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38. Kapitel / Chapter 38

Eine Familie in bescheidenen Verhältnissen / A Family in a Very Small Way

Wir dürfen nun annehmen, daß der kleine George Osborne von Knightsbridge nach Fulham geritten ist, und wollen in diesem Dorf anhalten und uns nach ein paar Freunden, die wir hier zurückgelassen haben, erkundigen. Wie geht es Mrs. Amelia nach dem Sturm von Waterloo? Lebt sie und geht es ihr einigermaßen gut? Was ist aus Major Dobbin geworden, dessen Wagen sich stets in der Nähe ihrer Wohnung herumtrieb? Und gibt es Nachrichten über den Steuereinnehmer von Boggley Wollah? Das, was wir von diesem wissen, ist kurz folgendes:

 

We must suppose little George Osborne has ridden from Knightsbridge towards Fulham, and will stop and make inquiries at that village regarding some friends whom we have left there. How is Mrs. Amelia after the storm of Waterloo? Is she living and thriving? What has come of Major Dobbin, whose cab was always hankering about her premises? And is there any news of the Collector of Boggley Wollah? The facts concerning the latter are briefly these:

Unser würdiger dicker Freund Joseph Sedley kehrte nicht lange nach seiner Flucht von Brüssel nach Indien zurück. Entweder war sein Urlaub abgelaufen, oder er befürchtete, Zeugen seiner Waterlooflucht zu treffen. Wie dem auch sei, er kehrte bald nach Bengalen zu seinen Berufspflichten zurück, nachdem Napoleon seine Residenz auf Sankt Helena aufgeschlagen hatte, wo Joseph den Exkaiser sah. Nach dem, was Mr. Sedley auf dem Schiff verlauten ließ, hätte man glauben können, daß es nicht das erstemal war, daß er und der Korse einander getroffen hatten, und daß der Zivilist dem französischen Kaiser schon am Mont Saint-Jean Trotz geboten habe. Er wußte tausend Anekdoten über die berühmten Schlachten, er kannte die Aufstellung eines jeden Regiments und die Verluste, die sie erlitten hatten. Er leugnete nicht, an den Siegen beteiligt gewesen zu sein, daß er bei der Armee gewesen sei und Depeschen für den Herzog von Wellington überbracht habe. Was der Herzog in jedem erdenklichen Augenblick am Tag von Waterloo getan und gesagt hatte, beschrieb er mit so genauer Kenntnis von den Gefühlen und Handlungen Seiner Hoheit, daß es für alle offensichtlich war: den ganzen Tag über hatte er sich an der Seite des Siegers befunden. Dabei war sein Name als der eines Nichtkämpfers in den öffentlichen Dokumenten über die Schlacht nicht erwähnt worden. Vielleicht glaubte er am Ende selbst, daß er etwas mit der Armee zu tun gehabt hatte; gewiß ist wenigstens, daß er in Kalkutta eine Zeitlang ungeheueres Aufsehen erregte und während seines ganzen Aufenthalts in Bengalen Waterloo-Sedley genannt wurde.

 

Our worthy fat friend Joseph Sedley returned to India not long after his escape from Brussels. Either his furlough was up, or he dreaded to meet any witnesses of his Waterloo flight. However it might be, he went back to his duties in Bengal very soon after Napoleon had taken up his residence at St. Helena, where Jos saw the ex-Emperor. To hear Mr. Sedley talk on board ship you would have supposed that it was not the first time he and the Corsican had met, and that the civilian had bearded the French General at Mount St. John. He had a thousand anecdotes about the famous battles; he knew the position of every regiment and the loss which each had incurred. He did not deny that he had been concerned in those victories — that he had been with the army and carried despatches for the Duke of Wellington. And he described what the Duke did and said on every conceivable moment of the day of Waterloo, with such an accurate knowledge of his Grace’s sentiments and proceedings that it was clear he must have been by the conqueror’s side throughout the day; though, as a non-combatant, his name was not mentioned in the public documents relative to the battle. Perhaps he actually worked himself up to believe that he had been engaged with the army; certain it is that he made a prodigious sensation for some time at Calcutta, and was called Waterloo Sedley during the whole of his subsequent stay in Bengal.

Die Wechsel, die Joseph für jene unglückseligen Pferde ausgestellt hatte, wurden von ihm und seinen Beauftragten ohne Widerrede bezahlt. Niemals hörte man ihn auf den Handel anspielen, und niemand kann mit Gewißheit sagen, was aus den Pferden geworden ist und wie er sie und Isidor, seinen belgischen Diener, los wurde. Man weiß nur, daß dieser einen Grauschimmel, der dem sehr ähnelte, auf dem Joseph geritten war, im Herbst 1815 in Valenciennes verkaufte.

 

The bills which Jos had given for the purchase of those unlucky horses were paid without question by him and his agents. He never was heard to allude to the bargain, and nobody knows for a certainty what became of the horses, or how he got rid of them, or of Isidor, his Belgian servant, who sold a grey horse, very like the one which Jos rode, at Valenciennes sometime during the autumn of 1815.

Josephs Beauftragte in London mußten seinen Eltern in Fulham jährlich hundertundzwanzig Pfund auszahlen. Das waren die Hauptmittel des alten Paares, denn Mr. Sedleys Spekulationen nach seinem Bankrott verhalfen dem alten Herrn auf keinen Fall wieder zu Vermögen. Er versuchte sich im Weinhandel, im Kohlenhandel, als Lotterieeinnehmer auf Kommission und so weiter und so fort. Jedesmal, wenn er ein neues Geschäft anfing, schickte er Prospekte an seine Freunde, bestellte eine neue Messingplatte für seine Tür und versicherte großsprecherisch, daß er doch noch sein Glück machen werde. Aber Fortuna kam nie zu dem schwachen, gebeugten Greis zurück. Seine Freunde waren müde, teure Kohlen und schlechten Wein von ihm zu kaufen, und fielen einer nach dem anderen von ihm ab. Und wenn er morgens mit schwankenden Schritten in die City ging, war seine Frau die einzige auf der Welt, die glaubte, er mache dort Geschäfte. Abends schleppte er sich langsam nach Hause und ging dann in einen kleinen Klub in einem Wirtshaus, wo er die Finanzen des Staates lenkte. Es war wunderbar, ihn über Millionen und Börsengeschäfte und Diskonti und über das, was Rothschild und die Gebrüder Baring unternahmen, reden zu hören. Er sprach von so ungeheuren Summen, daß die Herren im Klub (der Apotheker, der Begräbnisunternehmer, der große Zimmermann und Baumeister, der Gemeindeschreiber, der die Erlaubnis hatte, den Klub zu besuchen, und unser alter Bekannter, Mr. Clapp) Respekt vor dem Alten hatten. »Ich habe einst bessere Verhältnisse gesehen«, erklärte er unweigerlich allen Stammgästen. »Mein Sohn ist jetzt erster Beamter von Ramgunge in der Präsidentschaft Bengalen und bekommt monatlich seine viertausend Rupien. Meine Tochter könnte einen Oberst heiraten, wenn sie nur wollte. Ich könnte morgen auf meinen Sohn, den ersten Beamten, einen Wechsel von zweitausend Pfund ausstellen, und Alexander würde ihn mir auf der Stelle einlösen, auf der Stelle. Aber die Sedleys sind schon immer eine stolze Familie gewesen.« Du und ich, lieber Leser, auch wir können eines Tages in diesen Zustand hinabsinken, denn ist es nicht vielen unserer Freunde so gegangen? Unser Glück kann sich abwenden, unsere Kräfte uns verlassen, unsere Partie auf der Bühne von besseren und jüngeren Schauspielern übernommen werden – das Leben kann uns überrollen und uns zerschmettert und gestrandet zurücklassen. Die Menschen werden dann bei deinem Anblick auf die andere Straßenseite gehen oder, noch schlimmer, dir ein paar Finger hinhalten und dich mitleidig begönnern. Aber du weißt, daß deine Freunde, sobald du den Rücken gewendet hast, sagen: »Der arme Teufel; was für Torheiten er doch begangen hat – welche Vorteile der Mensch sich doch hat entgehen lassen!« – Nun, eine Kutsche und dreitausend pro Jahr sind nicht der höchste Lohn noch das letzte Zeichen von Gottes Urteil über den Menschen. Solange Scharlatane ebensooft Glück haben, wie sie scheitern, solange Spaßmacher Erfolg haben und Schurken zu Vermögen kommen, und umgekehrt, und solange sie ihren Anteil an Glück und Unglück nicht mehr und nicht weniger zugemessen bekommen wie die Besten und Fähigsten unter uns – solange, Bruder, können wir kein großes Gewicht auf die Gaben und Freuden des Jahrmarkts der Eitelkeit legen, und wahrscheinlich... doch wir schweifen von unserer Geschichte ab.

 

Jos’s London agents had orders to pay one hundred and twenty pounds yearly to his parents at Fulham. It was the chief support of the old couple; for Mr. Sedley’s speculations in life subsequent to his bankruptcy did not by any means retrieve the broken old gentleman’s fortune. He tried to be a wine-merchant, a coal-merchant, a commission lottery agent, &c., &c. He sent round prospectuses to his friends whenever he took a new trade, and ordered a new brass plate for the door, and talked pompously about making his fortune still. But Fortune never came back to the feeble and stricken old man. One by one his friends dropped off, and were weary of buying dear coals and bad wine from him; and there was only his wife in all the world who fancied, when he tottered off to the City of a morning, that he was still doing any business there. At evening he crawled slowly back; and he used to go of nights to a little club at a tavern, where he disposed of the finances of the nation. It was wonderful to hear him talk about millions, and agios, and discounts, and what Rothschild was doing, and Baring Brothers. He talked of such vast sums that the gentlemen of the club (the apothecary, the undertaker, the great carpenter and builder, the parish clerk, who was allowed to come stealthily, and Mr. Clapp, our old acquaintance,) respected the old gentleman. “I was better off once, sir,” he did not fail to tell everybody who “used the room.” “My son, sir, is at this minute chief magistrate of Ramgunge in the Presidency of Bengal, and touching his four thousand rupees per mensem. My daughter might be a Colonel’s lady if she liked. I might draw upon my son, the first magistrate, sir, for two thousand pounds to-morrow, and Alexander would cash my bill, down sir, down on the counter, sir. But the Sedleys were always a proud family.” You and I, my dear reader, may drop into this condition one day: for have not many of our friends attained it? Our luck may fail: our powers forsake us: our place on the boards be taken by better and younger mimes — the chance of life roll away and leave us shattered and stranded. Then men will walk across the road when they meet you — or, worse still, hold you out a couple of fingers and patronize you in a pitying way — then you will know, as soon as your back is turned, that your friend begins with a “Poor devil, what imprudences he has committed, what chances that chap has thrown away!” Well, well — a carriage and three thousand a year is not the summit of the reward nor the end of God’s judgment of men. If quacks prosper as often as they go to the wall — if zanies succeed and knaves arrive at fortune, and, vice versa, sharing ill luck and prosperity for all the world like the ablest and most honest amongst us — I say, brother, the gifts and pleasures of Vanity Fair cannot be held of any great account, and that it is probable . . . but we are wandering out of the domain of the story.

Wenn Mrs. Sedley eine tatkräftige Frau gewesen wäre, so hätte sie das nach dem Ruin ihres Mannes bewiesen. Sie hätte ein großes Haus gemietet und Kostgänger aufgenommen. Der gebrochene Sedley hätte sich ganz gut als Mann der Pensionsmutter ausgenommen und den Munoz des Privatlebens, dem Titel nach den Herrn und Meister, den Vorschneider, Verwalter und bescheidenen Ehemann der Herrscherin gespielt. Ich kenne kluge Männer mit guter Erziehung, die einstmals gute Aussichten und viele Kräfte besaßen und in ihrer Jugend Lords bewirteten und Jagdpferde hielten und die jetzt zänkischen alten Weibern bescheiden Hammelkeulen vorschneiden und vorgeben, den Vorsitz an ihrem traurigen Tisch zu führen. Aber Mrs. Sedley hatte, wie gesagt, nicht die Energie, sich um »auserlesene Hausgenossen für eine heitere musikalische Familie« zu bemühen, wie man es in der »Times« lesen kann. Sie blieb auf dem Strand, wohin sie das Unglück geworfen hatte, liegen, und es war deutlich, daß die Laufbahn des alten Paares beendet war.

 

Had Mrs. Sedley been a woman of energy, she would have exerted it after her husband’s ruin and, occupying a large house, would have taken in boarders. The broken Sedley would have acted well as the boarding-house landlady’s husband; the Munoz of private life; the titular lord and master: the carver, house-steward, and humble husband of the occupier of the dingy throne. I have seen men of good brains and breeding, and of good hopes and vigour once, who feasted squires and kept hunters in their youth, meekly cutting up legs of mutton for rancorous old harridans and pretending to preside over their dreary tables — but Mrs. Sedley, we say, had not spirit enough to bustle about for “a few select inmates to join a cheerful musical family,” such as one reads of in the Times. She was content to lie on the shore where fortune had stranded her — and you could see that the career of this old couple was over.

Ich glaube nicht, daß sie unglücklich waren. Vielleicht waren sie nach ihrem Sturz etwas stolzer als früher im Glück. Für ihre Hauswirtin, Mrs. Clapp, war Mrs. Sedley immer noch eine große Persönlichkeit, wenn sie zu ihr in die Küche herabkam und dort stundenlang mit ihr plauderte. Die Hüte und Bänder des irischen Dienstmädchens Betty Flanagan, ihr Widerspruchsgeist, ihre Trägheit, ihre ungeheure Verschwendung an Küchenkerzen, ihr Verbrauch an Tee und Zucker und so weiter beschäftigten und unterhielten die alte Dame fast ebensosehr wie das Treiben in ihrer früheren Haushaltung, wo sie Sambo und den Kutscher, einen Reitknecht, einen Lakaien und eine Haushälterin mit einem Regiment weiblicher Dienstboten hielt – in ihrem früheren Haushalt, über den die gute Dame täglich hundertmal sprach. Und außer auf Betty Flanagan hatte Mrs. Sedley auch noch auf alle anderen Hausmädchen der Straße aufzupassen. Sie wußte, ob jeder Mieter seine kleine Miete bezahlte oder schuldig blieb. Sie trat zur Seite, wenn Mrs. Rougemont, die Schauspielerin, mit ihrer zweifelhaften Familie an ihr vorüberkam. Sie warf den Kopf in den Nacken, wenn Mrs. Pestler, die Apothekersfrau, in ihres Mannes Einspänner vorbeifuhr. Sie führte lange Gespräche mit dem Gemüsehändler über die Rüben, die Mr. Sedley gern aß. Sie hatte ein Auge auf den Milchmann und den Bäckerjungen und machte Besuche beim Fleischer, und es wurde dort wahrscheinlich um hundert Ochsen weniger Lärm veranstaltet als um Mrs. Sedley einzelne Hammelkeule. Am Sonntag zählte sie dann die Kartoffeln zum Fleisch nach; an diesem Tag ging sie übrigens in ihrem besten Kleid zweimal in die Kirche und las abends in »Blairs Predigten«.

 

I don’t think they were unhappy. Perhaps they were a little prouder in their downfall than in their prosperity. Mrs. Sedley was always a great person for her landlady, Mrs. Clapp, when she descended and passed many hours with her in the basement or ornamented kitchen. The Irish maid Betty Flanagan’s bonnets and ribbons, her sauciness, her idleness, her reckless prodigality of kitchen candles, her consumption of tea and sugar, and so forth occupied and amused the old lady almost as much as the doings of her former household, when she had Sambo and the coachman, and a groom, and a footboy, and a housekeeper with a regiment of female domestics — her former household, about which the good lady talked a hundred times a day. And besides Betty Flanagan, Mrs. Sedley had all the maids-of-all-work in the street to superintend. She knew how each tenant of the cottages paid or owed his little rent. She stepped aside when Mrs. Rougemont the actress passed with her dubious family. She flung up her head when Mrs. Pestler, the apothecary’s lady, drove by in her husband’s professional one-horse chaise. She had colloquies with the greengrocer about the pennorth of turnips which Mr. Sedley loved; she kept an eye upon the milkman and the baker’s boy; and made visitations to the butcher, who sold hundreds of oxen very likely with less ado than was made about Mrs. Sedley’s loin of mutton: and she counted the potatoes under the joint on Sundays, on which days, dressed in her best, she went to church twice and read Blair’s Sermons in the evening.

An diesem Tag gönnte sich der alte Sedley die Freude – denn an Wochentagen hinderten ihn »die Geschäfte« daran  –, seinen kleinen Enkel Georgy in die benachbarten Parks oder in die Kensington Gardens zu führen, um die Soldaten zu sehen oder die Enten zu füttern. Georgy liebte die Rotröcke, und sein Großvater erzählte ihm, daß auch sein Vater ein berühmter Soldat gewesen sei, und machte ihn mit vielen Sergeanten und anderen Soldaten, die Waterloomedaillen auf der Brust trugen, bekannt. Der alte Großvater stellte ihnen das Kind stolz als Sohn des Hauptmanns Osborne vom ...ten Regiment vor, der am ruhmvollen Achtzehnten ruhmvoll gefallen sei. Es hieß sogar, daß er mitunter einige dieser Unteroffiziere zu einem Glas Porter einlud. Bei ihren ersten Sonntagsspaziergängen wollte er den kleinen George verwöhnen und stopfte den Jungen mit Äpfeln und Kuchen voll, sehr zum Nachteil seiner Gesundheit, bis Amelia erklärte, George dürfe nie wieder mit seinem Großpapa ausgehen, wenn dieser nicht feierlich gelobe, dem Kinde künftig keine Kuchen, Bonbons oder anderes Zeug von den Marktbuden zu geben.

 

On that day, for “business” prevented him on weekdays from taking such a pleasure, it was old Sedley’s delight to take out his little grandson Georgy to the neighbouring parks or Kensington Gardens, to see the soldiers or to feed the ducks. Georgy loved the redcoats, and his grandpapa told him how his father had been a famous soldier, and introduced him to many sergeants and others with Waterloo medals on their breasts, to whom the old grandfather pompously presented the child as the son of Captain Osborne of the — th, who died gloriously on the glorious eighteenth. He has been known to treat some of these non-commissioned gentlemen to a glass of porter, and, indeed, in their first Sunday walks was disposed to spoil little Georgy, sadly gorging the boy with apples and parliament, to the detriment of his health — until Amelia declared that George should never go out with his grandpapa unless the latter promised solemnly, and on his honour, not to give the child any cakes, lollipops, or stall produce whatever.

Zwischen Mrs. Sedley und ihrer Tochter bestand eine gewisse Kälte und geheime Eifersucht wegen des Knaben, denn eines Abends – George war noch ganz klein – saß Amelia in ihrem Wohnzimmer an der Arbeit und bemerkte kaum, daß die alte Dame das Zimmer verlassen hatte. Plötzlich hörte sie den Knaben, der bis dahin geschlafen hatte, schreien, und sie rannte ahnungsvoll ins Kinderzimmer hinauf. Da ertappte sie Mrs. Sedley gerade dabei, wie sie dem Kind heimlich Daffys Elixier eingab. Amelia, sonst die sanfteste und mildeste aller Sterblichen, zitterte und bebte vor Zorn am ganzen Leibe, als sie diese Einmischung in ihre mütterliche Autorität wahrnahm. Ihre gewöhnlich blassen Wangen verfärbten sich, bis sie so rot waren wie damals, als sie zwölf Jahre alt war. Sie riß das Kind aus den Armen ihrer Mutter, griff nach der Flasche und ließ die alte Dame wütend und mit offenem Mund, den verbrecherischen Teelöffel in der Hand, stehen. Dann warf sie die Flasche in den Kamin, daß sie krachend zersprang. »Ich will mein Kind nicht vergiften lassen, Mama«, rief Emmy, wiegte den Säugling heftig in ihren Armen und blickte ihre Mutter mit funkelnden Augen an.

 

Between Mrs. Sedley and her daughter there was a sort of coolness about this boy, and a secret jealousy — for one evening in George’s very early days, Amelia, who had been seated at work in their little parlour scarcely remarking that the old lady had quitted the room, ran upstairs instinctively to the nursery at the cries of the child, who had been asleep until that moment — and there found Mrs. Sedley in the act of surreptitiously administering Daffy’s Elixir to the infant. Amelia, the gentlest and sweetest of everyday mortals, when she found this meddling with her maternal authority, thrilled and trembled all over with anger. Her cheeks, ordinarily pale, now flushed up, until they were as red as they used to be when she was a child of twelve years old. She seized the baby out of her mother’s arms and then grasped at the bottle, leaving the old lady gaping at her, furious, and holding the guilty tea-spoon. Amelia flung the bottle crashing into the fire-place. “I will not have baby poisoned, Mamma,” cried Emmy, rocking the infant about violently with both her arms round him and turning with flashing eyes at her mother.

»Vergiften, Amelia!« sagte die alte Dame. »Diese Worte mir?«

 

“Poisoned, Amelia!” said the old lady; “this language to me?”

»Er soll keine andere Medizin erhalten, als die, welche Doktor Pestler ihm schickt. Er erklärte mir, Daffys Elixier sei Gift.«

 

“He shall not have any medicine but that which Mr. Pestler sends for hi n. He told me that Daffy’s Elixir was poison.”

»Sehr gut, dann glaubst du also, ich sei eine Mörderin«, erwiderte Mrs. Sedley. »So redest du mit deiner Mutter? Ich habe Unglück gehabt, ich bin im Leben tief gesunken, ich hatte meinen eigenen Wagen und gehe jetzt zu Fuß, aber daß ich eine Mörderin bin, wußte ich noch nicht. Ich danke dir für die Mitteilung.«

 

“Very good: you think I’m a murderess then,” replied Mrs. Sedley. “This is the language you use to your mother. I have met with misfortunes: I have sunk low in life: I have kept my carriage, and now walk on foot: but I did not know I was a murderess before, and thank you for the news.”

»Mama«, sagte die arme Frau, die stets bereit war, in Tränen auszubrechen, »du sollst nicht hart gegen mich sein. Ich – habe nicht gemeint... ich meine, ich wollte nicht sagen, daß du meinem lieben Kind Böses antun wolltest, nur...«

 

“Mamma,” said the poor girl, who was always ready for tears — "you shouldn’t be hard upon me. I — I didn’t mean — I mean, I did not wish to say you would to any wrong to this dear child, only — ”

»O nein, meine Liebe – nur daß ich eine Mörderin bin. Deshalb sollte ich wohl am besten ins Gefängnis gehen, obwohl ich dich, als du ein Kind warst, zwar nicht vergiftet, sondern dir die beste Erziehung und die kostspieligsten Lehrer gegeben habe, die man für Geld bekommen kann. Ja, ich habe fünf Kinder gesäugt und drei begraben, und das eine, das ich von allen am meisten geliebt habe und das ich bei der Bräune, beim Zahnen, bei den Masern und beim Keuchhusten gepflegt und ungeachtet der Kosten von ausländischen Lehrern und im Minerva-Haus habe erziehen lassen, sagt, ich sei eine Mörderin. Als ich Mädchen war, habe ich das alles nicht gehabt. Ich war froh, meinen Vater und meine Mutter zu ehren, damit ich lange auf Erden leben und mich nützlich machen könnte – und nicht den ganzen Tag in meinem Zimmer sitzen und die feine Dame spielen würde. Eine Mörderin! Ach, Mrs. Osborne, ich wünsche nur, daß du nie eine Schlange an deinem Busen nähren mögest.«

 

“Oh, no, my love, — only that I was a murderess; in which case I had better go to the Old Bailey. Though I didn’t poison you, when you were a child, but gave you the best of education and the most expensive masters money could procure. Yes; I’ve nursed five children and buried three; and the one I loved the best of all, and tended through croup, and teething, and measles, and hooping-cough, and brought up with foreign masters, regardless of expense, and with accomplishments at Minerva House — which I never had when I was a girl — when I was too glad to honour my father and mother, that I might live long in the land, and to be useful, and not to mope all day in my room and act the fine lady — says I’m a murderess. Ah, Mrs. Osborne! may you never nourish a viper in your bosom, that’s my prayer.”

»Mama! Mama!« rief die entsetzte junge Frau, während das Kind auf ihrem Arm in ein fürchterliches Geschrei ausbrach. »Eine Mörderin, sehr gut! Fall auf die Knie nieder und bitte Gott, daß er dein böses, undankbares Herz reinigt, Amelia; er möge dir vergeben, wie ich es tue!«Hiermit eilte Mrs. Sedley aus dem Zimmer, während sie noch einmal das Wort Gift zischte, und beschloß so ihren liebevollen Segen.

 

“Mamma, Mamma!” cried the bewildered girl; and the child in her arms set up a frantic chorus of shouts. “A murderess, indeed! Go down on your knees and pray to God to cleanse your wicked ungrateful heart, Amelia, and may He forgive you as I do.” And Mrs. Sedley tossed out of the room, hissing out the word poison once more, and so ending her charitable benediction.

Bis zum Ende ihres Lebens wurde dieser Bruch zwischen Mrs. Sedley und ihrer Tochter niemals völlig ausgeglichen. Der Streit bot der alten Dame unzählige Vorteile, die sie mit weiblicher Findigkeit und Ausdauer unfehlbar zu benutzen wußte. Wochenlang sprach sie zum Beispiel kein Wort mit Amelia. Sie warnte die Dienstboten, das Kind anzurühren, da es Mrs. Osborne übelnehmen könne. Sie forderte ihre Tochter auf, selbst nachzusehen und sich zu überzeugen, daß in der täglichen Nahrung, die für den kleinen Georgy zubereitet wurde, kein Gift sei. Wenn die Nachbarn sich nach der Gesundheit des Knaben erkundigten, verwies sie sie spitz an Mrs. Osborne. Sie selbst wagte nie, zu fragen, wie es dem Kind gehe. Sie würde das Kind auch nie anrühren, obgleich es ihr Enkel und ihr Herzensliebling war, denn sie sei ja nicht an Kinder gewöhnt und könnte ihn töten. Und jedesmal, wenn Mr. Pestler einen Hausbesuch machte, empfing sie den Arzt mit so sarkastischer und verächtlicher Miene, daß der Doktor erklärte, daß nicht einmal Lady Thistlewood, die zu behandeln er die Ehre habe, sich großspuriger benehme als die alte Mrs. Sedley, von der er nie eine Bezahlung verlangte. Höchstwahrscheinlich war Emmy auch eifersüchtig – und welche Mutter wäre nicht eifersüchtig auf die, die ihre Kinder pflegen oder die auf den ersten Platz in ihrem Herzen Anspruch erheben wollen. Jedenfalls wurde sie stets unruhig, wenn sich jemand mit dem Kinde beschäftigte, und sie erlaubte weder Mrs. Clapp noch dem Dienstmädchen, es anzukleiden oder zu füttern, wie sie ihnen auch nicht gestattet hätte, das Miniaturbild ihres Gatten abzuwischen, das über ihrem Bettchen hing – demselben Bettchen, das das arme Mädchen mit Georges vertauscht hatte und zu dem sie jetzt für viele lange, stille, tränenreiche, aber glückliche Jahre zurückkehrte.

 

Till the termination of her natural life, this breach between Mrs. Sedley and her daughter was never thoroughly mended. The quarrel gave the elder lady numberless advantages which she did not fail to turn to account with female ingenuity and perseverance. For instance, she scarcely spoke to Amelia for many weeks afterwards. She warned the domestics not to touch the child, as Mrs. Osborne might be offended. She asked her daughter to see and satisfy herself that there was no poison prepared in the little daily messes that were concocted for Georgy. When neighbours asked after the boy’s health, she referred them pointedly to Mrs. Osborne. She never ventured to ask whether the baby was well or not. She would not touch the child although he was her grandson, and own precious darling, for she was not used to children, and might kill it. And whenever Mr. Pestler came upon his healing inquisition, she received the doctor with such a sarcastic and scornful demeanour, as made the surgeon declare that not Lady Thistlewood herself, whom he had the honour of attending professionally, could give herself greater airs than old Mrs. Sedley, from whom he never took a fee. And very likely Emmy was jealous too, upon her own part, as what mother is not, of those who would manage her children for her, or become candidates for the first place in their affections. It is certain that when anybody nursed the child, she was uneasy, and that she would no more allow Mrs. Clapp or the domestic to dress or tend him than she would have let them wash her husband’s miniature which hung up over her little bed — the same little bed from which the poor girl had gone to his; and to which she retired now for many long, silent, tearful, but happy years.

Dieses Zimmer barg Amelias ganzes Herz und alle ihre Schätze. Hier hütete sie ihren Knaben und wachte über ihm während der zahlreichen Kinderkrankheiten mit stets gleichbleibender leidenschaftlicher Liebe. Irgendwie erschien in ihm der ältere George wieder, nur besser und wie vom Himmel zurückgekehrt. In hundert Kleinigkeiten – Tonfall, Blicken und Bewegungen – war der Junge dem Vater so ähnlich, daß das Herz der Witwe erschauerte, wenn sie ihn an sich drückte, und oft fragte er dann nach dem Grund ihrer Tränen. Sie hatte keine Bedenken, ihm zu sagen, das komme, weil er seinem Vater so sehr ähnele; sie erzählte ihm ständig von diesem toten Vater und sprach zu dem unschuldigen und verwunderten Kind über ihre Liebe zu George häufiger, als sie je zu George selbst oder irgendeiner Vertrauten ihrer Jugend gesprochen hatte. Gegenüber ihren Eltern erwähnte sie nichts davon, da sie sich scheute, ihnen ihr Herz zu entdecken. Klein George verstand sie wahrscheinlich nicht besser, aber seinen Ohren vertraute sie rückhaltlos ihre geheimsten Gefühle an, nur seinen. Selbst die Freude dieser Frau war eine Art Schmerz oder wenigstens so zart, daß sie sich in Tränen ausdrückte. Ihre Gefühle waren so schwach und weich, daß man vielleicht in einem Buch gar nicht darüber sprechen sollte. Doktor Pestler (der jetzt ein bekannter Frauenarzt ist, einen teuren dunkelgrünen Wagen fährt, wahrscheinlich bald geadelt wird und ein Haus am Manchester Square bewohnt) erzählte mir, daß ihr Schmerz bei der Entwöhnung des Kindes ein Anblick gewesen sei, der einen Herodes hätte rühren können. Er war vor Jahren sehr weichherzig gewesen, und seine Frau hegte damals und noch lange nachher eine tödliche Eifersucht auf Mrs. Amelia.

 

In this room was all Amelia’s heart and treasure. Here it was that she tended her boy and watched him through the many ills of childhood, with a constant passion of love. The elder George returned in him somehow, only improved, and as if come back from heaven. In a hundred little tones, looks, and movements, the child was so like his father that the widow’s heart thrilled as she held him to it; and he would often ask the cause of her tears. It was because of his likeness to his father, she did not scruple to tell him. She talked constantly to him about this dead father, and spoke of her love for George to the innocent and wondering child; much more than she ever had done to George himself, or to any confidante of her youth. To her parents she never talked about this matter, shrinking from baring her heart to them. Little George very likely could understand no better than they, but into his ears she poured her sentimental secrets unreservedly, and into his only. The very joy of this woman was a sort of grief, or so tender, at least, that its expression was tears. Her sensibilities were so weak and tremulous that perhaps they ought not to be talked about in a book. I was told by Dr. Pestler (now a most flourishing lady’s physician, with a sumptuous dark green carriage, a prospect of speedy knighthood, and a house in Manchester Square) that her grief at weaning the child was a sight that would have unmanned a Herod. He was very soft-hearted many years ago, and his wife was mortally jealous of Mrs. Amelia, then and long afterwards.

Vielleicht war die Eifersucht der Doktorsfrau nicht ganz unbegründet; die meisten Frauen aus Amelias kleinem Bekanntenkreis teilten sie und waren erzürnt über die Begeisterung, mit der das andere Geschlecht sie betrachtete. Fast alle Männer, die ihr nahe kamen, liebten sie, obwohl sie kaum hätten begründen können, warum; sie war weder eine strahlende Erscheinung noch ausgesprochen geistreich oder klug und auch nicht besonders hübsch. Aber wo sie auch erschien, rührte und bezauberte sie stets jedes männliche Wesen, wie sie die Verachtung und den Zweifel ihrer eigenen Geschlechtsgenossinnen erregte. Ich glaube, ihr hauptsächlicher Reiz lag in ihrer Schwäche: eine Art süßer Unterwürfigkeit und Weichheit, die bei jedem Mann, mit dem sie zusammentraf, um Mitgefühl und Schutz zu bitten schien. Wir haben gesehen, wie im Regiment die Degen der jungen Offiziere aus der Scheide gesprungen waren, um für sie zu kämpfen, obwohl sie nur mit wenigen von Georges Kameraden gesprochen hatte. Ebenso war es auch in dem engen kleinen Mietshaus in Fulham und dem Kreise dort – sie gefiel allen. Wenn sie Mrs. Mango aus der großen Firma Mango, Plantain und Co., Crutches Friars, und Besitzerin der Ananastreibhäuser in Fulham, selbst gewesen wäre, zu deren déjeuners im Sommer Herzöge und Grafen kamen und die mit Lakaien in prachtvoller gelber Livree und ein paar Braunen durchs Kirchspiel fuhr, wie sie die königlichen Ställe in Kensington nicht schöner aufweisen konnten, – wenn sie also Mrs. Mango selbst oder die Frau ihres Sohnes, Lady Mary Mango, gewesen wäre (die Tochter des Grafen Castlemouldy, die sich herabgelassen hatte, das Haupt der Firma zu heiraten), so hätten die Geschäftsleute der Nachbarschaft ihr nicht mehr Ehre erweisen können als der sanften jungen Witwe, wenn sie an ihren Türen vorüberging oder ihre bescheidenen Einkäufe in ihren Läden tätigte.

 

Perhaps the doctor’s lady had good reason for her jealousy: most women shared it, of those who formed the small circle of Amelia’s acquaintance, and were quite angry at the enthusiasm with which the other sex regarded her. For almost all men who came near her loved her; though no doubt they would be at a loss to tell you why. She was not brilliant, nor witty, nor wise over much, nor extraordinarily handsome. But wherever she went she touched and charmed every one of the male sex, as invariably as she awakened the scorn and incredulity of her own sisterhood. I think it was her weakness which was her principal charm — a kind of sweet submission and softness, which seemed to appeal to each man she met for his sympathy and protection. We have seen how in the regiment, though she spoke but to few of George’s comrades there, all the swords of the young fellows at the mess-table would have leapt from their scabbards to fight round her; and so it was in the little narrow lodging-house and circle at Fulham, she interested and pleased everybody. If she had been Mrs. Mango herself, of the great house of Mango, Plantain, and Co., Crutched Friars, and the magnificent proprietress of the Pineries, Fulham, who gave summer dejeuners frequented by Dukes and Earls, and drove about the parish with magnificent yellow liveries and bay horses, such as the royal stables at Kensington themselves could not turn out — I say had she been Mrs. Mango herself, or her son’s wife, Lady Mary Mango (daughter of the Earl of Castlemouldy, who condescended to marry the head of the firm), the tradesmen of the neighbourhood could not pay her more honour than they invariably showed to the gentle young widow, when she passed by their doors, or made her humble purchases at their shops.

So kam es, daß nicht nur Mr. Pestler, der Arzt, sondern auch Mr. Linton, sein junger Assistent, der die Dienstmädchen und kleinen Geschäftsleute behandelte und den man täglich, die »Times« lesend, in der Apotheke sehen konnte, sich öffentlich als Mrs. Osbornes Sklaven erklärte. Er war ein ansehnlicher junger Mann, der in Mrs. Sedleys Haus willkommener war als sein Prinzipal. Wenn Georgy nicht ganz wohl war, kam er täglich ein paarmal, um nach ihm zu sehen, ohne auch nur einen Gedanken an Bezahlung. Er zweigte häufig Pastillen, Tamarinden und andere Dinge aus der Apotheke für den kleinen Georgy ab und mischte ihm Tränke und Mixturen von so wundervoller Süße, daß es dem Kinde geradezu ein Vergnügen war, krank zu sein. Als Georgy die Masern hatte, saßen er und sein Prinzipal Pestler in der gefährlichen entsetzlichen Woche zwei Nächte hindurch bei dem Knaben, und nach dem Schrecken der Mutter zu urteilen, hätte man glauben können, daß es Masern noch nie vorher in der Welt gegeben habe. Hätten sie für andere Leute ebensoviel getan? Hielten sie Nachtwachen bei den Leuten mit den Ananastreibhäusern, als Ralph Plantagenet, Gwendoline und Guinever Mango dieselbe Kinderkrankheit hatten? Wachten sie bei der kleinen Mary Clapp, der Tochter des Hauswirtes, die sich doch bei dem kleinen Georgy angesteckt hatte? Die Wahrheit zwingt uns, nein zu antworten! Sie schliefen ganz ruhig, zumindest bei Marys Masern  – bezeichneten ihren Fall als ganz leicht, der fast von selbst heilen würde, schickten ihr ein paar Tränke und taten, als sich das Kind wieder erholte, mit der größten Gleichgültigkeit und nur der Form halber Chinarinde hinein.

 

Thus it was not only Mr. Pestler, the medical man, but Mr. Linton the young assistant, who doctored the servant maids and small tradesmen, and might be seen any day reading the Times in the surgery, who openly declared himself the slave of Mrs. Osborne. He was a personable young gentleman, more welcome at Mrs. Sedley’s lodgings than his principal; and if anything went wrong with Georgy, he would drop in twice or thrice in the day to see the little chap, and without so much as the thought of a fee. He would abstract lozenges, tamarinds, and other produce from the surgery-drawers for little Georgy’s benefit, and compounded draughts and mixtures for him of miraculous sweetness, so that it was quite a pleasure to the child to be ailing. He and Pestler, his chief, sat up two whole nights by the boy in that momentous and awful week when Georgy had the measles; and when you would have thought, from the mother’s terror, that there had never been measles in the world before. Would they have done as much for other people? Did they sit up for the folks at the Pineries, when Ralph Plantagenet, and Gwendoline, and Guinever Mango had the same juvenile complaint? Did they sit up for little Mary Clapp, the landlord’s daughter, who actually caught the disease of little Georgy? Truth compels one to say, no. They slept quite undisturbed, at least as far as she was concerned — pronounced hers to be a slight case, which would almost cure itself, sent her in a draught or two, and threw in bark when the child rallied, with perfect indifference, and just for form’s sake.

Dann war da noch der kleine französische Chevalier von gegenüber, der in mehreren Schulen der Nachbarschaft Unterricht in seiner Muttersprache erteilte und den man nachts in seinem Zimmer auf einer heiseren alten Geige zitternd alte Gavotten und Menuette spielen hörte. Dieser gepuderte, höfliche Greis, der jeden Sonntag in die Kapelle von Hammersmith ging und sich in jeder Hinsicht – in Gedanken, Benehmen und Haltung – von den bärtigen Wilden seiner Nation unterschied, die heutzutage in den Quadrant-Arkaden das perfide Albion beschimpfen und dich über ihre Zigarren hin finster anstarren – dieser alte Chevalier de Talonrouge pflegte, wenn er von Mrs. Osborne sprach, erst einmal eine Prise zu nehmen, die übriggebliebenen Stäubchen mit graziöser Handbewegung wegzuschnippen, die Finger wieder zusammenzulegen, sie an den Mund zu führen, sie mit einem Kuß auseinanderzublasen und auszurufen: »Ah, la divine créature!« Er schwor und beteuerte, daß Blumen in reicher Fülle unter den Füßen Amelias hervorsprössen, wenn sie in den Straßen von Brompton wandele. Er nannte den kleinen Georgy Cupido und fragte ihn nach Venus, seiner Mama. Der erstaunten Betty Flanagan erzählte er, Amelia sei eine der Grazien und die Lieblingsdienerin der Reine des amours.

 

Again, there was the little French chevalier opposite, who gave lessons in his native tongue at various schools in the neighbourhood, and who might be heard in his apartment of nights playing tremulous old gavottes and minuets on a wheezy old fiddle. Whenever this powdered and courteous old man, who never missed a Sunday at the convent chapel at Hammersmith, and who was in all respects, thoughts, conduct, and bearing utterly unlike the bearded savages of his nation, who curse perfidious Albion, and scowl at you from over their cigars, in the Quadrant arcades at the present day — whenever the old Chevalier de Talonrouge spoke of Mistress Osborne, he would first finish his pinch of snuff, flick away the remaining particles of dust with a graceful wave of his hand, gather up his fingers again into a bunch, and, bringing them up to his mouth, blow them open with a kiss, exclaiming, Ah! la divine creature! He vowed and protested that when Amelia walked in the Brompton Lanes flowers grew in profusion under her feet. He called little Georgy Cupid, and asked him news of Venus, his mamma; and told the astonished Betty Flanagan that she was one of the Graces, and the favourite attendant of the Reine des Amours.

Es ließen sich noch viele Beispiele dieser leicht erworbenen und Amelia unbewußten Beliebtheit anführen. Besuchte nicht Mr. Binny, der milde vornehme Pfarrer der Kapelle des Bezirks, in die die Familie ging, die Witwe eifrig? Ließ er nicht den kleinen Knaben auf seinen Knien reiten und erbot sich, ihn Latein zu lehren – zum Ärger der ältlichen Jungfrau, seiner Schwester, die ihm den Haushalt führte? »Es ist nichts an ihr, Beilby«, sagte sie stets. »Wenn sie zu uns zum Tee kommt, spricht sie den ganzen Abend kein Wort, sie ist ein armes, affektiertes Geschöpf und hat meiner Meinung nach überhaupt kein Herz. Es ist bloß das hübsche Gesicht, das ihr Männer so bewundert. Miss Grits, die fünftausend Pfund besitzt und noch mehr bekommen wird, hat doppelt soviel Charakter und ist für meinen Geschmack tausendmal angenehmer, und wenn sie nur etwas besser aussähe, würdest auch du sie gewiß für die Vollkommenheit selbst halten.«

 

Instances might be multiplied of this easily gained and unconscious popularity. Did not Mr. Binny, the mild and genteel curate of the district chapel, which the family attended, call assiduously upon the widow, dandle the little boy on his knee, and offer to teach him Latin, to the anger of the elderly virgin, his sister, who kept house for him? “There is nothing in her, Beilby,” the latter lady would say. “When she comes to tea here she does not speak a word during the whole evening. She is but a poor lackadaisical creature, and it is my belief has no heart at all. It is only her pretty face which all you gentlemen admire so. Miss Grits, who has five thousand pounds, and expectations besides, has twice as much character, and is a thousand times more agreeable to my taste; and if she were good-looking I know that you would think her perfection.”

Höchstwahrscheinlich hatte Miss Binny bis zu einem gewissen Grade recht. Es ist wirklich das hübsche Gesicht, das die Herzen der Männer, dieser bösen Schelme, gewinnt: eine Frau kann die Weisheit und Keuschheit Minervas besitzen, und doch beachtet sie kein Mann, wenn sie häßlich ist. Welche Torheit wird nicht durch ein Paar feurige Augen verziehen? Wieviel Dummheit wird nicht durch rote Lippen und eine süße Stimme bemäntelt? So schließen die Damen mit ihrem gewöhnlichen Gerechtigkeitssinn, daß eine Frau dumm sein muß, wenn sie hübsch ist. Meine Damen, es gibt unter Ihnen manch eine, die weder hübsch noch klug ist.

 

Very likely Miss Binny was right to a great extent. It is the pretty face which creates sympathy in the hearts of men, those wicked rogues. A woman may possess the wisdom and chastity of Minerva, and we give no heed to her, if she has a plain face. What folly will not a pair of bright eyes make pardonable? What dulness may not red lips and sweet accents render pleasant? And so, with their usual sense of justice, ladies argue that because a woman is handsome, therefore she is a fool. O ladies, ladies! there are some of you who are neither handsome nor wise.

Es sind aus dem Leben unserer Heldin nur belanglose Vorfälle zu berichten. Ihre Geschichte handelt nicht von wunderbaren Ereignissen, wie der geneigte Leser zweifellos schon bemerkt haben wird, und hätte Amelia über die sieben Jahre nach der Geburt ihres Sohnes ein Tagebuch geführt, so wäre darin kaum Interessanteres vorgekommen als die gerade berichtete Maserngeschichte. Aber doch, eines Tages bat sie obenerwähnter Ehrwürden Mr. Binny zu ihrer großen Verwunderung, den Namen Osborne mit dem seinigen zu vertauschen. Tief errötend und mit nassen Augen und tränenerstickter Stimme dankte sie ihm für seine Freundschaft zu ihr und die Aufmerksamkeit, die er ihr und ihrem armen kleinen Knaben erwiesen habe. Dann aber teilte sie ihm mit, daß sie nie an einen anderen als – als ihren verlorenen Gatten denken könne.

 

These are but trivial incidents to recount in the life of our heroine. Her tale does not deal in wonders, as the gentle reader has already no doubt perceived; and if a journal had been kept of her proceedings during the seven years after the birth of her son, there would be found few incidents more remarkable in it than that of the measles, recorded in the foregoing page. Yes, one day, and greatly to her wonder, the Reverend Mr. Binny, just mentioned, asked her to change her name of Osborne for his own; when, with deep blushes and tears in her eyes and voice, she thanked him for his regard for her, expressed gratitude for his attentions to her and to her poor little boy, but said that she never, never could think of any but — but the husband whom she had lost.

Den 25. April und den 18. Juni, ihren Hochzeitstag und den Tag, da sie Witwe wurde, verbrachte sie stets auf ihrem Zimmer und weihte sie dem Andenken ihres dahingegangenen Freundes, während ihr kleiner Junge in den unzähligen Stunden ihrer einsamen Nachtgedanken im Kinderbettchen an ihrer Seite schlummerte. Tagsüber war sie aktiver geworden. Sie mußte George Lesen und Schreiben und etwas Zeichnen beibringen. Sie las Bücher, um ihm daraus Geschichten erzählen zu können; als sich seine Augen für die ihn umgebende Natur öffneten und sein Verstand sich zu entwickeln begann, lehrte sie das Kind, so gut es ihre bescheidenen Kräfte erlaubten, den Schöpfer aller Dinge zu erkennen. Jeden Abend und jeden Morgen beteten sie und er, die Mutter und der kleine Knabe, gemeinsam das Vaterunser; die Mutter flehte aus der Tiefe ihres sanften Herzens, das Kind sprach lallend die Worte nach. Jedesmal beteten sie zu Gott, den lieben Papa zu segnen, als ob er noch lebte und bei ihnen im Zimmer sei. Viele Stunden des Tages brachte sie damit zu, den jungen Herrn zu waschen und anzukleiden – mit ihm morgens vor dem Frühstück, ehe der Großpapa seinen »Geschäften« nachging, einen kleinen Spaziergang zu machen – ihm mit viel Geschick die wundervollsten Kleider zu fertigen. Zu diesem Zweck zerschnitt und änderte die sparsame Witwe jedes brauchbare Kleidungsstück, das sie noch aus ihrer Ehezeit in ihrer Garderobe besaß. Mrs. Osborne selbst trug zum großen Ärger ihrer Mutter, die besonders seit ihrem Unglück schöne Kleider liebte, stets ein schwarzes Gewand und einen Strohhut mit schwarzem Band. Die übrigen Stunden widmete sie ihrer Mutter und ihrem alten Vater. Sie hatte sich bemüht, Cribbage zu lernen, und spielte es mit dem alten Herrn an den Abenden, wo er nicht in seinen Klub ging. Sie sang ihm vor, wenn ihm der Sinn danach stand, und das war immer ein gutes Zeichen, denn jedesmal während der Musik fiel er in einen ruhigen Schlaf. Sie schrieb seine zahlreichen Auszüge, Briefe, Prospekte und Projekte ab. In ihrer Handschrift wurden die meisten früheren Bekannten des alten Herrn informiert, daß er Vertreter der Schwarzen Diamant-und-Anti-Aschenkohlen-Gesellschaft geworden sei und seine Freunde und das Publikum mit den besten Kohlen für soundso viel Shilling pro Sack versorgen könnte. Er setzte nur Unterschrift und Schnörkel unter die Schreiben und schrieb mit zitternder Kaufmannshand die Adressen. Eins dieser Schriftstücke schickte er an Major Dobbin vom ...ten Regiment per Adresse Mr. Cox und Mr. Greenwood. Da der Major sich zu dieser Zeit gerade in Madras befand, hatte er keinen besonderen Bedarf an Kohlen; er kannte jedoch die Hand, die den Prospekt geschrieben hatte. Guter Gott! Was hätte er nicht darum gegeben, sie in seiner halten zu dürfen! Ein zweiter Prospekt kam, der den Major unterrichtete, daß J. Sedley & Co. Agenturen in Oporto, Bordeaux und St. Mary errichtet hatten und damit ihren Freunden und dem Publikum im allgemeinen die besten und berühmtesten Jahrgänge von Portweinen, Sherrys und Claret unter ganz besonderen Vorteilen zu mäßigen Preisen anbieten könnten. Auf diesen Wink hin warb der Major ungestüm bei dem Gouverneur, dem Oberbefehlshaber, den Richtern, Regimentern und bei allen seinen Bekannten in der Präsidentschaft um Aufträge und schickte Bestellungen an Sedley & Co. nach England, daß Mr. Sedley und Mr. Clapp, der Co. in diesem Geschäft, aufs äußerste erstaunt waren. Nach diesem Glücksanfang kamen jedoch keine weiteren Aufträge mehr; und der arme alte Sedley war schon drauf und dran gewesen, ein Haus in der City zu bauen, ein Regiment von Angestellten aufzunehmen, einen Lagerplatz für sich allein zu mieten und Vertreter in der ganzen Welt anzustellen. Der alte Herr war kein Weinkenner mehr. Man überfiel Major Dobbin in der Offiziersmesse mit Flüchen über das schlechte Gesöff, das durch seine Vermittlung nach Madras gekommen war. Eine große Menge des Weines kaufte er zurück und versteigerte ihn öffentlich mit ungeheurem Verlust. Joseph, der jetzt in die Finanzkammer in Kalkutta befördert worden war, bekam einen Wutanfall, als die Post ihm ein Bündel dieser bacchanalischen Prospekte mit einem Privatbrief von seinem Vater brachte, worin dieser dem Sohn mitteilte, daß er bei dem Unternehmen auf ihn rechne, daß er eine Sendung erlesener Weine an ihn geschickt und, laut Rechnung, für den Betrag Wechsel auf ihn ausgestellt habe. Joseph, der es sich ebensowenig hätte träumen lassen, daß sein Vater, der Vater Joseph Sedleys von der Finanzkammer, ein um Aufträge bettelnder Weinhändler sei, wie er sich hatte träumen lassen, daß er Scharfrichter hätte sein können. Er wies die Wechsel verächtlich zurück und schrieb dem alten Herrn sehr hochmütig, er solle sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern. Als die protestierten Wechsel zurückkamen, mußten Sedley und Co. sie mit dem Gewinn aus dem Madrasunternehmen und einem Teil von Emmys Ersparnissen einlösen.

 

On the twenty-fifth of April, and the eighteenth of June, the days of marriage and widowhood, she kept her room entirely, consecrating them (and we do not know how many hours of solitary night-thought, her little boy sleeping in his crib by her bedside) to the memory of that departed friend. During the day she was more active. She had to teach George to read and to write and a little to draw. She read books, in order that she might tell him stories from them. As his eyes opened and his mind expanded under the influence of the outward nature round about him, she taught the child, to the best of her humble power, to acknowledge the Maker of all, and every night and every morning he and she — (in that awful and touching communion which I think must bring a thrill to the heart of every man who witnesses or who remembers it) — the mother and the little boy — prayed to Our Father together, the mother pleading with all her gentle heart, the child lisping after her as she spoke. And each time they prayed to God to bless dear Papa, as if he were alive and in the room with them. To wash and dress this young gentleman — to take him for a run of the mornings, before breakfast, and the retreat of grandpapa for “business" — to make for him the most wonderful and ingenious dresses, for which end the thrifty widow cut up and altered every available little bit of finery which she possessed out of her wardrobe during her marriage — for Mrs. Osborne herself (greatly to her mother’s vexation, who preferred fine clothes, especially since her misfortunes) always wore a black gown and a straw bonnet with a black ribbon — occupied her many hours of the day. Others she had to spare, at the service of her mother and her old father. She had taken the pains to learn, and used to play cribbage with this gentleman on the nights when he did not go to his club. She sang for him when he was so minded, and it was a good sign, for he invariably fell into a comfortable sleep during the music. She wrote out his numerous memorials, letters, prospectuses, and projects. It was in her handwriting that most of the old gentleman’s former acquaintances were informed that he had become an agent for the Black Diamond and Anti-Cinder Coal Company and could supply his friends and the public with the best coals at — s. per chaldron. All he did was to sign the circulars with his flourish and signature, and direct them in a shaky, clerklike hand. One of these papers was sent to Major Dobbin, — Regt., care of Messrs. Cox and Greenwood; but the Major being in Madras at the time, had no particular call for coals. He knew, though, the hand which had written the prospectus. Good God! what would he not have given to hold it in his own! A second prospectus came out, informing the Major that J. Sedley and Company, having established agencies at Oporto, Bordeaux, and St. Mary’s, were enabled to offer to their friends and the public generally the finest and most celebrated growths of ports, sherries, and claret wines at reasonable prices and under extraordinary advantages. Acting upon this hint, Dobbin furiously canvassed the governor, the commander-in-chief, the judges, the regiments, and everybody whom he knew in the Presidency, and sent home to Sedley and Co. orders for wine which perfectly astonished Mr. Sedley and Mr. Clapp, who was the Co. in the business. But no more orders came after that first burst of good fortune, on which poor old Sedley was about to build a house in the City, a regiment of clerks, a dock to himself, and correspondents all over the world. The old gentleman’s former taste in wine had gone: the curses of the mess-room assailed Major Dobbin for the vile drinks he had been the means of introducing there; and he bought back a great quantity of the wine and sold it at public outcry, at an enormous loss to himself. As for Jos, who was by this time promoted to a seat at the Revenue Board at Calcutta, he was wild with rage when the post brought him out a bundle of these Bacchanalian prospectuses, with a private note from his father, telling Jos that his senior counted upon him in this enterprise, and had consigned a quantity of select wines to him, as per invoice, drawing bills upon him for the amount of the same. Jos, who would no more have it supposed that his father, Jos Sedley’s father, of the Board of Revenue, was a wine merchant asking for orders, than that he was Jack Ketch, refused the bills with scorn, wrote back contumeliously to the old gentleman, bidding him to mind his own affairs; and the protested paper coming back, Sedley and Co. had to take it up, with the profits which they had made out of the Madras venture, and with a little portion of Emmy’s savings.

Außer ihrer Pension von jährlich fünfzig Pfund hatte nach Angaben des Testamentsvollstreckers ihres Mannes bei Osbornes Tod sein Beauftragter fünfhundert Pfund in den Händen gehabt. Dobbin als Georges Vormund schlug vor, diese Summe zu acht Prozent in einem ostindischen Geschäftsunternehmen anzulegen. Mr. Sedley, der glaubte, der Major verfolge unredliche Absichten mit dem Geld, widersetzte sich diesem Plan. Er ging persönlich zu dem Beauftragten, um gegen diese Verwendung der fraglichen Summe zu protestieren. Zu seinem Erstaunen erfuhr er jedoch, daß eine solche Summe nie in dessen Händen gewesen war und das Vermögen des verstorbenen Hauptmanns sich auf keine hundert Pfund belaufen habe und daß daher die erwähnten fünfhundert Pfund eine besondere Summe sein müßten, von der nur Major Dobbin Näheres wisse. Mehr als je überzeugt, daß eine Schurkerei im Gange war, verfolgte der alte Sedley den Major. Er verlangte als nächster Anverwandter seiner Tochter entschieden, der Major solle über die Gelder des verstorbenen Hauptmanns Rechenschaft ablegen. Dobbins Stottern, sein Erröten und seine Verlegenheit bestärkten den anderen in seiner Überzeugung, daß er es mit einem Schurken zu tun habe. In majestätischem Ton geigte er dem Offizier seine Meinung, wie er es nannte, und erklärte einfach, er glaube, der Major halte unberechtigterweise das Vermögen seines verstorbenen Schwiegersohnes zurück.

 

Besides her pension of fifty pounds a year, there had been five hundred pounds, as her husband’s executor stated, left in the agent’s hands at the time of Osborne’s demise, which sum, as George’s guardian, Dobbin proposed to put out at 8 per cent in an Indian house of agency. Mr. Sedley, who thought the Major had some roguish intentions of his own about the money, was strongly against this plan; and he went to the agents to protest personally against the employment of the money in question, when he learned, to his surprise, that there had been no such sum in their hands, that all the late Captain’s assets did not amount to a hundred pounds, and that the five hundred pounds in question must be a separate sum, of which Major Dobbin knew the particulars. More than ever convinced that there was some roguery, old Sedley pursued the Major. As his daughter’s nearest friend, he demanded with a high hand a statement of the late Captain’s accounts. Dobbin’s stammering, blushing, and awkwardness added to the other’s convictions that he had a rogue to deal with, and in a majestic tone he told that officer a piece of his mind, as he called it, simply stating his belief that the Major was unlawfully detaining his late son-in-law’s money.

Hier verlor Dobbin aber doch alle Geduld, und wäre sein Ankläger nicht so alt und gebrochen gewesen, so hätte bei Slaughters sehr wohl ein Streit zwischen ihnen entstehen können, denn in einer Abteilung dieser Vergnügungsstätte fand die Unterredung der beiden Herren statt. »Kommen Sie mit hinauf, Sir«, flüsterte der Major, »ich bestehe darauf, daß Sie mit mir hinaufkommen, und ich werde Ihnen zeigen, wer der Geschädigte ist, der arme George oder ich.« Damit schleppte er den alten Herrn in sein Schlafzimmer und nahm aus seinem Schreibpult Osbornes Abrechnungen sowie ein Bündel von Schuldscheinen, die George ihm gegeben hatte, denn um die Wahrheit zu sagen, war er stets nur allzu bereit, einen Schuldschein auszustellen. »Seine Schulden in England hat er bezahlt«, fügte Dobbin hinzu, »aber als er fiel, besaß er keine hundert Pfund mehr. Ich und ein paar von seinen Kameraden legten die kleine Summe zusammen. Es war alles, was wir entbehren konnten, und Sie wagen uns zu sagen, wir wollten die Witwe und die Waise betrügen?« Sedley war sehr beschämt und gedemütigt, obwohl William Dobbin dem alten Herrn wirklich eine große Lüge erzählt hatte. Jeder Pfennig des Geldes stammte nämlich von ihm selbst, und er hatte auch seinen Freund begraben und alle Ausgaben, die durch das Unglück und die Heimreise der armen Amelia entstanden waren, beglichen.

 

Dobbin at this lost all patience, and if his accuser had not been so old and so broken, a quarrel might have ensued between them at the Slaughters’ Coffee-house, in a box of which place of entertainment the gentlemen had their colloquy. “Come upstairs, sir,” lisped out the Major. “I insist on your coming up the stairs, and I will show which is the injured party, poor George or I”; and, dragging the old gentleman up to his bedroom, he produced from his desk Osborne’s accounts, and a bundle of IOU’s which the latter had given, who, to do him justice, was always ready to give an IOU. “He paid his bills in England,” Dobbin added, “but he had not a hundred pounds in the world when he fell. I and one or two of his brother officers made up the little sum, which was all that we could spare, and you dare tell us that we are trying to cheat the widow and the orphan.” Sedley was very contrite and humbled, though the fact is that William Dobbin had told a great falsehood to the old gentleman; having himself given every shilling of the money, having buried his friend, and paid all the fees and charges incident upon the calamity and removal of poor Amelia.

Über diese Ausgaben nachzudenken, hatten sich weder der alte Herr noch ein anderer Verwandter Amelias, noch diese selbst sich die Mühe gemacht. Sie verließ sich auf Major Dobbin, ihren Buchhalter, nahm seine etwas konfusen Berechnungen als richtig hin und ahnte niemals, wie tief sie in seiner Schuld stand.

 

About these expenses old Osborne had never given himself any trouble to think, nor any other relative of Amelia, nor Amelia herself, indeed. She trusted to Major Dobbin as an accountant, took his somewhat confused calculations for granted, and never once suspected how much she was in his debt.

Zwei- oder dreimal jährlich schrieb sie ihm ihrem Versprechen gemäß nach Madras, Briefe, die von Anfang bis Ende von dem kleinen Georgy handelten. Wie er sie als seine teuersten Schätze betrachtete! Wenn Amelia schrieb, so antwortete er ihr, allerdings nur dann. Aber er sandte seinem Patenkind und ihr unzählige Andenken. Er schickte eine Schachtel mit Schärpen und einen großartigen Satz elfenbeinerner Schachfiguren, die er in China bestellt hatte. Die Bauern waren kleine, grünweiße Männer mit richtigen Schwertern und Schilden; die Springer saßen zu Pferde, die Türme wurden von Elefanten getragen. Die Figuren von Mrs. Mango von den Ananastreibhäusern seien nicht so schön, bemerkte Mr. Pestler. Dieses Schachspiel war das ganze Entzücken Georgys, der zum Dank dafür seinen ersten Brief an den Patenonkel zusammenbaute. Dobbin schickte auch Eingemachtes und Mixpickles. Das letztere probierte der Knabe heimlich auf der Anrichte und starb beinahe beim Kosten. Er glaubte, sie seien aus Strafe fürs Stehlen so scharf. Emmy schrieb dem Major einen drolligen Bericht über dieses Mißgeschick, und ihn freute es, zu sehen, daß sich ihr Gemüt erholte und sie jetzt zuweilen fröhlich sein konnte. Er schickte zwei Schals herüber, einen weißen für sie und einen schwarzen mit Palmblättern für ihre Mutter, und ein paar rote Schärpen für den alten Mr. Sedley und George zum Winter. Mrs. Sedley wußte, daß die Schals pro Stück mindestens fünfzig Guineen gekostet hatten. Sie trug ihren, wenn sie in vollem Staat nach Brompton zur Kirche ging, und ihre Freundinnen beglückwünschten sie zu der glänzenden Erwerbung. Auch Emmys paßte gut zu ihrem einfachen schwarzen Gewand. »Wie schade, daß sie sich nichts aus ihm macht«, bemerkte Mrs. Sedley gegenüber Mrs. Clapp und allen ihren Freundinnen in Brompton. »Joseph hat uns nie solche Geschenke gemacht und gönnt uns nichts. Offensichtlich ist der Major bis über beide Ohren in sie verliebt; wenn ich es aber nur andeute, dann wird sie rot und fängt an zu weinen und geht hinauf und setzt sich mit ihrer Miniatur hin. Diese Miniatur hängt mir schon zum Hals heraus, ich wollte, wir hätten die abscheulichen geldprotzigen Osbornes nie zu Gesicht bekommen.«

 

Twice or thrice in the year, according to her promise, she wrote him letters to Madras, letters all about little Georgy. How he treasured these papers! Whenever Amelia wrote he answered, and not until then. But he sent over endless remembrances of himself to his godson and to her. He ordered and sent a box of scarfs and a grand ivory set of chess-men from China. The pawns were little green and white men, with real swords and shields; the knights were on horseback, the castles were on the backs of elephants. “Mrs. Mango’s own set at the Pineries was not so fine,” Mr. Pestler remarked. These chess-men were the delight of Georgy’s life, who printed his first letter in acknowledgement of this gift of his godpapa. He sent over preserves and pickles, which latter the young gentleman tried surreptitiously in the sideboard and half-killed himself with eating. He thought it was a judgement upon him for stealing, they were so hot. Emmy wrote a comical little account of this mishap to the Major: it pleased him to think that her spirits were rallying and that she could be merry sometimes now. He sent over a pair of shawls, a white one for her and a black one with palm-leaves for her mother, and a pair of red scarfs, as winter wrappers, for old Mr. Sedley and George. The shawls were worth fifty guineas apiece at the very least, as Mrs. Sedley knew. She wore hers in state at church at Brompton, and was congratulated by her female friends upon the splendid acquisition. Emmy’s, too, became prettily her modest black gown. “What a pity it is she won’t think of him!” Mrs. Sedley remarked to Mrs. Clapp and to all her friends of Brompton. “Jos never sent us such presents, I am sure, and grudges us everything. It is evident that the Major is over head and ears in love with her; and yet, whenever I so much as hint it, she turns red and begins to cry and goes and sits upstairs with her miniature. I’m sick of that miniature. I wish we had never seen those odious purse-proud Osbornes.”

In dieser bescheidenen Umgebung unter so einfachen Gefährten verging Georges frühe Kindheit, und der Knabe wuchs heran – zart, sensibel, tyrannisch, ein richtiges Muttersöhnchen. Er beherrschte seine sanfte Mutter, die er leidenschaftlich liebte, und regierte die ganze kleine ihn umgebende Welt. Als er größer wurde, nahmen die Älteren verwundert wahr, daß er sehr hochmütig war und seinem Vater immer ähnlicher wurde. Er fragte nach allem, wie es die wissensdurstige Jugend stets tut. Seine tiefsinnigen Bemerkungen und Fragen setzten den Großvater in Erstaunen, und der Alte langweilte den Wirtshausklub ständig mit Erzählungen von der Gescheitheit und Begabung seines Enkels. Seine Großmutter litt er mit großmütiger Gleichgültigkeit. Der kleine Kreis um ihn glaubte, daß ihm auf Erden kein Junge gleichkomme. Georgy hatte den väterlichen Stolz geerbt und glaubte wahrscheinlich, sie hätten nicht so ganz unrecht.

 

Amidst such humble scenes and associates George’s early youth was passed, and the boy grew up delicate, sensitive, imperious, woman-bred — domineering the gentle mother whom he loved with passionate affection. He ruled all the rest of the little world round about him. As he grew, the elders were amazed at his haughty manner and his constant likeness to his father. He asked questions about everything, as inquiring youth will do. The profundity of his remarks and interrogatories astonished his old grandfather, who perfectly bored the club at the tavern with stories about the little lad’s learning and genius. He suffered his grandmother with a good-humoured indifference. The small circle round about him believed that the equal of the boy did not exist upon the earth. Georgy inherited his father’s pride, and perhaps thought they were not wrong.

Als er ungefähr sechs Jahre alt war, begann Dobbin ihm häufig zu schreiben. Der Major wollte wissen, ob Georgy eine Schule besuche, und hoffte, daß er dort Ehre einlege – oder wolle er vielleicht einen guten Hauslehrer haben? Es wurde höchste Zeit, daß er anfing, etwas zu lernen, und sein Pate und Vormund deutete an, er hoffe, man werde ihn die Kosten der Erziehung des Knaben bestreiten lassen, da es der Mutter mit ihrem geringen Einkommen sehr schwerfallen würde. Mit einem Wort, der Major dachte stets an Amelia und ihren kleinen Jungen, und durch Vermittlung seines Beauftragten versorgte er ihn ständig mit Bilderbüchern, Tuschkästen, Schreibutensilien und allen möglichen belustigenden und belehrenden Dingen. Drei Tage vor Georges sechstem Geburtstag fuhr ein Herr in einem Einspänner, begleitet von einem Bedienten, an Mr. Sedleys Hause vor und fragte nach Master George Osborne. Er war Woolsey, der Militärschneider aus der Conduit Street, der im Auftrage des Majors dem jungen Herrn zu einem Anzug Maß nehmen sollte. Er hatte früher die Ehre gehabt, für den Hauptmann, den Vater des jungen Herrn, zu arbeiten. Manchmal, und zweifellos auf den Wunsch des Majors, kamen seine Schwestern, die Misses Dobbin, in der Familienkutsche, um Amelia und den Kleinen zu einer Spazierfahrt abzuholen, falls sie Lust dazu hätten. Die Gönnermiene und Freundlichkeit dieser Damen war Amelia sehr unangenehm, aber sie trug sie mit Sanftmut, denn es lag in ihrer Natur nachzugeben, und außerdem machte die prächtige Kutsche dem kleinen Georgy ungeheures Vergnügen. Gelegentlich baten die Damen, daß das Kind einen Tag bei ihnen verbringen dürfe, und George freute sich stets, die schöne Villa in der Straße Denmark Hill zu besuchen, wo sie wohnten und wo es so schöne Trauben in den Gewächshäusern und Pfirsiche an den Mauern gab.

 

When he grew to be about six years old, Dobbin began to write to him very much. The Major wanted to hear that Georgy was going to a school and hoped he would acquit himself with credit there: or would he have a good tutor at home? It was time that he should begin to learn; and his godfather and guardian hinted that he hoped to be allowed to defray the charges of the boy’s education, which would fall heavily upon his mother’s straitened income. The Major, in a word, was always thinking about Amelia and her little boy, and by orders to his agents kept the latter provided with picture-books, paint-boxes, desks, and all conceivable implements of amusement and instruction. Three days before George’s sixth birthday a gentleman in a gig, accompanied by a servant, drove up to Mr. Sedley’s house and asked to see Master George Osborne: it was Mr. Woolsey, military tailor, of Conduit Street, who came at the Major’s order to measure the young gentleman for a suit of clothes. He had had the honour of making for the Captain, the young gentleman’s father. Sometimes, too, and by the Major’s desire no doubt, his sisters, the Misses Dobbin, would call in the family carriage to take Amelia and the little boy to drive if they were so inclined. The patronage and kindness of these ladies was very uncomfortable to Amelia, but she bore it meekly enough, for her nature was to yield; and, besides, the carriage and its splendours gave little Georgy immense pleasure. The ladies begged occasionally that the child might pass a day with them, and he was always glad to go to that fine garden-house at Denmark Hill, where they lived, and where there were such fine grapes in the hot-houses and peaches on the walls.

Eines Tages brachten sie Amelia freundlicherweise eine Nachricht, über die sie sich sicher sehr freuen würde  – etwas ungemein Interessantes über ihren lieben William.

 

One day they kindly came over to Amelia with news which they were sure would delight her — something very interesting about their dear William.

»Was ist es, kommt er nach Hause?« fragte sie, und Freude strahlte aus ihren Augen.

 

“What was it: was he coming home?” she asked with pleasure beaming in her eyes.

O nein, nicht das – aber sie hätten sehr guten Grund, zu glauben, daß der liebe William heiraten würde – und zwar eine Verwandte von einer sehr teuren Freundin Amelias – Miss Glorvina O'Dowd, Michael O'Dowds Schwester, die zu Lady O'Dowd nach Madras gefahren war – ein sehr hübsches, gebildetes Mädchen, wie es hieß.

 

“Oh, no — not the least — but they had very good reason to believe that dear William was about to be married — and to a relation of a very dear friend of Amelia’s — to Miss Glorvina O’Dowd, Sir Michael O’Dowd’s sister, who had gone out to join Lady O’Dowd at Madras — a very beautiful and accomplished girl, everybody said.”

Amelia sagte: »Oh!« Amelia war wirklich sehr glücklich darüber. Sie glaubte, Glorvina könne ihrer alten Bekannten nicht sehr ähneln, die zwar sehr freundlich ... aber ... aber sie war wirklich sehr glücklich. Aus einer gewissen Regung heraus, deren Bedeutung ich nicht erklären kann, schloß sie George in die Arme und küßte ihn außerordentlich zärtlich. Ihre Augen waren feucht, als sie das Kind niedersetzte, und sie sprach während der ganzen Fahrt kein Wort mehr – obwohl sie wirklich sehr glücklich war.

 

Amelia said “Oh!” Amelia was very very happy indeed. But she supposed Glorvina could not be like her old acquaintance, who was most kind — but — but she was very happy indeed. And by some impulse of which I cannot explain the meaning, she took George in her arms and kissed him with an extraordinary tenderness. Her eyes were quite moist when she put the child down; and she scarcely spoke a word during the whole of the drive — though she was so very happy indeed.


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