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Sechstes Kapitel.
Huttens zweite Reise nach Italien.

1515-1517.

Es ist oben erwähnt worden, wie die Aufnahme, welche Hutten nach seiner ersten Rückkehr in die Heimath bei der Mehrheit seiner Angehörigen fand, äußerst kränkend für ihn war. Statt Ehre und Anerkennung fand er Verachtung und Spott. Außer der ritterlich-kriegerischen und der kirchlichen Laufbahn erkannte der damalige Adel (so weit hatten sich die Zeiten doch schon geändert) auch noch die juristische als eine solche an, durch welche einer ihres Standes sich nicht allzu viel vergebe. Man studirte neben dem kanonischen das römische oder sogenannte kaiserliche Recht, das in jenen Jahren immer mehr Eingang in Deutschland fand, wurde Doctor, und machte dann am kaiserlichen oder an Fürsten- und Herrenhöfen als Rath, Kanzler u. dgl. sein Glück. Diese Laufbahn lag dem alten Hutten für seinen Sohn, nachdem dieser die geistliche verlassen hatte, im Sinne. Nun hatte aber Ulrich, nach einem kurzen Anlaufe, schon in Italien sich wieder zu seinen Narrenspossen ( nugae), wie der Alte es nannte, zurückgewendet, war nicht als Magister oder Doctor, sondern als Nichts, als der Niemand zurückgekommen. Seinen Adel schien er durch die unritterlichen Studien verwirkt zu haben, und eine andere Auszeichnung hatte er nicht gewonnen. Die Dienste, welche für den Augenblick seine schöngeistige Feder in dem Streite mit dem Herzog von Würtemberg leistete, nahm man mit, ohne über seine Studien im allgemeinen die Ansicht zu ändern.

Dieses Nichts und Niemand, das Hutten jetzt so oft zu hören oder doch zu empfinden bekam, brachte ihm einen poetischen Scherz in Erinnerung, den er schon vor oder während seiner ersten italienischen Reise hingeworfen hatte: er suchte seinen »Niemand« wieder hervor, arbeitete ihn um und fügte ein prosaisches Vorwort an seinen Freund Crotus hinzu. Beides war, einem Briefe Hutten's an Erasmus vom 24. October 1515 zufolge, damals schon zum Drucke bereit, der jedoch erst drei Jahre später zu Stande kam. In dieser Zwischenzeit mag wohl noch Manches, besonders an dem Vorworte, verändert und zugesetzt worden sein; doch wollen wir darum die schon einmal zurückgestellte Besprechung des Büchleins nicht länger verschieben. Der Niemand ist zunächst, wie das griechische Wort auf dem Titel Οὔτις Nemo. Schriften III, S. 107-118. Die Zuschrift an Crotus I, S. 175-187. und schon vor der ersten Ausgabe ein Epigramm anzeigte, der Homerische Οὔτις, mit welchem Odysseus den Cyclopen äffte. So erscheint er auch im zweiten Theile des Gedichts als die stehende Ausrede nichtsnutziger Dienstboten: sie mögen zerbrochen oder sonst zu Grunde gerichtet haben, was sie wollen, immer hat es der Niemand gethan. Diesem sehr ausgeführten beschreibenden Theile ist nun aber, schon in der ersten Ausgabe, ein kürzerer, mehr epigrammatischer, vorausgeschickt, dessen Witz in der Zweideutigkeit besteht, daß der Niemand zunächst als wirkliche Person erscheint, von der ganz außerordentliche, unglaubliche Dinge ausgesagt werden, bis er auf einmal als bloße Verneinung zerplatzt. (Der) Niemand war vor der Erschaffung der Welt; Niemand kann, Niemand weiß Alles; Niemand dauert immer, Niemand ist von Fehlern, von Irrthum frei; Niemand ist in der Liebe weise, Niemand kann zweien Herren dienen u. s. f.

Das so angelegte Gedicht ist in der neuen Ausgabe wesentlich verbessert und von 48 Distichen auf 78 vermehrt. Dem Ausdruck ist durchweg nachgeholfen, vermittelnde Züge angebracht, da und dort schärfere Lichter aufgesetzt, das Ganze feiner und bezüglicher gemacht. Im ersten Theile besonders sind Verse eingeschoben, in denen nun der Witz nicht mehr blos der logische des Umschlagens einer vermeintlichen Person in eine bloße Verneinung ist, sondern einen moralischen oder politischen Stachel bekommt. Niemand bringt sich durch reine Sitten in der Welt empor; Niemand setzt den gemeinen Nutzen vor den eigenen; Niemand ist fromm und Hofmann zugleich; Niemand bringt alle Deutschen unter Einen Hut; Niemand wehrt den Türken ab; Niemand kommt dem seufzenden Italien zu Hülfe und befreit die Stadt des Quirinus von der Pfaffenherrschaft; Niemand wagt es die Ueppigkeit und den Müssiggang der Geistlichkeit, Niemand den Papst zu tadeln: das sind nicht mehr die harmlosen Witze eines jungen Schöngeistes, sondern Gedanken eines Mannes, der die Welt gesehen und über die menschlichen Verhältnisse nachgedacht hat.

Sein persönliches Anliegen bringt Hutten in dem Gedichte selbst nur in dem Zuge vor, welchen die neue Bearbeitung einschiebt: Niemand reiche den rechten Studien den verdienten Lohn. Diesen Niemand, sagt er in der prosaischen Widmung an den alten Freund Crotus, habe er bei seiner Rückkehr in die Heimath gefunden. Zugleich macht er sich nun aber hier, in die Meinung des großen Haufens scherzhaft eingehend, selbst zum Niemand, und was er redet und schreibt, zu Nichts. Der Freund beklage sich (in einem uns nicht aufbehaltenen Briefe) darüber, daß Hutten ihm ein ganzes Jahr nichts geschrieben: allein wer selbst Nichts sei, wie könne man von dem Etwas verlangen? So schicke er ihm denn hiemit Nichts, und Niemand sei der Ueberbringer. Wolle Crotus wissen, woher auf einmal dieser Einfall, so dürfe er sich nur an ihre nächsten Erfahrungen erinnern. Beide haben sie den Versuch gemacht, was durch das eifrigste Betreiben der besten Studien zu erreichen sei. Erreicht haben sie, daß man öffentlich von ihnen sage, sie haben Nichts gelernt und seien Nichts. Dem Freunde sei es hierin noch leidlicher gegangen als ihm, der so, wie oben beschrieben, bei seiner Heimkehr empfangen worden sei. Befinde er sich unter seinen Rittern, so zählen sie ihn nicht, und auch die Gelehrten erkennen ihn nicht an. Die Ritter würden ihn gern als ihresgleichen gelten lassen, wenn er nur nichts gelernt hätte. Die Gelehrten aber sehen auf solche Studien, wie er und Crotus sie gemacht haben, mit der äußersten Verachtung herab.

Im ausschließlichen Besitze des Wissens dünken sich jetzt besonders die beiden Kasten der Juristen und der Theologen. Die einen schwören auf Accursius, Bartholus und Baldus, die Glossatoren und Commentatoren des Corpus juris; die andern auf Thomas und Scotus, Albertus und Bonaventura mit ihren Quästionen und Syllogismen. Beide aber seien die Pest, die einen des Rechts und des Gemeinwohls, die andern der Religion und Theologie. Auf beiden Seiten sei eine einfache Grundlage durch massenhafte Commentare verdeckt, ein ursprünglich faßliches Studium in undurchdringliche Nebel gehüllt worden.

Die Juristen schießen jetzt an den Höfen wie Pilze auf, genießen ausschließlich die Gunst und theilen die Schätze der Fürsten. Wenn diese durch irgend etwas ihren Unverstand beweisen, so sei es durch die Begünstigung jener Rabulisten. »Als hätte es nicht besser um Deutschland gestanden, ehe diese Menschen aufkamen mit ihren vielen Bücherbänden; dazumal, als hier (nach Tacitus) gute Sitten noch mehr galten als anderswo geschriebene Gesetze. Oder als ob noch jetzt nicht jedes Gemeinwesen um so besser verwaltet wäre, je weiter diese Glossatoren davon sind. Da sehe nur einer jene Sachsen am Baltischen Meere, wie sie ohne Aufschub und ohne Gefährde Recht sprechen, indem sie zwar nicht die genannten Gesetzkrämer, aber die althergebrachten heimischen Bräuche befragen: während hier eine Sache 20 Jahre zwischen 36 Doctoren hängen kann.« Man sieht: in dem eben damals entbrannten Kampfe zwischen dem alten deutschen Rechte, das ungelehrte ebenbürtige Richter in kurzem mündlichem Verfahren aus dem Herkommen schöpften, und dem aus Italien eingewanderten, durch eine gelehrte Zunft verwalteten römischen stellte sich der deutsche Ritter auf die Seite des ersteren; während der Humanist in Hutten das römische Recht wenigstens unglossirt, die altrömischen Quellen von dem Wüste der mittelalterlichen Erklärer gesäubert wissen wollte, und hierin nicht nur einen Mutian, sondern auch philologisch gebildete Juristen wie Ulrich Zasius auf seiner Seite hatte. Einzig aus Rücksicht auf den Wunsch der Seinigen, fährt Hutten fort (und diese Stelle möchte wohl später, gegen Ende seines zweiten Aufenthalts in Italien, eingeschoben sein), und aus Aerger über den Hochmuth jener Rabulisten habe er früher sich entschlossen, ihnen ihre Kunstgriffe abzulernen und Doctor zu werden, um sich nur Gehör unter ihnen zu verschaffen. Allzuviele Zeit habe er damit nicht zu verlieren gefürchtet, da es sich ja nicht um das Eindringen in den Kern einer Wissenschaft, sondern nur um Erwerbung der Fähigkeit gehandelt hätte, mit den Schalen zu klappern. Diesen Plan habe er, unter Beirath des Freundes (hier scheint auf eine Zusammenkunft mit Crotus in Venedig angespielt, auf die wir bald zu sprechen kommen werden), dahin abgeändert, daß er jetzt entschlossen sei, nicht Doctor zu werden, und das Urtheil des großen Haufens zu verachten.

Kein vortheilhafteres Bild entwirft Hutten in dieser inhaltsreichen Vorrede von den Theologen seiner Zeit. Mit Heiterkeit wird der Freund daran erinnert, wie trefflich er einst ihre scholastischen Klopffechtereien nachzuahmen verstanden habe. Er selbst, Hutten, habe sie früher oft geärgert, oft ihren Hochmuth und ihre Verketzerungssucht gereizt: jetzt finde er es klüger, als nichtssagender Niemand sich ihrem Zorne zu entziehen. Wie die Vorläufer der Reformation schon längere Zeit, unterscheidet auch Hutten von der alten und ächten Theologie die seit 300 Jahren aufgekommene scholastische, welche die Lehre Christi mit einer Masse abergläubischer Gebräuche und schlechter Bücher zugedeckt habe. Statt musterhaften Lebens pochen diese Menschen auf ihre Kutten und Privilegien; während sie die ungesalzensten Geschöpfe seien, halten sie sich für das Salz der Erde; weil sie die Beichte der Fürsten hören und die Geheimnisse der Weiblein erforschen, meinen sie weiser als alle übrigen Menschen zu sein. Das Gute und wahrhaft Christliche, wie die Arbeiten des Erasmus, sei ihnen zuwider; den trefflichen Reuchlin habe vor ihrer Wuth nur der Schutz des Kaisers Maximilian gerettet. Gelinge es ihnen aber, einen als Ketzer zu ergreifen, so gebe es keine grausamern Sieger als sie. Da stellen sie sich ganz an Christi Statt: nur von seiner Barmherzigkeit, der vornehmsten seiner Eigenschaften, wollen sie nichts wissen. Und nur gegen Schwache, nur wo man sie gar nicht brauche, zeigen sie ihren Eifer: die Türken, oder auch die böhmischen Hussiten zu bekehren, falle keinem ein; wo es Gefahr gebe, da ziehen sie sich vorsichtig in ihre angeblich fromme Ruhe zurück.

Solche Menschen beherrschen die Menge, welcher Rang und Titel imponiren, welche nicht frage, ob einer etwas wisse, sondern ob er Doctor oder Magister sei. Dieser Meinung, so schließt Hutten seine Zuschrift, könne kein wahrhaft freidenkender Mann sich fügen; er wenigstens wolle mit Vergnügen für immer Nichts bleiben, sich mit dem Freunde, von dem er ein Gleiches voraussetze, bisweilen über die Thorheit der Menschen lustig machen, sich aber durch den Ehrgeiz, Etwas zu werden, keinen Finger breit von seinem Vorhaben ablenken lassen.

Auf der andern Seite jedoch ließ sich der alte Steckelberger von dem Plane, in dem Sohne dereinst noch einen einflußreichen Juristen zu sehen, gleichfalls nicht abbringen. Er öffnete ihm, in Gemeinschaft, wie es scheint, mit noch andern Familiengliedern, seine Kasse unter der Bedingung, daß er noch einmal nach Italien, und zwar nach Rom, gehen und sein abgebrochenes Rechtsstudium wieder anknüpfen solle. Auch der Erzbischof Albrecht von Mainz unterstützte ihn zu dieser Reise: am Magdalenentag (22. Juli) 1516 bescheinigt der mainzische Marschalk Frowin von Hutten, von den 200 Gulden, die Kurfürst Albrecht »dem vesten Ulrich von Hutten, seinem Vetter, gnädig zugesagt, zur Vollführung seines angefangenen Studiums in hoher Schule zur Steuer zu geben«, auf seine Bitte 50 Gulden erhalten zu haben, die er auch sofort »gedachtem seinem Vetter, als er in Welschland gezogen, überliefert habe«. Hutten's Schriften I, S. 105. So hatte wenige Jahre vorher der Bischof Hiob von Riesenburg den Jugendfreund Hutten's, Eoban Hesse, nachdem er ihn eine Zeit lang an seinem Hofe gehabt und lieb gewonnen, zum Zwecke des Rechtsstudiums nach Leipzig geschickt, um ihn später desto besser und ehrenvoller in seinen Geschäften verwenden zu können. Unter der ältern Generation der Humanisten war diese Verbindung des juristischen Studiums mit dem philologischen nicht ungewöhnlich gewesen. Das letztere gab noch keine bürgerliche Existenz: da nahm man das erstere zu Hülfe. So war Johann Reuchlin erst Beisitzer des würtembergischen Hofgerichts, dann schwäbischer Bundesrichter gewesen und nannte sich aus den Titeln auch seiner philologisch-theologischen Bücher Legum Doctor; und Wilibald Pirckheimer galt für einen ebenso großen Juristen als Philologen. Die jüngern Männer dieser Richtung aber wollten sich zu solcher Verbindung nicht mehr bequemen. Sie versuchten es, ihr Leben auf die Humanitätsstudien allein zu begründen; was sie nachher nicht selten zu bereuen hatten. So verkaufte Eoban eines schönen Morgens die juristischen Bücher, die ihm sein Bischof zum Studium in Leipzig angeschafft hatte, und ging nach Erfurt zurück, um sich ausschließlich den schönen Wissenschaften zu widmen. Aber es ging ihm da bald so knapp, daß er, um sich und seiner Familie Brod zu schaffen, einmal Medicin zu studiren anfing.

So kam es jetzt auch Hutten schwer an, sich dem Wunsche der Seinigen zu fügen; doch machte er sich im Herbst 1515 mit mehreren Begleitern auf den Weg. Gerne wäre er über Basel gereist, um den Erasmus wieder zu sehen, der sich eben dort befand; doch seine Gefährten zogen eine andere Straße vor, und so schrieb er zu Worms, in der Herberge, unter dem Lärmen der Gäste, einen Brief an denselben, in welchem er seine Verehrung für den erhabenen Meister in begeisterten Worten aussprach. Hutten's Schriften I, S. 102. Hier auch die Nachricht von der Beisteuer der Hutten'schen Familie zu Ulrich's Reise. Er betrachte es als ein Unglück, daß ihn die Verhältnisse von Erasmus entfernt halten, dem er so innig wie Alcibiades dem Sokrates anhängen möchte; in der That sei ja Erasmus der deutsche Sokrates, habe sich um die Bildung des deutschen Volks nicht minder als dieser um die des griechischen verdient gemacht. Ob er das Glück haben würde, einem solchen Manne zu gefallen, wisse er freilich nicht; aber ihm zu dienen wäre er wohl nicht ganz unwerth gewesen, und dem Erasmus würde es nicht zur Unehre gereicht haben, wenn ein deutscher Ritter mit Treue und Eifer sich seinem Dienste gewidmet hätte. Besonders Griechisch hätte er zu seinen Füßen lernen mögen; er habe im Sinne gehabt, zu ihm zu reisen, ihn vielleicht nach England zu begleiten, und würde dieses Verhältniß nicht nur dem Hofleben, zu dem er zu seinem Leidwesen berufen sei, sondern auch der Reise nach Italien vorgezogen haben, wohin ihn die lästige Freigebigkeit der Seinigen des Rechtsstudiums wegen schicke. Käme aber Erasmus etwa nach Italien, so würde er sich durch nichts abhalten lassen, aus dem juristischen Kerker, in welchen die Seinigen ihn verbannen, zu ihm zu eilen. Nachdem er sodann noch seines Niemand und der ehrenvollen Erwähnung des Erasmus in der Vorrede (d. h. in dem Brief an Crotus) gedacht, auch seine Gesundheit betreffend gemeldet hat, daß er von dem Zittern und dem Fußübel ganz geheilt sei, bittet er schließlich den Erasmus um eine Empfehlung an einen gelehrten Großen in Rom, dem er aber nicht Stallknechtsdienste, sondern literarische Handreichung zu thun hätte. Jenes nämlich war nicht selten die Laufbahn der von Hutten später so sehr bekämpften Curtisanen, d. h. deutscher Geistlichen, die in jungen Jahren nach Rom gingen, und sich da zu den elendesten Hofdiensten bequemten, um hernach mit der Anwartschaft auf deutsche Kirchenstellen, und natürlich zugleich mit durchaus ultramontaner Gesinnung, zurückzukehren.

Auf welchem Wege Hutten nach Rom reiste, und was ihm unterwegs begegnete, wissen wir nicht, wenn wir nicht der Vermuthung Statt geben, daß uns in einem der Dunkelmännerbriefe des zweiten Theils, der, wie wir unten finden werden, ihn zum Hauptverfasser hat, seine Reiseroute aufbehalten sei. Nämlich Einiges von seiner Reise wissen wir doch, und das trifft mit dem, was M. Wilhelmus Lamp von der seinigen berichtet Epist. obsc. viror. II, 12. Hutteni Opp. Supplem. I, S. 206 ff., merkwürdig zusammen. Ueber Mainz muß Hutten von Steckelberg aus so gut wie der Magister von Köln aus gekommen sein; daß er hierauf wie dieser in Worms einkehrte, und von da nicht weiter rheinaufwärts in der Richtung nach Basel reiste, sondern einen andern Weg einschlug, wissen wir aus seinem in der Herberge zu Worms geschriebenen Briefe an Erasmus; wenn der Magister von Worms aus seinen Weg Augsburg zu nahm, so war dieß auch für den Ritter, wollte er nicht über Basel reisen, die angewiesene Straße; wie der Regen und Schnee, worüber der Andere klagt, zu dem 24. October als dem Datum von Hutten's wormser Briefe bestens paßt. Von Augsburg aus reiste M. Lamp über Landsberg und Schongau durch grundlose Wege nach Innsbruck, wo er den Kaiser mit zahlreichem Gefolge fand; dann über den bereits schneebedeckten Brenner nach Trient, wo er Zeuge der kaiserlichen Kriegsrüstungen war, die auch Hutten in einem später zu Rom gedichteten Epigramm in den Alpen gesehen zu haben versichert. Schriften III, S. 215, Nr. 18 b. Zwischen Verona und Mantua sah sich der Magister durch die Kriegsmacht der Venezianer aufgehalten; nach Bologna mag auch Hutten, wenngleich nicht gerade, wie der Andere von sich versichert, während, doch nicht lange vor oder nach der Zusammenkunft des Papstes mit dem König von Frankreich in jener Stadt (10.-12. December 1515) gekommen sein; und daß er von da gleich seinem obscuren Doppelgänger über Florenz und Siena weiter gezogen, werden wir ebenso wahrscheinlich finden, als wir ihm vor dem Eintritt in die Welthauptstadt in Montefiascone die Herzstärkung gönnen werden, die dem Magister so unvergeßlich war; obgleich an dieser Stelle die dem Briefschreiber zur Last fallende Verwechslung des dort einheimischen Est-Est mit der lacryma Christi vom Vesuv Hutten's Bekanntschaft mit der Ortsgelegenheit zweifelhaft machen kann. Bei so übeln Wegen und mancherlei Hindernissen kann M. Lamp nicht wohl vor dem Frühjahr sein Ziel erreicht haben: und auch das stimmt auf Hutten, von dem wir wissen, daß er zur Fastenzeit nach Rom gekommen ist und einen Theil des Sommers 1516 daselbst zugebracht hat. Schriften I, S. 104. 105. IV, S. 186.

Den Eindruck, welchen das päpstliche Rom auf Hutten machte, hat er in mehreren Epigrammen ausgesprochen, die er von Rom aus an Crotus Rubianus nach Deutschland schickte. Ad Crotum Rubianum de statu Romano Epigrammata ex Urbe missa. Schriften III, S. 278-283. Gleich das erste lautet:

Also sah ich sie denn, Roms halbzertrümmerte Mauern,
Wo mit dem Heiligen man selber den Gott auch verkauft.
Sah den erhabenen Priester, o Freund, mit dem heiligen Rathe,
Und Cardinäle, geschaart, prächtig in schleppendem Zug.
Schreiber so viel und Troß von überflüssigen Menschen,
Die mit den Pferden zugleich wallend der Purpur bedeckt.
Thätig die einen im schandbaren Werk, die anderen leidend,
Unter dem heiligen Schein stöhnend der wildesten Lust.
Andre sodann, die selbst auch den Schein des Guten verschmähen,
Und mit erhobener Stirn Sitte verhöhnen und Zucht.
Welche mit Lust schlecht sind und mit Vollmacht; ach, und in deren
Joch das teutonische Volk leider so willig sich fügt.
Sie handhaben Verbot und Erlaubniß, schließen und öffnen,
Und wie es ihnen beliebt, theilen den Himmel sie aus.
Römerinnen, und Römer nicht mehr; voll Ueppigkeit Alles,
Alles, wohin du auch blickst, voll der verworfensten Lust.
Und das Alles in Rom, wo Curius einst und Metellus
Und Pompejus gelebt: o der veränderten Zeit!
Drum dem Verlangen entsage, mein Freund, nach der heiligen Roma:
Römisches, welches du suchst, findest in Rom du nicht mehr.

Noch stärker drückt sich Hutten über die Verkäuflichkeit aller Dinge in Rom, insbesondere über das Ablaßwesen, in einem andern Epigramm aus:

Auf, ihr Männer, wohlauf! legt Hand an, lebet vom Raube,
Mordet, vom heiligen Gut stehlet, verletzet das Recht …
Euere Rede sei Gräul und euer Handeln Verbrechen;
Wälzt euch im Pfuhle der Lust, leugnet im Himmel den Gott …
Bringet ihr Geld nach Rom, so seid ihr die rechtlichsten Leute:
Tugend und himmlischen Lohn kauft und verkauft man zu Rom.
Ja, auch künftig Verruchtes zu thun, erkauft man zu Rom sich:
Drum, wenn ihr toll, so seid gut; wenn ihr verständig, seid schlecht!

Und im Hinblick auf den ihm besonders nahe liegenden Fall in Mainz, dessen Finanzen durch den Pallienkauf bei mehreren schnell aufeinander eingetretenen Erledigungen des erzbischöflichen Stuhls Berthold von Henneberg † 1504. Jakob von Liebenstein † 1508. Uriel von Gemmingen † 1514. zerrüttet waren, ruft er:

Euer Bischof ist todt. Landsleute, nun braucht ihr ein neues
Pallium: zahlt nur! um Gold gibt es der Simon von Rom.
Aber du selber, so lang Deutschland kein Hirn und kein Aug hat,
Biete getrost zum Verkauf Pallien, Simon von Rom!

Ein ähnlicher Stoßseufzer macht den Schluß der früher von uns betrachteten Epigramme an den Kaiser Maximilian, und könnte, da jene Epigramme erst nach Hutten's zweitem italienischen Aufenthalt im Druck erschienen sind, aus dieser Zeit stammen:

Wann doch kommt es dahin, daß Deutschlands Augen sich öffnen,
Einzusehen, wie ganz Rom es zur Beute gemacht?
Wann doch kommt es dahin, daß um Gold man bleierne Bullen
Anderen Völkern vielleicht, nur nicht dem deutschen, verkauft?
Oder wird so wie jetzt dein Deutschland, mächtiger Kaiser,
Immer ein Spott nur sein für das beraubende Rom?
Nein! das Scepter des Reichs, und des Reichs Hauptstadt und der Welt, Rom,
(Wahrheit red' ich, und kann anders nicht reden) ist dein.

Nach und nach machte Hutten in Rom allerlei literarische Bekanntschaften. Zwar mit Paul Bombasius, an den ihm Erasmus ein Empfehlungsschreiben mitgegeben hatte (er stand als Secretär im Dienste eines Cardinals), gestaltete sich kein näheres Verhältniß. Daß aber die Verehrung für Erasmus, die er äußerte, dessen Schriften, die er in neuen Ausgaben mitbrachte und vorzeigte, ihm manchen Gelehrten in Rom zum Freunde gemacht haben, wie er später an Erasmus schrieb, ist sicher nicht als bloßes Compliment für diesen zu betrachten.

Ein eigenthümlicher Vereinigungspunkt der Poeten zu Rom war in jenen Jahren ein Garten in der Nähe des Quirinal und des tarpejischen Felsen, der einem Deutschen, Johann Coritius aus Luxemburg, gehörte. Der Mann, dessen Name mit dem des gartenbauenden Greises bei Virgil Georg. IV, 125 ff. in Beziehung gebracht wurde, bekleidete schon unter mehreren Päpsten eine Stelle in der päpstlichen Kanzlei, wo er in Justiz- und Gnadensachen arbeitete und als Ehrenmann und Liebhaber der Wissenschaften und der Gelehrten bekannt war. In Erasmus' Briefen wird seiner freundlich gedacht, und als es galt, Reuchlin's Händel mit den Dominicanern zu dessen Gunsten zu Ende zu bringen, wurde er als Mittelsmann gebraucht. Sein Vermögen war nur mäßig, aber er machte davon, bei einfachster Lebensweise, einen edeln und originellen Gebrauch. Etwa um 1514 hatte er in der Kirche des heiligen Augustin der heiligen Anna mit Maria und Christus eine Kapelle mit Altar, drei Marmorstatuen und einem Altargemälde, dazu ein tägliches Meßopfer und Geräthe gestiftet. Jedes Jahr wurde, wie es scheint, der Stiftungstag erst durch feierlichen Gottesdienst in der Kapelle, dann durch eine Mahlzeit in dem oben erwähnten Garten gefeiert, wozu alle Gelehrte und Dichter geladen waren, die nun an Bäume und Hecken, Brunnen und Bildsäulen ihre Verse zum Lobe des Mannes und seiner Stiftung anhefteten. Die Verse wurden gesammelt und sind später von einem Freunde des Coritius herausgegeben worden; mit dem guten Manne selbst aber nahm es noch ein betrübtes Ende. Als im Jahre 1527 die kaiserlichen Truppen Rom eroberten, gerieth er in ihre Gefangenschaft, verlor seine Habseligkeiten und durch den Verrath des Maurers, der ihm sein Geld hatte vergraben helfen, auch dieses. In äußerster Dürftigkeit wanderte er nach Verona, wo ihn der bischöfliche Coadjutor eine Zeit lang unterhielt, und starb endlich, von Kummer aufgerieben, auf dem Wege in seine Heimath.

Auch Hutten hat dem Coricischen Altar fünf Epigramme gewidmet Schriften III, S. 271 ff., deren Inhalt größtentheils der Preis dieser schönen Stiftung des Dichtervaters Coritius ist; doch fleht der vielgeprüfte Wanderer gelegentlich auch Großmutter, Mutter und Sohn in der Kapelle um Heilung seines kranken Fußes an. Es war also das Uebel, von dem sich Hutten vor seiner Abreise aus Deutschland geheilt meinte, von Neuem ausgebrochen. Dieß sehen wir auch aus einem der aus Rom an Crotus gesendeten Epigramme, dessen Inhalt uns freilich seltsam dünken mag. Es befand sich zu Rom ein spanischer Bischof, der in dem Rufe stand, die Lustseuche, gegen die man damals noch vergeblich ein Radicalmittel suchte, heilen zu können. An diesen wendet sich nun Hutten, und bittet ihn bei der Verbindung zwischen Deutschland und Spanien, bei den gemeinschaftlichen Göttern und den Rechten der Gastfreundschaft, um seinen Beistand. Aus dem übrigen Körper sei die Seuche gewichen; nur in der Ferse halte sie sich noch: der Prälat möge sie vollends austreiben; da er es könne, möge er sich von dem deutschen Jüngling nicht vergebens bitten lassen.

Doch auch an Anfechtungen anderer Art sollte es unserem Ritter nicht fehlen. Nach einer Andeutung in seiner vierten Ulrichsrede hätte ein Abgesandter des würtembergischen Herzogs in Rom Anschläge gegen ihn gemacht; wie ihn auch hernach, als er in Bologna sich aufhielt, Wilibald Pirckheimer vor Mördern warnen zu müssen glaubte, die der Herzog gegen ihn dingen könnte. Wie viel hieran war, ist nicht mehr auszumachen: eine wirkliche Gefahr aber kam ihm von anderer Seite und hing mit einer Veränderung in der politischen Welt zusammen.

Seit dem alternden Maximilian statt des gleichfalls bejahrten Ludwig XII. in Franz I. von Frankreich ein junger feuriger Fürst entgegengetreten war, hatten sich die Verhältnisse Italiens aufs Neue bedenklich gestaltet. Gleich in seinem ersten Sommer war Franz über die Alpen gezogen, um das von seinem Vorgänger eingebüßte Mailändische wiederzugewinnen; was ihm auch durch die Schlacht bei Marignano (13. und 14. September 1515), wenige Wochen ehe Hutten seine zweite Reise nach Italien angetreten hatte, gelungen war. Nun rüstete aber der Kaiser; Hutten (die Route des Dunkelmanns als die seinige betrachtet) hatte auf seiner Herreise um Trient und Verona schon Alles in kriegerischer Bewegung gefunden, und bei Mantua das Geschütz der Venezianer feuern gehört. Wenn auch der jetzige Papst, gleich seinem Vorgänger, die Kriegsflamme schüren half, so sah Italien schrecklichen Tagen entgegen. Dieß ist der Inhalt von Hutten's Prognostikon auf das Jahr 1516 an Papst Leo X., eines kleinen Gedichts in Hexametern Schriften III, S. 252-254., das um diese Zeit entstanden sein muß. Astrologisch wie politisch, wird ausgeführt, deuten alle Zeichen auf Krieg und Verderben für Italien; der Kaiser, Frankreich und Venedig aufs Neue in Waffen: da möge der Papst von den Göttern Schonung und Frieden erflehen, damit die Christenheit ihre Kräfte gegen die Türken wenden, das heilige Land und Grab wieder erobern könne.

Im Frühling 1516 rückte der Kaiser in die Lombardei ein, aber nur, um, von den Franzosen getäuscht, und vom Gelde wie gewöhnlich im Stiche gelassen, bald wieder abzuziehen. Da durfte er für den Spott von Seiten der Italiener nicht sorgen. Man verhöhnte ihn in den Theatern, es erschienen Pasquille und Carricaturen auf ihn. Man malte ihn auf einem Krebse reitend, mit der Unterschrift: Tendimus in Latium. Man zündete bei hellem Tage Licht, und stellte sich an, den Kaiser zu suchen. Besonders aber die Franzosen in Italien entwickelten bei dem Kriegsglück ihres jungen Königs ihren ganzen Uebermuth. Diesen Verhältnissen widmete Hutten mehrere Epigramme, die er, wie es scheint, an Eoban Hesse schickte, der sie zu Ende d. J. 1516 als Beilage zu zwei weiter unten zu besprechenden Dichtungen drucken ließ, bis Hutten später die meisten seinem Epigrammenbuch an den Kaiser einverleibte.

Doch die französische Großsprecherei auf der einen Seite, und Hutten's deutsches Herz und heftiges Blut auf der andern, mußten bei der ersten stärkern Reibung auch noch einen thatsächlichen Auftritt herbeiführen. Eines Tages ritt Hutten mit einem Bekannten nach Viterbo, als gerade ein Gesandter des Königs von Frankreich an den Papst dort durchreiste. Fünf Franzosen, vielleicht vom Gefolge des Gesandten, machten sich über Maximilian, der eben noch um Mailand kämpfte, lustig; Hutten nahm sich seines Kaisers an. Von Worten kam es zu Thätlichkeiten; die Fünfe fielen über den Einen her, den sein Reisegefährte im Stiche ließ. Nun zog Hutten vom Leder, stach den, der ihm am nächsten auf dem Leibe war, nieder, und schlug, selbst nur in die linke Wange verwundet, die übrigen Viere in die Flucht. Nicht mit Unrecht hielt er das für eine brave That, verherrlichte sie durch sechs Epigramme Schriften III, S. 280-282., die er an Crotus schickte, rühmte sich ihrer dem Kaiser gegenüber in der dritten seiner Ulrichsreden, und erzählte von derselben, nach Deutschland zurückgekehrt, seinen Freunden, wohin ihr Ruf, durch seine Briefe und Epigramme, ihm bereits vorangegangen war. Denn je mehr er sich den Studien ergab, desto mehr Werth legte Hutten darauf, doch auch als Ritter und Krieger etwas zu gelten; weßwegen ihm später keines seiner Bilder lieber war als dasjenige, welches ihn in Waffen darstellte.

Begreiflich hatte er sich nun aber durch dieses Ritterstück die ganze Franzosenschaft in und um Rom auf den Hals gezogen, und so fand er sich bewogen, Rom mit Bologna zu vertauschen, wo er schon während seiner ersten italienischen Reise, freilich in kümmerlichen Umständen, eine Zeit lang sich aufgehalten und schätzbare Bekanntschaften gemacht hatte. Vom 31. Juli datirt er bereits einen Brief aus Bologna. Hier wohnte er mit den beiden Würzburger Domherren Jakob Fuchs und Friedrich Fischer zusammen. An den ersteren hatte er im vorigen Jahr, als Fuchs sich bereits in Italien befand, den großen Brief über Eitelwolf vom Stein und Hans Hutten's Ermordung gerichtet, und darin bemerkt, er wünschte ihm bald nachfolgen zu können. Auch Friedrich Fischer gehörte zu Hutten's vertrauten Freunden; beide verband mit ihm die gleiche humanistische Geistesrichtung.

Schon in Rom hatte sich Hutten, wie er an Vadian nach Wien schrieb, vorzugsweise dem Rechtsstudium gewidmet; in Bologna fuhr er darin fort, und verwendete auf dasselbe, wenn auch bitter ungern, seine meiste Zeit. Auch in der spätern Erinnerung schmeckte ihm dieses Studium noch wie ein Wermuthtrank, und er rechnete, seine beiden italienischen Aufenthalte zusammengenommen, beinahe vier Jahre, während deren er mit demselben die Zeit verdorben. An Gerbel vom 31. Juli 1516; an Pirckheimer vom 25. Oct. 1518. Schriften I, S. 105. 210. Da Hutten in der Folge von Deutschland aus den Rechtsgelehrten Johann Maria und den Schlesier Sauermann in Bologna grüßen läßt, so ist zu vermuthen, daß er bei dem ersteren damals gehört, und mit dem andern, einem auch nach des Erasmus Zeugniß trefflichen jungen Manne, der einmal in Bologna Rector und später Probst in Breslau war, freundschaftlichen Umgang gepflogen hat.

Während er sich aber so dem Willen seiner Familie fügte, verlor Hutten sein eigenes Ziel nicht aus den Augen. Besonders im Griechischen fand er, nachdem der Unterricht in dieser Sprache, den er während seines ersten italienischen Aufenthaltes zu Pavia genommen hatte, gar zu frühe abgebrochen worden war, seine Kenntnisse unzureichend. In Bologna nun, wo eben damals drei junge Geuder aus Nürnberg, Neffen Wilibald Pirckheimer's, unter der Leitung des Johann Cochläus studirten, nahm er mit zweien von diesen und noch zwei andern einen Griechen Namens Tryphon zum Lehrer an, der mit ihnen den Lucian und Aristophanes las. Die Nachahmung der römischen Unsitte, in lateinische Briefe und selbst Gedichte griechische Phrasen und Verse einzumischen, die sich schon nach der ersten italienischen Reise bei Hutten zeigte, war ein Auswuchs dieses griechischen Eifers; wie aber das Studium gerade des Lucian und Aristophanes in Hutten's ganzer Schriftstellerei Epoche machte, werden wir in Kurzem finden.

Mit den genannten jungen Landsleuten und ihrem Hofmeister lebte Hutten in freundlichem Umgange, speiste bisweilen bei ihnen, und trat auch mit Wilibald Pirckheimer in brieflichen Verkehr. Merkwürdig ist es hiebei, welchen Eindruck er auf einen Mann wie Cochläus machte, der Verstand und Bildung genug besaß, einen Hutten schätzen zu können, während die Verschiedenheit der Naturen beide von einander in diejenige Ferne stellte, welche die Beobachtung begünstigt. Vgl. hierüber die Briefe des Cochläus an Pirckheimer. Hutten's Schriften I, S. 126-153. Dieser Johann Dobneck aus Wendelstein, der sich von dem genannten Orte als Cochläus latinisirte, war einer von denjenigen, welche, ursprünglich der liberalen humanistischen Partei angehörig, selbst Luthern bei seinem ersten Auftreten günstig, bald, von dem Streite abgestoßen, auf der einen Seite von der Gefahr geschreckt, auf der andern von Vortheilen gelockt, je größer die Spaltung wurde, sich immer mehr von der Reformation abwandten, und zuletzt, ohne aus ihren humanistischen Verbindungen herauszutreten, deren eifrigste Gegner wurden. Damals nun machte Hutten's Wesen auf Cochläus den stärksten Eindruck. Er schalt Deutschland, daß es einen Mann von solchem Geist und so warmer Vaterlandsliebe bisher so vernachlässigt habe. Insbesondere seinen sprudelnden Witz, sein Talent zur Satire bewunderte Cochläus; er sah in Hutten, ehe dieser noch einen seiner Dialoge geschrieben hatte, einen zweiten Lucian. Dabei war ihm aber doch auch Manches an dem Ritter zu viel. Sein Geist war ihm zu scharf und herb, er vermißte Ruhe und Milde. Er fürchtete, Hutten's deutscher Freimuth möchte ihm noch Gefahr bringen, und meinte daher, einflußreiche Freunde sollten ihn zu mäßigen suchen. Auch im persönlichen Umgang war ihm dessen Heftigkeit lästig. Ein beleidigendes Wort des Ritters steckte er wohl um des Friedens willen stillschweigend ein; doch bekannte er nach Hutten's Abreise seinem Patron Pirckheimer im Vertrauen, sie beide werden wohl in der Entfernung bessere Freunde bleiben, als sie es im täglichen Umgang geblieben sein würden. Ganz ebenso ging es mit Hutten, wie wir gesehen haben, dem Mutian; ähnlich, wie wir noch sehen werden, dem Erasmus; nicht anders auch dem Melanchthon: er schätzte, aber fürchtete ihn: und dasselbe ist bis heute bei Erasmisch-Melanchthonischen Naturen, wenn sie sich mit Hutten beschäftigen, der Fall, daß sie ihn bewundern, aber nicht lieben, weil er ihnen unheimlich ist. Uns verrathen es die mittelmäßigen Bildnisse, die von ihm übrig sind Holzschnittbilder von Hutten in verschiedener Form und Auffassung finden sich bei mehreren seiner Schriften, z. B. dem Phalarismus, der Abhandlung über das Guaiac, dem Gesprächbüchlein, den Conquestiones, der Expostulatio; wovon das hinter der letztern Schrift zu den bessern gehören möchte. Böcking glaubte in einer angeblich Dürer'schen Zeichnung des berliner Museums das ächte Huttenbild zu finden, die er deßwegen vor seiner Ausgabe der Hutten'schen Werke wiedergeben ließ; allein dieses Bild mit der ganzen Sammlung, der es angehört, wird jetzt als Fälschung in Anspruch genommen. S. Thausing, Die falschen Dürerzeichnungen in Berlin u. s. f. Zeitschrift für bildende Kunst, herausgegeben von C. v. Lützow, 6. Jahrg., 4. Heft, S. 115., freilich nicht (so wenig als sie uns seinen Geist verrathen), aber Zeitgenossen, die ihn kannten, bezeugen, daß der kleine, schmächtige, unscheinbare Mann mit dem blonden Haar und dem dunkeln Barte S. den pseudohutten'schen Dialog Huttenus captivus, Schriften IV, S. 594, und vgl. die Aeußerung A. Frank's von Kamenz, ebendas., I, S. 420., in dem blassen Gesichte etwas Strenges, ja Wildes gehabt habe, und seine Rede oft schneidend und zurückstoßend gewesen sei. Daß er daneben in andern Stunden und Stimmungen eine herzgewinnende Freundlichkeit entwickeln konnte Ersteres bezeugt Camerarius im Leben Melanchthon's, Letzteres Otto Brunfels in einer Schutzschrift für Hutten, von welcher später., widerspricht dem nicht; aber es mußte einer selbst eine starke und etwas martialische Natur sein, um Hutten, wie Eoban Hesse, »durchaus liebenswürdig« zu finden. Doch wir kehren zu den bolognesischen Studien unseres Ritters zurück.

Fand Hutten neben dem pflichtmäßigen Rechtsstudium Zeit, sich im Griechischen zu vervollkommnen, so konnte er auch das Dichten nicht ganz lassen. Ende Juli 1516 schickte er seinem Freunde, dem Rechtsgelehrten Nikolaus Gerbel zu Straßburg, seine poetische Epistel Italiens an Maximilian; Anfang September theilte Cochläus dem Oheim seiner Zöglinge Hutten's Spottgedicht Marcus mit, und aus derselben Zeit ist auch das Gedicht über die Fischerei der Venezianer. Alle diese Gedichte liegen in gleicher Linie mit dem Aufmahnungsgedicht an den Kaiser zur Fortsetzung des Kriegs gegen die Venezianer und den Epigrammen an denselben, die von uns früher erörtert worden sind. Und zwar richten sich der Marcus und das Gedicht vom Fischfang mehr gegen Venedig, dem sie mit der Macht des Kaisers drohen; während die Epistel sich an diesen wendet, mit der Aufforderung, die deutsche Ehre und Obmacht in Italien wiederherzustellen.

Die beiden erstgenannten Dichtungen De piscatura Venetorum, heroicum, und Marcus, heroicum. Schriften III, S. 287-300. behandeln eigentlich einen und denselben Gegenstand: das Aufkommen und den Uebermuth Venedigs, und waren, wie Cochläus aus Hutten's Munde berichtet, zunächst durch die venezianische Ruhmredigkeit in einem Gedichte des Sabellicus veranlaßt. Jedes von beiden aber bedient sich einer andern Form, und man möchte glauben, nachdem Hutten den Gegenstand bereits in der eigentlichen und ernsthaften Form behandelt hatte, sei ihm, vielleicht beim Lesen der Homerischen Batrachomyomachie, der Einfall gekommen, dasselbe ließe sich noch schlagender in der allegorisch-parodistischen sagen, welche dieses griechische Vorbild an die Hand gab. Es entwickelt nämlich das Gedicht von der Fischerei der Venezianer, wie diese, ursprünglich ein aus allen Völkern zusammengelaufenes Gesindel, erst elende Fischer gewesen seien, dann sich durch Schifffahrt und Handel bereichert, hierauf angefangen haben, Städte zu fischen und Fürsten zu angeln (was durch einen Holzschnitt illustrirt ist); wie sie von dem Festland Italiens, von Dalmatien, Griechenland und den Inseln immer mehrere und größere Stücke an sich gebracht, ihre Stadt mit dem Raub aller Länder geschmückt, und sich einer Ueppigkeit und einem Wohlleben ohne Beispiel ergeben haben. Nachdem sie es in dieser Weise lange genug getrieben, habe sich endlich der deutsche Adler zum Kampfe mit ihnen von den Alpenhöhen herabgeschwungen, nicht, um Beute zu machen, sondern um Frieden, Recht und Gerechtigkeit wiederherzustellen, die Welt, und Italien insbesondere, von dem Joche der Venezianer zu befreien, und diese wieder zu den einfachen Fischern zu machen, die sie ursprünglich gewesen.

Wie gesagt, dasselbe Thema behandelt das Gedicht Marcus mit Benutzung der Batrachomyomachie, aus der halbe und ganze Hexameter, auch Reihen von solchen, griechisch dem übrigens lateinischen Gedicht eingefügt sind. War Venedig von Hutten schon in seinen Epigrammen unter dem nahe liegenden Bilde eines Frosches dargestellt worden, so erscheint nun bestimmter sein Genius als der König Pausback (Φυσίγναϧος) der Homerischen Parodie, der, nicht mehr zufrieden, die euganeischen Sümpfe zu bewohnen, auf das feste Land herüberkommt, sich in eine Löwenhaut hüllt, dazu Flügel annimmt, und sich als Marcus verehren läßt (dazu gleichfalls ein Holzschnitt). Als solcher hält er sich berufen, die römische Weltherrschaft auf Venedig zu übertragen, und macht dazu durch Gewaltthaten, Treulosigkeiten und Räubereien jeder Art einen ziemlichen Anfang. Endlich, da er in seinem Uebermuthe bis zum Himmel emporfliegen will, beauftragt Jupiter seinen Adler (wie schon oben im Epigramm), ihn zu demüthigen und in seine heimischen Sümpfe zurückzustürzen.

Daß er dem übernommenen Rechtsstudium drei Tage gestohlen, um die poetische Epistel Italiens an den Kaiser Maximilian Epistola ad Maximilianum Cæsarem Italiæ fictitia etc. Schriften I, S. 106-113. Des Kaisers Antwort von Eoban ebendas., S. 113-123. Der Brief an Gerbel ebendas., S. 105 f. zu schreiben, davon schiebt Hutten in dem Zueignungsbriefe an Gerbel die Schuld auf seinen Hausgenossen in Bologna, den Kanonikus Jakob Fuchs, der ihm damit keine Ruhe gelassen habe. Wenn er dabei sagt, er habe sich unterstanden, in einer sehr ernsten Sache zu scherzen, so ist dieß nur von der Fiction und Personification zu verstehen, deren er sich bediente; denn übrigens ist die Haltung des Gedichtes nichts weniger als scherzhaft.

Die Dame Italia schreibt an den ritterlichen Max, sie habe frohlockt, wie sie neulich vernommen, er sei von Trient aufgebrochen und rücke heran; bald aber sei sie aufs neue in Trauer versunken, als sie habe hören müssen, daß er sich wieder zurückziehe. Doch hoffe sie immer noch auf ihn, entschuldige, wie sie nur immer könne, sein Säumen, und bleibe ihm, unter mancherlei Zumuthungen, im Herzen treu. Vergebens werben Venedig und Frankreich mit glänzenden Verheißungen um sie; vergeblich suche Einer in ihrem eigenen Lande (der Papst?) sie von dem Kaiser abwendig zu machen; sie lasse sich nicht mit ihnen ein; nur durch den Kaiser wolle sie, wie vor Alters, frei und groß werden. Aber er zögere lange, und indessen habe sie böse Zeit. Jeder lege Hand an sie, ihre Gauen und Städte werden verwüstet, Rom sei von florentinischen Krämern (den Mediceern, durch Leo X.) beherrscht. Doch, wenn er nur wirklich komme, so wolle sie gerne so lange geduldet haben; aber er möge es nicht länger verschieben. Sie erinnert den Kaiser an die alten Großthaten der Deutschen gegen Rom, an die Cimbern und Teutonen und an Arminius, an Karl den Großen und die Ottonen; nicht minder aber auf der andern Seite an des alten Rom Siege und Weltherrschaft, die er als römischer Kaiser geerbt habe: wie er doch die Stadt und das Land, die ihm dieses Erbe zugebracht, im Stiche lassen könne? Auch sei sie, Italia, eine Braut, um die in Waffen zu werben wohl der Mühe lohne. Aber wie sei sie zugerichtet! Und hier kommt Hutten, nach seiner Art, den Strom seiner Beredtsamkeit durch keine strenge Disposition einzudämmen, sondern wohl auch einmal nahezu im Kreise fließen zu lassen, von neuem auf die Bedrängniß und das Verderben Italiens in Folge der Abwesenheit seines wahren Herrn zurück; wobei der Zustand Roms mit seinem stumpfen Volke, beherrscht von feigen Schreibern und sittenlosen Priestern, scharf gezeichnet wird. Wenn er es nicht bald thue, führt Italia dem Kaiser zu Gemüthe, so werden andere Fürsten ihm zuvorkommen, um die italienischen Angelegenheiten zu ordnen. Und er hätte es am leichtesten zu kommen: sein Weg gehe nicht über's Meer, sondern durch seine eigenen Reiche. Bei jedem Schritte werden neue Hülfstruppen zu ihm stoßen; er brauche gar keine Deutschen mitzubringen, könne mit italienischen Flüchtlingen und Verbannten den Krieg führen. Gewinn und Ehre seien groß; wie jetzt die Schmach und der ihr kaum erträgliche Spott, der über den Kaiser ergehe. Bei dem Ruhme seines Geschlechts, der Würde des Reichs, bei den Göttern, die ihn an seine hohe Stelle gesetzt, bei den Gebeinen seines Vaters und der Wohlfahrt seines Enkels Karl beschwöre sie ihn, endlich seine Zögerung abzubrechen; sein Erscheinen werde ihr, durch Gram und Elend halb getödtet, neues Leben schenken.

Dieses Gedicht schickte Hutten an Gerbel, der ihn um ein Lebens- und Freundschaftszeichen aus Welschland gebeten hatte; während ein Verehrer Hutten's in Bologna eine Abschrift desselben nach Wittenberg an Balthasar Fachus abgehen ließ. Anfang August schrieb Hutten an Richard Crocus, einen Engländer, der damals in Leipzig Griechisch lehrte, er möge sich das Exemplar verschaffen, und wenn er Muße habe, in Maximilian's Namen antworten; denn das wolle Hutten Andern überlassen. Die Antwort übernahm der alte Freund und Dichterkönig Eoban Hesse, jetzt Lehrer an der erfurter Hochschule, der sie auch bald darauf mit Hutten's Epistel zusammen drucken ließ.

Ihr Brief, antwortet der Kaiser der schönen Italia, habe ihn ganz in Flammen gesetzt:

Klage nicht länger: bereits schnaubt dir entgegen mein Roß.

Aber die Schwierigkeiten seien für ihn weit größer, als dieselben für seine Vorgänger gewesen, auf deren Beispiel sie ihn Hinweise.

Halte mir nimmer den Glanz der beiden Ottonen entgegen,
Deren Beginnen die Gunst besserer Zeiten genoß.
Damals waren noch nicht so viele der Herren in Deutschland,
Jeglicher setzte noch nicht über den Kaiser sich weg.
Jetzt dünkt Jeder sich selbst ein Kaiser zu sein, und so bleibt denn,
Außer dem Namen und Schein, nichts für den Kaiser zurück.
Gar oft lass' ich Befehl ausgehn und berufe den Reichstag,
Bin auch, wenn er sich trennt, tröstlicher Hoffnungen voll.
Dach stets muß ich von vorn anfangen, von neuem Versammlung
Halten: es dreht endlos sich der Berathungen Kreis.
Und indeß wir die Zeit unnütz mit Verhandeln verlieren,
Fallen wir Deutschen als Raub listigen Feinden anheim.

Dennoch habe er jetzt, fährt Maximilian fort, bei Verona einen Anfang gemacht, und gedenke ehestens zu kommen. – Allein er kam nicht, und bald mußte er auch Verona den Venezianern herausgeben, gegen eine Geldleistung, die ihn wenigstens in den Stand setzte, den Truppen ihren Sold zu bezahlen, die er zu der fehlgeschlagenen Unternehmung verwendet hatte.

Die drei Gedichte, von denen zuletzt Meldung geschehen, waren übrigens nicht die einzigen Nebenarbeiten, für welche Hutten in Bologna neben dem Rechtsstudium noch Muße fand. Daß er während dieser Zeit auch die zweite und dritte seiner Ulrichsreden verfaßte, ist oben bemerkt worden. Und nun gaben ihm die Lucianischen Schriften, die er mit seinem griechischen Lehrmeister las, noch zu einer weitern Arbeit Veranlassung. In diesen Schriften trat unserm Ritter, der sich bis jetzt in der Prosa nur der Rede- oder Briefform bedient hatte, die dialogische entgegen. Seiner lebhaften, auf Umgang und Gespräch angelegten Natur mußte diese Darstellungsart besonders zusagen. Er mußte sich gereizt finden, selbst auch etwas in dieser Form hervorzubringen. In ihr fand alles, was über den bloßen Redner hinaus Poetisches in Hutten lag, seine Unterkunft; während das, was ihm zum Dichter fehlte, in dieser Mittelform nicht vermißt wurde. Als die seiner Geistesart schlechthin angemessene war die Gesprächsform die höchste, welche Hutten für seine Production finden konnte: sie eignete er sich daher, sobald sie ihm in einem classischen Muster nahe getreten war, mit Eifer an, und hat in ihr, wie wir finden werden, seine vorzüglichsten, und weil er damit zugleich eine Lieblingsform der Zeit traf, auch wirksamsten Schriften abgefaßt.

Von hier aus können wir, in Absicht auf die Form, Hutten's Schriftstellerei in drei Perioden theilen. Die erste die poetische, von seinen frühesten epigrammatischen und elegischen Versuchen in den Jahren 1506 und 7 an, bis zum Panegyricus auf den Erzbischof Albrecht und der Epistel Italia's in den Jahren 1514 und 1516. Der Rechtshandel wider den Herzog von Würtemberg wirft ihn seit 1515 in die rednerische Form, neben welcher er auch die Briefform mit Sorgfalt ausbildet. Von 1517 an wendet er sich mit Vorliebe der Gesprächsform zu, greift aber bei Veranlassungen zur Streitrede zurück, wie er die Briefform auch ferner fleißig anbaut; lateinische Gedichte werden selten; daß wir dagegen von da an nicht wenige deutsche Reime bei ihm finden, hängt mit seiner Hinwendung zur deutschen Sprache zusammen, von der an einem andern Orte zu reden ist.

Unter Lucian's Dialogen bilden die Todtengespräche eine vorzügliche, oft nachgeahmte Partie. Und gerade für diese Form brauchte Hutten den Stoff nicht weit zu suchen. Der ermordete Vetter; dessen kürzlich verstorbener Vater; der fürstliche Mörder, der nur leider noch nicht in der Unterwelt war, wo er zu seiner Bestrafung längst hingehörte. Einen gestorbenen Tyrannen läßt auch Lucian in einem seiner Gespräche (Die Niederfahrt oder der Tyrann) in die Unterwelt gebracht werden; hier, bei Hutten, muß der lebende Tyrann hinabsteigen, um sich bei Phalaris Raths zu erholen. Dieß die Situation des Dialogs Phalarismus, den Hutten zu Bologna ausarbeitete und, während die Reden nur handschriftlich umliefen, im März 1517 im Druck erscheinen ließ. Phalarismus dialogus Huttenicus. Mense Martio 1517. Schriften IV, S. 1-25.

Das Gespräch besteht aus zwei Scenen, deren erste am Ufer des Styx zwischen Charon, Merkur und dem Tyrannen (so wird Herzog Ulrich bezeichnet) spielt. Auf Charon's verwunderungsvolle Frage, was er da für einen lebenden Menschen herunterbringe? ertheilt der Seelenführer Merkur die Auskunft: der längst verstorbene Phalaris, von dem Wunsche beseelt, auch in Deutschland, wo dergleichen bis dahin nicht vorgekommen, Tyrannen zu sehen, sei diesem schwäbischen Fürsten (persönliche Eigennamen werden vermieden) im Traume erschienen, um ihm die erforderlichen Anweisungen zu ertheilen. Ob das vielleicht der Tyrann sei, fragt hier Charon, über den sich kürzlich der Schatten eines jungen fränkischen Ritters, und bald darauf auch der seines alten Vaters, während der Ueberfahrt beklagt, und dabei die tragische Geschichte der Ermordung des jungen Ritters, zu allgemeiner Rührung der Schiffsgesellschaft, erzählt haben? Eben der, erwiedert Merkur, und nun entspinnt sich ein Streit zwischen Charon und dem Tyrannen, da dieser mit gewohntem Stolz und Trotze sich weigert, dem erstern rudern zu helfen, wozu er sich am Ende doch bequemen muß.

Von Merkur geleitet kommt hierauf der Tyrann an dem Orte der zweiten Scene, in dem Felsenthale an, wo seine vorangegangenen Vorbilder hausen. Phalaris, den er als seinen Lehrer begrüßt, ist hoch erfreut, seinen Schüler und Liebling zu sehen, der ihm zunächst Rechenschaft gibt, wie weit er in der Zwischenzeit seinen Anweisungen nachgekommen. Zu dem Ende erzählt er ihm die Ermordung des Hans Hutten: mit der schmeichelhaften Wirkung, daß Phalaris der Ueberlegenheit seines Schülers huldigt, da er selbst es nicht so weit gebracht habe, Freunde und Wohlthäter umzubringen, sondern sich auf solche, die ihm als Feinde verdächtig gewesen, beschränkt habe. Der Rache für diesen Mord, erzählt der Tyrann weiter, sei er durch einen Vertrag (den blaubeurer) entgangen, den er aber nicht halte: unter dem Vorwande, seine, zu den Baierfürsten, ihren Brüdern, entwichene Gemahlin zurückzufordern, rüste er sich zum Kriege. Im Falle des Sieges gedenke er seine ganze Grausamkeit zu befriedigen: und um sich hiezu die Fingerzeige des Meisters zu erbitten, sei er jetzt herabgekommen. Phalaris räth ihm zu seinem ehernen Stier und ähnlichen classischen Vorrichtungen; bedauert, daß dem Schüler die Kenntnisse abgehen, um die Geschichten eines Tiberius, Caligula, Nero in der Ursprache lesen zu können, doch möge er sie sich übersetzen lassen. Auch viertheilen, aus der Kanone schießen, wie neuerlich die Böhmen gethan, Hautabziehen und das Fleisch mit Salz bestreuen oder mit Essig beschütten, Hände und Füße, Zungen und Nasen abschneiden, Augen und Zähne ausreißen, sei nicht übel. Etliches davon, erwiedert der Schüler, habe er bereits in Anwendung gebracht; auch sein Wappen, das Hirschhorn, einigen aus die Backen brennen lassen. Keine Götter glauben, die Besten am eifrigsten verfolgen, fährt Phalaris fort. Das thue er längst von selbst, und brauche dazu keinen Lehrmeister, meint der andere. Nach diesen und ähnlichen Reden stellt Phalaris seinem Gaste sämmtliche Tyrannen, die um ihn sind, von Astyages und Cambyses bis Domitian, vor, gibt ihm den Auftrag mit auf den Weg, seinem Marschalk (Thumb) das Hirschhorn aufbrennen zu lassen, und zeigt ihm auch noch seinen Oheim Eberhard II., der mit einem Lieblingsaffen, bisweilen auch unter der Heerde des Pluto, Kurzweil treibt; worauf Merkur den Tyrannen zur Oberwelt zurückführt.

Daß eine so beißende Satire auf einen immer noch mächtigen Fürsten Aufsehen, und mancher Orten Anstoß, erregen mußte, läßt sich denken. In Würzburg, dessen Bischof mit dem Herzog von Würtemberg befreundet war, zerriß der Domherr Peter von Aufsäß den Phalarismus auf offenem Markte; wofür er von dem gekränkten Verfasser in einem gedruckten Sendschreiben scharf zur Rede gestellt wurde. Ulrichi Hutteni eq. Germ. ad Petrum de Aufsas Canonicum pro Phalarismo ab illo discerpto Apologia. Schriften I, S. 288-299.

Das Bewußtsein des Wagnisses, welches in der Herausgabe einer solchen Schrift lag, veranlaßte Hutten, den zahmen humanistischen Wahlspruch, dessen er sich bisher in allerhand Variationen bedient hatte, mit jenem Worte Cäsar's zu vertauschen, das seitdem in der Erinnerung der Menschen Hutten's stehendes Attribut geworden ist. Bisher hatte er unter seine Arbeiten, im Bewußtsein seines reinen Strebens, am liebsten den Spruch geschrieben: »Redlich und ohne Prunk« ( Sinceriter citra pompam), wozu er wohl auch einmal »Aus Tugendeifer« ( zelo virtutis) fügte. Auf dem Titel des Phalarismus steht zum erstenmal: Jacta est alea. In der nächsten Zeit kehrte Hutten einigemale zu seinem alten Wahlspruche zurück; sobald er aber mit dem Jahr 1520 seinen großen Kampf wider Rom begonnen hatte, war nun erst das kühne Wort vom geworfenen Würfel zu seiner rechten Bedeutung gelangt, und blieb daher fortan, bald lateinisch, bald in der Verdeutschung: »Ich hab's gewagt«, bisweilen noch durch andere verwandte Sprüche verstärkt, das stehende Motto unseres Ritters.

Doch wir kehren von dieser Abschweifung zu Hutten nach Bologna zurück. Auch hier sollte er von seinen gewöhnlichen Plagen, Krankheit und Streit, nicht verschont bleiben. Auf den drückend heißen Sommer des Jahres 1516 war ein ungewöhnlich strenger Winter gefolgt, während dessen, bei den schlechten italienischen Heizungsanstalten, die Deutschen ganz besonders litten, Hutten aber gegen Ende des Jahres schwer erkrankte. Kaum war er wiederhergestellt, als im ersten Frühling des folgenden Jahres Unruhen unter den Studenten ausbrachen. Es waren Reibungen zwischen den verschiedenen Landsmannschaften oder sogenannten Nationen. Die Deutschen waren mit den Lombarden uneins geworden; von den Tuskern, Picentern, Spaniern, Ungarn, Polen unterstützt, zogen sie mit Degen und Büchsen durch die Straßen und berannten die Häuser, in welchen die Lombarden sich verschlossen hielten. Zwei Tage dauerte der Aufstand, während dessen zwar niemand getödtet, doch einige verwundet wurden; bis es dem Statthalter gelang, die Ruhe wiederherzustellen. Da Cochläus (dessen Berichten an Pirckheimer wir diese Nachrichten verdanken) von seinen Zöglingen, den jungen Geuders, wenigstens die beiden ältern nicht von der Theilnahme an den Händeln abzuhalten wußte, so kann man sich denken, daß um so weniger Hutten gefeiert haben wird. Und nun sollte er, nachdem der Statthalter die Sache vor sein Tribunal gezogen hatte, den Sprecher der deutschen Nation vor demselben machen. Er meinte, im Verhältniß zu der Unbill, die seinen Landsleuten widerfahren war, und der Parteilichkeit, welche der Statthalter bewiesen hatte, sich noch sehr glimpflich ausgedrückt zu haben: allein dieser, ein Genuese aus dem Hause Fiesco, war entgegengesetzter Ansicht, und zeigte sich so aufgebracht, daß Hutten für gut fand, zu verreisen. S. Hutten's Brief an Erasmus, Schriften I, S. 146. Die oben erwähnten Berichte des Cochläus s. ebendas., S. 129. 132. Auch noch von anderer Seite hatte ihm ein unvorsichtiges, wenn auch unverfängliches Wort Verdruß gebracht. Er hatte von Franz Maria, den Leo X. zu Gunsten eines Nepoten aus seinem Lande vertrieben hatte, als von dem Herzog von Urbino gesprochen. Das war aber vom Papste verboten, und so wurde Hutten als thatsächlich dem Banne verfallen betrachtet. So erzählte er später in seiner Türkenrede. Die folgenden Nachrichten sind dem angef. Briefe Hutten's an Erasmus entnommen, womit noch ein Brief des Baptista Egnatius an denselben, Hutten's Schriften I, S. 135, zu vergleichen ist.

Er begab sich zunächst nach Ferrara, wo er die Bekanntschaft des neunundachtzigjährigen Nikolaus Leonicenus machte, der, ebensowohl durch seine Mäßigkeit als seine Gelehrsamkeit berühmt, daselbst Redekunst, Philosophie und Medicin lehrte, und, als der letzte aus der Generation der großen italienischen Humanisten des 15. Jahrhunderts, erst ein Jahr nach Hutten starb. Mit diesem, wie mit Cölius Calcagninus und einem Lehrer der griechischen Sprache, Antimachus, war, außer der Sache der bessern Wissenschaften, die beiderseitige Bekanntschaft mit Erasmus noch ein besonderer Anknüpfungspunkt.

Nur wenige Tage weilte Hutten in Ferrara, da zwei Vettern, die im Begriffe standen, nach dem heiligen Lande unter Segel zu gehen, ihn nach Venedig beriefen. Hier zeigte sich, wie das Gemeingefühl der, Humanisten in allen Landen stärker war als die politisch nationalen Gegensätze. In seiner Aufmahnung an den Kaiser zum Kriege wider Venedig, in seinem Sendschreiben Italiens an denselben, – das Stärkste, wie der Marcus, die Fischerei der Venezianer und die Epigramme an Maximilian, war freilich noch ungedruckt – aber auch dort schon hatte sich Hutten höchst feindselig gegen Venedig geäußert. Dessenungeachtet fand er gerade in Venedig, damals einem Mittelpunkte der humanistischen Bestrebungen, eine Aufnahme, so freundlich und schmeichelhaft, als sie ihm auf allen seinen Reisen nicht zu Theil geworden war. Erst trat er bei dem, als Staatsmann wie als Gelehrten berühmten Baptista Egnatius ab, dem er Grüße von Erasmus brachte, und der ihn, zunächst um dieser Empfehlung, bald aber um seiner selbst, seiner Bildung und Liebenswürdigkeit willen, sehr freundschaftlich behandelte, mit seiner Horazausgabe beschenkte, und ihm für Erasmus einen Brief und ein Exemplar seiner Caesares nebst einigen andern Schriften auf den Heimweg gab. Auf die Kunde von Hutten's Ankunft fanden sich gebildete Jünglinge aus den ersten Häusern, Contarini, Bragadini, auch ein gleichnamiger Neffe des berühmten Hermolaus Barbarus ein, die ihn in der Stadt herumführten, ihren Bekannten zeigten, und endlich in das Haus des gelehrten Buchdruckers Asulanus brachten. Dieser hatte wenige Jahre zuvor seinen berühmtern Schwiegersohn Aldus Manutius verloren; aber sein Sohn Johann Franz und andere gelehrte Hausgenossen wurden herbeigerufen, und sein Enkel, der fünfjährige Aldus Manutius, mußte den gelehrten Ankömmling mit einem Kuß empfangen; auch wurde seine Büchersammlung durch Ausgaben von Sueton und den spätern Geschichtschreibern der römischen Kaiser, von Cicero's Officien und der schon genannten Schrift des Egnatius de Caesaribus bereichert.

Die Vettern, welche den Ritter nach Venedig beschieden hatten, sprachen ihm zu, die Reise nach dem Morgenlande mitzumachen; dergleichen Wallfahrten waren noch immer nicht aus der Mode gekommen; nach des Cochläus Briefen an Pirckheimer war es Crotus Rubianus, der ihn zurückhielt. Dieser Freund war um jene Zeit gleichfalls in Italien angekommen. Seine Stellung in Fulda war nichts weniger als glänzend gewesen; und nun sollte er auch noch seine einzige Stütze daselbst, den Abt Hartmann, verlieren. Den mäcenatischen Kirchenfürsten brachten hochfliegende Entwürfe und verschwenderischer Haushalt in Zerwürfnisse, die in demselben Jahre 1517 seine Vertreibung, später seine Abdankung zur Folge hatten. So nahm Crotus wieder eine Erzieherstelle bei jungen Adelichen, dießmal aus dem ihm und Hutten befreundeten Hause Fuchs, an, mit denen er nach Italien ging, und nun mit Hutten, wie es scheint, in Venedig zusammentraf. Durch den verständigen Freund von der phantastischen Reise abgehalten, kehrte Hutten erst nach Bologna zurück, wo er am Abende des 25. Juni ankam, und nach kurzem Aufenthalte ganz insgeheim, um Nachstellungen zu vermeiden, am 27. oder 28. Juni, seine Rückreise nach Deutschland antrat.

Cochläus, der übrigens in letzter Zeit eine Entfremdung Hutten's zu spüren meinte, gab ihm Briefe an Pirckheimer in Nürnberg und an verschiedene Bekannte in Augsburg und Ingolstadt mit, bei denen er ihn einführen wollte; den erstern bat er nach Hutten's Wunsche, diesen nicht mit dem gewöhnlichen Nürnberger Prunk aufnehmen zu wollen, da er nicht seinen leckern Mahlzeiten, sondern seiner gelehrten Unterhaltung zuliebe den Umweg über Nürnberg zu machen gedenke. Daß es gerade Cochläus war, bei welchem Hutten noch am Tage vor seiner Abreise die Schrift von Laurentius Valla über die erdichtete Schenkung Konstantin's sah, mit deren Herausgabe er nach seiner Heimkunft seinen Feldzug gegen Rom eröffnete, ist ebenso merkwürdig, als daß Cochläus damals zwar wegen der Herausgabe ängstlich, übrigens mit dem Inhalte der Schrift vollkommen einverstanden war. Wir kommen seiner Zeit auf dieselbe zurück: hier können wir es unmöglich länger verschieben, über den Reuchlin'schen Streit, an welchem Hutten auch schon früher, ganz besonders aber jetzt in Italien, Antheil genommen hatte, im Zusammenhange Gericht zu geben.


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