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X.

Innere Gemächer des Palastes. Sudarschana und Surangama.

Sudarschana

Geh fort von mir, Surangama! Ein tödlicher Zorn rast in mir – ich kann niemanden ertragen – es macht mich wild, dich so geduldig und unterwürfig zu sehn.

Surangama

Auf wen bist du zornig?

Sudarschana

Ich weiß nicht; aber ich möchte alles vernichtet und unter Trümmern und Elend begraben sehn! In einem Augenblick verließ ich meinen Platz als Königin auf dem Thron. Gab ich alles hin, um mich in dieser düsteren Höhle als Sklavin abzuplagen? Warum flammen für mich nicht die Fackeln der Trauer über die ganze Welt? Warum zittert und bebt nicht die Erde? Ist mein Sturz nicht mehr als das unbemerkte Fallen der armseligen Bohnenblüte? Ist er nicht eher wie der Fall eines glühenden Sternes, dessen flammende Lohe den Himmel in Stücke reißt?

Surangama

Ein mächtiger Wald raucht und glimmt innen, ehe er in Flammen ausbricht: die Zeit ist noch nicht gekommen.

Sudarschana

Ich habe Ehre und Ruhm einer Königin in Staub und Winde gestreut – aber gibt es keinen Menschen, der kommen will, um meine trostlose Seele hier zu besuchen? Allein – oh, ich bin furchtbar, grauenvoll allein!

Surangama

Du bist nicht allein.

Sudarschana

Surangama, ich will nichts vor dir verbergen. Als er den Palast in Flammen setzte, konnte ich nicht auf ihn böse sein. Eine große innere Freude machte mein Herz erzittern. Was für ein staunenswürdiges Verbrechen! Was für eine glorreiche Kühnheit! Dieser Mut machte mich stark und befeuerte meine Lebensgeister. Diese furchtbare Freude gab mir die Kraft, in einem Nu alles hinter mir zu lassen. Aber ist das alles nur meine Einbildung? Warum ist nirgends ein Zeichen zu sehen, daß er kommt?

Surangama

Der, an den du denkst, hat den Palast nicht in Brand gesteckt – der König von Kantschi tat es.

Sudarschana

Der Feigling! Aber ist es möglich? So schön, so bezaubernd, und doch keine Mannheit in ihm! Hab ich mich selbst betrogen um so eines wertlosen Geschöpfes willen? O Schmach! Pfui über mich!... Aber Surangama, meinst du nicht, dein König hätte doch kommen müssen, um mich zurückzuholen!

(Surangama verharrt in Schweigen.)

Du meinst, ich brenne darauf, zurückzukehren? Niemals. Selbst wenn der König in Wirklichkeit käme, ginge ich nicht zurück. Nicht ein einziges Mal verbot er mir fortzugehn, und ich fand alle Tore weit geöffnet, um mich hinauszulassen! Und die steinige, staubige Straße, auf der ich wanderte – es war ihr nichts, daß eine Königin auf ihr schritt. Sie ist hart und gefühllos, wie dein König; der niedrigste Bettler gilt ihr ebensoviel wie die höchste Königin. Du schweigst! Nun, ich sage dir, deines Königs Benehmen ist – niedrig, roh, schmählich!

Surangama

Jeder weiß, daß mein König hart und unbarmherzig ist – niemand ist je imstande gewesen, ihn zu rühren.

Sudarschana

Warum rufst du dann zu ihm bei Tag und bei Nacht?

Surangama

Möge er immer hart und unnachgiebig bleiben wie Stein – mögen meine Tränen und Bitten ihn nie bewegen! Mögen die Leiden nur immer mein Teil sein und möge Ruhm und Sieg ihm immerdar bleiben!

Sudarschana

Surangama, sieh! Eine Staubwolke scheint dort drüben über den Feldern am östlichen Horizont aufzusteigen.

Surangama

Ja, ich sehe es.

Sudarschana

Ist das nicht wie das Banner eines Streitwagens?

Surangama

In der Tat, es ist ein Banner.

Sudarschana

Dann kommt er. Er ist endlich gekommen.

Surangama

Wer kommt?

Sudarschana

Unser König – wer sonst! Wie könnte er ohne mich leben! Es ist ein Wunder, wie er nur diese Tage her aushalten konnte.

Surangama

Nein, nein, das kann nicht der König sein.

Sudarschana

»Nein«, in der Tat! Als ob du alles wüßtest! Dein König ist hart, kalt, unbarmherzig, nicht wahr? Wir wollen sehen, wie hart er sein kann. Ich wußte von Anfang an, daß er kommen würde – daß er hinter mir herlaufen müßte. Aber erinnere dich, Surangama, ich habe ihn nicht ein einziges Mal gebeten, daß er käme. Du wirst sehen, wie ich deinen König dazu bringe, mir seine Niederlage zu bekennen! Geh nur hinaus, Surangama, und laß mich alles wissen.

Surangama geht hinaus.

Aber werde ich gehen, wenn er kommt und mich bittet, mit ihm zurückzukehren? Gewiß nicht! Ich will nicht gehen! Niemals!

Surangama kommt zurück.

Surangama

Es ist nicht der König, meine Königin.

Sudarschana

Nicht der König? Bist du ganz sicher? Wie! er ist noch nicht gekommen?

Surangama

Nein, mein König wirbelt nie soviel Staub auf, wenn er kommt. Niemand kann wissen, wann er überhaupt kommt.

Sudarschana

Dann ist es –

Surangama

Eben der: er kommt mit dem König von Kantschi.

Sudarschana

Weißt du, wie er heißt?

Surangama

Er heißt Suvarna.

Sudarschana

Er ist es also. Ich dachte: »Ich liege hier gleich weggeworfenen Schlacken und Kehricht, die keiner auch nur anrühren mag.« Aber mein Held kommt nun, mich zu befreien. Hast du Suvarna früher gekannt?

Surangama

Als ich bei meinem Vater zu Hause war, in der Spielhölle –

Sudarschana

Nein, nein, du sollst mir nichts von ihm sagen, ich will nichts hören. Er ist mein Held, meine einzige Rettung. Ich werde ihn kennenlernen, ohne daß du mir Geschichten von ihm erzählst. Aber sieh nur, ein netter Mann ist dein König! Er ließ sich nicht einfallen, zu kommen, um mich selbst aus dieser Entwürdigung zu retten. Danach kannst du mich nicht tadeln. Sollte ich mein Leben lang hier auf ihn warten und mich schimpflich wie eine Leibeigene abplagen? Nie werde ich Demut und Unterwürfigkeit üben wie du.


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