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Der Diener der Diener

Rom war eine Provinzstadt geworden und abhängig von Byzanz, wurde von einem Exarchen in Ravenna regiert, oft aber seinem Schicksal überlassen, wenn die Barbaren aus dem Norden sich an Einfall und Brandschatzung ergötzten. Seit dreihundert Jahren hatte nicht ein Kaiser Rom besucht, so verachtet lag dort die Herrscherin der Welt in Schutt und Trümmern.

Aber die Trümmer von Tempeln und Palästen begann man zu sammeln; die Stücke wurden zusammen gelesen, und Kirchen entstanden daraus. Fünfhundert Jahre nach dem Tode Neros stand eine bereits alte Peterskirche mitten auf dem Zirkus des Tyrannen, wo die Märtyrer den Tod erlitten hatten. Mindestens sieben andere Kirchen gab es an verschiedenen Stellen der Stadt, und der Bischof von Rom wohnte im Lateranpalast neben der Kirche desselben Namens.

Es gab auch Klöster, und an der via Apia lag das Andreaskloster dicht neben der Jesuskreuzkirche, die am Eingang zu den Katakomben gebaut war.

Um zwei Uhr eines Sommermorgens waren alle Väter und Brüder aufgestanden und hatten die Frühmesse im Chor gelesen oder gesungen, worauf der Abt in den Garten gegangen war, um nachzudenken.

Es war noch dunkel, aber die Sterne glänzten zwischen Oliven und Orangen, und die Gartenblumen nickten im schwachen Morgenwind.

Der Abt, ein Fünfzigjähriger, ging in einem gedeckten Laubengang auf und ab, und jedesmal, wenn er das südliche Ende erreichte, blieb er stehen, um eine Marmorplatte zu betrachten, die neben andern Marmorplatten errichtet war. Das war sein Grab, das neben den von bereits beerdigten Äbten lag. Und auf dem Marmor stand sein Name und sein Geburtsjahr, während fürs Todesjahr Platz gelassen war.

– Ach Herr, wie lange willst du mich so ganz vergessen? seufzte er, und kehrte um auf seinen Spuren.

Nachdem er so lange gegangen, bis es tagte, setzte er sich in eine Laube, um etwas in ein Buch zu schreiben, das er aus der Tasche nahm.

Der Lärm von der erwachenden Stadt störte ihn nicht; nichts störte den fünfzigjährigen weisshaarigen Mann, der schon seit zwei Uhr auf den Beinen war, ohne etwas zu verzehren. Kirchenglocken läuteten, Karren rasselten. Das Brausen des Tibers drang durch allen Lärm hindurch. Der Alte aber schrieb immerzu, während sein runzliges Gesicht von der Morgenröte schwach beleuchtet wurde.

Schliesslich hallten Schritte auf dem Sandweg, ein Novize trat in die Laube und stellte eine Schale mit Milch und ein Brot neben den Abt. Der fuhr zusammen, als sei er aus weiter Ferne zurückgekehrt, und schrie den Jüngling an:

– Lass mich in Frieden!

Der Novize blieb stehen, erschrocken und betrübt.

Da schlug ein kleiner Singvogel, der im Laub gesessen, einen Triller. Der Abt blickte auf, sein Gesicht erhellte sich, er warf einen Blick auf die Milchschale, die er gierig ergriff, um sie an den Mund zu führen; als er aber das betrübte Aussehen des jungen Mannes bemerkte, hielt er seinen Arm zurück.

– Verzeih meinen Zorn, aber ich war weit fort. Um mich selbst zu strafen, tue ich so!

Und er wollte die Milch auf den Boden ausgiessen; damit sie aber nicht verloren gehe, schüttete er sie auf eine brandgelbe Lilie in der Rabatte.

Da der Novize keine Miene machte, zu gehen, fragte der Abt:

– Du willst mit mir sprechen? Sprich!

– Heiliger Vater ...

– Ich bin nicht heilig, einer ist heilig, der Herr euer Gott im Himmel! – Willst du dich beklagen, so tue es!

– Ich war ein reicher Jüngling, der hinging und alles verkaufte, was er besass ...

– Das habe ich auch getan, als ich jung war, und dann baute ich sieben Klöster, habe es aber nicht bereut. Das hast du dagegen! Worüber klagst du?

Der Jüngling schwieg.

– Klagst du über die Kost? Es ist Hungersnot um uns her, und wir müssen mit den Armen teilen.

– Nicht allein das, ehrwürdiger Vater, sondern das Ganze erfüllt seine Bestimmung nicht ...

– Sprich weiter!

– Die schwache Kost tötet das Fleisch nicht, denn wenn ich den ganzen Tag hungrig herumlaufe, so denke ich gegen meinen Willen nur ans Essen; in der Kirche, während des Gebets, in der Einsamkeit. Der kurze Schlaf macht, dass ich den ganzen Tag über schläfrig bin und dass ich im Chor einschlafe. Begierden, die ich bisher nicht kannte, werden durch das Unterdrücken geweckt: wenn ich Wein sehe, fühle ich eine wahrhafte Sucht, Lebenswärme in den Körper zu bekommen ...

– Dann geh und bitte einen Bruder, dich zu geisseln, bis du in deinem Blut schwimmst, dann wirst du die Lebenswärme wiederkehren fühlen.

– Das habe ich getan, aber die Schläge weckten nur neue wollüstige Begierden.

– Lies Augustinus!

– Das habe ich getan! – Aber das Schlimmste von allem ist doch der Schmutz. Wenn ich baden dürfte ...

– Bist du schmutzig? Das bedeutet, dass du inwendig schmutzig bist. Ich bade nie, aber ich bin immer rein am Körper. Das aber habe ich gemerkt: sobald meine Gedanken unrein sind, wird der Körper unrein! – Was, glaubst du denn, würde dir frommen? Du möchtest dich doch nicht verheiraten! Tertullian sagt: Hurerei und Ehe sind genau dasselbe! Und Hieronymus meint, es ist besser zu brennen als sich zu verheiraten.

– Aber Paulus ...

– Lass Paulus! Aber wie möchtest du es haben?

– Ich kann nicht hier bleiben, denn ich glaube, die Begierden können nur dadurch gelöscht werden, dass man sie befriedigt.

– Du Knecht des Satans, weisst du nicht, dass die Begierden nie befriedigt werden können? Du warst ja einmal bei deinen Eltern! Du assest dich am Morgen satt! Gut! Warst du nicht am Mittag wieder hungrig? Doch gewiss! Also kannst du dich nicht satt essen! – Jetzt will ich dir eins sagen: Du bist ein Kind der Welt, du gehörst nicht hierher, und darum: geh in Frieden! Iss von den Schweinetrebern, die nicht sättigen; wenn du dich aber davor ekelst, so sei wieder willkommen! Das Vaterhaus steht dem verlorenen Sohn immer offen.

Der Jüngling ging nicht, brach aber in Tränen aus.

– Nein, sagte er, ich kann nicht zur Welt zurückkehren, denn ich hasse sie, und sie hasst mich; aber hier verkomme ich!

Der Alte erhob sich und schloss den Jüngling in seine Arme.

– Armes Kind!

– So ist die Welt, fuhr er fort, so ist das Leben; wenn es aber so ist, und wenn du siehst, dass es so ist, so bleibt nur übrig, es zu leben; und es als eine Ehrensache zu nehmen, zu leben, bis der Tod kommt und uns befreit.

– Nein, ich will jetzt sterben! schluchzte der Jüngling.

– Wer möchte das nicht, mein Sohn! entschlüpfte es dem Alten. Wenn du wüsstest ... Wenn du wüsstest ...

Aber er hielt sich zurück.

– Was sollen wir denn dabei tun? – Geh zu Vater Martin und lass dir etwas zu essen geben, und ein Glas Wein, aber nur eins; geh dann hin und schlaf dich aus! Schlaf einen Tag oder zwei! Und komm dann wieder, damit ich dich ansehe! So! Geh jetzt! – Aber du musst eine licentia von mir haben!

Er setzte sich nieder, schrieb etwas auf ein Blatt, das er aus dem Buch gerissen hatte, und mit dieser Vollmacht ging der Jüngling, jedoch etwas zögernd und beschämt.

Der Abt blieb sitzen, fing aber nicht wieder zu schreiben an. Statt dessen begann er das Brot zu zerkrümeln und streute die Krumen auf den Tisch. Sofort kam ein kleiner Vogel und pickte eine auf; es kamen mehrere und sie setzten sich dem Alten auf seine Hand, Arme und Schultern.

Eine Weinranke hing von der Pergola herab und schaukelte leise im Wind. Ihre schraubenförmige Ranke tastete in der Luft umher, um eine Stütze zu suchen. Der Abt fand das lustig und steckte aus Scherz seinen Finger hinein.

– Komm, du kleines Ding, hier hast du eine Stütze.

Die Ranke schien zu hören, und sofort warf sie sich mit einer Wendung um seinen Finger und schlug, einen Ring darum.

– Soll ich den Ring bekommen? scherzte der Alte. Vielleicht soll ich Bischof werden? – Gott behüte mich!

In die Tür der Laube trat der Dekan.

– Störe ich, mein Bruder?

– Durchaus nicht, ich sitze nur hier und spiele.

– Vögel und Blumen! Weisse Lilien auch? Die habe ich noch nicht gesehen!

– Weisse? Eben waren es brandgelbe! Wo siehst du sie?

– Dort!

Der Abt sah auf die Erde nieder, auf die er eben seine Milch ausgegossen, und siehe da, dort standen lauter weisse Lilien, aber keine einzige brandgelbe. Er wagte nicht davon zu sprechen, denn das darf man nicht; aber er lächelte in seinem Herzen und sah darin ein Gnadenzeichen.

– Nun, Dekan, wie steht es in der Stadt?

– Der Tiber sinkt.

– Gott sei gelobt: das ganze Trastevere ist jedoch durch die Überschwemmung verloren. Ich wünschte eigentlich, dass eine grosse Flut käme und uns alle ertränkte, die ganze Menschheit; und die kommt wohl auch eines Tages!

– Ebenso hoffnungslos wie immer.

– Nein, nicht ohne Hoffnung; aber dort, nicht hier. Christus selbst sagt es in der Apokalypse; hier ist nichts, worauf man bauen kann; denn wenn es am besten gewesen ist, war es bloss Mühe und Elend.

– Nicht so, Bruder!

– Du gedeihst im Schlamm: aber das habe ich nie getan! Und es sieht aus, als sei man genötigt, mit beiden Füssen darin zu waten. Begann ich nicht in meiner Jugend dadurch meine Seele zu bewahren, dass ich mich von der Welt zurückzog! Dann wurde ich gezwungen, in die Welt hinaus zu gehen; mit Gewalt ins Getümmel hineingezogen. Man machte mich ganz einfach zum Präfekten. Ich wollte im Dienst des Herrn leben, und musste nun Esswaren für die Armen ausgeben, Betten für die Krankenhäuser anschaffen, nach Kloake und Wasserleitung sehen. Die Last des Tages hinderte meine Gedanken, sich zu erheben, und ich sank in die Materie hinein; sank so tief, dass ich nicht mehr in die Höhe zu kommen glaubte.

– Aber das Volk segnete dich ...

– Still! – Und ich, der ich nie ein Schwert gezogen, musste Soldaten versammeln und ins Feld ziehen. – Als ich sechs Jahre alt war, wurde Rom von Totila, dem Goten, geplündert, und so verheert, dass nur noch fünfhundert Römer übrig waren. Als ich sieben Jahre war, kam Belisar; als ich zwölf war, kam Narses. – Dann wurde ich als Gesandter nach Konstantinopel geschickt, ich, der Reisen und Öffentlichkeit hasse! Alles, was ich gehasst habe, habe ich hinnehmen müssen! – Nun bin ich müde und möchte zur Ruhe eingehen. Ich sitze hier und warte, dass mein Grab sich öffnet!

– Erinnerst du dich, was Virgil in der Georgica von der Arbeit des Ackermanns sagt?

– Nein, ich hasse den Heiden ...

– Warte! – Er sagt diese Worte der Weisheit: »Wenn Zeus schlechtes Wetter, Mäuse und Ungeziefer sendet, so geschieht das, um die Energie des Landmanns zu wecken und sein Erfindungsvermögen hervorzurufen.« Also das Unglück ist dazu da, damit die Welt vorwärts geht.

– Die Welt geht rückwärts, ihrem Untergang und ihrer Verdammnis entgegen. Seit fünfhundert Jahren haben wir die Erlösung erwartet; aber wir haben nur gesehen, wie der eine wilde Volksstamm nach dem andern daher kam, mordete, plünderte und hurte. Siehst du eine Vernunft in dieser Saat ohne Ernten?

– Lästerer! Ja ich sehe, wie man grüne Ernten umpflügt, um die Erde zu düngen!

– Drachensaat und Höllenernte! Nein, jetzt gehe ich ein in mein Grab und ziehe die Tür hinter mir zu; ich habe wohl ein Recht auf Ruhe, nach einem solchen Leben voll Mühe und Arbeit!

– Jetzt läutet die Prime!

– Jam moesta quiesce queraela ...

 

Der Tiber hat Rom überschwemmt, ganze Viertel zerstört, das Andreaskloster aber verschont.

Der Abt sass wieder eines Morgens in seinem Garten und schrieb, aber so, dass er sein Grab sehen konnte, wenn er von der Arbeit aufblickte.

Ins Schreiben vertieft, hörte er nicht, was um ihn geschah. Aber er sah, dass die Blumen auf den Beeten wie Binsen zu schaukeln anfingen; Frösche hüpften um seine Füsse, und es roch feucht, aber auch modrig, giftig.

Er schrieb immerzu; aber das Auge, obwohl von dem Gang der Feder auf dem Papier in Anspruch genommen, bemerkte etwas Dunkles, das sich auf dem Boden bewegte, sich wie ein schwarzer Teppich ausbreitete und näher kam.

Plötzlich wurden ihm die Füsse feucht und eine Grabeskälte stieg die Beine hinauf.

Da erwachte er und verstand! Der Tiber war gestiegen, und er wurde aus seiner letzten Freistatt vertrieben.

– Ich will nicht! schrie er, als die Alarmglocke läutete und die Mönche flohen.

Er ging in seine Zelle ins obere Stockwerk hinauf, fest entschlossen, nicht zu fliehen. Nicht noch einmal in die Welt hinaus, sondern hier wollte er sterben. Die Flut, die er erbeten, war gekommen.

In der Zelle aber fiel er in Anfechtung und Gebet.

– Herr, warum strafst du die Unschuldigen? Warum schlägst du deine Freunde, und lässt die Feinde gedeihen! Seit fünfhundert Jahren hast du dich an deinen Kindern gerächt für die Missetaten der Väter! Ist das nicht genug, so vernichte uns alle auf einmal!

Das Wasser stieg und plätscherte gegen die Mauer; der Garten wurde vernichtet und sein Grab füllte sich mit Wasser; der Abt aber blieb, wo er war. Bald sang er Loblieder, bald raste er; dann bat er um Verzeihung, und dann raste er wieder.

Darauf setzte er sich hin, um an seinem grossen Werk zu schreiben, das ihn unsterblich machen sollte: Magna Moralia. Es war Mittag geworden, ohne dass er Hunger empfand, denn er hatte durch Übung gelernt, drei Tage zu hungern.

Am Nachmittag blickte er vom Buch auf, bei einem Geräusch am Fenster. Dort lag ein Boot, und darin sass der Novize Augustinus.

Das Ungewöhnliche, beinahe Lustige in der Szene entlockte ihm ein Lächeln, und sich an das Gespräch mit dem Jüngling erinnernd, fragte er durchs offene Fenster:

– Nun, hast du den Wein und das fette Essen bekommen, du Schlemmer?

– Nein, ehrwürdiger Vater, ich wollte es nicht haben, als ich es haben durfte; und damit war die Versuchung vorüber. Jetzt habe ich jedoch von etwas anderem zu sprechen. – Die Pest ist ausgebrochen und die Menschen sterben wie Fliegen!

– Auch noch die Pest! O Herr, wie lange willst du uns so ganz und gar vergessen! Auch noch die Pest!

– Darauf erhob er sich.

– Alle Mann auf ihren Posten! Tun wir unsere Pflicht. Den Herrn segnen und sterben!

Der Abt stieg zum Fenster hinaus ins Boot und verliess sein sinkendes Schiff.

 

Der Tiber war gefallen, hatte aber Schlangen, Fische und Frösche hinterlassen, die starben und die Luft verpesteten. Das Volk war auf die Hügel geflohen; auf dem Palatin hatte man aus einer Kirche ein Krankenhaus gemacht. Hier ging der Abt des Andreasklosters umher, gab den Kranken zu trinken, sprach den Sterbenden Trost zu.

– Warum fürchtet ihr den Tod, Kinder? Fürchtet lieber das Leben, denn das ist der wahre Tod.

Er schien hier ganz zu Hause zu sein, zeigte eine unerschrockene, strahlende Laune, und er versuchte auf den Gesichtern der Toten zu lesen, »ob sie es gut auf der anderen Seite hatten«.

Der Tod wollte ihm nichts anhaben. Manchmal fuhr er in einem Boot zu den andern Hügeln hinüber und schritt mitten durch Kranke und Sterbende, so dass das Volk anfing, in ihm einen Unsterblichen zu sehen, der hernieder gestiegen war, um sie zu trösten. Die Älteren erinnerten sich seiner Präfektur, als er die Verteidigung der Stadt gegen die Goten, Vandalen und Longobarden führte, und sein Ruhm wurde immer grösser.

Die Pest raste, und die Anzahl der Toten nahm zu, so dass die Leichen nicht mehr begraben werden konnten. Jeder Handel hörte auf, und die Bauern brachten keine Lebensmittel mehr in die Stadt. Das war die Hungersnot.

Der Abt des früheren Andreaskloster, Gregor hiess er, verlor den Mut und wollte alles im Stich lassen.

– Gegen Gott kann ich nicht kämpfen, und ist es sein Wille, dass Rom untergeht, so ist es gottlos, es hindern zu wollen.

Mitten in diesem Elend starb Pelagius II., Roms Bischof oder Papst, wie er später hiess. Und das Volk rief einhellig den Abt Gregor aus. Er aber tat wie Saul und Kaiser Julian: er versteckte sich.

Aus der Stadt floh er, in die Sabiner Berge hinauf, wo in einer Grotte ein Eremit wohnte. Das Volk aber kam ihm nach und zog ihn heraus, führte ihn wieder zurück nach Rom, wo er die Weihen unter dem Namen Gregorius I. empfing.

 

Dreizehn Jahre regierte Gregor über die frühere Herrscherin der Welt. Er war Statthalter, denn der Exarch von Ravenna existierte nicht mehr, seit ihn die Longobarden vertrieben hatten. Er verlangte Hilfe vom Kaiser in Byzanz, bekam aber keine. Da musste er allein fertig werden, und es gelang ihm, durch die Macht des Wortes den König Agilulf, der Rom bedrohte, zu entwaffnen.

Aber er war auch Bischof, und als solcher hatte er gleichzeitig alle abendländischen Gemeinden zu verwalten, und es gelang ihm, sie dahin zu bringen, den Arianismus zu verlassen und sich zu einem einzigen Bekenntnis zusammen zu tun, das das allgemeine wurde und so oder das katholische hiess.

Zu den Heiden von England sandte er den früheren Novizen Augustinus, da dieser bald die anfänglichen Schwierigkeiten überwunden hatte. Und der kleine Schlemmer endete als Erzbischof von Canterbury.

Der vorher so scheue und lebensmüde Abt hatte mit einer grossen Wirksamkeit die erforderlichen Kräfte bekommen, und mit dem Beruf war die Fähigkeit da.

Er hatte aber auch Zeit für alles, Grosses und Kleines. Er reformierte die Liturgie, schrieb Briefe und verfasste Bücher, ordnete den Kirchengesang.

Sein Leben jedoch war ebenso einfach wie früher. Im Lateranpalast hatte er seine Zelle, und von der regierte er die Geister, von den Bergen Schottlands bis hinab zu den Säulen des Herkules.

Seine Herrschaft war ebenso gross wie die Caesars, aber er besass keine Legionen, sondern nur eine Feder und etwas Tinte. Es war das Reich Christi, das begann; aber es war eine geistige Weltherrschaft, und Gregorius war der Statthalter.


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