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Neuntes Kapitel.
Sickingen's Feldzug gegen Trier. Huttens Entfernung aus Deutschland.

1522.

Nachdem sich in Folge des übeln Ausgangs, den der Zug gegen Frankreich genommen, Franzens Verhältniß zum Kaiser getrübt hatte, war er, weit entfernt, seine hochfliegenden Plane aufzugeben, vielmehr bemüht, den Stützpunkt, den er für dieselben schon vorher innerhalb seines eigenen Standes gefunden hatte, möglichst zu verstärken. Dazu gab ihm der Abgang des Kaisers nach Spanien im Mai und die Schwäche des von demselben zurückgelassenen Reichsregiments erwünschten Spielraum. Im August veranstaltete er eine Zusammenkunft der freien rheinischen Ritterschaft zu Landau, bei welcher sich die Edeln aus dem Kraichgau und dem Westrich, vom Hundsrück und der Nahe, aus dem Rheingau, Wasgau und der Ortenau zahlreich einfanden. Die Gemüther waren vorbereitet, da keiner war, der nicht Ursache zu haben gemeint hätte, über Parteilichkeit oder Saumseligkeit des Reichsregiments und Kammergerichts, über Beeinträchtigung durch benachbarte Fürsten oder Bischöfe sich zu beschweren; da manche auch der kirchlichen Neuerung günstig und mit der Stellung unzufrieden waren, welche der letzte Reichstag zu derselben eingenommen hatte. So wurde am Mittwoch nach St. Laurenzen Tag, den 13. August 1522, die Urkunde eines »brüderlichen Verständnisses« von den Anwesenden unterzeichnet, und den Abwesenden der Beitritt mittelst einzusendender Reverse offen gehalten, dessen Zweck zunächst dahin ging, die Ritterschaft durch möglichste Ablehnung fremder Gerichtsbarkeit unabhängiger zu machen. Nicht allein die Streitigkeiten zwischen den Bundesverwandten nämlich sollten durch ritterliche Schiedsgerichte, ohne weitere Appellation, erledigt werden, sondern auch von Angehörigen anderer Stände sollten die verbundenen Ritter nur vor Ihresgleichen belangt werden können. Wer über das Erbieten zu solchem Austrage von seinem Gegner, welches Standes dieser sei, mit Gewalt bedrängt würde, dem sollte jeder Genosse der Verbrüderung hülflich zu sein gute Macht haben; dagegen dem, der den Austrag abgeschlagen, keiner helfen dürfen. Daß in Fehden zwischen Fürsten, Grafen und Städten Angehörige der Einung auf entgegengesetzten Seiten dienen, wußte man nicht zu hindern; doch sollten sie einander möglichst schonen, und sobald die Fehde beendigt, einander wieder laut des Verständnisses wie zuvor verpflichtet sein. Die Verbindung wurde auf sechs Jahre geschlossen, Franz von Sickingen zum Hauptmann gewählt, und ihm nach den verschiedenen Bezirken, in welchen die Verbündeten saßen, zwölf Vertrauensmänner zugeordnet. Diese und andre Urkunden, worauf die Erzählung des gegenwärtigen Kapitels beruht, findet man, obwohl wenig correct, abgedruckt in E. Münch's Franz von Sickingen, Band II und III.

Schon den Tag vorher, ehe die Urkunde der landauer Einung ausgefertigt wurde, hatte Sickingen mit Franz von Sombrief einen Vertrag geschlossen, ihm etlich Reisige zu werben und zu führen; seine Schlösser, besonders Ebernburg und Landstuhl, hatte er neu befestigt und mit Vorräthen versehen; die Stellung als kaiserlicher Feldhauptmann und Rath, die er noch immer einnahm, und die Meinung, die er, wo nicht veranlaßte, doch gerne bestehen ließ, daß er in kaiserlichem Auftrage wider Frankreich werbe, führten, neben seiner persönlichen Geltung als Kriegsführer, bald ein zahlreiches Heer zu Pferd und zu Fuß unter seine Fahnen.

Franzens Zweck bei diesen Rüstungen war freilich nicht blos, wie der gute Hartmuth von Cronberg meinte, »dem Worte Gottes die Thüre zu öffnen«; sondern in dem weniger schwärmerischen Sickingen wirkten persönlicher Ehrgeiz, ritterlicher Standesgeist und frommer Eifer für die Reformation, deren Ideen er eingesogen hatte, recht menschlich durcheinander. Seine schwankende Stellung zwischen ritterlichem Besitz und beinahe fürstlicher Macht wollte er fester begründen; zu diesem Ende mit Hülfe seiner Standesgenossen in die sich immer fester schließende Kette deutscher Fürstenthümer eine Lücke brechen; und dazu sollte ihm die religiöse Neuerung ebenso als Hebel dienen, wie sie ihm andrerseits als begeisternder Zweck, als die Krone der neu zu begründenden Ordnung vorschwebte.

Hienach wählte er sich auch den Feind, den sein erster Angriff treffen sollte, mit gutem Bedachte aus. Wäre er persönlicher Erbitterung nachgegangen, so möchte er sich wohl vor allen auf Hessen geworfen haben, dessen Adel unter dem Schutze des Landgrafen den Verpflichtungen nachzukommen sich weigerte, die er bei Sickingen's Ueberfall vor vier Jahren gegen diesen übernommen hatte. Aber Philipp von Hessen war ihm theils durch sich selbst, theils durch seine Verbindungen zu stark, und war, wenn auch damals noch nicht für die Reformation entschieden, doch kein geistlicher Fürst, in welchem Fürsten- und Pfaffenmacht mit Einem Schlage getroffen werden konnten. Alle Gründe hingegen, persönliche wie sächliche, schienen auf den Erzbischof und Kurfürsten von Trier zuzutreffen. Richard von Greiffenclau-Volraths war zwar mit Sickingen durch dessen verstorbene Hausfrau verschwägert; doch hatte sich auf dem augsburger Reichstage des Jahres 1518 über den gleichzeitigen Feldzug Sickingen's gegen Hessen keiner der Fürsten so scharf wie er ausgesprochen. Es sei zu viel, was Franz sich unterstehe: erst die Städte, dann die Fürsten einen nach dem andern vorzunehmen; die Kur- und Fürsten mögen bedenken, was zuletzt daraus werden solle; wäre man ihm gefolgt, so hätte man längst ernstlich gegen Franz gehandelt; er, Richard, sei der erste und wohl auch der letzte Kurfürst in seinem Geschlecht, die gebornen Kurfürsten gehe die Sache noch näher an. Eben als geistlicher Kurfürst aber war Richard eines der Häupter des deutschen Kirchenfürstenthums, und was sein Verhältniß zur Reformation betrifft, so war von ihm, nach Hartmuth's Ausdruck, »dem Worte Gottes die Thüre nach menschlichem Vermögen auf das Festeste beschlossen«. Seine harte, übrigens staatsmännisch wie kriegerisch tüchtige Natur war für die reformatorischen Ideen ohne Empfänglichkeit. Wenn sein Nachbar in Mainz ein Leo X. im Kleinen war, so sollte man sich durch Richard von Trier bald an den Kriegsfürsten Julius II. erinnert finden. Diese Eigenschaft des erwählten Feindes hatte Franz doch nicht gehörig in Rechnung genommen; oder glaubte er, sie werde zum Schutze desselben nicht hinreichen, entwurzelt und vereinzelt, wie er ihn zu finden hoffte. Wie gewöhnlich in bischöflichen Städten, war auch in Trier ein Theil der Bürgerschaft gegen das geistliche Regiment; eine Stimmung und Partei, die jetzt, in Folge des Eindringens der Lutherischen Lehren, noch verstärkt sein mußte. Von außen aber hatte Sickingen von dem zweideutigen Albrecht von Mainz keine Verhinderung zu befürchten; sein Gegner von dem friedfertigen Collegen zu Köln, Hermann von Wied, schwerlich kriegerische Hülfe zu erwarten. Bei Pfalz hoffte Franz durch frühere Verdienste noch etwas zu gelten, und bis Philipp von Hessen heranrückte, mit Trier schon fertig zu sein. Den Kaiser aber, außer seiner augenblicklichen Landesabwesenheit, glaubte er am wenigsten geneigt, sich des Fürsten, welcher der wohlbezahlte Agent und hartnäckigste Anhänger seines Nebenbuhlers um die deutsche Krone gewesen war, werkthätig anzunehmen. War doch im Reiche die Meinung verbreitet, daß Sickingen im geheimen Auftrage des Kaisers wider Trier ziehe.

Auf der andern Seite stand aber doch auch manches, was Sickingen warnen konnte. Daß er von Wittenberg aus keinerlei Vorschub, sondern nur Ablehnung zu erwarten habe, konnte er wissen, da man dort schon damals grundsätzlich gegen den Krieg als Mittel zur Durchführung der Reformation war. Luther und Melanchthon beklagten hernach Sickingen's Treiben als ein solches, das der guten Sache nur Haß zuwege bringen könne. Selbst in seiner nächsten Umgebung fehlten ihm warnende Stimmen nicht. Martin Bucer, der seit dem Mai jenes Jahres, der pfalzgräflichen Dienste überdrüßig, zu Franz zurückgekehrt war, urtheilte wenigstens später, derselbe habe diesen Krieg zwar in bester Absicht, doch ohne rechten Beruf unternommen. Und derselbe Mann, dessen Ansprüche an den Rath zu Worms dem Ritter einst zum Vorwande der mehrjährigen Fehde gegen diese Stadt gedient hatten, und der ihm jetzt mit der Feder Dienste leistete, Balthasar Schlör, warnte ihn in einer eigenen Denkschrift vor dem Zuge gegen Trier. Selbst wenn er es eroberte, meinte Schlör, würde er es doch nicht behalten, sondern das Reich über ihn kommen, wie über Albrecht von Baiern wegen Regensburg, über Ulrich von Würtemberg wegen Reutlingen. Auch sein Guthaben beim Kaiser (das jetzt mit den Soldrückständen, für welche Sickingen eingetreten war, 60,000 Fl. betrug) setze er aufs Spiel. Er solle einen andern gegen Trier hetzen; jedenfalls noch zuwarten, wie sich die großen politischen Verhältnisse zwischen dem Kaiser, dem König von Frankreich u. s. w. gestalten. Auch seine Kränklichkeit (der 41jährige Sickingen war schwer vom Podagra geplagt) und des Astrologen Johann Haßfurt warnendes Prognostikon für die Jahre 1522 und 1523 möge er bedenken.

Allein bei Sickingen war die Unternehmung gegen Trier beschlossene Sache, auch der Vorwand zur Kriegserklärung war bereits gefunden. Er war ganz im Geschmacke des damaligen Fehdewesens: vom Zaune gebrochen, um Händel anfangen zu können. Ein unruhiger Mensch, dem Sickingen Aufenthalt gab, Gerhard Börner, hatte zwei Schultheißen aus dem trierschen Gebiete gefangen und weggeschleppt; auf ihr Bitten, wozu sie jedoch nachher behaupteten gezwungen worden zu sein, schlug sich Franz ins Mittel, erlegte dem Börner für dieselben an Schatzung 5000 und für Atzung 150 rheinischer Gulden, worauf er sie in Freiheit setzte gegen das übliche Gelöbniß, ihm entweder auf eine bestimmte Zeit die für sie ausgelegte Summe zu bezahlen, oder sich wieder in seine Hand zu stellen. Heimgekehrt jedoch wendeten sich die Schultheißen, ohne sich an das erzwungene Versprechen gebunden zu achten, an das Reichsregiment zu Nürnberg, und auf Sickingen's Beschwerde erklärte der Kurfürst von Trier, dem Spruche des Regiments nicht vorgreifen zu wollen. Das hatte Sickingen nicht blos voraussehen können, sondern wahrscheinlich gewünscht, um einen Vorwand zur Fehde zu haben, welche er, sobald er sich hinlänglich gerüstet glaubte, am Mittwoch nach Bartholomäi dem Kurfürsten ankündigte.

Der Erste, an den der bedrohte Kirchenfürst sich um Beistand wandte, war sein Nachbar und College von Mainz, den er, der zwischen ihnen bestehenden Einung gemäß, um 100 wohlgerüsteter Pferde bat, um solchem muthwilligen Fürnehmen Widerstand thun zu können. Allein Kurfürst Albrecht bedauerte zwar, daß seiner Lieb etwas Beschwerliches zustehen sollte: aber seine Reisigen brauchte er, wie er schrieb, theils für den schwäbischen Bund, theils zum frankfurter Herbstmeßgeleite; von seinen Lehnsleuten, die er sofort aufbot, erschienen statt 200 nur 20, und diese weigerten sich, so berichtete er, jemand Anderem als ihm zu dienen; zuletzt wollte er Söldner werben, die waren aber, schrieb er, »in Wahrheit der Zeit nicht zu bekommen«. Endlich, auch vom Reichsregiment an seine Pflicht gemahnt, erbot sich Albrecht, 200 Mann zu Fuß, und dann auch die dem schwäbischen Bunde zur Verfügung gestellten Reiter dem Nachbar zuziehen zu lassen: das war aber so spät, daß ihm Kurfürst Richard zurückschrieb, er habe sich mittlerweile des Feindes selbst erwehrt, und Albrecht möge mit seiner Hülfe zu Hause bleiben. Doch nicht blos keines Beistandes hatte sich ersterer von dem letztern zu getrösten, sondern die Fähren des Rheingaus führten Mann und Roß über, welche Sickingen's Fahnen zuzogen; Unterthanen und Lehnsträger von Mainz dienten dem Ritter gegen Trier; ja von Albrecht's vornehmsten Beamten thaten der Hofmeister Frowin von Hutten und der Marschalk Kaspar Lerch, wie auch einzelne Domherren, dem Unternehmen Sickingen's allen Vorschub.

Zwar erließ nun auf Richard's Anrufen das Reichsregiment zu Nürnberg unter dem 1. September ein Mandat an Sickingen, in welchem dieser unter Androhung der Acht, und überdieß einer Pön von 2000 Mark löthigs Goldes, aufgefordert wurde, sein Gewerb gegen Trier, als der goldenen Bulle und dem Landfrieden zuwider, von Stund an abzustellen: allein als dieses Mandat einlief, war Sickingen bereits in das kurfürstliche Gebiet eingefallen, hatte Bliescastel genommen und lagerte vor St. Wendel. Er hatte eine Ansprache an seine Truppen und Verbündeten ausgehen lassen, in welcher er erklärte, wie dieser sein Zug nicht seine Bereicherung an Gut oder Macht, deren er für einen Edeln vorhin genug besitze, sondern Gottes Ehre zum Zweck habe, sofern es wider die Feinde des Evangeliums, die Bischöfe und Pfaffen, gehe. Dazu, hätte er gemeint, sollten christliche Fürsten ihm helfen; statt dessen aber ziehen sie sich ab. Doch Gott werde sein und der Seinigen Helfer sein und ihnen entweder seligen Tod für sein Evangelium, oder herrlichen Sieg verleihen. Um sich jedoch dessen würdig zu machen, müssen sie etlich Pünktlein merken, die er melden wolle; sie seien aus der Geschrift gezogen. Und nun wird zu menschlicher Kriegführung, zur Schonung der Unschuldigen in eroberten Städten und auf dem platten Lande ermahnt, vor unnützem Sengen und Brennen, Verheeren der Felder, Abhauen der Bäume und Reben gewarnt, dessen sich Franz bei frühern Zügen nicht immer enthalten hatte, und alle diese Ermahnungen mit Beispielen belegt, welche, im ächten Renaissancestil, bunt durcheinander aus der biblischen und der römischen Geschichte genommen sind, so daß, ähnlich wie am Ottheinrichsbau auf dem heidelberger Schlosse, Josua neben Horatius Cocles und David neben Titus zu stehen kommt.

Etwas weniger zahm und gottselig als in diesem Manifest, in welchem der ehemalige Franciscaner Heinrich von Kettenbach, jetzt ein begeisterter Herold der Reformation, die Feder für ihn geführt hatte, sprach sich Franz mündlich gegen die Sendboten des Reichsregiments aus. »Sag dem Statthalter«, sprach er zu dem Ueberbringer des Schreibens, »daß er gemach thue; es gehört mehr denn Brief dazu.« Uebrigens sei er des Kaisers Diener so gut wie die Herren im Regiment; nicht gegen diesen wolle er handeln, sondern nur gegen den Erzbischof von Trier, und da wisse er fürwahr, sein Herr der Kaiser werde nicht zürnen, ob er den Pfaffen ein wenig strafet und ihm die Kronen eintränket, die er (vom König von Frankreich vor der Kaiserwahl) genommen. Sein weiteres Absehen gehe darauf, ein besseres Recht in Deutschland zu machen, als das Regiment bisher gethan; gelinge ihm sein Vorhaben, so werde der Kaiser bei seiner Zurückkunft mehr Land und Geld (durch Einziehung der geistlichen Güter vermuthlich) im Reiche finden, als er jetzt auswärts zu gewinnen suche. Was aber die Aufforderung betreffe, seinen Handel dem Kammergericht zu überlassen, so habe er ein Gericht um sich, das mit Reisigen besetzt sei und mit Büchsen und Karthaunen distinguire.

Auch auf Franzens Schaaren, an welche ähnliche Abmahnungen von Seiten des Regiments ergingen, machten diese wenig Eindruck, und so fiel, nach wiederholter Bestürmung, auch St. Wendel durch Uebergabe in die Hände des Siegers. Das Glück löste diesem die Zunge über seine Absichten: »Ihr seid gefangen«, soll er zu den Edelleuten, die St. Wendel vertheidigt hatten, gesprochen haben, »eure Pferd und Harnisch verloren. Ihr habt aber einen Kurfürsten, der kann und mag euch, wo er anders bleibt, wohl bezahlen; wo aber Franz ein Kurfürst zu Trier wird – als er wohl thun könnte, auch thun will, und nicht allein dieß, als das Geringst, sondern ein Mehreres – so wird euch der auch wohl ergötzen.«

Da Sickingen, ohne sich vor Saarbrück, das er zu nachdrücklicher Vertheidigung gefaßt sah, weiter aufzuhalten, geraden Wegs gegen Trier zog, so warf sich der Kurfürst, der bis dahin von Pfalzel und Ehrenbreitstein aus Hülfsgesuche nach allen Seiten gerichtet und bereits auch von Hessen und Pfalz tröstliche Zusicherungen erhalten hatte, in seine Hauptstadt, um diese in Vertheidigungsstand zu setzen und gegen den anstürmenden Feind so lange zu halten, bis von Seiten der verbündeten Fürsten Entsatz herankäme. Und hiebei entwickelte Richard von Greiffenclau eine kriegerische Tüchtigkeit, die nur eben für einen Bischof nicht recht paßte. Auf dem Markte hielt er Musterung über seine Kriegsmacht, die er, sammt der Bürgerschaft, durch eine Anrede befeuerte; er selbst ging auf Mauern und Thürmen umher, um Schadhaftes ausbessern, Hinderliches wegräumen zu lassen; in seinem Wamms von Elendshaut, unter seinen Rittern und Söldnern, fand er sich ganz in seinem Elemente, und als er beim Anrücken des Feindes eine gefüllte Klosterscheune vor der Stadt eigenhändig in Brand stecken wollte, mußte ein Soldat, indem er ihm die Fackel aus der Hand nahm, ihn aufmerksam machen, daß solches Werk ihm besser als dem Erzbischof gezieme.

Es war am Mittag des Festes von Mariä Geburt (8. September), als Sickingen mit seinen Schaaren unter Trommel- und Trompetenschall den Marsberg herunterzog und sich im Thale vor der Stadt lagerte. Die erschreckte Bürgerschaft glaubte schon alles verloren. Aber der Erzbischof gab den zwei Reitern, durch welche ihn Sickingen zur Uebergabe auffordern ließ, die entschlossene Antwort, wenn Franz etwas von ihm wolle, so werde er ihn hier, in der Stadt, finden. Jetzt ließ Sickingen die Stadt beschießen: die Belagerten fielen aus und vernagelten ihm etliche Geschütze; er schoß glühende Kugeln und außerdem Briefe in die Stadt, um Uneinigkeit in derselben zu stiften: aber die Klugheit und Festigkeit des Erzbischofs wußte alles niederzuhalten. Abgesandte des Kurfürsten von Köln suchten vergebens zu vermitteln; die 200,000 Goldgulden, die Franz als Preis des Abzugs forderte, meinte Richard, wolle vielmehr er sich von Franz als Entschädigung holen. Auf der andern Seite schwärmten die Sickingischen für ihren Führer. Bei jenem Ausfall hatten die von Trier einen seiner Soldaten weggefangen und schleppten ihn die Stadt. Da rief er aus, er wolle lieber sterben mit Franzens, seines Herrn, Gnad und Gunst, als am Leben bleiben, um dem Joche der Trierer sich zu fügen; worauf der Umstehenden einer flugs das Schwert zog und ihm den Kopf abhieb. So fehlte es im Sickingischen Lager an Begeisterung nicht, aber nach fünf Stürmen, einer immer mörderischer als der andere, an Pulver. Auch blieb der Zuzug, den Franz erwartet hatte, aus, während für Richard der Entsatz herannahte. 1500 Mann, die Nikolaus von Minckwitz Franz aus dem Braunschweigischen zuführen sollte, waren durch Philipp von Hessen abgeschnitten worden, und dieß hatte auch andere, die zu ihm stoßen wollten, abgeschreckt. So hob er an Kreuzerhöhung (14. Sept.) die Belagerung auf und trat in guter Ordnung den Rückzug an; wobei grundsätzlich, in Nachahmung Ziska's, Klöster und Kirchen, aber auch, wie wenigstens die beschädigten Fürsten behaupteten, im Widerspruch mit seinem letzten Manifest, Dörfer und Hütten niedergebrannt wurden.

Wenn wir die ganze Geschichte von Sickingen's vergeblichem Zuge gegen Trier erzählt und dabei Hutten's mit keinem Worte gedacht haben, so ist dieß genau so viel, als wir aus dieser Zeit von unserm Helden wissen. Es fehlt uns jede Nachricht, ob er den Freund ins Feld begleitet, ob er mit Hartmuth von Cronberg zum Schutze der Ebernburg zurückgeblieben, oder sonst in einem von Franzens Häusern, vielleicht auch durch Krankheit behindert, sich aufgehalten habe. Dessenungeachtet war ein Bericht über den trierer Zug hier erforderlich, weil, wie der Plan desselben ohne Zweifel zwischen beiden Rittern gemeinschaftlich war, so sein Ausgang über Hutten's Entwürfe und Schicksale nicht minder als über die seines Beschützers entschieden hat. Schon jetzt wurde Hutten mancher Orten todt gesagt: vermuthlich weil er so ganz vom Schauplatze verschwunden war. Der ehrliche Veit Werler zu Wiesensteig hatte davon in seiner Gegend so oft und bestimmt reden hören, daß er es beinahe glauben mußte und dem wahrhaft edeln Jünglinge, dem großen Talente, einen schönen Nachruf widmete. Wiesensteig, 8. Oct. 1522. Hutten's Schriften II, S. 149 f. Es war noch um drei Vierteljahre zu frühe.

Aber aus dem Vaterlande zu weichen, fand sich Hutten jetzt bewogen. Die Verbannung, die er längst für sich vorausgesehen, trat er nun wirklich an. Es ist eine Entstellung, die der erste Blick auf die Verhältnisse widerlegt, wenn Erasmus behauptet, Sickingen habe seinen bisherigen Schützling weggeschickt, um sich nicht seinetwegen dem Hasse auszusetzen. Nach dem trierer Zuge war Hutten's Beherbergung das Geringste, was Franz zur Last fiel, und er wußte sehr gut, daß durch Entlassung desselben nicht mehr zu helfen war. Ein Vertrauter von Hutten's letzten Jahren, Otto Brunfels, beruft sich auf das Zeugniß der überlebenden Söhne Sickingen's, daß ihr Vater seine Gesinnung gegen Hutten niemals geändert habe, und Heinrich Schwebel, der Sohn eines der Prediger, die auf Franzens Burgen Zuflucht gefunden, erzählt, als die verbündeten Fürsten sich gegen ihn in Bewegung gesetzt, und es sich zur Belagerung Landstuhls angelassen, habe der Ritter diejenigen, die ihm theuer waren, nicht mit in die Gefahr hineinziehen wollen, sondern die zum Waffendienste minder Tauglichen (unter welche, seiner von Neuem ausgebrochenen Krankheit wegen, damals auch Hutten gehörte) freundlich entlassen. Erasmus, Spongia etc. in Hutten's Schriften II, S. 270, §. 36. Brunfels Resp. ad Spong. ebendas. S. 328 f. Heinr. Schwebel an Reinhard von Sickingen, ebendas. S. 472 f. Damit stimmt es, daß auch Martin Bucer im November jenes Jahres, um den kriegerischen Störungen zu entgehen, Sickingen's Burgen verließ und ein Predigtamt in Weißenburg annahm.

Für den Augenblick zwar, nach Franzens Rückzug aus dem Trierschen, fanden die verbündeten Fürsten von Trier, Pfalz und Hessen noch nicht für gut, ihn selbst anzugreifen; sondern während des Herbstes und Winters nahmen sie an seinen Helfern und Verwandten Rache: eroberten Cronberg, trieben Frowin von Hutten von seinen Gütern, büßten den Kurfürsten von Mainz um 25,000, Franzens Schwager, Friedrich von Flersheim, um 1000 Gulden u. s. f. Daß aber ein Hauptangriff auf Sickingen bevorstand, war vorauszusehen, und dieser suchte sich für denselben durch Botschaften und Briefe, die er an Ritter und Städte, bis nach Böhmen hinein auf der einen, und bis in die Schweiz auf der andern Seite schickte, zu verstärken.

Um diese Zeit mag es gewesen sein, daß Hutten, wie Otto Brunfels berichtet, von dem Könige Franz von Frankreich die Einladung erhielt, mit einem Jahrgehalte von 400 Kronen und freier Wahl des Aufenthaltsortes, als Rath in seine Dienste zu treten. Die Verfolgung, der Hutten in Deutschland ausgesetzt war, würde einen solchen Schritt entschuldigt haben: aber er wollte keine undeutschen Dienste nehmen und schlug das Anerbieten aus. Resp. ad Spong., a. a. O. S. 340.

Wann Hutten sich von den Burgen seines Beschützers und aus Deutschland überhaupt entfernt, welchen Weg er genommen habe, wer etwa seine Begleiter gewesen, darüber fehlen uns ausdrückliche Nachrichten. Wir wissen nur, aus dem Datum seiner Ermahnung an Worms (27. Juli), daß er gegen Ende Juli noch auf Landstuhl war; wissen ferner, daß im November Bucer und Oekolampadius die Burgen Sickingen's verließen und sich, der eine nach Weißenburg, der andere nach Basel, begaben; wissen außerdem, daß Hutten, ehe er nach Basel kam, sich einige Zeit in Schlettstadt aufhielt, wo ihm Bekannte Geld vorstreckten; wissen endlich, daß gegen Ende November Hutten und Oekolampadius, wie auch der vertriebene Hartmuth von Cronberg, in Basel waren Erasmus an Melanchthon, 6. Sept. 1524; Hutten's Schriften II, S. 414. Glarean an Zwingli, 28. Nov. 1522, ebendas. S. 153., die also möglicherweise die Reise, wenigstens zum Theil, miteinander gemacht haben könnten. Hutten suchte in Basel, wo er in der Herberge zur Blume wohnte und bis zum Frühling zu bleiben gedachte, Sicherheit und Ruhe: Sicherheit, die er in Deutschland nicht mehr fand, seit die feste Wand, an die er sich gelehnt hatte, Franz von Sickingen, wankte; Ruhe, deren er zur Pflege seiner Gesundheit dringend bedurfte. Denn seine Krankheit war von Neuem ausgebrochen, und der geschwächte Körper hatte nicht mehr viel Mittel übrig, ihr Widerstand zu leisten. Seine Sicherheit aber war jetzt nicht mehr blos durch die Römlinge, sondern ebenso durch die Fürsten bedroht, die in ihm eines der thätigsten Mitglieder der ritterlichen Schilderhebung gegen ihre Uebermacht verfolgten. Daher bat er (zum Ueberfluß, wie es manchen schien) den Rath von Basel um seinen Schutz, der ihm auch zugesagt wurde. Man bot ihm ein Gastgeschenk von Seiten der Stadt; die Magistratspersonen machten ihm Besuche; Leute aller Stände kamen, ihn zu sehen; an Einladungen und Mahlzeiten fehlte es nicht. Doch gerade dem Manne war Hutten's Aufenthalt in Basel unerwünscht, der für ihn der wichtigste am Orte war: dem Erasmus. Basil. Amerbach an Bonifaz A., 6. Jan. 1523, Hutten's Schriften II, S. 156. Glarean an Zwingli, a. a. O. Derselbe an Vadian, 18. Jan. 1523, Hutteni Opp. Supplem. II, S. 813. Vgl. Hutten's Expostulatio cum Erasmo, Schriften II, S. 184 f.


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