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XV.

Die Versammlung der Fürsten.

Vidarbha

König von Kantschi, wie kommt es, daß du nicht ein einziges Schmuckstück an dir hast?

Kantschi

Weil ich gar keine Hoffnungen hege, mein Freund. Schmuckstücke würden die Schmach meiner Niederlage nur verdoppeln.

Kalinga

Aber dein Schirmträger scheint sich dafür ausstaffiert zu haben – er ist über und über mit Gold und Edelsteinen beladen.

Virat

Der König von Kantschi will die Nutzlosigkeit und Minderwertigkeit äußerer Schönheit und Pracht dartun. Die Eitelkeit auf seine Mannestugenden hat ihn vermocht, alle äußeren Verschönerungen von seinen Gliedern zu entfernen.

Koschala

Ich verstehe seine List schon; er sucht seine eigene Würde zu zeigen, indem er unter den mit Edelsteinen übersäten Fürsten eine strenge Einfachheit betont.

Pantschala

Ich kann seine Klugheit in dieser Sache nicht rühmen. Alle Welt weiß, daß die Augen eines Weibes wie eine Motte sind, sie stürzen Hals über Kopf auf das Gefunkel und Geglitzer von Gold und Steinen.

Kalinga

Aber wie lange sollen wir noch warten?

Kantschi

Werde nicht ungeduldig, König von Kalinga – je später die Ernte, desto süßer die Frucht.

Kalinga

Wäre ich der Frucht sicher, so könnte ich es aushalten. Weil jedoch meine Hoffnung, die Frucht zu schmecken, äußerst zweifelhaft ist, will sich meine Begier, ihren Anblick zu genießen, nicht zügeln lassen.

Kantschi

Aber du bist noch jung – aufgegebene Hoffnung kommt in deinen Jahren wieder und wieder zu dir zurück wie ein schamloses Weib: wir indessen haben diese Stufe lange hinter uns.

Koschala

Kantschi, spürtest du nicht jetzt eben etwas, als ob jemand an deinem Sessel rüttelte? Ist es ein Erdbeben?

Kantschi

Erdbeben? Ich weiß nichts davon.

Vidarbha

Oder vielleicht zieht noch ein Fürst mit seinen Bewaffneten daher.

Kalinga

Es spricht nichts gegen deine Vermutung, nur hätten wir dann vorher die Nachricht erst von einem Herold oder Boten vernehmen müssen.

Vidarbha

Ich kann dies nicht für ein Zeichen guter Vorbedeutung nehmen.

Kantschi

Dem Auge der Furcht sieht alles wie schlechte Vorbedeutung aus.

Vidarbha

Ich fürchte keinen außer dem Schicksal, vor dem Tapferkeit oder Heldenmut so unnütz wie sinnlos ist.

Pantschala

Vidarbha, wirf mit deinen unangenehmen Voraussagungen nicht einen Schatten auf die glücklichen Geschehnisse dieses Tages!

Kantschi

Ich ziehe nie das Unsichtbare in Rechnung, bis es sichtbar geworden ist.

Vidarbha

Aber dann könnte es zu spät sein, etwas zu tun.

Pantschala

Sind wir nicht alle in einem besonders verheißungsvollen Augenblick ans Werk gegangen!?

Vidarbha

Glaubst du dadurch, daß du in verheißungsvollen Augenblicken ans Werk gehst, gegen jede mögliche Gefahr versichert zu sein? Es sieht aus, als ob –

Kantschi

Du würdest besser das »Als ob« zu Hause lassen: es ist zwar unsre eigene Schöpfung, erweist sich aber oft als unser Verderben und Untergang.

Kalinga

Ist da nicht Musik irgendwo draußen?

Pantschala

Ja, es klingt wirklich wie Musik.

Kantschi

Dann muß es endlich die Königin Sudarschana sein, die naht.

(Beiseite zu Suvarna.)

Suvarna, du mußt dich nicht so hinter mir ducken und dich verstecken. Gib acht, der Schirm in deiner Hand zittert ja!

Großvater tritt ein, in kriegerischer Rüstung.

Kalinga

Wer ist das? – Wer bist du?

Pantschala

Wer ist es, der wagt, uneingeladen in diese Halle zu treten?

Virat

Unerhörte Frechheit! Kalinga, hindre doch den Kerl, näher heranzukommen.

Kalinga

Ihr seid alle älter als ich – ihr seid berufener das zu tun, als ich.

Vidarbha

Wir wollen hören, was er zu sagen hat.

Großvater

Der König ist gekommen.

Vidarbha

(aufspringend)

Der König?

Pantschala

Welcher König?

Kalinga

Woher kommt er?

Großvater

Mein König!

Virat

Dein König?

Kalinga

Wer ist das?

Koschala

Was meinst du?

Großvater

Ihr wißt alle, wen ich meine. Er ist gekommen.

Vidarbha

Er ist gekommen?

Koschala

In welcher Absicht?

Großvater

Er ladet euch alle vor sich.

Kantschi

Ladet uns vor, wahrhaftig? Und in welcher Form hat es ihm beliebt, uns vorzuladen?

Großvater

Ihr könnt seinen Ruf auf jede Art nehmen, ganz nach Belieben – niemand wird euch hindern – er ist auf jede Art der Begrüßung gerüstet, um jedem Geschmack zu genügen.

Virat

Aber wer bist du?

Großvater

Ich bin einer seiner Generale.

Kantschi

General! Eine Lüge ist es! Denkst du, uns zu schrecken? Bildest du dir ein, ich könnte nicht durch deine Verkleidung hindurchsehen? Wir kennen dich alle gut – und du spielst dich vor uns als »General« auf!

Großvater

Du hast mich ganz richtig erkannt. Wer ist so unwürdig wie ich, Träger der Befehle meines Königs zu sein? Und doch ist er es, der mich mit dieser Generalsrüstung bekleidet und hierher gesandt hat; er hat mich vor größeren Generalen und mächtigeren Kriegern erwählt.

Kantschi

Schon gut, wir werden bei geeigneter Gelegenheit kommen und bezeigen, was Schicklichkeit und Freundwilligkeit erfordern – aber gegenwärtig sind wir mitten in einem dringenden Geschäft. Er wird warten müssen, bis diese kleine Angelegenheit erledigt ist.

Großvater

Wenn er seinen Ruf ergehen läßt, wartet er nicht.

Koschala

Ich gehorche seinem Ruf; ich gehe sofort.

Vidarbha

Kantschi, ich kann deinem Vorschlag, zu warten, bis diese Angelegenheit erledigt ist, nicht zustimmen. Ich gehe.

Kalinga

Ihr seid älter als ich – ich folge euch.

Pantschala

Sieh hinter dich, Fürst von Kantschi, dein königlicher Schirm liegt im Staub: du hast nicht beachtet, wie dein Schirmträger sich fortgestohlen hat.

Kantschi

Wohlan, General. Auch ich gehe – aber nicht, um ihm Huldigung zu leisten. Ich gehe, auf dem Schlachtfeld mit ihm zu kämpfen.

Großvater

Du wirst meinen König auf dem Schlachtfeld treffen: das ist kein unwürdiger Platz für deinen Empfang.

Virat

Gebt acht, Freunde, vielleicht fliehen wir alle vor einem Schreckgespenst – es sieht so aus, als ob der König von Kantschi den Vorteil davon haben sollte.

Pantschala

Kann sein, wenn die Frucht so nahe winkt, ist es feige und töricht, fortzugehen, ohne sie zu pflücken.

Kalinga

Es ist besser, sich dem König von Kantschi anzuschließen. Er muß einen bestimmten Plan und Zweck haben, wenn er soviel wagt.


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