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XII.

Inneres des Palastes.

Sudarschana

Geht die Schlacht noch fort?

Surangama

So heftig wie je.

Sudarschana

Ehe er zur Schlacht aufbrach, kam mein Vater zu mir und sagte: »Du bist von einem König fortgelaufen, aber du hast sieben Könige dir nachgezogen; ich habe Lust, dich in sieben Stücke zu schneiden und sie unter die Fürsten zu verteilen.« Es wäre gut gewesen, wenn er es getan hätte. – Surangama!

Surangama

Ja?

Sudarschana

Wenn dein König die Macht hätte, mich zu retten, könnte mein jetziger Zustand ihn ungerührt gelassen haben?

Surangama

Meine Königin, warum fragst du mich? Habe ich die Macht, für meinen König zu antworten? Ich weiß, mein Verstand ist nicht hell; darum wage ich nie über ihn zu urteilen.

Sudarschana

Wer ist alles an diesem Kampf beteiligt?

Surangama

Alle sieben Fürsten.

Sudarschana

Sonst keiner?

Surangama

Suvarna machte den Versuch zu entfliehen – insgeheim, ehe der Kampf anfing –, aber Kantschi hat ihn als Gefangenen in seinem Lager verwahrt.

Sudarschana

Oh, ich hätte vor langer Zeit sterben sollen! Aber, o König, mein König, wenn du gekommen wärest und hättest meinem Vater geholfen, dein Ruhm wäre darum nicht geringer! Er wäre strahlender und höher geworden. Bist du ganz gewiß, Surangama, daß er nicht gekommen ist?

Surangama

Ich weiß nichts sicher.

Sudarschana

Aber seit ich hier bin, hatte ich plötzlich manchmal die Empfindung, als ob jemand unter meinem Fenster auf einer Laute spielte.

Surangama

Es wäre nicht undenkbar, daß jemand dort seiner Liebe zur Musik frönt.

Sudarschana

Es ist dort ein dichtes Gebüsch unter meinem Fenster – ich versuche jedesmal, wenn ich die Musik höre, herauszubekommen, wer es ist, aber ich kann nichts deutlich unterscheiden.

Surangama

Vielleicht ruht ein Wanderer im Schatten und spielt auf dem Instrument.

Sudarschana

Es mag sein, aber mein altes Fenster im Palast kommt mir ins Gedächtnis zurück. Ich kam gewöhnlich hin, nachdem ich mich abends umgekleidet hatte, und stand an meinem Fenster, und aus dem blinden Dunkel des lichtlosen Ortes unsrer Begegnungen strömten dann Akkorde und Gesänge und Melodien heraus und tanzten und zitterten in endloser Folge und überfließender Verschwendung, wie die leidenschaftliche Überschwänglichkeit eines unversieglichen Springquells.

Surangama

O tiefes, holdes Dunkel! Geheimnisvolles Dunkel, dessen Dienerin ich war!

Sudarschana

Warum gingst du mit mir fort aus jenem Gemach?

Surangama

Weil ich wußte, er würde uns folgen und uns zurückholen.

Sudarschana

Aber nein, er wird nicht kommen – er hat uns für immer verlassen. Warum sollte er nicht?

Surangama

Wenn er uns dergestalt verlassen kann, dann bedürfen wir seiner nicht. Dann ist er für uns nicht da: dann ist jene dunkle Kammer völlig leer und öde – keine Laute hauchte dort je ihre Musik – niemand rief dich oder mich in jenem Gemach; dann ist alles ein Trug gewesen und ein eitler Traum.

Der Türhüter tritt auf.

Sudarschana

Wer bist du?

Türhüter

Ich bin der Pförtner dieses Palastes.

Sudarschana

Sag mir rasch, was du zu sagen hast.

Türhüter

Unser König ist gefangen genommen worden.

Sudarschana

Gefangen? O Mutter Erde!

Sie wird ohnmächtig.


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