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XVII.

Eine Schar von Bürgern.

Erster Bürger

Als so viele Könige zusammentrafen, dachten wir, es würde eine rechte Kurzweil für uns geben; aber irgendwie nahm alles eine solche Wendung, daß niemand weiß, was überhaupt geschehen ist!

Zweiter Bürger

Saht ihr nicht, daß sie untereinander zu keiner Verständigung kommen konnten? – jeder mißtraute dem andern.

Dritter Bürger

Keiner hielt sich an ihre ursprünglichen Pläne; einer wollte vorrücken, ein anderer hielt den Rückzug für die bessere Politik; einige wandten sich nach rechts, andere liefen Sturm nach links: wie kann man das eine Schlacht heißen?

Erster Bürger

Sie hatten keinen Sinn für wirklichen Kampf – jeder hatte seine Augen auf den andern.

Zweiter Bürger

Jeder dachte: »Warum sollte ich sterben, um es den andern zu ermöglichen, die Ernte einzuheimsen?«

Dritter Bürger

Aber ihr müßt alle zugeben: Kantschi kämpfte wie ein wirklicher Held.

Erster Bürger

Er schien noch lange, nachdem er geschlagen war, nicht gewillt, seine Niederlage anzuerkennen.

Zweiter Bürger

Zuletzt wurde ihm von einem tödlichen Wurfgeschoß die Brust durchbohrt.

Dritter Bürger

Aber vorher schien er nicht gewahren zu wollen, daß er bei jedem Schritt Boden verloren hatte.

Erster Bürger

Die andern Könige aber – nun, keiner weiß, wohin sie geflohen sind; den armen Kantschi ließen sie allein auf dem Feld.

Zweiter Bürger

Aber ich habe gehört, er sei noch nicht tot.

Dritter Bürger

Nein, die Ärzte haben ihn gerettet – aber er wird den Stempel seiner Niederlage bis zum Tag seines Todes auf der Brust tragen.

Erster Bürger

Keiner von den andern Königen, die flohen, ist entkommen; sie sind alle gefangengenommen worden. Aber was ist das für eine Sorte Justiz, die an ihnen geübt wurde?

Zweiter Bürger

Ich habe gehört, daß jeder bestraft wurde, mit Ausnahme von Kantschi, dem der Richter auf dem Thron der Gerechtigkeit den Platz zu seiner Rechten anwies und ihm eine Krone aufs Haupt setzte.

Dritter Bürger

So etwas Unfaßbares ist noch nicht dagewesen.

Zweiter Bürger

Diese Sorte Justiz, frei herausgesagt, kommt uns launisch und grillenhaft vor.

Erster Bürger

So ist es. Der größte Sünder ist ganz gewiß der König von Kantschi; die andern trieb einmal Gewinngier vorwärts, und das andre Mal zog sie die Furcht zurück.

Dritter Bürger

Was für eine Sorte Justiz ist das, frage ich? Es ist, wie wenn der Tiger ungestraft davonkäme, während sein Schwanz abgeschnitten würde.

Zweiter Bürger

Wenn ich der Richter wäre, glaubt ihr, Kantschi liefe zur Stunde heil und gesund herum? Nicht das geringste wäre mehr von ihm übrig.

Dritter Bürger

Das sind große Oberrichter, Freunde; ihre Gehirne haben ein andres Gepräge wie unsre.

Erster Bürger

Haben sie überhaupt ein Hirn, möcht' ich wissen? Sie frönen einfach ihren Launen, da keiner über ihnen ist, der ihnen etwas sagen dürfte.

Zweiter Bürger

Ihr könnt sagen, was ihr wollt, wenn die Regierungsgewalt in unsern Händen wäre, hätten wir sicher die Regierung besser geführt als so.

Dritter Bürger

Kann darüber überhaupt noch Zweifel bestehen? Das versteht sich natürlich von selbst.


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