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Siebentes Kapitel.
Der Reichstag zu Worms. Hutten's Drohungen.

1521.

Unterdessen war am 28. Januar 1521 der Reichstag zu Worms wirklich eröffnet worden. Die Angelegenheit der kirchlichen Reform war eine der ersten, welche auf demselben zur Verhandlung kommen mußten. Aber die Erwartungen, die man von dem neuen Kaiser in dieser Sache hegen konnte, waren bereits sehr gesunken. Schon im November des vorigen Jahres hatte Luther an Spalatin, der mit Kurfürst Friedrich bei der Krönung in Aachen und nachher in Köln sich befand, geschrieben, er erwarte ihn bald zurück, mit vielem Neuen und etwas Altem, daß nämlich von Karl's Hofe nichts zu hoffen sei. Ebenso urtheilte Erasmus, der sich gleichfalls eine Zeit lang in Karl's Nähe befand und ihn von Papisten und Anhängern des Alten umlagert sah. Aus demselben Grunde hatte auch Hutten wenig Hoffnung mehr: nur Franz von Sickingen gab sich noch der Erwartung hin, gerade auf dem Reichstage werden dem Kaiser über die verderblichen Rathschläge seiner Umgebung die Augen aufgehen, und er, Sickingen, dann Gelegenheit finden, seinen Einfluß bei demselben geltend zu machen. Luther an Spalatin, 15. Nov. 1520; Hutten an Luther, 9. Dec. 1520. Schriften I, S. 426. 436.

Von allen Seiten nahm man wohl den jungen Herrscher für schwächer als er war. Daß er die Sache, um die es sich handelte, in ihrer geistigen Bedeutung nicht verstand, ist richtig. Auch daß er sie nicht vom deutschen Gesichtspunkte aus auffaßte: sofern er eben nicht blos deutscher Kaiser, sondern zugleich Herr der Niederlande, Spaniens und Neapels war, und Ansprüche auf Mailand, gegen Frankreich, geltend zu machen hatte. In diesen auswärtigen Beziehungen lagen aber Gründe für Karl, sich dem Papste gefällig zu zeigen: ohne sie hätte Aleander noch länger als drei Stunden vor der Reichsversammlung gegen Luther reden, und noch mehr Geld zur Bestechung der Umgebungen des Kaisers verwenden mögen, er würde schwerlich zum Ziele gelangt sein. Dafür nun aber, daß der Papst es aufgab, wie er angefangen hatte, die spanische Inquisition, als die Stütze der Königsmacht in jenem Lande, zu erschüttern, daß er hoffen ließ, Karl's Anschlägen auf Mailand nicht entgegen zu sein, verzichtete Karl darauf, wozu ihm Anfangs sein Gesandter in Rom gerathen hatte, durch eine, wenn auch nur augenblickliche Begünstigung des sächsischen Mönchs den Papst zu schrecken, und bot ihm die Hand zu Luther's Unterdrückung.

Karl's Meinung war zunächst gewesen, der Kurfürst von Sachsen möge Luther auf den Reichstag mitbringen, wo er durch gelehrte Leute verhört werden solle. Luther war bereit; der Kurfürst nicht ohne Besorgnisse: die päpstlich Gesinnten aber wehrten sich dagegen aus allen Kräften. Insbesondere sprach sich auch der päpstliche Nuntius in seiner Rede gegen Luther's Berufung aus. Habe dieser doch selbst erklärt, nicht einmal durch einen Engel vom Himmel sich belehren lassen zu wollen; auf die päpstliche Vorladung sei er nicht erschienen; den Kaiser und den Reichstag aber gehe die Sache nichts an. Er sollte ungehört zum Schweigen gebracht werden, und bereits war der Kaiser dafür gewonnen: er legte den Ständen den Entwurf eines Edictes vor, durch welches Luther ohne Weiteres als offenbarer Ketzer verurtheilt werden, die päpstliche Bulle gegen ihn für ganz Deutschland Gesetzeskraft erlangen sollte.

Auf der nur sechs Meilen entfernten Ebernburg war man in Betreff der Vorgänge zu Worms gut und schnell unterrichtet. In dieser Stadt befand sich in der Begleitung des Kurfürsten von Sachsen dessen Hofprediger und Geheimschreiber Spalatin, der längst in brieflichem Verkehre mit Hutten stand; befand sich im Hause des Arztes Theobald Fettich, den wir aus den Briefen der Dunkelmänner als einen Genossen des humanistischen Kreises kennen, der feurige Hermann von dem Busche, der, wie Hutten, den Fortschritt von der Sache des Humanismus zu der der Reformation in sich durchmachte. Auf der Ebernburg aber hatte außer Hutten noch der ausgetretene Dominicaner Martin Bucer sich eingefunden: für Briefe und Nachrichten nach und von Worms ein geeigneter Vermittler. Von Aleander's langer Rede hatte man auf der Ebernburg schon des andern Morgens um 9 Uhr genaue Nachricht. Diese Rede, überhaupt der Eifer der Romanisten, die Reichsversammlung zur Verdammung Luther's ohne Verhör zu bewegen, war es, wodurch sich Hutten zur Abfassung der Invectiven veranlaßt fand, die er nun gegen die beiden päpstlichen Nuntien und die zu Worms versammelten Geistlichen erließ. Ulrichi ab Hutten eq. Germ. in Hieron. Aleandrum et Marinum Caracciolum Oratores Leonis X. apud Vormaciam Invectivæ singulæ. In Cardinales Episcopos et sacerdotes, Lutherum Vormaciæ oppugnanteis Invectiva. Ad Carolum Imp. pro Luthero exhortatoria. Schriften II, S. 12-34. 38-46.

Den dreistündigen Redner gegen Luther, Hieronymus Aleander, traf die erste Ladung seines Zorns. Daß er und seine Genossen, ohne alle Rücksicht auf die veränderten Zeiten, aus den großen Umschwung in der öffentlichen Meinung, ihr Geschäft so frech und gewaltsam treiben, daß sie meinen, durch den Befehl zur Verbrennung von Luther's Schriften in den Niederlanden, den sie dem kaiserlichen Jüngling abgelistet, ganz Deutschland eingeschüchtert zu haben, sei zwar von ihrer Seite sehr thöricht, offenbar aber eine göttliche Schickung, um sie durch ihre eigene Sicherheit zu verderben. Aleander solle nur so fortmachen, seiner Wuth die Zügel schießen lassen: die Zeit werde kommen, es zu rächen. Die Deutschen seien mit nichten so sorglos, so gleichgültig, als sie scheinen. Kein Auge verwenden sie von dem Treiben der Römlinge. Von der Ebernburg besonders, wie von einer Warte herunter, beobachte man jeden ihrer Schritte. Es sei ein Zeichen, wie wenig sie sich in der christlichen Wahrheit gegründet wissen, daß sie Erlasse der weltlichen Macht für sich in Anspruch nehmen. Und sie mögen nur nicht zu viel auf die Gunst des Kaisers bauen, dessen Jugend sie mißbrauchen und verführen, der aber bei reiferen Jahren zu besserer Einsicht kommen werde. Insbesondere wird Aleandern eine Aeußerung vorgerückt, die ihm kürzlich gegen einen rechtschaffenen Mann entfallen sei, dem er zwar nicht eben vertraut, den er aber, wie alle Deutschen, für zu dumm gehalten habe, um sich ihm gegenüber in Acht nehmen zu müssen; eine Aeußerung, deren auch Luther, als durch Spalatin nach Wittenberg berichtet, mit Entrüstung gedenkt. Gesetzt auch, hatte er sich verlauten lassen, den Deutschen gelänge es, das päpstliche Joch abzuschütteln, so würde man von Rom aus so viel Uneinigkeit unter ihnen zu säen wissen, daß sie sich selbst unter einander aufreiben und einem viel schwereren Joche, als das abgeworfene, verfallen müßten. Daß er so schamlos mit der Sprache herausgehe, beweise abermals seine blinde Zuversicht. Aber sie werde ihn täuschen. Es werde dahin kommen, daß die Bischofsmützen und Cardinalshüte, auf deren Hülfe er jetzt baue, selbst hülflos sein werden. Die schlimmen Dienste, die er dem deutschen Reiche erwiesen, werden ihren Rächer finden; Hutten seinerseits, das wolle er ihm hiemit angesagt haben, werde thun, was in seinen Kräften stehe, daß er, Aleander, nicht lebendig aus Deutschland komme.

Den andern päpstlichen Nuntius in Worms, Marino Caraccioli, dem Hutten's zweite Invective gewidmet ist, hat dieser zwar nie für rechtschaffener, wohl aber für klüger als seinen Collegen, und als sein jetziges Benehmen zu erkennen gibt, gehalten. Die Mißbräuche, über welche die Deutschen eben jetzt so empört seien, den Handel mit Indulgenzen und Dispensationen, treibe er im Angesichte des Reichstags so schamlos fort, wie wenn er in der finstersten Zeit des Mittelalters lebte. Er solle nicht allzusehr auf die Geduld der Deutschen, auf die Gunst des Kaisers rechnen. Deutschland, allzulange des Sinnes beraubt, fange an, klug zu werden. Was aber den Kaiser betreffe, so besitzen für den Augenblick allerdings die Römlinge sein Ohr. Doch nicht für immer. »Einst werde ich«, ruft Hutten, »zu Karl's mir jetzt verschlossenen Ohren durchdringen. Hören wird er einmal, hören auf den, der ihm zum Besten räth, und dir (dem Nuntius) zum Trotz dem Rücksicht schenken, der ihn zum Nothwendigen ermahnt. Dann werde ich ihm deine trefflichen Thaten anzeigen, ihm auseinandersetzen, welch ein frommer Legat du gewesen. Ich werde ihm darlegen, was du hier gesucht, was du gefunden hast. Ich werde ihm sagen, daß ihr Legaten alle, so viel eurer seit etlichen Jahrhunderten von den römischen Bischöfen hieher geschickt worden, Verräther Deutschlands, Räuber an unserem Volke, Zerstörer alles Rechts und aller Billigkeit gewesen seid. Das werde ich ihm sagen, und wenn ich ihm das sage, wirst du nicht im Stande sein, das Gegentheil darzuthun. Darum mache dich fort von hier, mache dich fort. Denn was zögerst du noch, Bösewicht? was suchst du Aufschub, du größter von allen Dieben, die jemals hier gestohlen haben? du gewaltthätigster aller Räuber, aller Betrüger verschlagenster, listigster, unverschämtester, ruchlosester! Das, wisse, ist die letzte Ermahnung zu deinem Heil. Bequeme dich, der Feder zu gehorchen, damit du dich nicht genöthigt sehest, dem Schwerte zu weichen.«

Nächst den beiden päpstlichen Nuntien wandte sich nun aber Hutten auch gegen die auf dem Reichstage anwesenden Kirchenfürsten und höhern Geistlichen, welche ihrer Mehrheit nach das Ansinnen der ersteren gegen Luther unterstützten. Was er, wenn ihre Nachstellungen ihm ein öffentliches Auftreten erlaubten, ihnen am Reichstage selbst in die Ohren geschrien haben würde, das wolle er ihnen schriftlich sagen, und zwar ehe sie mit ihrem Angriff an ihn kommen, während es sich noch um Luther handle. Dabei komme ihm nichts besser zu Statten, als ihre ungeistliche Kampfweise, statt durch Ueberzeugung durch Gewalt, statt durch das Wort Christi durch Gebote der weltlichen Macht wirken zu wollen. Freilich, sie haben sich längst über Christus erhoben, und sprechen nicht mehr vermöge des Zeugnisses der Schrift, sondern kraft ihrer eigenen Majestät, Gehorsam an. Aber eben darum sage man ihnen jetzt den Gehorsam auf. Ja, wenn sie Geistliche, Bischöfe im Sinne Christi und Pauli wären! (dessen Anforderungen an solche aus seinen Episteln beigebracht werden.) Und selbst dann könnten sie nur priesterliche Ehren, nicht die von weltlichen Herrschern, in Anspruch nehmen. Aber sie seien keine wahren Priester. Schon deßwegen nicht, weil die Bischöfe unter ihnen sammt und sonders ihre Stellen gekauft haben. Doch auch abgesehen davon, ihres Lebenswandels wegen nicht. Weit entfernt von priesterlicher Vollkommenheit, treten sie sogar die Gebote der gemeinen Moral mit Füßen. Sie leben so, daß ein ehrbarer Mann Bedenken trage, sein Weib in ihre Häuser zu führen. In Geldsachen traue ihnen kein Mensch, da sie unter dem Vorwande des Vortheils der Kirche sich jede Uebervortheilung erlauben, von Vertrag und Eid sich leicht durch den Papst entbinden lassen können. Ihr ganzes Trachten sei fleischlich und weltlich, da doch schon der Name Kleriker andeute, daß nur der Herr ihr Theil sein sollte. Doch gesetzt, sie lebten zwar so ungeistlich, predigten aber dabei das Evangelium, so könnte man wohl über den Widerspruch zwischen ihrer Predigt und ihrem Wandel murren, doch immer noch Geduld mit ihnen haben. Statt dessen aber verstehen die wenigsten zu predigen, und die es verstünden, schämen sich dessen. Ja, wenn einmal ein Prediger aufstehe, wie Luther, so suchen sie ihn zu unterdrücken. Kein Wunder: weil das reine Leben, das er verlange, auf ihre Unsittlichkeit, die evangelische Wahrheit, die er verkündige, auf die Menschensatzungen, die sie ausgebracht haben, ein grelles Licht werfe.

Doch das Maß ist voll. »Hebet euch weg«, ruft Hutten, »von den reinen Quellen, ihr unsaubern Schweine! Hinaus mit euch aus dem Heiligthum, ihr verruchten Krämer! Berühret nicht länger mit den oft entweihten Händen die Altäre. Was habt ihr mit dem Almosen unserer Väter zu schaffen, das diese für Armen- und Kirchenzwecke gestiftet, und darum uns, ihren Kindern, entzogen haben? Wie kommt ihr dazu, das zu frommen Zwecken Gespendete zu Völlerei, Unzucht, Pracht und Prunk zu mißbrauchen, während viele rechtschaffene und fromme Menschen Hunger leiden?« Das Maß ist voll. »Sehet ihr nicht, daß die Luft der Freiheit weht, daß die Menschen, des Gegenwärtigen überdrüßig, einen neuen Zustand herbeizuführen suchen?« wozu Hutten redlich zu helfen verspricht. »Ich werde«, sagt er, »stacheln, spornen, reizen und drängen zur Freiheit. Die mir nicht sogleich beifallen, werde ich durch unablässige Ermahnung besiegen, durch nothwendige Beharrlichkeit zwingen. Dabei habe ich keine Sorge noch Furcht vor Mißgeschick, sondern bin auf Beides gefaßt, entweder euch den Untergang zu bereiten zum großen Vortheil des Vaterlandes, oder mit gutem Gewissen ehrlich zu unterliegen. Und das ist keine tolle Verwegenheit, wie ihr es dafür haltet, sondern männlicher und edler Freisinn ist's. Darum, damit ihr sehet, mit welcher Zuversicht ich eure Drohungen verachte, erkläre ich, so lange ihr Luther oder jemand seinesgleichen verfolgen werdet, mich als euren abgesagten Feind. Und diesen Willen wird mir keine Gewalt von eurer Seite, kein Schlag des Schicksals nehmen oder auch nur ändern. Das Leben könnet ihr mir rauben: aber daß mein Verdienst um das Vaterland nicht daure, diese gute That sterbe, werdet ihr nicht bewirken. Was im Lauf ist, möget ihr vielleicht zum Stillstande bringen, was geschehen sollte, verhindern: was aber gethan ist, werdet ihr nicht ungeschehen machen; denn unmöglich ist, mit dem Leben zugleich auch das Andenken des Lebens zu vernichten. Nein! so ungewiß ich darüber bin, was dieß alles für einen Ausgang haben werde, so sicher bin ich, daß die Anerkennung meines redlichen Willens auf die Nachwelt kommen wird. Das soll der beste Ertrag meines Lebens sein.« Was aber die Sache betreffe, so werden die Feinde durch seine und Luther's Unterdrückung nicht einmal etwas gewinnen; vielmehr werde aus der Erstickung dieser Bewegung eine neue und viel gewaltsamere hervorgehen. »Denn an zwei Menschen liegt so viel nicht: wisset, daß es noch viele Luther, viele Hutten gibt. Und wenn uns etwas widerfahren sollte, so droht euch um so größere Gefahr von andern, weil sich dann mit den Verfechtern der Freiheit die Rächer der Unschuld verbinden werden.«

Unter den Kirchenfürsten auf dem Reichstage, an welche dieses vorwurfsvolle Sendschreiben gerichtet war, nahm Hutten's ehemaliger Patron, der Kurfürst Albrecht von Mainz, die erste Stelle ein. Für diesen sprach immer noch etwas in Hutten's Herzen: er fügte daher der zweiten Ausgabe seiner Invectiven einen besondern Brief an ihn bei Vom 25. Merz. Schriften II, S. 37 f., in welchem er ihn persönlich seiner fortdauernden Liebe und Verehrung versichert und bedauert, wenn derselbe sich durch das, was Hutten gegen den Reichstag geschrieben, beleidigt fühle; aber die Behauptung der Wahrheit und Freiheit gehe allen persönlichen Rücksichten vor. Es sei das Unglück Deutschlands und der Anschlag des Teufels, daß Albrecht von der Sache der Studien und der Freiheit losgerissen worden sei. Möge Christus geben, daß er in sich gehe und jene Afterkirche verlasse: das wollte Hutten, wenn es möglich wäre, mit seinem Blute erkaufen.

In dem Sendschreiben an Kaiser Karl, das Hutten seinen Invectiven schon in der ersten Ausgabe beifügte, suchte er jenen, wie früher in Bezug auf sich selbst, so jetzt zu Gunsten Luther's, zu überzeugen, daß er mit diesem die deutsche Freiheit unterdrücken und seine eigene Würde beschädigen würde. Zwischen den eigenen guten Sinn und schlimme Rathgeber in die Mitte gestellt, wisse der junge Herrscher nicht, wohin sich wenden; daher sei es Pflicht, ihm mit gutem Rath und heilsamer Mahnung an die Hand zu gehen. Vor allem möge er, wenigstens auf einige Zeit, jene Pfaffen von sich treiben, die gerade bei dem jetzigen Stande der Dinge die unpassendsten Räthe für ihn seien, wie sie von jeher den Kaisern Verderben gebracht haben. Was ihn der Privathaß der Bischöfe angehe? ob er auf diesem Reichstage nichts Nothwendigeres zu thun habe, als sich mit kirchlichen Streitigkeiten zu befassen? Doch auch an sich sei ihr Verlangen ein ungerechtes, unerhörtes, und verrathe wenig Vertrauen auf die Güte ihrer Sache. Sie liegen dem Kaiser an, Luther ungehört zu verdammen. Wäre dieser auch nicht ein um die Religion und um den Kaiser selbst hochverdienter Mann, wäre er sogar Verbrecher, so müßte man doch seine Verantwortung hören. Man müßte ihn dazu vorladen, selbst wenn er zu erscheinen sich fürchtete: um so mehr, da er sich dazu erbiete. Alle rechtschaffenen und tapferen Männer in Deutschland seien über jenes Ansinnen entrüstet, und in höherem Grade, als sie, mehr an das Handeln als an das Reden gewöhnt, laut werden lassen; nur die Pfaffen wollen Luther auf dem kürzesten Wege verderbt wissen, weil er gegen ihre unmäßige Gewalt, ihre Erpressungen, ihr schändliches Leben gesprochen und geschrieben habe. Den erstern, jenen Männern, die ihm in Krieg und Frieden von Nutzen sein können, solle der Kaiser zu Gefallen handeln, nicht diesen unnützen, weder im Felde noch im Rathe zu brauchenden Menschen. Sie hängen ihm jetzt, im Glücke, an: im Unglücke würden sie ihn verrätherisch im Stiche lassen. Sie halten es nur so lange mit dem Kaiser, als der Papst es genehmige, und rathen jenem zum Vortheil von diesem. Indem er den Kaiser zur Entfernung seiner geistlichen Rathgeber auffordere, trete er, fährt Hutten fort, den rechtschaffenen Priestern nicht zu nahe. Denn diese werden sich von selbst nicht in weltliche Dinge mischen wollen, und der Kaiser thue Unrecht, sie ihrem geistlichen Berufe zu entziehen. Auch könne er ihnen immerhin Ehrfurcht bezeigen, ohne sie über sich herrschen zu lassen. Nie könne er Deutschlands Gunst gewinnen, wenn er nicht jene Menschen von sich thue. Er habe den übeln Eindruck bemerken können, den es bei seiner Fahrt den Rhein herauf gemacht habe, als man ihn, statt mit Kriegern, mit Pfaffen rings umgeben gesehen. Und wie hernach Aleander seine Forderungen vorgebracht, haben manche Lust gehabt, etwas zu unternehmen, hätten sie nicht gedacht, Karl werde selbst über die Unverschämtheit sich entrüstet zeigen. Als angehender Regent müsse dieser seine Schritte doppelt überlegen; müsse gleich von vorne herein das Recht Deutschlands gegen die römischen Uebergriffe vertreten. In dieser Hinsicht sei es von größter Wichtigkeit, wie Luther von ihm behandelt werde, dessen Angelegenheit daher jetzt für Hutten wichtiger als seine eigene ist. Ob Karl Deutschland und sich selbst dem Papst in die Hände liefern wolle, der so eben alles daran gesetzt habe, ihn von der deutschen Kaiserkrone entfernt zu halten?

Er möge seine Würde bewahren, oder wenn er das nicht wolle, wenigstens Deutschland nicht mit sich ins Verderben ziehen. »Denn was«, fragt Hutten, »hat Deutschland so Uebles verdient, daß es mit dir, nicht für dich, zu Grunde gehen soll? Führe uns lieber in augenscheinliche Gefahr, führe uns in die Schwerter, in die Flammen. Mögen alle Nationen sich gegen uns schaaren, alle Völker sich auf uns stürzen, aller Waffen nach uns zielen: wenn wir nur in der Gefahr unsern Muth erproben dürfen, und nicht so niedrig, so unmännlich, ohne Waffen und Schlacht, nach Weiberart unterliegen und dienstbar werden sollen. Unsere Hoffnung war, du werdest das römische Joch von uns nehmen, die päpstliche Zwingherrschaft zerstören. Geben die Götter, daß diesem Anfang Besseres nachfolgen möge; denn bis jetzt, wenn auch noch nicht das Aeußerste zu fürchten ist, wie könnte man bei solcher Erniedrigung Vertrauen fassen? Ein so großer Kaiser, der König so vieler Völker, so willig zur Knechtschaft, daß er nicht einmal wartet, bis er gezwungen wird!« An seinem Großvater Maximilian habe man es mißbilligt, daß er seinen Schreibern zu viel eingeräumt, und doch habe er immer noch seine Würde gegen sie zu behaupten gewußt: wie die Menschen von Karl reden werden, der so viele Herren habe, als Cardinalshüte und Bischofsmützen sich um ihn drängen? Vortheil könne dieser Bund mit dem Papste unmöglich bringen, da kein Papst, am wenigsten ein Florentiner, jemals Wort halte: ob Karl seines Großvaters Erfahrungen vergessen habe? Doch selbst, wenn der Papst denselben halten wollte, wäre es ein schmählicher Bund, da er dem Kaiser Italien und Rom nehme und dem Papste die Ausbeutung Deutschlands gestatte.

Ob Hutten nach Veröffentlichung dieses Sendschreibens, vielleicht durch Sickingen, Nachricht erhielt, daß der Kaiser es ungnädig aufgenommen, oder ob er selbst fühlte, daß er zu weit gegangen: genug, er fand sich bald bewegen, demselben ein zweites nachzuschicken Vom 8. April. Schriften II, S. 47-50., in welchem er wegen des ersten sich gewissermaßen entschuldigt. Er gesteht, dasselbe habe zu hart gelautet, doch sei es aus der reinsten Gesinnung und Absicht geflossen. Er habe geglaubt, seiner Entrüstung um so mehr freien Lauf lassen zu dürfen, als er damit nur des Kaisers Bestes bezweckt habe. Die unbilligen Zumuthungen, die er an diesen habe stellen sehen; die Gewißheit von dem Abbruch, den die Gewährung derselben dem kaiserlichen Ansehen und dem Wohle der deutschen Nation thun würde; die Furcht, Karl möchte bei seiner Jugend noch nicht die Standhaftigkeit besitzen, welche dazu gehöre, um schlimmen Rathschlägen zu widerstehen: das alles habe ihn vielleicht zu ängstlich, zu eifrig gemacht, und wenn er darüber die schuldige Rücksicht auf des Kaisers Majestät aus dem Auge gelassen haben sollte, so möge es dieser der redlichen Meinung zu Gute halten. Was die päpstlichen Nuntien betreffe, so hätte er wünschen mögen, daß dieselben sich unverweislich gehalten hätten, dann wäre keine Ursache für ihn zum Unwillen, für alle zur Furcht, vorhanden gewesen. Abgesandte hingegen, die nicht allein Unbilliges fordern, sondern während dessen auch verderbliche Umtriebe machen, haben ihr Privilegium verwirkt. Zu Friedrichs I. Zeiten sei einer dem Legaten, welcher behauptete, der Kaiser stehe unter dem Papste, vor den Augen des Kaisers mit dem Schwerte zu Leibe gegangen: worin Hutten sich verfehlt habe, sei im Zorne über noch schmählichere Reden geschehen, und wenn Karl ihm dieß nicht verzeihe, so möchte er künftig lieber taub sein, um dergleichen nicht mehr anhören zu müssen. Nochmals bittet Hutten um Verzeihung, um ein Zeichen der wiedererlangten kaiserlichen Gnade, und verspricht, wenn der Kaiser es befehle, in Zukunft nichts dergleichen mehr zu schreiben; denn nicht blos in seinen Handlungen, sondern auch in seinen Schriften wolle er gerne dem Kaiser zu Willen sein, für den er, weit entfernt, mit Absicht etwas zu seiner Verkleinerung zu thun, vielmehr sein Blut zu vergießen bereit sei.

Was Hutten in seinem ersten Sendschreiben an den Kaiser verlangt hatte, Gehör für Luther, das mußte Karl dem Andrängen der Stände des Reichs gewähren. Er berief ihn unter Zusicherung freien Geleites nach Worms, um über seine Lehre und Bücher Auskunft zu geben, und sandte einen Herold nach Wittenberg, um ihn abzuholen. Was Luthern auf dieser Reise, im April 1521, was ihm auf dem Reichstage selbst begegnete, dürfen wir als bekannt voraussetzen, und erwähnen nur, was mit Hutten's Geschichte in näherem Bezuge steht. Ein solcher Punkt ist gleich der Empfang Luther's in Erfurt, bei welchem Hutten's älteste Freunde, Crotus Rubianus und Eoban Hesse, ganz besonders thätig waren. Die Universität zog ihm feierlich entgegen, vierzig Mann zu Pferde und eine große Anzahl zu Fuß, an der Spitze Crotus als zeitiger Rector, der den Reformator, als er auf seinem Rollwagen daherkam, mit einer Anrede begrüßte. Auch Eoban war unter den Reitern, und hat nachher Luther's Einzug, Predigt in Erfurt und Abzug gen Worms in einer Reihe von Elegien verherrlicht. Und gar nicht undenkbar wäre es, daß Crotus in jenen Tagen die (namenlos erschienene) Parodie der Litanei verfaßt hätte, in welcher für Luther, der nächstens nach Worms kommen werde, um Behütung vor italienischem Gifte; für Hutten, Luther's Pylades, um Bestärkung in seinem guten Vorhaben; für den jungen Kaiser um Befreiung von verderblichen Rathgebern; für Deutschland um Erlösung vom päpstlichen Joche u. dgl. m. gebeten wird. AITANEIA Germanorum etc. In Hutten's Schriften II, S. 52-54.

Auf der Ebernburg war mittlerweile ein seltsamer Gast eingetroffen. Es war ein Franciscaner, des Kaisers Beichtiger, der Sickingen anlag, er möge Luther veranlassen, unterwegs bei ihm einzukehren, indem Glapion, so hieß der Mann, ihn vor seiner Ankunft in Worms noch sprechen möchte. Der Mönch hatte sich erst an den sächsischen Kanzler Brück gemacht, um durch ihn bei dem Kurfürsten Friedrich zu Gehör zu kommen, der sich aber mit ihm nicht einlassen wollte. Jetzt wünschte er Luther selbst zu bearbeiten. Er meinte, wenn dieser nur seine letzte, anstößigste Schrift über die babylonische Gefangenschaft der Kirche, als im Zorn über die päpstliche Bannbulle geschrieben, zurücknehmen wollte, so ließen sich wohl noch Mittel und Wege zu gütlicher Beilegung seines Handels finden. So sprach er denn auch auf der Ebernburg zu dem Burgherrn und dessen ritterlichem Gaste, der eben unbaß war, ganz günstig über Luther. Selbst dessen Feinde müßten gestehen, meinte er, daß durch ihn zuerst der Christenheit die Thür zu tieferem Schriftverständniß geöffnet worden sei. Und auf Hutten's Frage, was denn also Luther so Großes verbrochen habe, das durch dieses Verdienst nicht gut gemacht würde? war (so berichtet wenigstens Hutten) seine Antwort, er sehe nichts. Hutteni Expostulatio cum Erasmo, Schriften II, S. 210 f. Vgl. den Brief Bucer's, Hutteni Opp. Suppl. II, S. 806. Was dabei auch die eigentliche Absicht des Mannes sein mochte, den Erasmus und Hutten, hierin einstimmig, als einen der abgefeimtesten Pfaffen schildern: ob, Luthern zu einem falschen Schritte zu verleiten, oder ihn als ein Werkzeug, dessen der Kaiser vielleicht noch einmal gegen Rom bedürfen könnte, zu sparen: gewiß sah damals Sickingen noch nicht, wie später Hutten, in ihm Luther's schlimmsten Feind, sonst würde er nicht, wie er that, in sein Ansinnen gewilligt haben. Er sandte nämlich seinen Gast Martin Bucer mit etlichen Reitern nach Oppenheim, um dem durchreisenden Luther die Einladung auszurichten. Aber dieser, wie er sich durch gleichzeitig einlaufende Warnungen nicht von dem Orte seiner Bestimmung abschrecken ließ, so ließ er sich auch durch keine Einladung seitab locken: wenn der kaiserliche Beichtiger etwas mit ihm zu reden habe, war seine Antwort, so könne das in Worms geschehen, dahin sei er berufen.

Am 16. April kam Luther zu Worms an, und schon am folgenden Tage begrüßte Hutten ihn und seinen Begleiter Justus Jonas in zwei Schreiben, welche Bucer von der Ebernburg nach Worms überbrachte. Als unüberwindlichen Prediger des Evangeliums, als seinen heiligen Freund, redet er ihn an. Und in seine theologische Manier eingehend, tritt er ihm mit einem dicken Rauchwerke biblischer, insbesondere alttestamentlicher Sprüche entgegen. So weit man durchsehen kann, wünscht er ihm Standhaftigkeit, da auf ihn jetzt so viel ankomme, und versichert ihn seiner Anhänglichkeit bis zum letzten Hauche. Ihrer beider Anschläge unterscheiden sich darin, daß die seinigen menschlich seien, während Luther, schon vollkommener, alles Gott anheimgestellt habe. Sehen möchte Hutten jetzt die wüthenden Blicke, die gerunzelten Stirnen und Brauen von Luther's Feinden. Für die Sache hat er die besten Hoffnungen, aber für Luther's Person steht er in schweren Sorgen. Hutten an Luther, Schriften II, S. 55 f.

An Justus Jonas schrieb Hutten voll Freude und Lob, daß jener sich mit Luther in Gefahr begeben. Habe er ihn schon vorher geliebt, so liebe er ihn um deßwillen hundertmal mehr. Er bedauert, daß sein Crotus durch das leidige Rectorat von der Theilnahme an dieser Gefahr abgehalten sei. Er wünscht, er könnte selbst in Worms sein und einen Sturm erregen. Doch sei es besser, ruhig zu bleiben, und Luther lebend zu beschützen, als seinen Tod zu rächen. Jonas möge ihm von den Vorgängen dort, von seinen Hoffnungen und Befürchtungen, Nachricht geben. An Jonas, a. a. O. S. 56.

Am 17. April bestand Luther sein erstes Verhör, in welchem er auf die Frage, ob er seine sämmtlichen Bücher, so wie sie seien, behaupten, oder das Anstößige darin widerrufen wolle, sich Bedenkzeit erbat; am 18. das zweite, wo er, mit Abweisung der Auctorität von Papst und Concilien, wenn er nicht aus der heil. Schrift widerlegt würde, den Widerruf ablehnte. Er that dieß, nachdem ihm bereits durch den trierschen Official angekündigt war, weise er jeden Widerruf ab, so werde das Reich schon wissen, wie es mit einem Ketzer zu verfahren habe. Er war also zwar vorgeladen und befragt, aber nicht eigentlich gehört worden: man hatte sich über die streitigen Punkte nicht mit ihm eingelassen, ihm nicht bewiesen, daß er Ketzerisches gelehrt habe, sondern dieß schon vorausgesetzt, darauf hin den Widerruf von ihm verlangt, und als er diesen ablehnte, ihn als Ketzer fallen gelassen.

Als Hutten von diesem Gange der Sache durch Luther selbst Nachricht erhielt, kannte seine Entrüstung keine Grenzen. Bogen und Pfeile, Schwerter und Büchsen hielt er für nöthig, um der Wuth dieser Teufel Einhalt zu thun. Aber auch seine Anerkennung, seine Bewunderung Luther's war unbedingt. Manche seien zu ihm gekommen in jenen Tagen, schrieb er ihm, mit der ängstlichen Aeußerung: Wenn er nur nicht abfällt! wenn er nur standhaft antwortet! sich nicht einschüchtern läßt! Seine Erwiederung sei jedesmal gewesen, Luther werde Luther sein. Diese Zuversicht habe ihn nicht getäuscht: Luther's Antwort lasse nichts zu wünschen übrig. Auch in den geheimen Verhandlungen, von denen er schreibe (von Seiten etlicher Stände suchte man Luther zu bewegen, daß er in einzelnen Punkten nachgeben, Kaiser und Stände als Richter über seine Lehre anerkennen sollte), werde er sich so zu halten wissen, wie es am besten sei. Er möge jetzt nur bis ans Ende beharren, die Feinde schreien und toben lassen und ihrer spotten. Denn mehr und mehr zeige sich, daß alle besten Männer ihm gewogen seien: es werde ihm nicht an Vertheidigern, nicht an Rächern fehlen. Ihn selbst, Hutten, zwinge die Vorsicht seiner Freunde, ihre Furcht, er möchte zu viel wagen, immer noch zur Ruhe: sonst würde er unter den Mauern von Worms jenen Mützen ein Spiel angerichtet haben. Doch in Kurzem werde er hervorbrechen; dann solle Luther sehen, daß auch er den Geist nicht verläugnen werde, den Gott in ihm erweckt habe. Er brenne vor Verlangen, Luther zu sehen, den er so sehr liebe, und der ihm über alles, was ihm begegne, Nachricht zukommen lassen möge. An Luther, 20. April. A. a. O. S. 58, und Supplem. II, S. 806 f.

Noch einmal vor seiner Abreise aus Worms (die am 26. April erfolgte) schrieb Luther an Hutten und gab ihm von des Kaisers ungnädigem Abschied und dem Verbote Kunde, unterwegs zu predigen. Hutten vermochte dieses Briefchen nicht ohne Thränen zu lesen, und sein Unwille über das gegen Luther eingehaltene Verfahren erneuerte sich. Das Vorgeben, als sei dieser berufen worden, um sich zu verantworten, schrieb er am 1. Mai an Wilibald Pirckheimer A. a. O. S. 59-62., sei eine Lüge gewesen. Man habe ihm ja keine Verantwortung gestattet. Und nun behaupten einige Juristen, der Kaiser sei nicht verpflichtet, ihm das freie Geleit zu halten, ja, er sei verpflichtet, es nicht zu halten. Die gottlosen Bischöfe möchten das Beispiel ihrer Vorgänger auf dem constanzer Concil nachahmen. Der Kaiser solle den Vorsatz ausgesprochen haben, den Papst und die römische Kirche aufs äußerste zu vertheidigen. Darüber jubeln die Pfaffen und meinen, das Stück sei zu Ende; doch bis dahin sei es noch weit, es fehle noch der letzte Act. Von der andern Seite sei zu Worms ein Zettel angeschlagen worden, daß 400 vom Adel sich für Luther verschworen haben, mit dem Zusatz: Bundschuh, Bundschuh! (der auf eine Verbindung mit der Bauerschaft hindeutete) ein Schritt, so gefährlich für Luther, daß man vermuthen könnte, er sei von seinen Feinden ausgegangen. Es heiße nun, es solle ihm ein sehr scharfes Edict nachgeschickt werden (die Achtserklärung erfolgte am 26. Mai), das aber wohl in einem großen Theile des Reichs auf Widerspruch stoßen dürfte. Denn jetzt müsse sich zeigen, ob Deutschland Fürsten habe, oder ob es von geputzten Statuen regiert sei. Franz von Sickingen sei fest und eifrig auf Luther's Seite; er habe geschworen, allen Gefahren zum Trotze die Sache der Wahrheit nicht verlassen zu wollen, und dieses Wort sei einem Orakel gleichzuachten.

Aber losschlagen wollte Franz immer nicht, so manchesmal auch besonders den geistlichen Herren auf dem Reichstage vor seiner drohenden Nähe bange wurde. Die Hoffnung auf Sold und Kriegsbeute, aber auch auf steigende Geltung im Dienste des Kaisers, dem ein Krieg mit Frankreich nicht mehr lange ausbleiben konnte, war nicht die letzte der Ursachen, welche Sickingen und seine Anhänger unter der Ritterschaft von Gewaltsamkeiten vorerst noch zurückhielten. So blieben Hutten's Drohungen von der Ebernburg herunter Worte, und er stand von zwei Seiten her dem Tadel bloß: entweder, daß er gedroht hatte, was er nicht ausführen konnte, oder daß er nicht auch ausführte, was er gedroht hatte. Wenn Erasmus gegen Ende jenes Jahres in einem Brief an Pirckheimer sich über Luther's und seiner Anhänger steigende Heftigkeit mit der Aeußerung beklagte, wer so drohe, müßte ein schlagfertiges Heer hinter sich haben, so zielte er damit sicher auch auf Hutten. Das war Erasmus, der mit seinem Tadel auf diese Seite trat: Hutten's jüngere oder heißblütigere Freunde hatten sich seiner Drohungen gefreut, ja wohl selbst auf seine Rechnung mitgedroht, und machten ihm nun Vorwürfe, daß er über das Drohen nicht hinauskam.

Hermann von dem Busche war, mit seinen zwanzig Jahren mehr, doch fast noch brausender, noch leidenschaftlicher als Hutten. Er befand sich, wie schon erwähnt, während des Reichstags in Worms, und führte, wie Cochläus bezeugt, mündlich nicht minder wilde Reden gegen Luther's Widersacher, als Hutten schriftlich von der Ebernburg heruntersandte. Insofern hatte er diesem nichts vorzuwerfen: ohne Zweifel aber hatte er sich dabei auf Hutten's Versprechen, nächstens mit Franzens Hülfe losbrechen zu wollen, verlassen, und war nun doppelt unwillig, daß dieß nicht geschah. Unter dem 5. Mai, als das Geschäft gegen Luther (er war schon seit acht Tagen abgereist) ohne alle Störung nahezu vollendet war, erließ Hermann Busch von Worms aus ein Sendschreiben an Hutten S. das Schreiben in Hutten's Schriften II, S. 62-64. Die Stelle aus Cochläus' Histor. de actis et scriptis Lutheri ebendaselbst, S. 64 f., in welchem er ihm seine Mißstimmung nicht verhehlt, und durch die bittersten Dinge, die er dem Freunde sagt, ihn zur That zu stacheln sucht. Er meldet ihm, wie die Römlinge auf dem Reichstage, die sich erst vor ihm gefürchtet, jetzt über ihn lachen und Witze machen. Er belle nur, und beiße nicht, sagen sie. Die päpstlichen Nuntien führt er redend ein: Wenn ihnen keine schlimmere Gefahr drohe als von Hutten, so seien sie geborgen. Darum haben sie auch, ohne sich an seine eiteln Drohungen zu kehren, ihr Geschäft nur um so eifriger betrieben und hoffen es nächstens vollendet ihrem Herrn, dem Papste, zu Füßen zu legen. Aleander's inniges Verhältniß zum Kaiser, die Hintansetzung der deutschen Fürsten, der Uebermuth der Spanier, welche auf Maulthieren stolzierend den Deutschen den Markt sperren, Hutten's glossirte Bulle, Luther's babylonische Gefangenschaft den Buchführern wegnehmen, zerreißen und in den Koth treten: das alles wird zum Vorwurfe gegen Hutten, der, wenn er glaube helfen zu können, längst hätte dazu thun sollen. Auf Karl's Abreise zu warten, wäre sehr unpassend, da mit ihm die schlimmsten Feinde Luther's, Hutten's und der deutschen Freiheit, die päpstlichen Nuntien, abziehen werden. Wenn Hutten diese mit heiler Haut aus Deutschland kommen lasse, wenn er hierin die erregte Erwartung täusche, sei es eine Schlappe für seinen Ruf. Statt der Plackereien gegen diejenigen, welche von hier aus nach Rom reisen, sollte er vielmehr jene römischen Sendlinge, als die eigentlichen Schuldigen, bestrafen. Wenigstens möge er nicht alle ungekränkt davon kommen lassen, damit seine Drohungen nicht ganz leer erfunden werden; denn so viel könne Busch ihm sagen, sein bisheriges Zögern thue selbst seinen besten Freunden leid.

Ungefähr um dieselbe Zeit erließ auch der alte erfurtische Freund Eoban Hesse eine poetische Mahnung ähnlichen Inhalts, nur in seiner Art freundlicher und gemüthlicher, an Hutten. Helii Eobani Hessi ad Hulderichum Huttenum, ut Christianæ veritatis caussam et Lutheri iniuriam armis contra Romanistas prosequatur, Exhortatorium. In Hutten's Schriften II, S. 68-71. Der deutsche Ritter möge jetzt Luther und die deutsche Freiheit mit dem Schwerte beschützen, da es mit Schriften und Versen nicht mehr gethan sei. Dazu dürfe er sich aus allen Gauen Deutschlands Beistand versprechen, besonders von Franz von Sickingen. Sie beide, so ahnet dem Dichter, werden dem römischen Unwesen ein Ende machen; besonders aber setzt er seine Hoffnung auf Hutten, den er von Jugend auf beobachtet hat, dessen hohen Geist, gefaßten Muth und tapfere Hand er genau kennt. In diesen Eigenschaften möge er sich nun auch der Nation zeigen; Deutschlands Freiheit und Ruhm wiederherzustellen, dazu rufe ihn das Schicksal. Dadurch werde er den schon jetzt glänzenden Namen der Hutten noch mehr verherrlichen, wie ihm hinwiederum der Glanz dieses Namens im Kampfe Vorschub leisten werde. Der Dichter erinnert den ritterlichen Freund an den Beifall, den sein gewaffnetes Bild finde, an den Vorgang seines Kampfes für den ermordeten Vetter. So möge er endlich die Hoffnungen, die er erregt, erfüllen, und des Freundes Aufruf gleichsam als Signal zum Kampfe (an dem dieser gerne selbst Theil nehmen möchte) freundlich aufnehmen.

Wie einst Eoban die Hutten'sche Epistel Italia's an Maximilian durch Angabe der Ursachen beantwortet hatte, welche den Kaiser bis jetzt noch verhindern, ihrer Aufforderung zu folgen: so fand sich nun umgekehrt Hutten in dem Falle, Eoban's poetische Aufmahnung in derselben entschuldigenden und beschwichtigenden Weise zu beantworten. Hulderichi Hutteni ad Hel. Eobanum Hessum pro eadem re Responsorium. Ebendas. S. 71-75. Seine Ermahnung hätte der Freund zwar, wenn er Hutten recht gekannt, sparen können, doch sei sie diesem willkommen, als ein Zeichen, daß es noch freie Männer in Deutschland gebe. Möchten alle so denken! Aber statt dessen zagen und zaudern die Bundesgenossen. Er jedoch werde alles versuchen, und obwohl von vielen im Stiche gelassen, in seinem Vorhaben bis in den Tod beharren. Bisher habe er durch Schriften zu wirken gesucht; jetzt sei die Zeit der Waffen gekommen: er ergreife sie. Das Gerücht, er habe sein Unternehmen aufgegeben, sei falsch, vom Neide ausgesprengt. Des Papstes und seiner Anhänger Drohungen verachte er. Von Luther's Blute solle in seiner Gegenwart nicht ein Tropfen vergossen werden, der sich nicht mit dem seinigen mische. Er werde diesen seinen Mitarbeiter, wie früher mit dem Geiste, so jetzt mit der Faust unterstützen. Ob er es durchsetzen werde, wisse er nicht; aber wagen werde er es darum doch. Verbannung und Tod schrecken ihn nicht: in einem geknechteten Vaterlande leben, habe keinen Werth, und der Tod werde ihn ja in Freiheit setzen. Doch hoffe er das Beste. Vielleicht werde Franz die Waffen ergreifen, der ganze Adelstand sich in die Sache legen, die ihn im Stiche gelassen, zurückkehren: jedenfalls sehe er im Geiste den Fall des Papstthums, den Sieg des Evangeliums voraus. Daß die beiden Nuntien unversehrt entkommen, sei nicht seine Schuld. Er habe nichts versäumt: die Straßen besetzt, Hinterhalte gelegt: aber des Kaisers Heer habe sie geschützt. Eine Spur, daß er einen ihrer Begleiter erstochen, weist Böcking nach; Schriften II, S. 89 f. Vielleicht laufen sie ein andermal ins Garn; auf jeden Fall müsse man annehmen, es sei so Gottes Wille gewesen. In Christi Willen ergibt sich Hutten ganz: wolle der, daß Leo ihn feßle, so suche er vergebens zu entrinnen; so wie umgekehrt seine römischen Gegner, wenn Christus sie in seine Hände geben wolle. Aber Christus möge ihm beistehen, da ihn zu diesem Kampfe nichts als die Unterdrückung des Christenglaubens bewege. Streiter seien genug bereit: Christus möge nur das Signal geben, den Krieg anbefehlen. Sonst blase auch Eoban umsonst. Indessen sei es gut; er möge nur fortfahren, die Leute aufzumahnen: viele haben dieß nöthig, während Hutten von selbst bereit sei. Auch seien die Wirkungen seiner Thätigkeit nicht ganz zu verkennen: Rom schicke seit einiger Zeit keine Bullen, keine Legaten, keine Ablaßkrämer mehr, und die Curtisanen thun sich ein. Genug sei das freilich noch nicht: die böse Brut müsse mit der Wurzel ausgerottet werden. Dazu werde Hutten thun, was in seinen Kräften stehe; sei ihm das Unterfangen zu schwer, so müsse das Vaterland seinen Willen für die That nehmen.

Und so brech' ich hindurch! durch brech' ich, oder ich falle
Kämpfend, nachdem ich einmal also geworfen das Loos.


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