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Fünftes Kapitel.
Hutten fängt an deutsch zu schreiben.

1520. 1521.

Noch in dem Sendschreiben an die Deutschen aller Stände, mithin Ende September 1520, hatte sich Hutten als auf einen Beweis, wie wenig es ihm um gewaltsamen Umsturz zu thun gewesen, darauf berufen, daß er bisher lateinisch geschrieben habe, um die zu reformirenden Kirchenhäupter erst gleichsam unter vier Augen zu verwarnen, und nicht gleich das gemeine Volk in die Mitwissenschaft zu ziehen: ob er gleich, hatte er hinzugesetzt, das letztere zu thun, mehr als genug Anlaß gehabt hätte. Noch war das Jahr nicht zu Ende, als er diesem Anlaß Folge gab, und deutsch zu schreiben begann.

Latein ich vor geschrieben hab,

sagt er in einer sogleich näher zu besprechenden Schrift,

Das war eim jeden nit bekannt;
Jetzt schrei ich an das Vaterland,
Teutsch Nation in ihrer Sprach,
Zu bringen diesen Dingen Rach.

Mit alleiniger Hülfe der Lateinverständigen, das war dem Ritter nunmehr klar geworden, ließ eine kirchlich-politische Reformation, wie er sie bezweckte, sich nicht herbeiführen. Denn die einen von jenen, die Kirchenhäupter, suchten sie zu hindern; die andern, die Humanisten, waren nicht stark, nicht entschlossen genug, sie recht zu fördern. Man brauchte mindestens noch das Schwert des Ritterstandes, das Gewicht der Städte, um auf Erfolg rechnen zu können: aber zu beiden mußte deutsch gesprochen werden, da unter den Rittern bei weitem die Mehrzahl im Falle Sickingen's war, für den Hutten vor bald zwei Jahren sein Gespräch Febris hatte verdeutschen lassen, und auch in den Städten die Peutinger und Pirckheimer zu den Ausnahmen gehörten. Wie unermeßlich aber, bei der tiefen Erregung jener Zeit, durch deutsche Schriften zu wirken war, sah Hutten an Luther's Beispiel vor Augen, der eben damals durch seine Schrift an den christlichen Adel deutscher Nation alle Schichten des deutschen Volkes aufgeregt hatte. Dazu kam für Hutten jetzt noch ein zweiter Grund. Er mußte zu seiner eigenen Rechtfertigung wünschen, daß der ungelehrte Ritter und Bürger seine Schriften nicht blos aus den entstellenden Berichten der Pfaffen kennen lernen möchte. Eines wie das andere war nur zu erreichen, wenn er selbst dem gemeinen Manne theils seine angefochtenen lateinischen Schriften in deutscher Uebersetzung vorlegte, theils, da Uebersetzungen immer nur halb wirken, neue, ursprünglich deutsch gedachte Schriften hinzufügte. Beides that er, und eben in der letztern Art gelang ihm, kaum daß er den Entschluß zur deutschen Schriftstellerei gefaßt hatte, ein Meisterstreich.

Wir meinen seine gereimte Klag und Vermahnung gegen den unchristlichen Gewalt des Papstes und der ungeistlichen Geistlichen Clag vnd vormanung gegen dem übermässigen vnchristlichen gewalt des Bapsts zu Rom, vnd der vngeistlichen geistlichen, durch herren Vlrichen von Hutten, Poeten vnd Orator, der gantzen Christenheit vnd zuuoran dem vatterland Teutscher Nation zu nutz vnd gut, von wegen gemeiner beschwernuß, vnd auch seiner eigen notturfft, in Reymens weyß beschriben. Jacta est alea. Ich habs gewagt. – Auf der Rückseite des Titelblatts des Ritters bekränztes Brustbild, darüber: Dirumpamus vincula eorum & proiiciamus a nobis iugum ipsorum. Schriften III, S. 473-526., die jedenfalls schon zu Anfang Decembers 1520 gedruckt war, da Hutten sie am 9. an Luther schickte, und bereits über die Aufregung berichtete, die sie unter den Pfaffen hervorgebracht habe. Als den nächsten Anlaß zu ihrer Abfassung und dem heftigen Tone, worin sie geschrieben ist, gibt Hutten das Geschrei der Curtisanen über sein Sendschreiben an die Deutschen aller Stände an, auf dessen Grund sie ihn für einen Feind aller Geistlichkeit, für einen Menschen ausgaben, vor dem man sich in Acht nehmen müsse, und den zu erstechen ein Verdienst wäre. Enndtschüldigung etc. Schriften II, S. 131. Der Reime ungeachtet, ist diese Schrift nicht als Poesie, sondern wie eine von Hutten's Reden zu betrachten, mit denen sie auch die meisten Eigenschaften theilt. Auch hier läßt sich Hutten ganz gehen, kommt von einem auf das andre zu reden, wie es ihm eben einfällt, scheut Wiederholungen keineswegs u. dgl. m. Was ihn aber verhindert, sich an eine feste Disposition zu binden, ist auch hier etwas, wodurch er diesen Mangel reichlich ersetzt: die Wärme, die Herzlichkeit, stellenweise der Ungestüm seiner Empfindung und Rede, welche den Leser desto gewisser fortreißt, je weniger sie ihn logisch zu belehren Miene macht. In dringender, stürmender, mit immer neuen Stößen zusetzender Ermahnung ist Hutten ein unvergleichlicher Meister. Als solchen haben wir ihn schon in seinen lateinischen Reden wie in einzelnen Stellen seiner Dialoge erkannt: hier bringt nun aber die deutsche Sprache auf ihrer damaligen kindlichen Entwicklungsstufe und der schlichte Meistersängersreim noch einen weitern Zug von höchster Wirkung herein: die Treuherzigkeit. Es sind Stellen in dem Gedichte, wo man so recht spürt, wie der Mensch in Hutten von dem Eifer für die Sache, der er sich ergeben hat, wie die Kerze von der Flamme verzehrt wird, und die eben dadurch überaus rührend wirken. Ihrem Inhalte nach ist die Klag und Vermahnung die Zusammenfassung alles dessen, was Hutten jemals gegen die ultramontane Ausbeutung Deutschlands und das Verderben der Kirche geschrieben hatte; die Beschwerde über die neuestens gegen ihn verhängte Verfolgung geht nebenher; die steigende Einwirkung von Luther's Ideen ist unverkennbar; das Vertrauen auf Kaiser Karl ist noch nicht dahin; auf die Städte, die eine besondre Empfänglichkeit für die Reformation zeigten, fängt, neben dem Ritterstande, die Aufmerksamkeit und Hoffnung sich zu richten an. Randanmerkungen, welche theils den Inhalt im Einzelnen angeben, theils die im Text angezogenen Bibelstellen nachweisen, vollenden ebenso die Volksthümlichkeit des Büchleins, wie sie dessen poetischen Schein vollends zerstören.

Hutten (so leitet das Gedicht sich ein) fühlt sich gedrängt, die Wahrheit zu sagen, Klage zu erheben über Irrthümer und Gebrechen, durch welche die deutsche Nation beschwert und die Sitten verderbt werden. Die verblendete Menschheit (das ist ihm nicht unbekannt) wehrt sich gegen nichts so eifrig, als gegen die Wahrheit und deren Verkündiger: daher ruft er Gott an, er möge die Menschen, insbesondre die Fürsten, durch seinen Geist erleuchten, daß sie Religion von Aberglauben, Christenthum von Pfaffenthum unterscheiden lernen. Er selbst hält sich an den Trost, daß die Verfolgungen, die um seines Wahrheitszeugnisses willen über ihn ergehen, nur den Leib betreffen, die Seele aber nicht tödten können. Von der Unterscheidung des Geistlichen und Weltlichen, der Hinweisung auf das Uebergreifen des Papstes und der Klerisei in das letztere, geht dann die eigentliche Darstellung aus. Herrschaft, Reichthum, Wohlleben, wornach jetzt die Päpste und Kirchenhäupter vor allem trachten, sind ihrem ursprünglichen Berufe fremd. Nacheinander werden dann Schlüsselgewalt und Ablaß, Türkenkrieg und Peterskirche, Pallienhandel und Curtisanenwesen, kurz alle die bekannten Klagepunkte gegen die römische Curie, aufs neue durchgenommen. Vortrefflich verwerthet Hutten, um die päpstliche Wirthschaft recht lebendig zu malen, seine eigenen römischen Anschauungen.

Doch soll man wissen und ist wahr,
Es seint vergangen etlich Jahr,
Da wollt ich Rom erkennen auch,
Und was da wär der Römer Gbrauch.
Wie möcht ich hie von aller Schand
Verzählung thun, die ich da fand?
Man sicht dergleich in keinem Land.
Und nit allein was Ander thun,
(Als dann die Welt sich ärgert nun)
Mit Sünden, die da seind gemein:
Viel Sachen Rom betreibt allein,
Der etlich wider menschlich Art
Und all natürlich Weis gekart.
Sonst hab ich gsehen große Schaar
Die Gassen treten hin und dar,
Viel Esel und viel stolzer Pferd,
Der etlich viel Ducaten werth,
Und sein gezäumet auf mit Gold;
Oft, wenn ich auch spazieren wollt,
So kam ich mitten ins Gepräng,
Von dem die Gassen waren eng
Und dieser Reuter gsticket vol,
Daß ich von Glück mag sagen wol,
Daß mich kein Esel trat zu todt,
Wiewol ich hab gelitten Noth.
Da ritten her die Cardinäl,
Den folgten nach Officiäl,
Aebt, Bischöf und Prälaten viel,
Die ich nit nennen kan noch will,
Viel Dechant, Pröpst und ander Gschmeiß,
Von den ich viel zu sagen weiß,
In Seiden, Purpur all gekleidt,
Mit Schauben, Kutten ausgebreidt.
Dann kam der Bapst zu dieser Schaar,
Auf einer wolgeschmückten Bahr,
Den trugen zwölf Trabanten her,
Als ob er möcht nit gehen mehr;
Da mußt man schreien vive laut,
Hofieren der geflenten [d. h. geputzten] Braut:
Drum gibt er Benediction,
Da wird man reich und selig von.
Sag einer nun, wo Gottheit sei,
Ob Christus auch mög wohnen bei,
Da ist ein so tyrannisch Pracht?

Dann in der Beschreibung des Aufzugs weiter:

Da liefen viel Copisten mit,
Viel tausend Schreiber, auch ein Glied
Der Kirchen, die zu Rom regiert;
In dem jetz mancher Christen irrt,
Dann nicht zu Rom die Kirch allein,
All Christen sein das in gemein …
Noch hab ich gsehen lang Proceß,
Ein Volk, der Frommkeit ungemäß:
Viel schöner Frauen, wohlgekleidt,
Die jedem sein ums Geld bereit;
Mit den der Rüffianer Heer,
Von den kein Gaß in Rom ist leer;
Manch Advocat und Auditor,
Notarien und Procurator,
Die Bullen geben, sprechen Recht,
Der jeder hat sein Gsind und Knecht,
Darunter ist manch wild Gesell,
Den heißt man Cursor, den Pedell,
Die auch ein Glied der Kirchen sein
Zu Rom, und nehmen täglich ein
Von Teutschen unser Schweiß und Blut.
Ist das zu leiden? und ists gut?
Ich rath, man geb ihn'n fürder meh
Kein Pfennig, daß sie Hungersweh
Ersterben und durch Armuths Noth,
Daß nit, zuwider Ehr und Gott
Solch unnütz Volk auf Erden leb.

Ist letzteres ein uns schon bekannter Hutten'scher Vorschlag, so ist der Gedanke, daß die Kirche keineswegs blos in Rom zu suchen, sondern überall zu finden sei, wo eine Versammlung gläubiger Christen sich befinde, durch Luther's Schriften in Hutten zum Bewußtsein gekommen. Was weiterhin ausgeführt wird, daß alle Bischöfe gleichen Ranges seien, und die Gewalt des römischen ebenso mit dem Bezirke von Rom, wie die des mainzischen oder würzburgischen mit den Gränzen dieser Gebiete ein Ende habe, war schon im Vadiscus angedeutet. Die Wahl der Bischöfe will Hutten dem Volke zurückgegeben wissen, das dabei mehr auf geistliche Eigenschaften sehen werde als der Papst, dem,

Wenn man ihm's Geld hinein hat bracht,
So leb ein Bischof wie ein Kuh,
Da geht dem Bapst nichts ab noch zu.

Die Bischöfe sind jetzt Jäger, Krieger, tüchtige Schwelger; das Predigen hängen sie an einen armen Knecht. Dagegen werden rechtschaffene Priester, die dem Volke das Wort Gottes auslegen könnten, nicht befördert.

Ganz besonders findet sich Hutten's patriotisches Herz dadurch empört, daß alle diese Mißbräuche vorzüglich auf dem deutschen Volke lasteten. Die Italiener, sagt er, denken nicht daran, für die Peterskirche zu steuern, oder Dispens von den Fastengeboten zu kaufen.

Allein die Teutschen Narren sein.
Das thut mir weh und macht mir Pein.

Die deutschen Fürsten ködere der Papst mit goldenen Rosen, und noch keiner habe sich gefunden, der den Trug gemerkt, und die Rose wider die Wand geworfen hätte. Doch hofft Hutten Besseres von König Karl. Ihn bittet er, ihm gnädig, zuzuhören; alles, sagt er, was ich in diesen Dingen thue,

Soll gschehen als zu Ehren dir.
Dann sonst nit wolt gebühren mir,
Im Reich Aufruhr zu heben an.
All freie Teutschen ich vermahn,
Doch dir zu Unterthänigkeit
Zu sein in diesem Schimpf bereit,
Daß gholfen werd dem ganzen Land,
Und ausgetrieben Schad und Schand.
Des sollt ein Hauptmann du allein,
Anheber, auch Vollender sein.
So will mit allem das ich mag
Zu Dienst dir kommen Nacht und Tag,
Und bgehr von dir des keinen Lohn.
Möcht ich allein erlebet hon,
Daß würd gelegt Beschwernus ab,
Von der ich viel geschrieben hab:
In Armuth wöllt ich sterben gern,
Auch alles eigen Nutz entbehrn.
So soll man auch hierin kein Ehr
Mir schreiben zu, du bist der Herr,
Und was hierin gehandelt wird,
Durch das dein Lob soll werden gziert.
Drum hab ein Herz und schaff ein Muth!
Ich will dir wecken auf zu gut
Und reizen manchen stolzen Hild;
Habs schon ihr vielen eingebildt,
Und fehlt allein an deim Gebot.
Hilf, werther König, es ist Noth!
Laß fliehen aus des Adlers Fahn,
So wollen wir es heben an.

In der frühern dunkeln Zeit wurde jeder, der für die Wahrheit zeugte, unterdrückt: so zuletzt noch Huß und Hieronymus verbrannt.

Seither hat niemand gwöllt hinnach,
Und forchten all des Feuers Pön:
Bis jetzo unser rüffen Zween [Luther u. Hutten].
Wer weiß, was jedem ist bescheert?

Doch hofft er, man werde ihn nicht im Stiche lassen.

Den stolzen Adel ich beruff;
Ihr frommen Städt euch werfet uff:
Wir wöllens halten ingemein,
Laßt doch nit streiten mich allein,
Erbarmt euch über's Vaterland,
Ihr werthen Teutschen regt die Hand!
Itzt ist die Zeit, zu heben an
Um Freiheit kriegen. Gott wills han.
Herzu, wer Mannes Herzen hat,
Gebt vorder nit den Lügen Statt,
Damit sie han verkehrt die Welt.
Vor hat es an Vermahnung gfehlt,
Und einem der euch sägt den Grund,
Kein Lay euch damals weisen kund,
Und waren nur die Pfaffen glehrt.
Jetzt hat uns Gott auch Kunst bescheert,
Daß wir die Bücher auch verstahn!
Wolauf, ist Zeit, wir müssen dran …
Wir haben aller Sachen Fug,
Gut Ursach und derselben gnug.
Sie haben Gottes Wort verkehrt,
Das christlich Volk mit Lugen bschwert:
Die Lugen wölln wir tilgen ab,
Uff daß ein Licht die Wahrheit hab,
Die war verfinstert und verdämpft.
Gott geb ihm Heil, der mit mir kämpft,
Das, hoff ich, mancher Ritter thu,
Manch Graf, manch Edelmann dazu,
Manch Burger, der in seiner Stadt
Der Sachen auch Beschwernus hat,
Auf daß ichs nit anheb umsunst.
Wolauf, wir haben Gottes Gunst!
Wer wollt in Solchem bleiben dheim?
Ich habs gewagt! das ist mein Reim.

Hutten selbst sagt von dieser Schrift, er habe sie »in einer Hitze (über die Mißdeutung seines Klagschreibens an alle Deutschen) ausgehen lassen«, und nennt sie einen »zornigen Spruch«: kein Wunder, daß seine geistlichen Gegner der Meinung waren, er habe in derselben alle Grenzen der Ehrbarkeit überschritten, und daß ihnen keine Strafe dafür scharf genug dünkte. Sie ließen nun jenes Sendschreiben fahren, und warfen sich auf die gereimte Klage, die ihnen weit mehr Stoff bot, um Haß gegen Hutten zu erregen. Wie er sich nach einiger Zeit bemüßigt sah, eine eigene Schutzschrift zur Ablehnung dieser Beschuldigungen zu verfassen, werden wir bald finden.

War in der so eben erörterten Schrift, neben dem Kerne des deutschen Volkes, auch auf den jungen Kaiser Karl gerechnet, so setzte Hutten um dieselbe Zeit gleichsam eine eigene Instruction für ihn über den Punkt, um den es vor allem zu thun war, auf, in der Kurzen Anzeig, wie allwegen sich die Päpst gegen den deutschen Kaisern gehalten haben. Herr Vlrichs von Hutten anzöig Wie allwegen sich die römischen Bischöff oder Bäpst gegen den teütschen Kayßeren gehalten haben, vff dz kürtzst vß Chronicken vnd Historien gezogen, K. maiestät fürzubringen. Ich habs gewagt. Schriften V, S. 363-384. Bedenkt man, daß Karl nicht selbst Deutsch lesen konnte, daß auf dem Titel der Schrift steht: K. Majestät fürzubringen, und daß Franz von Sickingen damals häufig am Hofe war, bei Karl viel galt und sich Einfluß auf denselben zutraute Hutten an Luther, Ebernburg, 9. Dec. Schriften I, S. 436., so könnte man sich Sickingen als denjenigen denken, der nach Anleitung des von seinem Freunde aufgesetzten Geschichtsabrisses bei guter Gelegenheit den jungen Herrscher instruiren sollte.

Glücklich ist, sagt die Vorrede, wer durch fremden, nicht unglücklich auch, wer durch eigenen Schaden klug wird; wer aber durch keines von beiden sich witzigen läßt, dem ist nicht zu helfen und geschieht im Grunde auch sein Recht. Was er vom Papste für Liebes und Gutes, für Treu und Glauben zu erwarten habe, davon hat Kaiser Karl theils an sich selbst schon die Erfahrung gemacht, theils wird ihm hier aus den Geschichten seiner Vorgänger in Erinnerung gebracht, wie es denen mit den Päpsten ergangen ist. Als Ergebniß stellt sich heraus, »daß keinem deutschen Kaiser von Päpsten, es wäre denn zu ihrem eigenen Nutzen geschehen, Gleiches (Billiges) je widerfahren ist«, sondern sie von denselben immer nur betrogen, verrathen, mit Undank belohnt, oder sonst mißhandelt worden sind.

Der geschichtliche Abriß geht von Otto I. bis auf Maximilian und Karl herunter. Der Kampf des »werthen Helden Heinrich's IV., deßgleichen in deutschen Landen nie geboren«, mit Gregor VII.; »des auserwählten Degens Friderich's I., der nach Heinrich IV. für den allerstreitbarsten deutschen Kaiser, so je gelebt, zu achten«, mit Alexander III.; Friderich's II., »der sich sein Leben lang mit den Päpsten hat müssen beißen«, mit drei Päpsten nacheinander; Heinrich's VII. rätselhaftes Ende, bilden Hauptpunkte dieses Geschichtsspiegels. Als ein abschreckendes Beispiel erscheint auch hier, wie immer bei Hutten, Karl IV., »der sich ganz weibisch finden lassen«, indem er sich vom Papst aus Rom und Italien weisen ließ, auch sonst unehrenhafte Bündnisse mit demselben einging. Friedrich den III., Karl's V. Urgroßvater, muß Hutten schonen: so leitet er seinen Unwillen auf den Papst ab, mit dem jener es zu thun hatte, »den alleruntreuesten unter allen Päpsten, die je gelebt, Pius den Andern«. Er habe die Beschwerung der deutschen Nation auf ihre jetzige Höhe getrieben, die Annaten, Preise der Pallien u. dgl. gesteigert, auch die Appellation von dem Papst an ein Concilium verboten. Von Maximilian wird der Ausspruch angeführt, zu dem ihn kurz vor seinem Ableben eine Treulosigkeit Leo's X. veranlaßte: »Nun ist dieser Papst auch zu einem Böswicht an mir worden. Nun mag ich sagen, daß mir kein Papst, so lang ich gelebt, je Treu oder Glauben gehalten hat; hoff, ob Gott will, dieß soll der letzte sein.« Des ihn auch Gott gewährt, setzt Hutten hinzu, denn Gott hat bald darnach über ihn geboten.

Daß der gegenwärtige Papst auch auf den gegenwärtigen Kaiser Karl sein Absehen habe, erhelle daraus, daß er einen Legaten über den andern zu ihm schicke, ihn auch mit Bischöfen und Cardinälen, die im päpstlichen Interesse stehen, so ganz behänge, daß er nicht wisse wo aus und ein. Da gelte es, aufzumerken, denn Karl dürfe nicht glauben, daß die Päpste ihm mehr, als anderen Kaisern vor ihm, Glauben halten werden. Bereits habe er, auf die Beschwerden der deutschen Fürsten hin, sich eine Reformation vorgenommen: von solchem guten Vorhaben suchen der Papst und die Seinigen ihn abzubringen; gelänge das, so lachten sie in die Faust. Darum müsse man den Kaiser unterweisen, daß er sich nicht durch des Papstes gute Worte bewegen lasse, die Männer, die zu solchem heilsamen Werke rathen, zu verfolgen. Denn eben darin bestehe das Glück, das er vor frühern Herrschern voraus habe, daß jetzt Leute vorhanden, die aus Grund der Schrift dieser Sachen berichtet seien und den Kaiser darüber berichten können; der sie daher billig nicht verhindern lassen, sondern fördern und unterstützen sollte.

Wenn Karl damals, wie Hutten an Luther schrieb In dem zuletzt, S. 378 angeführten Brief., Franzen die Zusage gab, er werde Hutten nicht unterdrücken lassen, noch ungehört verdammen, so könnte dieß das Ergebniß ähnlicher Vorstellungen gewesen sein.

Neben den neuen, ursprünglich deutschen Schriften, von denen bisher die Rede gewesen, arbeitete nun aber Hutten zugleich an der Uebersetzung derjenigen von seinen lateinischen, welche in den von ihm begonnenen Kampf gegen Rom einschlugen. Zuerst übersetzte er (vielleicht mit Hülfe Bucer's, der wenigstens später ihm dergleichen Dienste leistete), sein Klagschreiben an die Deutschen aller Stände Ein Clagschrift des Hochberümten vnd Eernuesten herrn Vlrichs von Hutten gekröneten Poeten vnd Orator an alle stend Deütscher nation, wie vnformlicher weise vnd gantz geschwind, vnersucht oder erfordert einiges rechtens, Er mit eignem tyrannischen gewalt von den Romanisten an leib, eer vnd gut beschwert vnd benötiget werde. Ein grosses dingk ist die warheit, vnd starck über alle. 3 Esdrä 4. Schriften I, S. 405-419. In Betreff Bucer's vgl. seinen Brief vom April 1521 in Hutteni Opp. Suppl. II, S. 806.; wobei er in einer Nachschrift sein Vorhaben ankündigte und dessen Gründe darlegte. Er habe in Erfahrung gebracht, sagt er hier, daß Etliche seine Schriften bei den Unverständigen übel auslegen, und anders als sie an ihnen selbst verstanden werden wollen, verdeutschen. Um sich nun bei jedermann alles Verdachts zu entledigen, und auch dem gemeinen Mann erkennbar zu machen, wie billig oder unbillig er gehandelt, und ob er dem Papst und seinen Romanisten Ursach gegeben habe, ihn zu verfolgen, habe er sich vorgenommen, alle seine in Latein geschriebenen Bücher, in denen, wie er jetzt erst sehe, dem Papste von ihm nicht zu Gefallen gelebt sei, in die deutsche Sprache, so gut er immer könne und es sich schicken wolle, zu übersetzen. Denn er trage ganz keinen Abscheu, begehre vielmehr von Herzen, daß jedermann Wissen habe, welches die Braut sei, darum man ihm zu tanzen zugemuthet. Auch zweifle er nicht, wenn diese seine Schriften nächstens ins Deutsche kommen, werde man finden, daß er anders nicht denn ehrbarlich, ehrlich und als ein Frommer von Adel, nicht ungebührlich, geschrieben habe. Das habe er, seiner Nothdurft nach, zuvor anzeigen und verkünden wollen.

Wie dieses Unternehmen Hutten's einem Zeitbedürfniß entgegenkam, und welche Sympathien er sich in dem bessern Theile des deutschen Volkes bereits gewonnen hatte, sehen wir daraus, daß ungefähr um dieselbe Zeit ein »unbekannter Liebhaber der göttlichen Wahrheit und des Vaterlandes« sich daran machte, die sämmtlichen Klagschreiben Hutten's in das Deutsche zu übersetzen und mit einem Vorworte voll warmer Zustimmung zu begleiten. »Wohlauf«, ruft der Unbekannte allen Deutschen zu, »es ist Zeit, daß wir unsre jetzo langher verlorene Freiheit wiederum zu erlangen suchen. Hier (in Hutten) habt ihr den rechten Anreizer, der uns, ob Gott will, die großen Häupter, als Kaiser, Fürsten und den Adel, zu Hülf in dieser Sache erwecken soll. Dazu und zu andrem seinem löblichen Fürnehmen geb ihm Glück und Heil der allmächtig Gott, welchem zu Ehren, wie uns allen zu Nutz und Gut, er dieses ohne Zweifel fürgenommen hat. Um gemeinen Nutzens willen, fährt er fort, hab' ich etliche seiner Schriften, wie mir die zu Händen kommen, aus dem Latein in's Deutsche transferirt, so viel als die Zier lateinischer Sprach (die in etlichem nicht zu verdeutschen ist) hat leiden mögen. Gott geb' euch allen viel Heiles und ein beständig fest Gemüth, christliche Wahrheit und Freiheit des Vaterlandes zu verfechten. Hieneben lasset euch den frommen Hutten befohlen sein. Trotz Romanist!« Hutten's Schriften I, S. 371.

Hutten seinerseits ließ der Uebersetzung des angezeigten und noch eines andern seiner Klagschreiben Die verteutscht clag Vlrichs von Hutten an Hertzog Fridrichen zu Sachsen, des heil. Ro. Reichs Ertzmarschalck und Churfürsten etc. Schriften I, S. 383-399. eine Übertragung jener Gespräche folgen, die er im vergangenen Frühjahr lateinisch herausgegeben hatte. Es sind die beiden Fieber, der Vadiscus oder die römische Dreifaltigkeit und die Anschauenden Gespräch büchlin herr Vlrichs von Hutten. Feber das Erst. Feber das Ander. Wadiscus oder die Römische dreyfaltigkeit. Die Anschawenden. Schriften IV, S. 101 ff.: die Fortuna vermissen wir in der Uebersetzung, ohne Zweifel weil ihr Inhalt mehr persönlicher Art, mit Reformatorischem nur beiläufig durchflochten war, während Hutten hier nur das schwere Geschütz gegen Rom noch einmal auffahren wollte. Diese Absicht zeigt schon die merkwürdige Verzierung des Titelblattes. Die Worte des Titels stehen in einem Viereck, das von vier bildlichen Darstellungen umgeben ist. Oben (rechts dem Beschauer) über Wolken der König David mit seiner Harfe, der auf einer Tafel die Worte des 94. Psalms V. 2 (lateinisch): Erhebe dich, der du richtest den Erdkreis, zahle Vergeltung den Stolzen! dem bärtigen Gott Vater (links) vorhält, welcher auch schon zürnend abwärts blickt und den Pfeil erhebt, um ihn auf die Erde hinabzuschleudern. Auf beiden Seiten des Titels sind zwei Standbilder: links Luther in der Mönchskutte, ein Buch in der Hand, mit der Unterschrift aus Proverb. 8, v. 7: Veritatem meditabitur guttur meum; rechts Hutten im Harnisch und mit dem Degen umgürtet, unter ihm sein Wahlspruch: Perrumpendum est tandem, perrumpendum est. (Diese beiden Standbilder stehen noch einmal am Ende des Buchs mit deutschen Reimen als Unterschriften; bei Luther: Wahrheit die red ich, Kauf des Neid an mich. Gott geb mir den Lohn, Hab ichs falsch gethon. Bei Hutten der schöne Vers: Um Wahrheit ich ficht, Niemand mich abricht; Es brech oder gang, Gotts Geist mich bezwang.) Das lustigste Bild aber ist das unter den Titelworten. Da rennt links ein heller Haufe Gewappneter, Reiter und Fußgänger, mit vorgestreckten Spießen auf eine ebenso dichte Schaar von Pfaffen aller Art ein, die sich (rechts), der Papst mit der dreifachen Krone im Vordergrund, hinter ihm ein Cardinal, Bischof, Abt, Kappen und Kutten jeder Form, gar jämmerlich gebärden. Ueber dem Bilde die Worte aus Psalm 26, 5: Odivi ecclesiam malignantium.

Wie schon früher die Uebersetzung des ersten Fiebers, so widmete Hutten jetzt auch die sämmtlicher vier Gespräche »dem edeln, hochberühmten, starkmüthigen und ehrenvesten Franz von Sickingen, Kaiserlicher Majestät Rath, Diener und Hauptmann, seinem besondern vertrauten und tröstlichen guten Freunde«. Wir kommen auf diese Zueignung später zurück, von deren Inhalte wir hier nur das ausheben, was die Uebersetzung betrifft, von welcher Hutten sagt, daß er sie »nächst verschiener Tagen (vor Neujahr 1521) in der Gerechtigkeit Herbergen eilends und ohne größern Fleiß« gefertigt habe. Was Hutten von dem ersten Fieber gesagt hatte, daß es »im Latein viel lieblicher und künstlicher denn im Deutschen laute«, trifft freilich auch bei den übrigen Gesprächen zu, und hatte theils in der Sache, theils in der Person des Uebersetzers seinen Grund. Jenes, weil ein Werk, in einer ausgebildeten Sprache verfaßt und in deren Geiste gedacht, durch Uebertragung in eine ungebildete, wie die deutsche Sprache damals noch war, nothwendig verlieren muß; dieses, weil Hutten im Deutschschreiben ein Anfänger war (und seines frühen Todes wegen blieb), dem insbesondere die gewaltige Förderung, welche aus Luther's Schriften, vor allem aus seiner Bibelübersetzung, für die deutsche Sprache in der nächsten Zeit erwachsen sollte, damals noch nicht zu Gute kommen konnte. Die Uebersetzung ist sehr getreu, und wenn es an Härten nicht fehlt, doch im Ganzen recht lesbar. Ja, von einem der Gespräche möchten wir sagen, daß es sich im Deutschen besser ausnimmt als im Lateinischen. Das ist der Vadiscus mit seinen Dreiheiten. Dergleichen Verkröpfungen passen trefflich zum damaligen deutschen Styl, während sie den lateinischen entstellen.

Ganz ohne kleine Veränderungen auch des Inhaltes sind die Gespräche gleichwohl nicht geblieben. Die rasch fortschreitende Zeit schien solche zu erheischen. So war im lateinischen Vadiscus unter den Ursachen, welche bisher die Deutschen nicht haben weise werden lassen, literarum imperitia angeführt. Davon ist »Unbekanntniß der Schrift« im verdeutschten Gespräche keineswegs die bloße Uebersetzung; sondern die lutherische Betrachtungsweise tritt hier an die Stelle der humanistischen. Im lateinischen Grundtexte des zweiten Fiebers war tadelnd bemerkt, daß manche Pfaffen ihre Zuhälterinnen heirathen. Gerade dieß hatte nun aber mittlerweile (für den Fall, daß beide einander mit Beständigkeit lieb haben) Luther den Geistlichen gerathen, wie es denn in Kurzem auch Praxis zu werden und dem Lutherthum zum Vorwurfe zu gereichen anfing: daher ließ Hutten in der Uebersetzung diese Stelle weg. Die Stellen s. in Hutten's Schriften IV, S. 220. 127.

Ungleich wichtiger jedoch als solche kleine Aenderungen im Texte, sind die Zusätze, welche Hutten in der Gestalt von gereimten Vor- und Nachworten der Uebersetzung seiner Gespräche beigab. Im Lateinischen hatte nur die Trias Romana einen Epilog in Distichen, der den Inhalt des Gesprächs kurz zusammenfaßte. In der Uebersetzung haben alle vier Gespräche jedes sein Vor- und Nachwort, wovon jedoch das Vorwort des ersten wie das Nachwort des letzten vielmehr Vor- und Nachwort zum ganzen Buche sind. Schriften I, S. 450-452. Davon gehört gleich das erstere zum Ergreifendsten, was Hutten geschrieben hat.

Die Wahrheit ist von neuem gborn,
Und hat der Btrug sein Schein verlorn.
Des sag Gott jeder Lob und Ehr,
Und acht nit fürder Lugen mehr.
Ja, sag ich, Wahrheit war verdruckt,
Ist wieder nun herfür geruckt.
Des soll man billig gnießen lon,
Die dazu haben Arbeit gthon …
Ach, fromme Teutschen, halt ein Rath,
Da 's nun so weit gegangen hat,
Daß nit geh wieder hinter sich.
Mit Treuen hab's gefordert ich,
Und bgehr des weiter keinen Gnieß,
Dann, wo mir gschäh deshalb verdrieß,
Daß man mit Hilf mich nit verlaß;
So will ich auch geloben, daß
Von Wahrheit ich will nimmer lan,
Das soll mir bitten ab kein Mann,
Auch schafft, zu stillen mich, kein Wehr,
Kein Bann, kein Acht, wie fast und sehr
Man mich damit zu schrecken meint;
Wiewohl mein fromme Mutter weint,
Da ich die Sach hätt gfangen an:
Gott wöll sie trösten, es muß gahn;
Und sollt es brechen auch vorm End,
Wills Gott, so mags nit werden gwendt,
Darum will brauchen Füß und Händ.
Ich habs gewagt.

Dann die Beschlußrede:

Ich hab euch's gsagt, ihr habts gehört:
Wir seind gewesen lang bethört,
Bis daß uns doch hat Gott bedacht,
Und wiederum zu Sinnen bracht.

Er, Hutten, wisse selbst nicht, wie er in das Spiel gekommen; Eines nur wolle er, bei der letzten Noth und so wahr ihm Gott helfen möge, betheuern, daß ihn kein Lohn noch Nutz bewege: nur die Schalkheit verdrieße ihn, damit die Welt betrogen und mancher jämmerlich verführt werde. So könnte es ihm ja auch gleich gelten, ob dieser oder jener regiere, und ob der Papst wirklich von Gott zum Herrn der Welt eingesetzt sei, oder nicht.

Allein ich alles hab gethan
Dem Vaterland zu Nutz und Gut;
Die Wahrheit mich bewegen thut,
Da kann ich nimmer lassen von.
Hab ich des nie empfangen Lohn,
Ja mehr zu Schaden kommen bin,
Dann Fahr und Noth ist mein Gewinn.
Das steht nunmehr in Gottes Hand,
Dem alle Herzen seind bekannt.

Diese seine uneigennützige Absicht sei auch von niemanden widersprochen, als von solchen, die sich mit Lügen abgeben, wie ein gewisser frecher Pfaffe und Curtisan, der hinter seinem Rücken viel böser Stücke gegen ihn ausgesagt habe; was er, Hutten, ihm aber noch einmal einzutränken hoffe. Uebrigens sei er bereit, jedem, der ihm ins Gesicht etwas Böses nachsagen zu können glaube, Rede zu stehen, damit die Wahrheit an den Tag komme.

Die Wahrheit muß herfür, zu Gut
Dem Vaterland, das ist mein Muth.
Kein ander Ursach ist noch Grund,
Drum ich hab aufgethan den Mund,
Und mich gesetzt in Armuths Noth:
Das weiß von mir der ewig Gott.
Der helf mir bei der Wahrheit Sach,
Laß gehen aus sein göttlich Rach,
Damit der Bös nit triumphir,
Und daß auch werd vergolten mir,
Ob ich vielleicht ohn Fug und Glimpf,
Hätt gfangen an ein solchen Schimpf,
Der niemand größern Schaden bringt,
Dann mir, als noch die Sach gelingt,
Dahin mich Gott und Wahrheit dringt.
Ich habs gewagt.

Wie sich in diesen Schlußreimen Hutten gegen Verläumdungen verwahrt, und sich erbietet, über seine Handlungsweise jedem Rede zu stehen, so that er dasselbe noch ausführlicher in einer eigenen Schrift. Durch seine Klag und Vermahnung an die deutsche Nation besonders hatte er die Klerisei wider sich aufgeregt, die ihn dafür als Feind aller Geistlichkeit, was damals so viel hieß wie aller Religion und Staatsordnung, zu verschreien suchte. Obwohl nun Hutten jenen »zornigen Spruch«, richtig verstanden, »so bös nicht« finden, auch nicht glauben konnte, sich damit geirrt zu haben, so hielt er doch für gerathen, sich zu einer »Entschuldigung« herbeizulassen. Enndtschüldigung Vlrichs von Hutten Wyder etlicher vnwarhafftiges außgeben von ym, als solt er wider alle geystlichkeit vnd priesterschafft seyn, mit erklärung etlicher seiner geschrifften. Schriften II, S. 130-149. Daß er nicht aller Geistlichen Feind sei, dafür war es ihm leicht, sich auf verschiedene Stellen jenes Gedichtes selbst zu berufen, wo geklagt wird, daß fromme und gelehrte Geistliche hintangesetzt und mit keinen oder geringen Pfründen bedacht werden. Die ganze Bewegung, an der Hutten mitwirke, sei vielmehr zum Besten der wahrhaft Geistlichen angefangen, die ja in erster Linie von den römischen Höflingen und ihrem Anhange zu leiden haben. Wogegen seine Schrift gerichtet sei, liege am Tage: und es wird bei dieser Gelegenheit gegen Papst und Klerisei alles dasjenige noch einmal gesagt, was, so lange die Uebelstände fortdauerten, nicht oft genug gesagt werden konnte.

Aber, werde man fragen, warum denn gerade er sich dieser Dinge mehr als andere Leute unterwinde? »Wahr ist, sagt er darauf, daß ich hierin nicht mehr denn andere, ja auch weniger denn mancher, zu sorgen hab: allein daß mich Gott mit dem Gemüth (ich förcht) beschwert hat, daß mir gemeiner Schmerz weher thut und tiefer denn vielleicht andern zu Herzen geht.« Er habe lange Zeit gewartet, ob nicht ein Geschickterer sich der Sache annehmen wolle. Weil er aber gesehen, daß niemand herfür gewollt, dabei der Curtisanen Regiment sich immer mehr erhebe und ausbreite, Wahrheit aber und Freiheit immer mehr unterdrückt werde, wage er es im Namen Gottes, und hoffe, daß fromme Menschen ihm wenigstens Glück und Heil dazu wünschen werden. Zu verlieren habe er in diesem Handel nichts als Leib und Gut, welche beide er, selbst wenn sein Gut mit eines jeden Reichthum zu vergleichen wäre, geringer achte, als daß er um ihretwillen ein solch ehrbars und billigs Fürnehmen unterlassen sollte. Aber die Ehre wolle er, mit Gottes Hülfe, unversehrt mit sich in die Grube bringen; sie solle sich dieser Sache halber, so hoffe er, mehren, nicht mindern. Selbst wenn er in diesem Fürsehen untergehen sollte, getröste er sich doch der christlichen Absicht, die er dabei gehabt, so wie des guten Samens, den er ausgestreut, und den, wie er das Vertrauen habe, keine List noch Beschädigung aller Curtisanen je mehr ganz werde zertreten oder auswurzeln können. Auch hoffe er so gelebt zu haben, daß durch ihn noch keinem Frommen Schaden und Beschwerniß widerfahren sei, sondern er habe sich sein Leben und junge Zeit sauer werden lassen, in Armuth, Noth und Fahr nach Ehren und guten Künsten gestanden, und seinem Leib derhalben wehe gethan. »Wie möchten denn, wo es mir übel ging, sich gute Leute meines Unglücks freuen? Vielmehr will ich mich guten Willens und Erbarmens vermuthen.«

Eines Uebergriffs in das geistliche Amt wisse er sich nicht schuldig, da er nicht als Prediger, sondern als Patriot ermahnt habe; wo es von Nöthen gewesen, seinem Schreiben einen Grund zu schöpfen, habe er in die heil. Schrift gegriffen; allein das stehe jedem Christen zu, und er hoffe, es »nicht mit ungewaschenen Händen« gethan zu haben; ob er aber dabei das Rechte getroffen oder nicht, das gebe er den Gelehrten und Unparteiischen zu beurtheilen anheim.

Noch weniger könne er sich eines Vergehens gegen die Obrigkeit, weil er ohne Geheiß derselben gehandelt, schuldig bekennen. Zu dem, was jedem befohlen ist, bedarf es keiner besondern Erlaubniß. »Einen getreuen, wackern Hund heißt sein Herr nimmer bellen; sobald er aber einen Dieb ersieht, bewegt ihn natürliche Treue und Wohlmeinung gegen seinen Herrn, ihm zur Warnung denselben anzuzeigen.« Uebrigens habe er vor allen den Kaiser aufgerufen, sich der Sache anzunehmen. Auch die Fürsten habe er ermahnt, ein Einsehen zu haben, und ihnen vorgestellt, »daß zu fürchten sei, wo die Oberkeiten nicht selbst diesen Dingen rathen, daß etwa ein gemeiner Hauf und das unsinnige Volk, nachdem der Curtisanen und ungeistlichen Geistlichen Ungebühr aufs Höchste gestiegen, sich erhebe, und alsdann mit Unvernunft in Haufen schlage«. Wer so vor Aufruhr warne, ob der ein Aufruhrstifter sei? Wenn aber, bei längerm Zögern des Kaisers und der Fürsten, Hutten oder sonst jemand etwas Gewaltsames gegen die Curtisanen und ihren Anhang vornähme, so könnte dieß kein Landfriedensbruch heißen, da es nur Nothwehr gegen unleidliche Gewalt, gegen Leute wäre, die selbst als gemeine Friedbrecher und Feinde des Vaterlandes zu betrachten seien.

Nun heiße es aber, gegen geistliche Leute sei es Unrecht, Waffen und Wehr zu brauchen. Hier werden die ungeistlichen Priester auf einmal geistlich. Sonst gehen sie einher wie Krieger, schämen sich des Chorhemds und der Platten: sobald aber jemand etwas mit ihnen abzumachen hat, so sind sie geistliche Väter, rufen den character indelebilis des Priesterthums an, und nehmen die Schonung in Anspruch, welche man diesem Stande schuldig sei. Das könnte man sich gefallen lassen, wenn sie sich wirklich geistlich hielten; dann wäre die deutsche Nation unbeschwert, und es bedürfte des ganzen Streites nicht. Da sie aber so, wie man sieht, leben, so haben sie durch den Ueberfluß ihrer bösen Werke den geistlichen Charakter längst in sich ausgetilgt, den Anspruch auf Schonung längst verwirkt. Wenn ein Geistlicher vorsätzlich und beharrlich übel thut, darf man ihn wie einen andern strafen, darf Gewalt, Raub und Erpressung mit Gewalt abtreiben. Jedes Volk hat das Recht, für seine Freiheit gegen Tyrannei zu kriegen. Eine ärgere Tyrannei und Dienstbarkeit aber, als die Päpste uns auflegen, ist nie gewesen. Ueberdieß gebrauchen sie ja selbst das Schwert, folglich darf man es auch gegen sie gebrauchen. »Soll man, obschon billige Ursach wär, wider Papst und Bischof nicht kriegen: warum haben denn etlich hundert Jahr her die Päpst große Krieg gegen den römischen Kaisern, denen sie doch, als Christus angezeigt, Petrus und Paulus geheißen haben, ernstlich unterworfen sein sollen, auch andern Christenfürsten, zum Theil durch Anhetzung andrer, geführt? … Warum hat vor wenig Jahren der Bluthund Julius nahezu die ganze Christenheit in ein gemein Mörderei und Leutverderben vermischt und gekuppelt? … Warum hat der allerheiligst Leo, auf daß er seinen Vetter zum Herzog machte, den rechtlich regierenden Fürsten von Urbin mit Gewalt und Schwertschlag vertrieben? … Und daß ich auch mein selbst nicht vergesse, warum schicket dann derselbig zornig Leo von Rom heraus, und heißt mich ihm, auf daß er sein tyrannisch Schwert mit meinem unschuldigen Blut netzen, oder vielleicht noch ein Böseres beginnen möge, gefangen gen Rom schicken? Ist dieß die Freiheit, bei der wir sie halten und beschirmen sollen? Sind dieß die Gesalbten Gottes, an die niemand Hand anlegen soll?«

Daß er für den äußersten Fall zur Gewalt aufrufe, mißdeuten seine Feinde dahin, daß sie ihm Schuld geben, er bezwecke mit seinem Schreiben nichts, als leichtfertige Leute und ein los Gesind an sich zu hängen, um mittelst desselben nicht durch Vernunft, sondern durch ungestüme Gewalt, seinen Muthwillen auszuführen. Allein in erster Linie habe er sich ja zum Streit auf dem Grunde der heil. Schrift, zum Verhör vor dem Kaiser selbst, erboten. Wenn nun aber seine Widerwärtigen ihn, wie bisher, nicht zum Verhör kommen lassen, sondern tyrannisch unterdrücken wollen, dann gedenke er allerdings mit Gewalt sich zu wehren; das werde aber kein loser Haufe, sondern ehrbare, redliche und tapfere Leute sein.

Außer seinen Schriften schelten die Curtisanen und deren Anhänger auch sein Leben, und gehen dabei bis in seine Kindheit zurück. Hier ist es, wo sich Hutten gegen den Vorwurf, durch seine Flucht aus Fulda ein bereits abgelegtes Klostergelübde gebrochen zu haben, in der nachdrücklichen Weise vertheidigt, deren wir zu Anfang dieser Lebensbeschreibung gedenken mußten. Auch hier, wie in dem Nachwort zu den verdeutschten Gesprächen, wird unter denen, welche Hutten's Ruf angreifen, vor allen »ein großer Romanist« hervorgehoben, der ihn hinter seinem Rücken einen Bösewicht und Verräther genannt habe, welcher nicht werth sei, wozu er sich erbiete, für das deutsche Vaterland in den Tod zu gehen, vielmehr als ein grindig Schaf von der Gemeinde abgesondert, und von redlichen, frommen Leuten gemieden werden sollte. Da nun Hutten nicht wisse, wer derselbige Biedermann sei, so könne er auf sein Schelten weiter nichts thun, als ihn versichern, daß er ihm vor Gott Unrecht thue, und ihn auffordern, mit seiner Beschuldigung öffentlich hervorzutreten. »Kann ich mich dann nicht verantworten, so weh mir, daß ich je einen Buchstaben schrieb, je ein Buch las, je zur Schulen ging, ja, daß ich je geboren ward: so mich also viel guter Künst nicht haben weisen, so viel heilsamer Geschrift, in denen ich (ohn Ruhm zu reden) mich geübt, nicht lehren, so viel Gelehrte, mit denen ich umgangen, so viel redlicher Leut, bei denen ich gewohnt, mit guten Unterweisungen und Beispielen nicht haben von solchen bösen Sitten abziehen und zur Ehrbarkeit reizen mögen.«

Auch in die Form eines sangbaren Volksliedes hat um diese Zeit Hutten die hohe und doch elegische Stimmung, welche das Bewußtsein seines patriotischen Wagnisses ihm gab, gebracht. Im Jahr 1521 erschien »Ein neu Lied Herrn Ulrichs von Hutten« Ain new lied herr Vlrichs von Hutten. Am Schlusse: Getruckt ym jar XXI. Schriften II, S. 92-94. Die beiden folgenden Lieder (von Conz Leffel) ebendas., S. 94-98.:

Ich hab's gewagt mit Sinnen,
Und trag des noch kein Reu;
Mag ich nit dran gewinnen,
Noch muß man spüren Treu,
Darmit ich mein
Nit eim allein
Wenn man es wollt erkennen:
Dem Land zu gut,
Wiewol man thut
Ein Pfaffenfeind mich nennen.

Da lass ich jeden lügen
Und reden was er will:
Hätt Wahrheit ich geschwiegen,
Mir wären hulder vil;
Nun hab ichs gsagt,
Bin drum verjagt,
Das klag ich allen Frummen;
Wiewol noch ich
Nit weiter flich,
Vielleicht werd wieder kummen.

Er bitte nicht um Gnade, da er ohne Schuld sei; er habe sich zu Recht erboten, aber man habe ihn nicht zu Gehör kommen lassen; er tröste sich mit dem Bewußtsein seiner guten Absicht und unverletzten Ehre; dagegen möge man auf der andern Seite bedenken, daß oft große Flamme von einem kleinen Fünklein gekommen sei, und daß die Umstände ihm vielleicht noch Gelegenheit geben werden, sich zu rächen; er wenigstens setze alles daran, daß es entweder gehen oder brechen möge.

Will nun ihr selbs nit rathen
Dies fromme Nation,
Ihrs Schadens sich ergatten,
Als ich vermahnet hon:
So ist mir leid;
Hiemit ich scheid,
Will mengen baß die Karten;
Bin unverzagt,
Ich habs gewagt,
Und will des Ends erwarten.

Ob dann mir nach thut denken
Der Curtisanen List:
Ein Herz läßt sich nit kränken,
Das rechter Meinung ist.
Ich weiß, noch viel
Wölln auch in's Spiel,
Und solltens drüber sterben:
Auf, Landsknecht gut,
Und Reuters Muth,
Laßt Hutten nit verderben!

Als eine Art von Wiederhall, von Antwort aus dem Chore des Volks auf diese Ansprache des ritterlichen Heldenspielers kann man zwei Lieder betrachten, deren eines nach der Weise eines Reiterlieds auf Franz von Sickingen, das andere nach der eines Marienlieds zu singen war. Sang man von dem Ritter der Ebernburg:

Franz Sickinger das edel Blut
Das hat gar vil der Landsknecht gut u. s. f.,

so hieß es nun von dem Steckelberger, freilich etwas weniger poetisch:

Ulrich von Hutten das edel Blut
Macht so köstliche Bücher gut;

er wird als Beschützer der evangelischen Lehre, als Vorfechter des Wortes Gottes gefeiert, und am Schlusse so angeredet:

Ulrich von Hutten, biß wolgemut,
Ich bitt, daß Gott dich halt in Hut
Jetzt und zu allen Zeiten;
Gott bhüt all christlich Lehrer gut,
Wo sie gehn oder reiten.
Ja reiten.

Das andere Lied redet im Eingang den Ritter an:

Ach edler Hut aus Franken,
Nun sieh dich weislich für,
Gott solt du loben und danken,
Der wird noch helfen dir
Die Grechtigkeit vorfechten:
Du solt beistahn dem Rechten,
Mit andern Rittern und Knechten,
Mit frommen Kriegsleuten gut
Beschirmen das Christen Blut.

Er möge sich nur nicht bethören, nicht von dem Worte Gottes abwendig machen lassen. Doch, beruhigt sich hernach der Dichter selbst,

Huttenus halt sich veste,
Das hab ich guten Bscheid;
Er wolt gern thun das Beste
Der frommen Christenheit,
Thut sein Seel für uns setzen,
Acht nit wer ihn thu letzen …
Gott geb ihm Glück und Sick,
Daß er all Sach wol schick.

Von diesem Wiederklang, den seine Worte und Bestrebungen in der Nähe und Ferne fanden, blieb Hutten nicht ohne Nachricht. Zahlreiche Briefe, die ihn dessen versicherten, aus Deutschland und den Nachbarländern, liefen bei ihm ein. Aus Böhmen schickten die Hussiten ihm wie Luthern die Schriften ihres Meisters zu. Das alles vermehrte nur die fieberhafte Ungeduld, die ihn während seiner unfreiwilligen Muße auf der Ebernburg verzehrte. Das Schreiben genügte ihm nicht; er hätte gar zu gerne mit dem Schwerte dreingeschlagen. Lebenslänglich standen in Hutten der Schriftsteller und der Ritter im Wettstreite: der erstere mochte thun und leisten was er wollte, so war der letztere unzufrieden, daß ihm die Gelegenheit, auch etwas zu leisten, so ganz entgehen sollte. Es war eine Täuschung; denn was hätte der Ritter Hutten thun können, das demjenigen, was er als Schriftsteller wirkte, zu vergleichen gewesen wäre? Die Täuschung war für Hutten's Leben verhängnißvoll; aber seiner Schriftstellerei kam sie zu Gute: der ganze Ueberschuß des ritterlichen Feuers in Hutten, das sich durch den Degen nicht Luft machen konnte, ergoß sich durch die Feder in seine Schriften, und gab ihnen jenen kriegerischen, jugendlich heldenhaften Ton, der ihren unvergänglichen Reiz ausmacht.

»Mich quälen«, schrieb er um jene Zeit an Capito, »diese immer neuen und immer wieder getäuschten Erwartungen von den Freunden. Hätte ich doch gleich von Anfang an gewagt, mir selbst zu rathen und auf eigene Faust zu handeln. Denn diese andern Rathgeber wollen mir je länger je weniger gefallen.« An Luther aber schrieb er: »Gewiß, du würdest Mitleid mit mir haben, wenn du sehen solltest, wie ich hier zu kämpfen habe: so wenig kann man sich auf die Menschen verlassen. Während ich neue Bundesgenossen anwerbe, fallen die alten ab. Ein jeder hat eine Menge von Bedenken und Vorwänden. Vor allem ist es der Aberglaube, der die Menschen schreckt, die eingesogene Meinung, dem Papste, und wäre es auch der ungerechteste und schlechteste, zu widerstreben, sei ein unsühnbares Verbrechen. Doch thue ich was ich kann, und weiche nimmer dem Mißgeschick.« Nur Franzens Gesinnung fand Hutten probehaltig; doch dieser gerade war es, der ihn abhielt, einen Gewaltstreich zu thun, indem er, wie Hutten an Erasmus schrieb, erst einen Versuch mit dem jungen Kaiser machen wollte, in der Hoffnung, dieser werde entweder die Sache der Reform selbst in die Hand nehmen, oder derselben doch nichts in den Weg legen; eine Hoffnung, welche freilich durch ultramontanen Einfluß schon so gut wie vereitelt war, weßwegen Hutten eine gewaltsame Schilderhebung zuletzt doch für unvermeidlich ansah. Das Bisherige in den Briefen Hutten's an Capito vom Sommer 1520, an Luther und Erasmus vom 9. Dec. und 13. Nov. desselben Jahrs, Schriften I, S. 365-367. 423 ff. 435 ff. Gar zu gerne hätte schon damals wie noch später Hutten den beiden päpstlichen Nuntien, die sich nach Karl's Krönung in Köln befanden, um den Kaiser und die Fürsten gegen Luther zu stimmen, die Wege verlegt und sie abgefangen: allein wozu sollte ein solches Ritterstückchen helfen? Es konnte einen Poeten wie Eoban, selbst Luther damals noch in manchen Stimmungen, ergetzen Luther an Spalatin, 13. Nov. 1520. In Hutten's Schriften I, S. 426.: aber Sickingen hatte Recht, es dem Freunde auszureden.

Hutten selbst sah bei kälterm Blute ein, daß, um einen bleibenden Erfolg herbeizuführen, er sich bedeutenderer Kräfte versichern müsse. Daher lag es ihm so sehr an, die Gesinnung des Kurfürsten von Sachsen zu erforschen und ihn wo möglich zu gewinnen. Da ihn Spalatin auf verschiedene Anfragen in dieser Richtung ohne Antwort gelassen hatte, so wendete er sich jetzt an Luther. Es würde keine verlorene Mühe sein, schrieb er ihm am 9. December, wenn er ausführlich auf die Ebernburg berichten möchte, was in seiner Umgebung vorgehe, was von jedem zu hoffen, welches Wagniß jedem zuzutrauen sei. Vor allem wünsche Hutten zu wissen, in wie weit man auf den Kurfürsten rechnen dürfe. Luther möge selbst auch seinen Einfluß aufbieten. Er glaube nicht, wie wichtig es für ihre Sache wäre, wenn der Kurfürst entweder selbst ihnen bewaffneten Beistand leisten oder doch zu einer schönen That durch die Finger sehen möchte: d. h. ihnen gestatten, innerhalb seines Gebiets Aufenthalte zu suchen, wenn es die Umstände erheischen sollten. Sobald er darüber Gewißheit habe, sei sein Entschluß, einmal in Wittenberg einen Besuch zu machen. Denn länger könne er sich nicht mehr halten; er müsse einen Mann, den er seiner Tugend wegen so sehr liebe, einmal sehen. Zugleich schickte Hutten, wie schon oben erwähnt, seine neuesten Schriften an Luther, und zwar in berichtigten Exemplaren, weil er vermuthete, dieser werde sie dort neu auflegen lassen; was auch mit einigen geschah.

In demselben Briefe beklagt sich Hutten darüber, daß ihm Luther's neuere Sachen noch nicht zugekommen, und wundert sich, daß dieser sie ihm nicht zusende, da doch Leute, die sie an Franz von Sickingen mitnehmen könnten, dort so leicht zu finden sein müßten. Auch am 16. Januar des folgenden Jahres klagt Hutten Spalatin, daß in so bewegter Zeit Luther es nicht der Mühe werth finde, an ihn zu schreiben. Schriften II, S. 4. Ganz zwar unterblieb dieß nicht; doch geschah es weder so oft, noch so rückhaltlos, als es Hutten wünschen mochte, der seinerseits Luthern mit liebenswürdigster Offenheit und begeisterter Hingebung entgegenkam. Der Grund von Luther's Zurückhaltung offenbart sich, da uns seine Briefe an Hutten verloren sind, in einer Aeußerung desselben gegen Spalatin, dem er eben jenen Hutten'schen Brief vom 9. December mittheilte. »Was Hutten begehrt, siehst du. Ich möchte nicht, daß mit Gewalt und Mord für das Evangelium gestritten würde: in diesem Sinne habe ich an den Mann geschrieben. Durch das Wort ist die Welt überwunden, durch das Wort die Kirche erhalten worden: so wird sie auch durch das Wort wiederhergestellt werden; und auch der Antichrist, wie er ohne Gewalt angefangen hat, so wird er ohne Gewalt zermalmt werden durch das Wort.« 16. Jan. 1521. In Hutten's Schriften II, S. 5 f. Beide Männer waren in den Mitteln zu dem gemeinsamen Zwecke nicht einig: was Luther als etwas betrachtete, das man im äußersten Falle geschehen lassen müsse, wenn es nicht zu vermeiden sei, das brannte Hutten vor Ungeduld jetzt schon selbst herbeizuführen. Wenn es durch die Wuth der Römlinge zum Bruche komme, schrieb Luther bald nachher an Spalatin (und das werde dann ein dem böhmischen ähnlicher Aufruhr mit blutigen Ausbrüchen gegen die Geistlichen werden), so sei er außer Schuld: denn sein Rath sei gewesen, daß der deutsche Adel nicht mit dem Schwerte, sondern durch Beschlüsse und Verordnungen, jenen Menschen Schranken setze. Allein es scheine, diese werden sich durch gelinde Mittel nicht weisen lassen, sondern in hartnäckigem Wüthen das Verderben selbst über sich herbeiführen.

In seiner Art ließ es übrigens Luther, auch neben seinen Schriften, an der kräftigsten Demonstration nicht fehlen. Am 10. December 1520 warf er vor dem Elsterthore zu Wittenberg die Bannbulle gegen ihn, sammt den päpstlichen Rechtsbüchern, in das Feuer; eine That, die, in ihrer symbolischen Bedeutung von unendlicher Tragweite, für ihn das Verbrennen seiner Schiffe war, wodurch er sich jede Umkehr unmöglich machte.


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