may be sure, some secret pangs of remorse within him, which warned him that he ought to perform some act of justice, or, let us say, compensation, towards these disappointed relations. A just, decent man, not without brains, who said his prayers, and knew his catechism, and did his duty outwardly through life, he could not be otherwise than aware that something was due to his brother at his hands, and that morally he was Rawdon’s debtor.

In den Spalten der »Times« kann man hier und da seltsame Anzeigen lesen, in denen der Schatzkanzler den Empfang von fünfzig Pfund von A. B. oder zehn Pfund von W. T. bestätigt, als Abzahlung für Steuern, die der erwähnte A. B. oder W. T. schuldet. Das in der öffentlichen Presse zu tun, haben die reuigen Schuldner den Schatzkanzler aufgefordert. Aber sowohl der Kanzler als auch der Leser sind sich zweifellos im klaren, daß der ebenerwähnte A. B. und W. T. nur einen sehr kleinen Teil ihrer wahren Schuld bezahlen und daß der, der eine Zwanzigpfundnote einschickt, höchstwahrscheinlich Hunderte und sogar Tausende zu zahlen hätte. Dies sind wenigstens meine Gefühle, wenn ich A. B.s oder W. T.s unzulängliche Bußhandlung erblicke. Ich zweifle auch nicht daran, daß Pitt Crawleys Zerknirschung oder, wenn man will, Güte gegenüber seinem jüngeren Bruder, durch den er so viel gewonnen hatte, nur eine sehr geringe Dividende von dem Kapital war, das er Rawdon schuldete. Es gibt viele, die nicht einmal gewillt sind, soviel zu zahlen. Sich vom Gelde zu trennen ist ein Opfer, das über die Kräfte der meisten ordnungsliebenden Menschen hinausgeht. Es gibt kaum einen, der es sich nicht hoch anrechnet, wenn er seinem Nächsten fünf Pfund schenkt. Der Verschwender gibt nicht aus wohlwollender Freude am Geben, sondern aus einem trägen Vergnügen, das er am Ausgeben findet. Er würde sich keinen Genuß versagen, weder seine Opernloge noch sein Pferd, noch seine Diener und nicht einmal das Vergnügen, dem Lazarus die fünf Pfund zu geben. Der Sparsame, welcher gut, weise, gerecht ist und keinem Menschen einen Penny schuldet, wendet sich von einem Bettler ab, feilscht mit dem Droschkenkutscher oder versagt einem armen Verwandten seine Hilfe. Ich weiß nicht, welcher von den beiden egoistischer ist. Das Geld hat in ihren Augen nur verschiedenen Wert.

 

But, as one reads in the columns of the Times newspaper every now and then, queer announcements from the Chancellor of the Exchequer, acknowledging the receipt of 50 pounds from A. B., or 10 pounds from W. T., as conscience-money, on account of taxes due by the said A. B. or W. T., which payments the penitents beg the Right Honourable gentleman to acknowledge through the medium of the public press — so is the Chancellor no doubt, and the reader likewise, always perfectly sure that the above-named A. B. and W. T. are only paying a very small instalment of what they really owe, and that the man who sends up a twenty-pound note has very likely hundreds or thousands more for which he ought to account. Such, at least, are my feelings, when I see A. B. or W. T.’s insufficient acts of repentance. And I have no doubt that Pitt Crawley’s contrition, or kindness if you will, towards his younger brother, by whom he had so much profited, was only a very small dividend upon the capital sum in which he was indebted to Rawdon. Not everybody is willing to pay even so much. To part with money is a sacrifice beyond almost all men endowed with a sense of order. There is scarcely any man alive who does not think himself meritorious for giving his neighbour five pounds. Thriftless gives, not from a beneficent pleasure in giving, but from a lazy delight in spending. He would not deny himself one enjoyment; not his opera-stall, not his horse, not his dinner, not even the pleasure of giving Lazarus the five pounds. Thrifty, who is good, wise, just, and owes no man a penny, turns from a beggar, haggles with a hackney-coachman, or denies a poor relation, and I doubt which is the most selfish of the two. Money has only a different value in the eyes of each.

Mit einem Wort: Pitt Crawley dachte, daß er etwas für seinen Bruder tun wolle, und meinte dann, er wolle ein andermal daran denken.

 

So, in a word, Pitt Crawley thought he would do something for his brother, and then thought that he would think about it some other time.

Becky war keine Frau, die zuviel von der Großmut ihrer Nächsten erwartete. Sie war daher mit dem, was Pitt Crawley für sie getan hatte, vollkommen zufrieden. Das Oberhaupt der Familie hatte sie anerkannt. Wenn Pitt ihr nichts geben wollte, so würde er ihr doch eines Tages etwas verschaffen. Wenn sie von ihrem Schwager auch kein Geld bekam, so bekam sie doch etwas, was ebenso gut war wie Geld – Kredit. Raggles beruhigten der Anblick der Einigkeit zwischen den Brüdern, eine kleine Anzahlung und das Versprechen, daß er bald eine größere Summe erhalten würde. Rebekka zahlte Miss Briggs die Weihnachtszinsen für die kleine Summe, die sie von ihr geliehen hatte, mit einer Miene aufrichtiger Freude aus, als ob ihre Kasse von Gold überströmte, und erzählte ihr dabei im tiefsten Vertrauen, daß sie mit Sir Pitt, der als Finanzmann berühmt sei, über Miss Briggs gesprochen habe, und zwar über die vorteilhafte Anlage des restlichen Kapitals von Miss Briggs. Sir Pitt habe nach reiflichen Überlegungen eine Möglichkeit gefunden, wie die Briggs ihr Geld sicher und vorteilhaft anlegen könnte. Er nehme besonderen Anteil an ihr, als einer alten Freundin der seligen Miss Crawley und der ganzen Familie, und lange bevor er die Stadt verlassen habe, habe er empfohlen, sie solle das Geld zur sofortigen Verfügung halten, um die Aktien, die Sir Pitt im Auge habe, bei günstiger Gelegenheit kaufen zu können. Die arme Miss Briggs war für diesen Beweis von Sir Pitts Aufmerksamkeit sehr dankbar. Es kam so unerwartet, sagte sie, sie habe nie daran gedacht, ihr Geld aus den Staatspapieren zu ziehen. Die Freundlichkeit seines Anerbietens wurde noch durch das Taktgefühl, mit dem es gemacht wurde, erhöht; sie versprach, sofort ihren Anwalt aufzusuchen und ihr kleines Kapital im richtigen Augenblick bereit zu haben.

 

And with regard to Becky, she was not a woman who expected too much from the generosity of her neighbours, and so was quite content with all that Pitt Crawley had done for her. She was acknowledged by the head of the family. If Pitt would not give her anything, he would get something for her some day. If she got no money from her brother-in-law, she got what was as good as money — credit. Raggles was made rather easy in his mind by the spectacle of the union between the brothers, by a small payment on the spot, and by the promise of a much larger sum speedily to be assigned to him. And Rebecca told Miss Briggs, whose Christmas dividend upon the little sum lent by her Becky paid with an air of candid joy, and as if her exchequer was brimming over with gold — Rebecca, we say, told Miss Briggs, in strict confidence that she had conferred with Sir Pitt, who was famous as a financier, on Briggs’s special behalf, as to the most profitable investment of Miss B.’s remaining capital; that Sir Pitt, after much consideration, had thought of a most safe and advantageous way in which Briggs could lay out her money; that, being especially interested in her as an attached friend of the late Miss Crawley, and of the whole family, and that long before he left town, he had recommended that she should be ready with the money at a moment’s notice, so as to purchase at the most favourable opportunity the shares which Sir Pitt had in his eye. Poor Miss Briggs was very grateful for this mark of Sir Pitt’s attention — it came so unsolicited, she said, for she never should have thought of removing the money from the funds — and the delicacy enhanced the kindness of the office; and she promised to see her man of business immediately and be ready with her little cash at the proper hour.

Diese würdige Dame war Rebekka so dankbar für die Freundlichkeit bei der Angelegenheit und auch ihrem großmütigen Wohltäter, dem Oberst, daß sie ausging und einen großen Teil ihrer Halbjahreszinsen beim Kauf eines schwarzen Samtröckchens für den kleinen Rawdon ausgab, der übrigens jetzt für schwarzen Samt fast zu groß geworden war. Er hatte nun eine Größe und ein Alter erreicht, denen Männerkleidung angemessen war.

 

And this worthy woman was so grateful for the kindness of Rebecca in the matter, and for that of her generous benefactor, the Colonel, that she went out and spent a great part of her half-year’s dividend in the purchase of a black velvet coat for little Rawdon, who, by the way, was grown almost too big for black velvet now, and was of a size and age befitting him for the assumption of the virile jacket and pantaloons.

Er war ein hübscher Knabe mit offenem Gesicht, blauen Augen, lockigem Flachshaar und starken Gliedern, aber großmütig und weichherzig, liebevoll ergeben allen, die gut zu ihm waren: dem Pony, Lord Southdown, der ihm das Pony geschenkt hatte (er erglühte immer vor Freude, wenn er den freundlichen jungen Edelmann sah), dem Reitknecht, der das Pony pflegte, Mary, der Köchin, die ihn abends mit Gespenstergeschichten und Leckerbissen vom Abendessen vollstopfte, der Briggs, die er quälte und auslachte, und besonders seinem Vater, dessen Liebe zu dem Knaben auch merkwürdig zu beobachten war. Hier endete aber wohl der Kreis seiner Zuneigungen, als er etwa acht Jahre alt geworden war. Das schöne Bild der Mutter war nach einer Weile verblaßt. Fast zwei Jahre lang hatte sie kaum ein Wort mit dem Jungen gesprochen. Sie konnte ihn nicht leiden. Er hatte die Masern und den Keuchhusten. Er langweilte sie. Eines Tages war er, angelockt von der Stimme seiner Mutter, die Lord Steyne vorsang, herabgeschlichen und stand auf dem Treppenabsatz, als sich plötzlich die Tür des Salons öffnete und sie den kleinen Spion entdeckte, der noch vor einem Augenblick verzückt der Musik gelauscht hatte.

 

He was a fine open-faced boy, with blue eyes and waving flaxen hair, sturdy in limb, but generous and soft in heart, fondly attaching himself to all who were good to him — to the pony — to Lord Southdown, who gave him the horse (he used to blush and glow all over when he saw that kind young nobleman) — to the groom who had charge of the pony — to Molly, the cook, who crammed him with ghost stories at night, and with good things from the dinner — to Briggs, whom he plagued and laughed at — and to his father especially, whose attachment towards the lad was curious too to witness. Here, as he grew to be about eight years old, his attachments may be said to have ended. The beautiful mother-vision had faded away after a while. During near two years she had scarcely spoken to the child. She disliked him. He had the measles and the hooping-cough. He bored her. One day when he was standing at the landing-place, having crept down from the upper regions, attracted by the sound of his mother’s voice, who was singing to Lord Steyne, the drawing room door opening suddenly, discovered the little spy, who but a moment before had been rapt in delight, and listening to the music.

Seine Mutter kam heraus und gab ihm ein paar derbe Ohrfeigen. Er hörte drinnen im Zimmer den Marquis lachen (den die freie und offene Schaustellung von Beckys Temperament belustigte) und floh zu seinen Freunden in die Küche hinab und brach dort in kummervolle Tränen aus.

 

His mother came out and struck him violently a couple of boxes on the ear. He heard a laugh from the Marquis in the inner room (who was amused by this free and artless exhibition of Becky’s temper) and fled down below to his friends of the kitchen, bursting in an agony of grief.

»Es ist ja nicht, weil es weh tut«, schluchzte der kleine Rawdon, »nur – nur « Heftiges Schluchzen und ein Strom von Tränen beendeten den Satz. Das Herz des kleinen Jungen blutete. »Warum darf ich sie nicht singen hören? Warum singt sie nicht auch einmal vor mir wie vor dem kahlköpfigen Mann mit den großen Zähnen?« Diese Äußerungen von Wut und Schmerz stieß er abgerissen hervor. Die Köchin blickte das Hausmädchen an, das Hausmädchen sah schlau den Diener an – die furchtbare Kücheninquisition, die in jedem Hause zu Gericht sitzt und alles weiß, sprach in diesem Augenblick ihr Urteil über Rebekka.

 

“It is not because it hurts me,” little Rawdon gasped out — "only — only" — sobs and tears wound up the sentence in a storm. It was the little boy’s heart that was bleeding. “Why mayn’t I hear her singing? Why don’t she ever sing to me — as she does to that baldheaded man with the large teeth?” He gasped out at various intervals these exclamations of rage and grief. The cook looked at the housemaid, the housemaid looked knowingly at the footman — the awful kitchen inquisition which sits in judgement in every house and knows everything — sat on Rebecca at that moment.

Nach diesem Vorfall wurde die Abneigung der Mutter zum Haß. Der Gedanke, daß das Kind sich im Hause befand, war ihr Vorwurf und Qual zugleich. Sein bloßer Anblick ärgerte sie. Aber auch im Herzen des Knaben erwuchsen Furcht, Zweifel und Widerstand. Vom Tage der Ohrfeigen an waren sie endgültig voneinander getrennt.

 

After this incident, the mother’s dislike increased to hatred; the consciousness that the child was in the house was a reproach and a pain to her. His very sight annoyed her. Fear, doubt, and resistance sprang up, too, in the boy’s own bosom. They were separated from that day of the boxes on the ear.

Lord Steyne war dem Knaben ebenfalls von Herzen abgeneigt. Wenn sie sich unglücklicherweise begegneten, machte er gegenüber dem Kind sarkastische Verbeugungen oder Bemerkungen oder starrte es wild an. Rawdon starrte ihm dann ebenfalls ins Gesicht und ballte die kleinen Fäuste. Er kannte seinen Feind; von allen Herren, die ins Haus kamen, war dieser es, der ihn am meisten ärgerte. Eines Tages traf ihn der Diener, wie er mit den Fäusten auf Lord Steynes Hut im Vorzimmer einhieb. Der Bediente erzählte dies als einen guten Witz Lord Steynes Kutscher, dieser wiederum Lord Steynes Kammerdiener und dem ganzen Gesindezimmer. Als bald darauf Mrs. Rawdon Crawley im Gaunt-Haus erschien, wußten alle über sie Bescheid oder bildeten sich ein, es zu wissen: der Portier, der das Tor öffnete, die Diener aller Ränge in der Halle und die Lakaien in weißer Weste, die von Treppenabsatz zu Treppenabsatz den Namen des Obersten und Mrs. Rawdon Crawleys ausriefen. Der Mann, der ihr Erfrischungen brachte und hinter ihrem Stuhl stand, hatte ihren Charakter mit dem langen Herrn im buntscheckigen Anzug an seiner Seite besprochen. Bon Dieu! Diese Dienstboteninquisition ist etwas Entsetzliches. Du siehst eine Dame auf einer großen Gesellschaft in einem prächtigen Salon, von treuen Bewunderern umgeben, die funkelnde Blicke austeilt, vollendet gekleidet, frisiert und geschminkt ist und glücklich lächelt. Aber die Entdeckung tritt ihr respektvoll entgegen in Gestalt; eines riesigen gepuderten Mannes mit dicken Waden und einem Tablett voll Eis und hinter ihm die Verleumdung (die ebenso verhängnisvoll ist wie die Wahrheit) in Gestalt des unbeholfenen Burschen, der die Waffeln trägt. Madame, Ihr Geheimnis werden diese Männer noch heute abend im Wirtshausklub besprechen. James wird Charles bei einer Pfeife und einem Krug Bier seine Ansichten über Sie mitteilen. Einige Leute auf dem Jahrmarkt der Eitelkeit sollten Stumme als Diener haben, die nicht schreiben können. Wenn du schuldig bist, so zittere! Der Bursche hinter deinem Stuhl kann ein Janitschar sein, der in der Tasche seiner Plüschhose schon die seidene Schnur zum Erdrosseln für dich trägt. Wenn du nicht schuldig bist, so hüte dich vor dem Schein, der oft ebenso verderblich ist wie die Schuld.

 

Lord Steyne also heartily disliked the boy. When they met by mischance, he made sarcastic bows or remarks to the child, or glared at him with savage-looking eyes. Rawdon used to stare him in the face and double his little fists in return. He knew his enemy, and this gentleman, of all who came to the house, was the one who angered him most. One day the footman found him squaring his fists at Lord Steyne’s hat in the hall. The footman told the circumstance as a good joke to Lord Steyne’s coachman; that officer imparted it to Lord Steyne’s gentleman, and to the servants’ hall in general. And very soon afterwards, when Mrs. Rawdon Crawley made her appearance at Gaunt House, the porter who unbarred the gates, the servants of all uniforms in the hall, the functionaries in white waistcoats, who bawled out from landing to landing the names of Colonel and Mrs. Rawdon Crawley, knew about her, or fancied they did. The man who brought her refreshment and stood behind her chair, had talked her character over with the large gentleman in motley-coloured clothes at his side. Bon Dieu! it is awful, that servants’ inquisition! You see a woman in a great party in a splendid saloon, surrounded by faithful admirers, distributing sparkling glances, dressed to perfection, curled, rouged, smiling and happy — Discovery walks respectfully up to her, in the shape of a huge powdered man with large calves and a tray of ices — with Calumny (which is as fatal as truth) behind him, in the shape of the hulking fellow carrying the wafer-biscuits. Madam, your secret will be talked over by those men at their club at the public-house to-night. Jeames will tell Chawles his notions about you over their pipes and pewter beer-pots. Some people ought to have mutes for servants in Vanity Fair — mutes who could not write. If you are guilty, tremble. That fellow behind your chair may be a Janissary with a bow-string in his plush breeches pocket. If you are not guilty, have a care of appearances, which are as ruinous as guilt.

War Rebekka schuldig oder nicht? Das Femegericht des Bedientenzimmers hatte gegen sie entschieden.

 

“Was Rebecca guilty or not?” the Vehmgericht of tho servants’ hall had pronounced against her.

Und ich schäme mich, es zu sagen: Hätte man sie nicht für schuldig gehalten, hätte sie keinen Kredit mehr gehabt. Der Anblick von Lord Steynes Wagenlaternen, die vor ihrer Tür in finsterer Mitternacht leuchteten, hielt Raggles mehr aufrecht, wie er später sagte, als Rebekkas Künste und Schmeicheleien.

 

And, I shame to say, she would not have got credit had they not believed her to be guilty. It was the sight of the Marquis of Steyne’s carriage-lamps at her door, contemplated by Raggles, burning in the blackness of midnight, “that kep him up,” as he afterwards said, that even more than Rebecca’s arts and coaxings.

So – sehr wahrscheinlich schuldlos – drängte und stieß sie sich vorwärts, hin zu etwas, was man »eine Stellung in der Gesellschaft« nennt; aber schon deuteten die Dienstboten auf sie als verloren und ruiniert. So kann man morgens Molly, das Hausmädchen, sehen, wie sie eine Spinne beobachtet, die ihren Faden am Türpfosten spannt und mühsam daran emporklettert, bis das Mädchen, des Spiels müde, den Besen erhebt und Faden samt Schöpferin hinwegfegt.

 

And so — guiltless very likely — she was writhing and pushing onward towards what they call “a position in society,” and the servants were pointing at her as lost and ruined. So you see Molly, the housemaid, of a morning, watching a spider in the doorpost lay his thread and laboriously crawl up it, until, tired of the sport, she raises her broom and sweeps away the thread and the artificer.

Ein paar Tage vor Weihnachten machten sich Becky, ihr Mann und ihr Sohn auf die Reise, um die Feiertage auf dem Sitz ihrer Ahnen, in Queen's Crawley, zu verbringen. Becky hätte den kleinen Balg gern daheimgelassen und hätte es auch getan, wenn nicht Lady Jane den Knaben dringend eingeladen hätte und nicht Zeichen von Unzufriedenheit und Empörung über die Vernachlässigung ihres Sohnes bei Rawdon spürbar geworden wären. »Er ist der feinste Junge in England«, sagte der Vater in vorwurfsvollem Ton zu ihr, »aber du scheinst dir nicht soviel aus ihm zu machen wie aus deinem Schoßhund, Becky. Er soll dich nicht viel stören. Zu Hause wird er weit weg von dir im Kinderzimmer sein, während der Reise kann er außen mit mir fahren.«

 

A day or two before Christmas, Becky, her husband and her son made ready and went to pass the holidays at the seat of their ancestors at Queen’s Crawley. Becky would have liked to leave the little brat behind, and would have done so but for Lady Jane’s urgent invitations to the youngster, and the symptoms of revolt and discontent which Rawdon manifested at her neglect of her son. “He’s the finest boy in England,” the father said in a tone of reproach to her, “and you don’t seem to care for him, Becky, as much as you do for your spaniel. He shan’t bother you much; at home he will be away from you in the nursery, and he shall go outside on the coach with me.”

»Wo du selbst nur fährst, weil du deine gemeinen Zigarren rauchen willst«, erwiderte Mrs. Rawdon.

 

“Where you go yourself because you want to smoke those filthy cigars,” replied Mrs. Rawdon.

»Ich kann mich noch an die Zeit erinnern, wo sie dir gefielen«, entgegnete ihr Mann.

 

“I remember when you liked ’em though,” answered the husband.

Becky lachte. Sie war fast immer guter Laune. »Das war damals, als ich noch auf Beförderung diente, du Dummchen«, sagte sie. »Nimm Rawdon mit auf den Außensitz, und gib ihm auch eine Zigarre, wenn du Lust hast.«

 

Becky laughed; she was almost always good-humoured. “That was when I was on my promotion, Goosey,” she said. “Take Rawdon outside with you and give him a cigar too if you like.”

Rawdon wärmte seinen kleinen Sohn nicht auf diese Weise während der Winterreise, sondern er und die Briggs hüllten ihn in Schals und Decken, und er wurde an dem dunklen Morgen unter den Lampen des »Gasthofs zum Weißen Roß« respektvoll auf das Kutschendach gehoben. Mit großem Entzücken sah er den Tag allmählich anbrechen und machte seine erste Reise zu dem Ort, den sein Vater noch immer »zu Hause« nannte. Die Reise bedeutete für den Knaben eine unendliche Freude. Er beobachtete alles mit nimmermüdem Interesse, und sein Vater beantwortete ihm alle Fragen, die damit zusammenhingen. Er erzählte ihm, wer in dem großen weißen Haus rechts wohnte und wem der Park gehörte. Seine Mutter im Wageninneren mit ihrer Kammerjungfer und ihren Pelzen, ihren Schals und Riechfläschchen machte so viel Wesens, daß man hätte meinen können, sie sei noch nie in einer Postkutsche gefahren, geschweige denn, daß sie einstmals vor mehr als zehn Jahren auf einer gewissen Reise aus derselben Kutsche hinausgewiesen worden war, um einem zahlenden Fahrgast Platz zu machen.

 

Rawdon did not warm his little son for the winter’s journey in this way, but he and Briggs wrapped up the child in shawls and comforters, and he was hoisted respectfully onto the roof of the coach in the dark morning, under the lamps of the White Horse Cellar; and with no small delight he watched the dawn rise and made his first journey to the place which his father still called home. It was a journey of infinite pleasure to the boy, to whom the incidents of the road afforded endless interest, his father answering to him all questions connected with it and telling him who lived in the great white house to the right, and whom the park belonged to. His mother, inside the vehicle, with her maid and her furs, her wrappers, and her scent bottles, made such a to-do that you would have thought she never had been in a stage-coach before — much less, that she had been turned out of this very one to make room for a paying passenger on a certain journey performed some half-score years ago.

Es war bereits wieder dunkel, als der kleine Rawdon geweckt wurde, um in den Wagen seines Onkels in Mudbury zu steigen. Verwundert blickte er hinaus, als das große Eichentor aufflog und die weißen Stämme der Lindenbäume vorbeistrichen, bis sie schließlich vor den erleuchteten Fenstern des Schlosses hielten, das von weihnachtlichem Glanz strahlte. Die mächtige Eingangstür wurde aufgerissen, in dem großen alten Kamin brannte ein gewaltiges Feuer – über dem schwarzgewürfelten Steinboden lag ein Teppich ausgebreitet. Das ist der alte türkische, der früher in der Damengalerie lag, dachte Rebekka, und im nächsten Augenblick küßte sie Lady Jane.

 

It was dark again when little Rawdon was wakened up to enter his uncle’s carriage at Mudbury, and he sat and looked out of it wondering as the great iron gates flew open, and at the white trunks of the limes as they swept by, until they stopped, at length, before the light windows of the Hall, which were blazing and comfortable with Christmas welcome. The hall-door was flung open — a big fire was burning in the great old fire-place — a carpet was down over the chequered black flags — "It’s the old Turkey one that used to be in the Ladies’ Gallery,” thought Rebecca, and the next instant was kissing Lady Jane.

Sie und Sir Pitt führten dieselbe Begrüßung mit großem Ernst aus, aber Rawdon hielt sich von seiner Schwägerin zurück, weil er geraucht hatte. Ihre beiden Kinder sprangen dem Vetter entgegen. Während Matilda ihm die Hand hinstreckte und ihn küßte, stand Pitt Binkie Southdown, der Sohn und Erbe, ein wenig beiseite und betrachtete ihn prüfend wie ein kleiner Hund einen großen.

 

She and Sir Pitt performed the same salute with great gravity; but Rawdon, having been smoking, hung back rather from his sister-in-law, whose two children came up to their cousin; and, while Matilda held out her hand and kissed him, Pitt Binkie Southdown, the son and heir, stood aloof rather and examined him as a little dog does a big dog.

Hierauf führte die freundliche Wirtin ihre Gäste in die gemütlichen Zimmer, in denen Kaminfeuer munter prasselten. Später kamen dann die jungen Damen und klopften an Mrs. Rawdons Tür, unter dem Vorwand, sie wollten sich so gern nützlich machen. In Wirklichkeit wollten sie den Inhalt ihrer Bänder- und Hutschachteln begutachten und ihre Kleider besichtigen, die zwar schwarz, aber doch nach der neuesten Londoner Mode waren. Sie erzählten ihr, wie sehr das Schloß sich zu seinem Vorteil verändert habe und daß die alte Lady Southdown fort sei und daß Pitt seine Stellung in der Grafschaft geltend mache, wie es einem Crawley tatsächlich zukam. Dann, als die große Tischglocke ertönte, versammelte sich die Familie zum Essen, wobei der jüngere Rawdon neben seine Tante, die gutherzige Hausherrin, gesetzt wurde. Sir Pitt Crawley erwies der Schwägerin zu seiner Rechten ungewöhnliche Aufmerksamkeit.

 

Then the kind hostess conducted her guests to the snug apartments blazing with cheerful fires. Then the young ladies came and knocked at Mrs. Rawdon’s door, under the pretence that they were desirous to be useful, but in reality to have the pleasure of inspecting the contents of her band and bonnet-boxes, and her dresses which, though black, were of the newest London fashion. And they told her how much the Hall was changed for the better, and how old Lady Southdown was gone, and how Pitt was taking his station in the county, as became a Crawley in fact. Then the great dinner-bell having rung, the family assembled at dinner, at which meal Rawdon Junior was placed by his aunt, the good-natured lady of the house, Sir Pitt being uncommonly attentive to his sister-in-law at his own right hand.

Der kleine Rawdon zeigte einen vortrefflichen Appetit und benahm sich sehr anständig.

 

Little Rawdon exhibited a fine appetite and showed a gentlemanlike behaviour.

»Hier macht es mir Spaß zu essen«, sagte er zu seiner Tante, als er seinen Teller leergegessen hatte. Nach Beendigung des Mahles und einem angemessenen Dankgebet wurde der kleine Sohn und Erbe hereingebracht und auf einen hohen Stuhl neben den Baronet gesetzt, während die Tochter sich auf einen Platz neben der Mutter setzte und das kleine Weinglas ergriff, das dort für sie stand. »Hier macht es mir Spaß zu essen«, sagte Rawdon der Jüngere und sah zu dem freundlichen Gesicht der Tante auf.

 

“I like to dine here,” he said to his aunt when he had completed his meal, at the conclusion of which, and after a decent grace by Sir Pitt, the younger son and heir was introduced, and was perched on a high chair by the Baronet’s side, while the daughter took possession of the place and the little wine-glass prepared for her near her mother. “I like to dine here,” said Rawdon Minor, looking up at his relation’s kind face.

»Warum?« fragte die gute Lady Jane.

 

“Why?” said the good Lady Jane.

»Zu Hause esse ich in der Küche oder sonst mit der Briggs«, entgegnete Rawdon der Jüngere. Becky war jedoch so mit dem Baronet, ihrem Wirt, beschäftigt und ergoß eine solche Flut von Komplimenten und Bewunderungsrufen über den kleinen Pitt Binkie, den sie als ein außerordentlich schönes, intelligentes, edel aussehendes Geschöpfchen bezeichnete, das seinem Vater so ähnlich sei, daß sie das, was ihr eigenes Fleisch und Blut am anderen Ende der langen glänzenden Tafel äußerte, nicht vernahm.

 

“I dine in the kitchen when I am at home,” replied Rawdon Minor, “or else with Briggs.” But Becky was so engaged with the Baronet, her host, pouring out a flood of compliments and delights and raptures, and admiring young Pitt Binkie, whom she declared to be the most beautiful, intelligent, noble-looking little creature, and so like his father, that she did not hear the remarks of her own flesh and blood at the other end of the broad shining table.

Da Rawdon der Zweite hier Gast war und da es der erste Abend nach der Ankunft war, durfte er lange aufbleiben. So erlebte er nach der Teestunde, wie ein großes vergoldetes Buch vor Sir Pitt auf den Tisch gelegt wurde und alle Dienstboten des Hauses hereinströmten und Sir Pitt eine Abendandacht abhielt. Es war das erstemal, daß der arme kleine Knabe solch eine feierliche Handlung hörte und sogar daran teilnahm.

 

As a guest, and it being the first night of his arrival, Rawdon the Second was allowed to sit up until the hour when tea being over, and a great gilt book being laid on the table before Sir Pitt, all the domestics of the family streamed in, and Sir Pitt read prayers. It was the first time the poor little boy had ever witnessed or heard of such a ceremonial.

Das Haus war in der kurzen Zeit der Regierung des neuen Baronets schon bedeutend schöner geworden, und als Rebekka es in seiner Begleitung besichtigte, nannte sie es vollkommen, bezaubernd und entzückend. Dem kleinen Rawdon, der es unter Führung der Kinder erforschte, erschien es als wahres Zauberschloß voller Wunder. Da gab es lange Galerien, altertümliche Prachtschlafzimmer, Gemälde, altes Porzellan und Waffen. Dann waren da die Zimmer, in denen Großpapa gestorben war und an denen die Kinder mit furchtsamen Blicken vorübergingen. »Wer war Großpapa?« fragte er, und sie erzählten ihm, daß er sehr alt gewesen und in einem Rollstuhl umhergefahren worden sei. Eines Tages zeigten sie ihm den Rollstuhl, der in einem Geräteschuppen stand und vermoderte, seitdem man den alten Herrn in die Kirche gefahren hatte, deren Turm sie über den Ulmen im Park schimmern sahen.

 

The house had been much improved even since the Baronet’s brief reign, and was pronounced by Becky to be perfect, charming, delightful, when she surveyed it in his company. As for little Rawdon, who examined it with the children for his guides, it seemed to him a perfect palace of enchantment and wonder. There were long galleries, and ancient state bedrooms, there were pictures and old China, and armour. There were the rooms in which Grandpapa died, and by which the children walked with terrified looks. “Who was Grandpapa?” he asked; and they told him how he used to be very old, and used to be wheeled about in a garden-chair, and they showed him the garden-chair one day rotting in the out-house in which it had lain since the old gentleman had been wheeled away yonder to the church, of which the spire was glittering over the park elms.

Die Brüder waren mehrere Vormittage lang damit beschäftigt, die Verbesserungen zu besichtigen, die Sir Pitts Talent und Sparsamkeit bewirkt hatten. Während sie so gingen oder ritten und sich alles ansahen, konnten sie sich unterhalten, ohne einander zu sehr zu langweilen. Pitt trug stets Sorge, seinem Bruder zu erzählen, wieviel Geld diese Verbesserungen verschlungen hätten und daß ein Mann trotz Grundbesitz und Staatspapieren oft um zwanzig Pfund in Verlegenheit geraten könne. »Da ist zum Beispiel das neue Parktor«, sagte Pitt und deutete bescheiden mit dem Bambusstock darauf. »Ich kann es vor den Januarzinsen ebensowenig bezahlen, wie ich fliegen kann.«

 

The brothers had good occupation for several mornings in examining the improvements which had been effected by Sir Pitt’s genius and economy. And as they walked or rode, and looked at them, they could talk without too much boring each other. And Pitt took care to tell Rawdon what a heavy outlay of money these improvements had occasioned, and that a man of landed and funded property was often very hard pressed for twenty pounds. “There is that new lodge-gate,” said Pitt, pointing to it humbly with the bamboo cane, “I can no more pay for it before the dividends in January than I can fly.”

»Bis dahin kann ich es dir borgen, Pitt«, antwortete Rawdon recht kläglich. Dann gingen sie und sahen sich das wiederhergestellte Pförtnerhäuschen an, wo das Familienwappen gerade neu in Stein gehauen wurde. Zum erstenmal seit langen Jahren hatte die alte Mrs. Lock dicht schließende Türen, ein festes Dach und unzerbrochene Fenster.

 

“I can lend you, Pitt, till then,” Rawdon answered rather ruefully; and they went in and looked at the restored lodge, where the family arms were just new scraped in stone, and where old Mrs. Lock, for the first time these many long years, had tight doors, sound roofs, and whole windows.


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