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IV.

Turm des Königspalastes.
Sudarschana und ihre Freundin Rohini.

Sudarschana

Du magst dich irren, Rohini, aber ich kann mich nicht irren: bin ich nicht die Königin? Der dort, sicher der dort muß mein König sein.

Rohini

Er, der dir so hohe Ehre verliehen hat, kann nicht lange zögern, sich dir zu zeigen.

Sudarschana

Seine Gestalt macht mich ruhlos wie einen Vogel im Käfig. Suchtest du, dich zu vergewissern, wer er ist?

Rohini

Ja. Jeder, den ich fragte, sagte, es sei der König.

Sudarschana

Von welchem Land ist er der König?

Rohini

Von unserm, König dieses Landes.

Sudarschana

Du meinst doch den dort, dem ein Sonnenschirm aus Blumen über das Haupt gehalten wird?

Rohini

Eben den: der, auf dessen Banner die Kimschuk-Blüte gemalt ist.

Sudarschana

Ich erkannte ihn natürlich sofort, aber du hattest deine Zweifel.

Rohini

Wir können uns leicht irren, meine Königin, und wir fürchten dich zu erzürnen, falls wir unrecht haben.

Sudarschana

Ich wollte, Surangama wäre da! Dann wäre kein Zweifel mehr möglich.

Rohini

Hältst du sie für klüger als uns alle?

Sudarschana

O nein, aber sie würde ihn sofort erkennen.

Rohini

Das kann ich nicht glauben. Sie tut nur so, als ob sie ihn kennte. Niemand kann dafür bürgen, daß sie den König kennt. Wären wir so schamlos wie sie, es wäre nicht schwer für uns gewesen, mit unserer Bekanntschaft mit dem König zu prahlen.

Sudarschana

Aber nein, sie prahlt niemals.

Rohini

Bloße Ziererei, weiter nichts; damit kommt man oft weiter als mit offenem Prahlen. Sie ist zu allen Streichen fähig: drum mochten wir sie nie leiden.

Sudarschana

Aber sag, was du willst, ich hätte sie gern gefragt, wenn sie hier wäre.

Rohini

Sehr wohl, Königin. Ich werde sie holen. Sie muß glücklich sein, wenn sie der Königin unentbehrlich ist, um den König zu erkennen.

Sudarschana

O nein – es ist nicht darum – aber ich hörte es gern von aller Welt bestätigt.

Rohini

Sagt es nicht alle Welt? Da, höre nur hin, die Jubelrufe des Volks dringen sogar bis zu dieser Höhe empor.

Sudarschana

Dann tu mir den einen Dienst: lege diese Blumen auf ein Lotusblatt und bringe sie ihm.

Rohini

Und was soll ich sagen, wenn er fragt, wer sie sendet?

Sudarschana

Du wirst nichts zu sagen brauchen – er wird es wissen. Er meinte, ich würde nicht imstande sein, ihn zu erkennen: ich kann ihn nicht fortlassen, ohne ihm zu zeigen, daß ich ihn herausgefunden habe.

Rohini geht mit den Blumen.

Sudarschana

Mein Herz ist voll Unruhe heute abend: so war mir nie zuvor zumute. Das weiße, silberne Licht des Vollmonds überflutet den Himmel und perlt nach allen Seiten wie der sprudelnde Schaum des Weins... Es faßt mich wie ein Taumel von Sehnsucht. Halt, wer ist da?

Eine Dienerin tritt auf.

Dienerin

Was befehlen Majestät?

Sudarschana

Siehst du dort die fröhlichen Knaben, wie sie singend durch die Laubgänge und Alleen der Mangobäume ziehen? Rufe sie her, bring sie zu mir: ich möchte sie singen hören.

Die Dienerin geht und kehrt mit den Knaben wieder.

Kommt, lebendige Sinnbilder des jugendfrischen Frühlings, hebt euren Festgesang an! Meine ganze Seele und mein Leib ist heute abend Gesang und Musik – doch die unaussprechliche Melodie will mir nicht von der Zunge: singt ihr denn an meiner Statt!

Gesang

Mein Leid ist mir süß, heut in dieser Frühlingsnacht.
Mein Schmerz greift in die Saiten der Liebe und läßt sie leise erklingen.
Lockende Bilder, aus meiner Sehnsucht geboren, gleiten im Mondschein dahin.
Der Duft aus der Tiefe der Wälder verirrt sich in meine Träume.
Worte kommen flüsternd an mein Ohr, ich weiß nicht, woher,
Und die Glöckchen an meinen Fußspangen zittern
und klingen im Takt zum Tanz meines Herzens.

Sudarschana

Genug, genug – ich ertrag' es nicht länger! Euer Gesang hat meine Augen mit Tränen gefüllt... Mich wandelt es an – Sehnsucht kann nie ihren Gegenstand finden – sie braucht ihn nicht zu finden. Welch lieblicher Sänger der Wildnis hat euch dies Lied gelehrt? O, daß meine Augen den sehen könnten, dessen Gesang meine Ohren gehört haben! Ach, wie ich mich sehne – mich sehne, in Liebesverzückung im Waldesdickicht des Herzens mich zu verlieren! Liebe Knaben der Waldwildnis! wie soll ich euch lohnen? Dieses Halsband ist nur aus Juwelen, aus harten Steinen gemacht – ihre Härte wird euch weh tun – ich besitze nichts dergleichen wie die Blumenkränze, die euch zieren.

Die Knaben verbeugen sich und gehen ab. Rohini tritt auf.

Sudarschana

Ich habe nicht recht getan – ich habe nicht recht getan, Rohini. Ich schäme mich, dich zu fragen, was geschah. Ich habe jetzt eben erkannt, daß keine Hand in Wahrheit die größte der Gaben geben kann. Doch laß mich alles hören.

Rohini

Als ich dem König die Blumen gab, sah er nicht so aus, als verstünde er etwas davon.

Sudarschana

Das kann nicht sein! Er verstand nicht –?

Rohini

Nein; er saß da wie eine Puppe, ohne ein einziges Wort zu äußern. Ich glaube, er wollte nicht zeigen, daß er nichts verstand, daher tat er den Mund nicht auf.

Sudarschana

Pfui über mich! Meine Schamlosigkeit ist gerecht bestraft worden. Warum hast du meine Blumen nicht zurückgebracht?

Rohini

Wie konnte ich? Der König von Kantschi, ein sehr gewitzigter Mann, der neben ihm saß, begriff alles mit einem Blick, und er lächelte nur eben ein bißchen und sagte: »Majestät, die Königin Sudarschana sendet Euch ihre Grüße mit diesen Blumen – mit Blumen, die dem Gott der Liebe gehören, dem Freund des Frühlings!« Der König schien mit einem Male aufzuwachen und sagte: »Das ist die Krone all meiner Königsherrlichkeit heute Nacht.« Ich wandte mich, ganz außer Fassung, zum Gehen, als der König von Kantschi dem König dieses Juwelenhalsband abnahm und zu mir sagte: »Freundin, dies Königsgeschmeide will zu dir, zum Dank für das frohe Glück, das du gebracht hast.«

Sudarschana

Wie, Kantschi mußte dem König all das begreiflich machen! Weh mir, dies nächtliche Fest hat die Tore der Schmach und Schande weit vor mir geöffnet. Was andres konnte ich erwarten? Verlaß mich, Rohini; ich muß eine Weile allein sein.

(Rohini geht ab.)

Ein furchtbarer Schlag hat all meinen Stolz zu Staub zerschlagen, und doch... ich kann diese schöne, bezaubernde Gestalt nicht aus dem Gedächtnis löschen! Kein Stolz ist mir geblieben... ich bin geschlagen, vernichtet, gänzlich hilflos... ich kann nicht einmal die Augen von ihm abwenden. Oh, wie mir wieder und wieder der Wunsch kommt, Rohini um diese Kette zu bitten! Aber was würde sie denken! Rohini!

Rohini kommt.

Rohini

Was ist dein Wunsch?

Sudarschana

Welchen Lohn verdienst du für deine heutigen Dienste?

Rohini

Nichts von dir – aber ich bekam meinen Lohn von dem König, wie sich's gebührt.

Sudarschana

Das ist keine freie Gabe, sondern eine erzwungene Belohnung. Ich möchte nicht etwas an dir sehen, was auf so gleichgültige Art gegeben wurde. Leg es ab, ich gebe dir meine Armspangen, wenn du es hier läßt. Nimm diese Armspangen und geh nun.

(Rohini geht ab.)

Welch neue Schmach! Ich hätte dieses Halsband wegwerfen sollen – aber ich kann nicht! Es sticht mich, als ob es ein Dornenkranz wäre – aber ich kann es nicht wegwerfen. Das also hat mir der Festgott heute zur Nacht beschert – dieses Halsband der Schmach und Schande!


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