Bertha von Suttner
Franzl und Mirzl
Bertha von Suttner

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V.

». . . Ist es dieses, Tante?«

»Ja, danke schön. Ach, wie vergilbt diese Blätter aussehen . . . Hier habt ihr gleich ein gelungenes Prosastück, welches ich am Morgen nach meiner Ankunft niederschrieb:

»Jetzt ist der große Augenblick gekommen. Ich soll in den Garten hinab, um für die Vasen im Zimmer der Gräfin Blumen zu holen. Wie doch alles sich so fügt! Mühsam sann ich hin und her nach einem Vorwand, mich ihm zu nahen – und siehe da: ich erhalte Befehl, sofort ins Treibhaus zu gehen. Schicksal, Schicksal, du waltest doch gar zu deutlich! Ihr unsichtbaren Mächte, die ihr so augenscheinlich jene Fäden spinnt, die, von einem wütenden Stier ausgegangen, zwei junge Herzen zu treuem Liebesbunde verknüpfen sollen . . .« – Hübscher Stil: von einem tollen Hornvieh ausgehende Fäden! – »wachet jetzt auch gütig darüber, daß die Flamme, welche seit drei Jahren in meiner Seele lodert, als Gegenliebe weckender Funken in Franzls Seele springe.« – Das waren gar geschickte Mächte, denen ich da in einem Atem die Handhabung verknüpfter Fäden und springender Funken anvertraute, – wie leicht hätte doch der vom Stier ausgehende Faden in der Feuerwerkerei verbrennen können!

Beflügelten Schrittes und klopfenden Herzens eilte ich in den Garten, ein leeres Körbchen am Arm. Wie ich so an den Korridorspiegeln vorbeikam, sah ich, daß ich wirklich nicht unähnlich einem Rokokobild war und mir bangte nicht um den Eindruck, den meine Erscheinung auf den Gärtnerjüngling hervorbringen würde. Sollte er mich etwa erkennen? . . . Unmöglich. Damals war ich ein Kind und jetzt ein aufgeblühtes Weib; – die andere Lebensstellung dazu: nein, nein, er würde nichts ahnen, und wenn er mir sein Herz schenkt, so wird's der armen Mirzl Schulze geschenkt sein. Doch wie, wenn er eingedenk jenes Kusses auch mir dieselben Gefühle geweiht, wie ich ihm – was dann? O, dann müßte er mich sofort erkennen – oder ich sofort mich zu erkennen geben.

Als ich in die Gewächshäuser trat, wollte es mein Schicksal – das stets so deutlich waltende – daß Franzl Hubinger, und er allein, hier anwesend war. Ich erkannte ihn augenblicklich. Das Herz stand mir still. Der Atem ging mir aus. Ich mußte mich an den Türpfosten lehnen, um nicht umzufallen.

Franzl, beschäftigt die Blätter, der Topfpflanzen zu reinigen, sah mich nicht. Er begleitete seine Arbeit mit einem gepfiffenen Liedlein. Es war – welche Fügung, welcher Wink! offenbar wieder von den mehrgenannten Schicksalsmächten in Szene gesetzt – es war das »Mailüfterl«:

»Der Mensch liebt nur einmal
Und nachher is gar.«

Ja – nur einmal! Ja, Franzl, du warst meine erste Liebe und sollst meine letzte sein! so tönte es in meinem Innern dem vorgetragenen Liedl nach.

Aber sonderbar . . . in seiner Gestalt und Haltung war etwas, das mir nicht recht gefiel. Ich weiß nicht genau, war's eine runde Schulterlinie oder sonst was . . . kurz, es störte. »Fortan unbeachtet lassen!« befahl ich mir rasch entschlossen, »diesen Eindruck verjagen!« – das paßte ja nicht zu meinen Liebesgefühlen – gehörte nicht zum Stück. Zum Theaterstück nämlich; denn die Idee könnt' ich nicht los werden, daß da ein von besagten Schicksalsmächten komponiertes und lorgnettiertes Schauspiel sich abwickelte. Hier hatten wir: II. Aufzug (im ersten war der Stier aufgetreten) I. Szene. Ein Glashaus. Franzl, blätterputzend; Seraphine, an die Tür gelehnt. – Der Dialog mußte jetzt folgen, also nahm ich mir ein Herz und trat vor.

»Herr Hubinger . . .«

Er schaute nicht auf – diese Blattläuse schienen doch sehr fesselnd zu sein, oder war mein schüchterner Stimmlaut nicht bis an sein Ohr gedrungen . . . Etwas lauter, aber recht heiser:

»Herr Hubinger . . .«

Jetzt hob er den Kopf. O, der hübsche, schwarze Schnurrbart! Der war neu.

»Was schaffen's?«

»Ich . . . ich brauche Blumen für die Gr . . . für die gnädige Frau Gräfin.

»Ah, da müssen's zum Herrn Obergärtner gehen – i derf nix abschneiden.«

»Ich . . . ja, gut . . . Aber, was tun Sie da – ist das eine – lustige Arbeit?«

»No so. Seien Sie das neue Stubenmadl? Donnerwetter, Sie san aber schön! . . . Deswegen brauchen's nit so zu erschrecken . . . Mit wem haben's denn nur so große Ähnlichkeit? I muß so a G'sicht schon a mal wo g'sehen haben.«

»Das ich nicht wüßte . . .«

»Ach nein – do nit. Sie war zwar auch nit übel, die Fräul'n Seraphin', aber so wunderschön war's nit. – Soll ich Ihnen zum Obergärtner führen?«

»Bitte, erzählen Sie mir erst: wer war denn diese – Seraphine?«

»Die is in meiner Nachbarschaft z' Haus. A reiche, vornehme Fräul'n – i hab's nur einmal g'sehen . . .«

»Bei welcher Gelegenheit?«

»Nur a so, – zufälli –«

Also von der Rettung erzählte er nichts – seiner Heldentat rühmte er sich nicht: immer noch »groß«.

»Sie tun unrecht, Herr Hubinger, immer noch an diese junge Dame zu denken – die ist vielleicht sehr hochmütig –«

»I denk' ja eh' nit an sie . . . nur die Ähnlichkeit hat mi dran g'mahnt.«

Vortrefflich: mich, Seraphine, liebte er demnach nicht; er konnte also in mich, Mirzl, sich verlieben. Wenn nur die runde Rückenlinie nicht wäre . . . und in seiner Stimme, in seiner Physiognomie war auch etwas, das mich weniger sympathisch berührte als das Wesen Aglaes, wenn sie Franzl spielte. Dennoch, ER war's, er selber, der so lang' und heiß Geliebte. Ein warmer Gefühlsstrom schwellte mir das Herz und ich blickte zärtlich zu ihm auf.

»Franzl Hubinger,« fagte ich, »wer weiß, ob jenes Mädchen nicht an Sie denkt?«

»I, Gott bewahr'! Aber wie gut Sie mein' Namen wissen . . . Wie heißen denn Sie?«

»Mirzl Schulze.«

»Sie haben aber a paar Augen, Mirzl!«

Ich senkte den Blick. Ja, ja – in meinen Augen mußte es verräterisch geblitzt haben. Verlegen und mit Glut übergossen stand ich da und zitterte, was da kommen würde. – Wenn er jetzt gleich eine Liebeserklärung machte, das wäre doch zu schnell gegangen – so vom Fleck weg, so mitten im Blattlausputzen konnte doch unsere Verlobung nicht vonstatten gehen!

Der Eintritt des Obergärtners machte meiner bangen Lage ein Ende. Er gab mir meine Blumen und ich mußte fort. Ohne mehr zu Franzl aufzuschauen, eilte ich davon. Er nahm sein unterbrochenes Pfeifen wieder auf und noch von weitem hörte ich mir's nachklingen:

»Der Mensch liebt nur einmal
Und nachher is gar.«

 


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