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II.

Ein dunkles Gemach. Königin Sudarschana. Ihre Ehrendame, Surangama.

Sudarschana

Licht, Licht! Wo ist Licht? Wird in diesem Gemach nie die Lampe entzündet werden?

Surangama

Meine Königin, all deine andern Gemächer sind erleuchtet – will es dich nie verlangen, aus dem Licht in einen dunkeln Raum wie diesen zu entrinnen?

Sudarschana

Aber warum soll dieser Raum dunkel gehalten werden?

Surangama

Weil du sonst weder Licht noch Dunkelheit kennen würdest.

Sudarschana

Durch deinen Aufenthalt in dieser dunklen Kammer bist du dazu gekommen, dunkel und seltsam zu reden – ich kann dich nicht verstehen, Surangama. Sag mir aber, in welchem Teil des Palastes liegt dies Gemach? Ich kann weder den Eingang zu dieser Kammer erkennen noch den Weg hinaus.

Surangama

Diese Kammer liegt tief drunten, ganz im Herzen der Erde. Der König hat dies Gemach eigens um deinetwillen gebaut.

Sudarschana

Nun, er hat doch keinen Mangel an Gemächern – warum brauchte er diese dunkle Kammer eigens für mich machen lassen?

Surangama

Du kannst andre in den hellen Zimmern empfangen: doch deinen Herrn nur in diesem dunklen Gemach.

Sudarschana

Nein, nein – ich kann nicht leben ohne Licht – ich habe keine Ruhe in dieser erstickenden Finsternis. Surangama, wenn du ein Licht in diese Kammer bringen kannst, schenke ich dir mein Halsband hier.

Surangama

Es steht nicht in meiner Macht, o Königin. Wie kann ich Licht an einen Ort bringen, den er immer im Dunkel gehalten haben will!

Sudarschana

Seltsame Treue! Und doch – ist es nicht wahr, daß der König deinen Vater bestraft hat?

Surangama

Ja, das ist wahr. Mein Vater hatte sich dem Spiel ergeben. Alle jungen Leute des Landes pflegten in meines Vaters Haus zusammen zu kommen – und da tranken sie immer und spielten.

Sudarschana

Und gab es dir nicht die Empfindung bitterer Bedrückung, als der König deinen Vater in die Verbannung schickte?

Surangama

Oh, es machte mich ganz rasend. Ich war auf dem Weg zu Untergang und Vernichtung: als diese Bahn mir verschlossen war, schien ich mir ohne irgendeine Hilfe zurückgeblieben, ohne Beistand noch Schutz. Ich raste und tobte wie ein wildes Tier im Käfig – wie verlangte es mich alles in Stücke zu zerreißen in meiner ohnmächtigen Wut!

Sudarschana

Aber wie kamst du zu dieser Hingebung an eben den nämlichen König?

Surangama

Wie kann ich es sagen? Vielleicht faßte ich Vertrauen zu ihm, gerade weil er so hart, so unbarmherzig war!

Sudarschana

Wann trat dieser Stimmungswechsel ein?

Surangama

Das könnte ich nicht sagen – ich weiß das selbst nicht. Es kam ein Tag, wo all der Aufruhr in mir sich geschlagen gab, und dann beugte sich meine ganze Natur in demütiger Ergebung in den Staub der Erde. Und dann sah ich... ich sah, daß er an Schönheit ebenso ohnegleichen war wie an Schrecknis. Oh, ich war gerettet, ich war erlöst.

Sudarschana

Sage mir, Surangama, ich flehe dich an, willst du mir nicht sagen, wie der König aussieht? Ich habe ihn noch nicht ein einziges Mal gesehen. Er kommt zu mir in Dunkelheit, und läßt mich wieder in diesem dunklen Gemach zurück. Wie viele Menschen habe ich nicht gefragt – aber sie geben alle unbestimmte und dunkle Antworten – es scheint mir, daß sie alle mit etwas zurückhalten.

Surangama

Die Wahrheit zu sagen, Königin, so könnte ich nicht gut angeben, wie er aussieht. Nein – er ist nicht, was man schön nennt.

Sudarschana

Das ist doch wohl nicht dein Ernst? Nicht schön!

Surangama

Nein, meine Königin, er ist nicht schön. Ihn schön zu nennen, wäre viel zu wenig von ihm gesagt.

Sudarschana

So sind all deine Worte – dunkel, seltsam und unbestimmt. Ich kann nicht verstehen, was du meinst.

Surangama

Nein, ich will ihn nicht schön nennen. Und eben weil er nicht schön ist, ist er so herrlich, so wunderbar!

Sudarschana

Ich verstehe dich nicht ganz – obwohl ich dich gern von ihm reden höre. Aber ich muß ihn um jeden Preis sehen. Ich besinne mich nicht einmal auf den Tag, wo ich ihm angetraut wurde. Ich hörte Mutter sagen, daß vor meiner Hochzeit ein weiser Mann kam und sagte: »Der eure Tochter ehelichen will, ist ohnegleichen auf dieser Erde.« Wie oft habe ich sie gebeten, mir sein Äußeres zu beschreiben, aber sie antwortet nur unbestimmt und sagt, sie kann es nicht sagen – sie sah ihn durch einen Schleier, schwach und dunkel. Aber wenn er der beste der Menschen ist, wie kann ich stillsitzen, ohne ihn gesehen zu haben.

Surangama

Spürst du nicht ein leises Lüftchen wehen?

Sudarschana

Ein Lüftchen? Wo?

Surangama

Merkst du nicht einen leisen Duft?

Sudarschana

Nein!

Surangama

Das große Tor hat sich geöffnet ... er kommt; mein König naht.

Sudarschana

Wie kannst du es merken, wenn er kommt?

Surangama

Ich kann's nicht sagen: mir ist, als hörte ich seine Tritte in meinem Herzen. Da ich die Magd seiner dunklen Kammer bin, habe ich einen Sinn entwickelt – ich kann erkennen und fühlen, ohne zu sehen.

Sudarschana

Ich wollte, ich hätte diesen Sinn auch, Surangama!

Surangama

Du wirst ihn bekommen, o Königin... dieser Sinn wird in dir eines Tages erwachen. Deine Sehnsucht, ihn zu sehen, raubt dir die Ruhe, und darum ist all dein Sinn gespannt und in die falsche Richtung gelenkt. Wenn du diesen Zustand fieberhafter Ruhelosigkeit hinter dir hast, wird alles ganz leicht werden.

Sudarschana

Wie kommt das, daß es dir, der Magd, so leicht ist, und mir, der Königin, so schwer?

Surangama

Eben weil ich eine bloße Magd bin, hemmt mich keine Schwierigkeit. Als er am ersten Tag dies Gemach meiner Obhut vertraute und sagte: »Surangama, du wirst diese Kammer immer für mich in Bereitschaft halten, das ist deine ganze Aufgabe«, da sagte ich nicht, nicht einmal in Gedanken: »Oh, gib mir die Arbeit derer, die für das Licht in den andern Gemächern sorgen.« Nein, sondern sowie ich all meinen ganzen Sinn auf diese Aufgabe richtete, erwachte eine Gewalt in mir und wuchs und wurde ohne Widerstand Herr über jeden Teil von mir... Oh, da kommt er!... er steht draußen, vor der Tür. Herr! O König!

Gesang von außen

Öffne die Tür. Ich warte.
Die Fähre des Lichts von Dämmrung zu Dunkel ist ruhen gegangen,
Der Abendstern steht am Himmel.
Hast du Blumen bereit, das Haar dir geflochten,
Umfließt dich weiß dein Kleid zur Nacht?
Das Vieh kam heim in den Pferch und die Vögel in ihre Nester.
Die wirr sich kreuzenden Pfade sind in Dunkel getaucht.
Öffne die Tür. Ich warte.

Surangama

O König, wer kann deine eignen Tore vor dir versperrt halten? Sie sind nicht geschlossen oder verriegelt – sie werden sich weit aufschwingen, wenn du sie nur mit dem Finger berührst. Willst du sie nicht nur ein wenig berühren? Willst du nicht eintreten, bis ich gehe und die Tore öffne?

Gesang

Mit einem Hauch kannst du meine Schleier lüften, Herr!
Wenn ich im Staub entschlafe und deinen Ruf nicht höre, würdest du warten, bis ich erwache?
Würde die Erde nicht beben unter dem donnernden Rad deines Streitwagens?
Würdest du nicht das Tor zertrümmern und ungebeten eingehn in dein eigenes Haus?
Dann geh du, o Königin, und öffne die Tür für ihn: er wird sonst nicht eintreten.

Sudarschana

Ich sehe nichts deutlich im Dunkel – ich weiß nicht, wo die Tür ist. Du kennst hier alles – geh und öffne die Tür für mich.

Surangama öffnet die Tür, verbeugt sich tief vor dem König und geht hinaus. Der König bleibt während dieses ganzen Stückes unsichtbar.

Sudarschana

Warum erlaubst du mir nicht, dich im Licht zu sehen?

König

So willst du mich zwischen tausend Dingen im hellen Tageslicht sehen! Warum sollte ich nicht das einzige sein, was du in dieser Dunkelheit fühlen kannst?

Sudarschana

Aber ich muß dich sehen – mich verlangt es brennend nach deinem Anblick.

König

Du wirst nicht imstande sein, meinen Anblick zu ertragen – er wird dir nur Qual bereiten, brennend heiße Qual.

Sudarschana

Wie kannst du sagen, daß ich deinen Anblick nicht zu ertragen vermöchte! Oh, ich kann schon in diesem Dunkel fühlen, wie lieblich und wunderbar du bist: warum sollte ich im Licht vor dir erschrecken? Aber sage mir, kannst du mich im Dunkel sehen?

König

Ja, ich sehe dich.

Sudarschana

Was siehst du?

König

Ich sehe, daß die Dunkelheit der unendlichen Himmel, ins Dasein geschleudert durch die Gewalt meiner Liebe, das Licht von Sternenmyriaden in sich gesogen und sich verkörpert hat in einer Gestalt von Fleisch und Blut. Und in dieser Form, was für Äonen von Denken und Ringen, was für ungezählte Sehnsüchte grenzenloser himmlischer Räume, welche Fülle der Gaben aus dem Meer der Zeiten!

Sudarschana

Bin ich so wunderbar, bin ich so schön? Höre ich dich so reden, so schwillt mein Herz von Freude und Stolz. Aber wie kann ich die wundervollen Dinge glauben, die du mir sagst? Ich kann sie in mir nicht finden!

König

Dein eigener Spiegel kann sie nicht wiedergeben – er setzt dich herab, beschränkt dich, läßt dich klein und unbedeutend erscheinen. Doch könntest du dich in meinem Geist gespiegelt sehen, wie groß erschienest du! In meinem Herzen bist du nicht mehr das alltägliche Einzelwesen, das du zu sein meinst – du bist in Wahrheit mein andres Ich.

Sudarschana

Oh, zeig' mir für einen Augenblick, wie man mit deinen Augen sieht! Gibt es für dich gar nichts wie Dunkelheit? Ich fürchte mich, wenn ich daran denke. Diese Dunkelheit, die für mich wirklich und stark wie der Tod ist – ist sie für dich einfach nichts? Wie kann dann überhaupt eine Gemeinschaft zwischen uns sein, an einem Ort wie diesem? Nein, nein – es ist unmöglich: es besteht eine Schranke zwischen uns beiden: nicht hier, nein, nicht an diesem Ort. Ich muß dich finden und sehen, wo ich Bäume und Tiere, Vögel und Steine und die Erde sehe –

König

Nun gut, du kannst versuchen, mich zu finden – aber niemand wird mich dir weisen. Du wirst mich erkennen müssen, wenn du kannst, du selbst. Und selbst wenn jemand sich anheischig macht, mich dir zu zeigen, wie kannst du gewiß sein, daß er die Wahrheit sagt?

Sudarschana

Ich werde dich kennen; ich werde dich wiedererkennen. Ich werde dich aus einer Million Menschen herausfinden. Ich kann mich nicht irren.

König

Gut also, heute nacht, während des Frühlingsvollmondfestes, magst du versuchen, mich von dem hohen Turm meines Palastes aus herauszufinden – suche nach mir mit deinen eigenen Augen unter der Volksmenge.

Sudarschana

Wirst du unter ihr sein?

König

Ich werde mich wieder und wieder zeigen, überall unter der Menge. Surangama!

Surangama kommt herein.

Surangama

Was gebietest du, Herr?

König

Heute nacht ist das Frühlingsvollmondfest.

Surangama

Was soll ich heute nacht tun?

König

Heute ist ein Festtag, kein Werktag. Die Lustgärten stehen in voller Blüte – du wirst da an meinem Feste teilnehmen.

Surangama

Ich werde tun, was du wünschest, Herr.

König

Die Königin will mich heute nacht mit ihren eigenen Augen sehen.

Surangama

Wo soll die Königin dich sehen?

König

Wo die Musik am süßesten spielt, wo die Luft von Blütenstaub schwer ist – dort im silbernen Hain voll weichem Dämmerlicht.

Surangama

Was kann dort, wo Dunkel und Licht Versteck spielen, zu sehen sein? Dort ist der Wind wild und ruhlos, alles ist Tanz und rasche Bewegung – wird es die Augen nicht verwirren?

König

Die Königin ist neugierig, mich herauszufinden.

Surangama

Die Neugier wird enttäuscht und in Tränen heimkehren!

Gesang

Ach, sie lüstet's zu fliegen, die ruhlosen schweifenden Augen, die wilden Vögel des Waldes!
Doch die Zeit der Ergebung wird für sie kommen, zu Ende ihr Hin- und Herflug, wenn
Die Zaubermusik sie verfolgt und ihre Herzen durchbohrt.
Ach, die wilden Vögel verlangt's zu entflieh'n in die Wildnis!


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