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IX.

Sie war wirklich schön. Das fand nicht er allein. Das sagte das Geflüster, die langen Blicke der Herren hinter ihr, wo sie hinkam, so gut wie das neugierige feindselige Schweigen, mit dem die Frauen ihr nachschauten. Und es gab doch wahrlich genug schöne Frauen auf dem grünen Rasen von Iffezheim – Welt und Halbwelt, Frauen in Weiß und in Blau, in Rosa und Mauve und am meisten Frauen, selbst Blondinen, in einem blutdürstigen Scharlachrot, das eben Mode war. Frauen aus allen Ländern, von diesseits und jenseits des Kanals und des Atlantischen Ozeans, nervöse gepuderte Pariser Weiblichkeit, britische Gesundheit und rosige Frische, halb slawische Puppenköpfchen aus Wien, nordisches Blondhaar und welsches Blauschwarz, – es war alles da und lachte und flirtete und fegte mit buntem, knisterndem Kleidersaum das grüne Gras und sonnte sich und seine Schönheit unter dem blauen Himmel.

Aber seine Frau war etwas Besonderes. Der kleine Prinz wußte es wohl. Das war kein Kopf wie die anderen, diese klassischen Napoleonzüge, nur verweichlicht, gemildert, geglättet, wie auf altrömischen Münzen. Das Haupt irgendeines weibisch-schönen jungen Cäsaren, satt und doch genußsüchtig verträumt. Auch die Hautfarbe schien korsisch – ein mattes, gesundes Gelb – und darüber, ein Zeichen ihrer irischen Abstammung, das prachtvolle, hoch aus der Stirne gewellte rotblonde Haar mit seinem herausfordernden Gegensatz, den großen, dunklen, feurig hin und her blitzenden Augen.

Sie war größer als er. Hochragend und tannenschlank, alles an ihr weiß in weiß, helleuchtend wie eine Marmorstatue, stand sie da und wartete, bis er herankam. Eine eigentliche Begrüßung zwischen den Gatten fand nicht statt. Sie gaben sich nur zögernd die Hand und der kleine verwachsene Prinz blickte ihr stumm in das Gesicht, in diese wie aus mattem Elfenbein gemeißelten und durchscheinend rosig abgetönten, von Lebensfrische, Selbstsucht und Gesundheit leuchtenden Züge.

»Wie er mich wieder anschaut!« sagte Virginia auf englisch zu den sie umstehenden weißflanellenen Trabanten. »Immer schaut er mich jetzt so vorwurfsvoll an ... schon seit einem Jahr ... mit großen, melancholischen Augen, als sei Gott weiß was geschehen. Ich glaube, er ärgert sich, daß ich immer vergnügt bin! Aber ich bin's trotzdem!«

Die jungen Gentlemen schwiegen höflich, und sie wendete sich stirnrunzelnd ihrem Manne zu. »Wo warst du denn eigentlich wieder die drei Tage?«

»In den Bergen!« sagte Prinz Wilfried kurz und scheu.

»Auch ein Vergnügen!« Sie schüttelte den rotlockigen Cäsarenkopf, daß ein feiner, betäubender Duft den seidenen Haarwellen entstieg. »Da waren wir harmloser! Wir haben zwischen den beiden Renntagen einen Ausflug in den Schwarzwald gemacht, zu Fuß! Wie die Handwerksburschen sind wir herumgezogen und haben gesungen und in einem kleinen Dorfwirtshaus zu Mittag gegessen ... Sauermilch und Forellen – weiter gab's nichts – ein klassisches Menü ... Zu nett war's! Wenn nicht die ewige Sorge um ›Aegir‹ gewesen wäre – daß ihm am Ende das weiche Wasser hier nicht bekommt – die beiden englischen Steepler sind schon regelrecht krank und...«

»Was macht denn Baby?«

»Unser Baby?« Sie schien erstaunt. »Was soll es machen? Es trinkt, schreit und schläft!«

»Also es ist wieder ganz wohl?«

»Nun gewiß! der Schwächeanfall, um den du dich so gebangt hast, ist längst vorüber.«

»Und auch nicht wiedergekommen?«

»Bis jetzt nicht! Und übrigens ... davon, daß du dann jedesmal mit deiner Melancholie in die Berge läufst, wird es auch nicht besser ...«

»Was sagt denn der Arzt?«

Sie wurde etwas nervös. »Du hast es dir doch jeden Tag telegraphieren lassen. Heute früh noch nach Basel!«

»Und dir hat er weiter nichts gesagt?«

»Nichts Besonderes! Die Ärzte rücken ja nie mit der Sprache heraus, wenn sie nicht müssen. Baby sei eben sehr zart ... das alte Lied ... Nach dem Engadin dürften wir es nicht mitnehmen ... wegen der rauen Luft ... besser aufs Land, in den Wald ... Das macht sich für die paar Wochen, wo wir in St. Moritz sein werden, ganz gut, daß Thieregg jetzt völlig eingerichtet ist ...«

»Solch ein altes, dumpfes Schloß ... und in Niederösterreich ... in so weiter Entfernung von uns! Wenn etwas passiert, haben wir zwei Tage Fahrt!«

»Es passiert eben nichts! Jedenfalls ist Baby dort besser aufgehoben als in einem Engadiner Hotel zur Hochsaison!«

Er unterdrückte den Gedanken, daß für die Mutter die Kinderstube vielleicht auch der richtigere Platz sei als das Kurhaus eines Modebades. »Ist denn Baby wenigstens hier in Baden-Baden im Hotel gut versorgt, während du auf dem Rennplatz bist?«

»Nun natürlich! Es hat doch alle Pflege! Was sollte ihm denn fehlen?«

»Entschuldige nur die Frage!« sagte der Prinz von Eck melancholisch. »Aber da du mir nur von der Gesundheit meines Pferdes erzählst, war ich etwas neugierig, wie es um unsere Tochter steht!«

Sie zuckte die Achseln. »An ihm ist eine Kinderpflegerin verloren gegangen!« sagte sie ernsthaft zu den diskret etwas zurückgetretenen New Jorker Athletengigerln. »Rührend ist er in der Sorge um die Kleine. Oft trägt er sie selbst, wenn sie schreit, im Zimmer herum. Ich finde, er übertreibt's! Er übertreibt alles! Er nimmt alles zu schwer ... zu hoch ... zu tief ... ich weiß nicht ... es ist nicht mein Maß ... du ... weißt du, wer alles mit auf der Schwarzwaldtour war?«

Dabei lächelte sie ein bißchen neugierig und grausam. Aber Prinz Wilfried erwiderte nur: »Nein. Es ist mir auch ganz gleichgültig!«

»Ja ... also und ›Aegir‹ ... ich war heute früh schon mit Little Tom hier draußen in Iffezheim ... in den Ställen ... also ›Aegir‹ hat...«

»›Aegir‹ hat vier Beine und wird die in einer halben Stunde für uns im Großen Preis in Bewegung setzen!« sagte der kleine Prinz melancholisch. »Das weiß ich alles, Liebste, – nur warum du und ihr alle hier und die Menschenmassen da draußen und wer weiß wie viele Tausende in Europa und Amerika sich darüber so aufregen, ist mir ein Rätsel.«

Ringsum entblößten sich die Häupter. Von der ersten Tribüne klang ein diskret gedämpftes Hochrufen in die fernen Klänge der Nationalhymne. Der Großherzog von Baden war erschienen und ging, vornehm und leutselig wie immer jeden Gruß erwidernd, langsam durch das Menschenspalier. Das Präsidium des Klubs umgab den greisen, in hellblaue Dragoneruniform gekleideten Bundesfürsten und geleitete ihn zu dem reservierten Pavillon.

Virginia sah ihm gedankenlos nach, finster und verstört mit den Eckzähnen in das Spitzentuch beißend, das sie langsam durch die Lippen zog. Ihr Mann war befremdet. »Was hast du denn?« fragte er.

Sie fuhr wie aus einem Traume auf. »In einer halben Stunde!« murmelte sie und trennte nun wirklich ein Eckchen des seidenen Gewebes ab. »... In einer halben Stunde ... ich halte es nicht mehr aus vor Aufregung. Ich sag's euch allen jetzt schon, sowie ›Aegir‹ gesattelt wird, ziehe ich mich ins Damenzimmer zurück, bis das Rennen zu Ende ist!«

»Und was machst du denn in der Zeit, Virginia?« fragte der Prinz Wilfried sanft, mit einer schonenden, mitleidigen Neugier.

»Das weiß ich nicht. Vielleicht schlaf' ich vor lauter Angst ... wenn ich die Augen so ganz fest zumache ... oder ich weine ... oder nein ... ich bete ... ja ... ich werde beten, daß ›Aegir‹ gewinnt. Das hilft gewiß!«

»Und wenn ›Aegir‹ siegt!« Sie strahlte plötzlich wieder und musterte mit dem Blicke einer Kaiserin ihr athletisches Gefolge. »... Gott! Gentlemen! Ich weiß gar nicht, was ich dann tue vor Glück! Welch eine Ehre! Welch ein Triumph! Alle meine Freundinnen diesseits und jenseits des großen Wassers vergehen vor Neid. Und er muß, gewinnen! Er muß! Ich will es!«

Dabei runzelte sie die Stirne, daß zwischen den glühenddunklen Augen eine finstere Furche entstand und die Ähnlichkeit mit einem düsterschönen, jugendlichen Cäsarenkopf noch deutlicher hervortrat. Dann wurde sie plötzlich geschäftig, nervös, fiebernd tätig.

»Jetzt heißt es aber noch handeln!« rief sie und rauschte, immer die weiße Herkulesschar hinter sich, hinaus auf den Übergangsplatz zwischen dem Klubraum und der ersten Tribüne. Ihr Mann folgte ihr nicht. Er wußte, dort befanden sich die Buchmacher, ihre Geschäftsfreunde! Wo sie ging und stand, war sie von einem Schwarm dieser Leute umkreist und winkte sich je nach Laune die Vertreter von Paris, von London oder Wien heran. Sie genierte sich dabei gar nicht, obwohl sie wußte, daß die anderen Millionärinnen das shocking fanden. Der Erwerbssinn und mehr noch die Lust an der gewagten Spekulation war in ihr zu mächtig. Sie machte Geschäfte auf dem grünen Rasen wie ihr Vater drüben in der Wallstreet von New York in Silberminen, zehn, zwanzig, dreißig Wetten hintereinander, die in den Brieftaschen der Buchmacher eingeschrieben standen und die sie mit unbegreiflicher Sicherheit alle auswendig im Kopf behielt, Wetten auf Sieg und Platz, Wetten auf drei, auf fünf Sieger hintereinander, wobei der Einsatz sich im Quadrat bis zu enormen Summen erhöhen und einen leichtsinnigen Buchmacher ruinieren konnte, Wetten vom Frühjahr her, wo ›Aegir‹ noch nicht für so aussichtsreich galt und mit 6:1 zu haben war, und neue Wetten, eine Stunde vor Beginn des Rennens, wo die Geschäftsmänner des Turfs schwierig geworden waren und den prinzlichen Hengst überhaupt kaum mehr »legten« – ja, wie ihr Mann sie kannte, würde sie noch beim Aufgalopp der Pferde zum Start irgendeine wilde Spekulation abschließen und gewinnen. Sie gewann meistens und verschenkte gewöhnlich alles großmütig an die erfolgreichen Jockeys. Am Geld war ihr nichts gelegen – nur am Sieg ... an der Aufregung ... am Leben ...

Das war eigentlich das Wunderbare an ihr, daß sie so gar nicht blasiert war. Ihr ganzes Wesen war voll naiver Genußfreudigkeit, voll von einem kalten, sonnigen, strahlenden Egoismus, und man konnte sie sich gar nicht anders denken, als sie war.

Jetzt kam sie zurück, eilig wie gewöhnlich, trat dann plötzlich zur Seite und sank in einer tiefen, unergründlichen Verbeugung zusammen. Der Prinz von Wales ging an ihr vorbei, verbindlich, müde, behäbig, korrekt als erster Gentleman Europas gekleidet und von einem Schwarm ehrfurchtsvoller Britinnen umringt, und lüftete höflich und etwas gelangweilt seinen Strohhut vor der freien Amerikanerin. Dann richtete sie sich auf und gestikulierte lebhaft. Sie suchte ihren Kasten mit der Amateurkamera.

Ein hagerer, langer, knochiger Engländer, der ein wenig an einen Preisboxer erinnerte, kam darauf gemächlich, die schwarze Kassette unter dem Arm, nach vorne und beeilte trotz aller ihrer Winke seine Gangart nicht. Bei seinem Anblick flog ein Schatten des Widerwillens über Prinz Wilfrieds blasses Gesicht. Er war ja schon an den Hofstaat seiner Frau gewöhnt, diesen Schwarm internationaler Kavaliere, der sich um einen Stamm junger New Yorker Börsenfürsten gruppierte und mit ihr kreuz und quer durch die Modeorte von Europa zog. Er hatte schon allerhand zweifelhafte Erscheinungen darunter kommen und gehen sehen – eigenartige päpstliche Grafen aus Paris, italienische Herzöge von nebelhafter Abkunft, sonderbare rumänische Fürsten und Dalmatiner Marchese – alles junge Männer von tadelloser Wäsche und Kleidung, tadelloser halblauter Konversation in drei oder vier Sprachen und tadelloser Brieftasche mit Päckchen von Fünfpfundnoten, Hundertfrankbillets oder Tausendmarkscheinen in dem Jackett – er wußte auch, daß Virginia abwechselnd den einen oder den anderen bevorzugte, ihn erhob und spielerisch lächelnd, wenn er langweilig geworden war, wieder fallen ließ, ohne doch eigentlich ihrem Rufe etwas zu vergeben – aber so unsympathisch wie Mr. Stuart Owen, der englische Herrenreiter und zur Zeit erklärter Cicisbeo, war ihm noch keiner gewesen.

Er hatte gehofft, daß Mr. Owen wegen seiner verdächtigen Reitkünste doch einmal vor die Stewards des Klubs gerufen und von den Rennbahnen des Kontinents und damit auch aus der Gesellschaft verbannt werden würde. Aber der hagere, junge Brite war zu schlau. Er ritt nicht nur von Hause aus vorzüglich, sondern, wenn es durchaus nicht anders ging, auch geknickten Herzens ehrlich und ließ sich nicht so leicht erwischen. Immerhin war er nicht gerade angesehen – einer jener zweifelhaften Zwitter zwischen Gentleman und Jockey, wie sie der englische Turf erzeugt und ungebeten an das übrige Europa abgibt.

Heute hatte er nicht zu reiten. Die Hände halb in den Hosentaschen stand er vor Virginia da – brutal, ein bißchen stumpfsinnig, zwischen den mächtig entwickelten Kiefern des rostbraunen Bulldoggengesichts den englischen Stalljargon kauend, der Typus breitschulteriger britischer Roheit. Seine Frau hatte sich von ihm scheiden lassen, weil er sie zu oft in der Trunkenheit geprügelt hatte. Aber auch das schadete ihm hier nichts. Man nahm ihn ja ohnedies nicht ganz recht als Gentleman. Viele der Frauen fürchteten sich vor ihm und konnten die Augen nicht von ihm wenden, und was sonst um ihn war, was hinter seinem Rücken getuschelt und geflucht wurde, prallte an seinem unerschütterlichen Phlegma ab. Offen band ohnedies niemand gerne mit ihm an. Er war bekannt wegen seiner stiermäßigen Körperkraft.

» Well« sagte er über die Schulter hin zu dem kleinen Prinzen. » I say – it's a good thing for ›Aegir‹!«

Der andere erwiderte nichts. Ihn verletzte die plumpe Vertraulichkeit. Er fühlte immer wieder: In den Augen all dieser Engländer und Amerikaner, die als Vettern, Freunde und Turfgenossen seine Frau, wo sie ging und stand, umgaben, war er eben nur der Gatte Virginias, ein kleiner, verwachsener, armer deutscher Prinz, ein Ausstattungsstück, das sich die Millionärin gleich anderen, dem Komfort der Neuzeit dienenden Dingen von ihrem Vater, einem der Silberkönige des wilden Westens, hatte schenken lassen.

Es war ja auch wirklich so. Alles hier kam ja von ihr. Alles war von ihrem Gelde bezahlt. Der neu eingerichtete Rennstall, der um eine Unsumme in England erworbene »Aegir«, der von eben dort für einen haarsträubenden Preis zu dem Entscheidungsritt verschriebene »Little Tom«, der erste Jockey der Welt – er, der Prinz von Eck, der nominelle Besitzer all der Herrlichkeit, hatte mit dem allen, diesem ganzen lärmenden Treiben, dieser lachenden, naiven Verschwendung eben nur das eine gemein, daß seine Krone vielgezackt als letzter Knalleffekt darüber schwebte.

Er warf einen langen, trüben Blick auf seine schöne Frau und ging dann still beiseite. Sie bemerkte es. »Wo willst du denn hin?« rief sie ganz laut mit ihrer hellen Stimme.

Er blieb stehen. »Eigentlich ...« sagte er zögernd, »... am liebsten führe ich nach Baden-Baden und sähe rasch einmal nach Baby!«

»Jetzt – wo bald das Rennen anfängt ...?«

»Bis dahin kann ich zurück sein! Jetzt ist die Chaussee leer und unsere Traber sind schnell!«

»Und wenn du doch zu spät kommst ...«

»Dann läuft ›Aegir‹ das Rennen eben ohne mich! Was liegt daran? Ich habe Baby seit drei Tagen nicht gesehen.«

Sie unterdrückte mühsam eine Bewegung des Unmuts. »Du wirst Baby noch oft genug sehen!« sagte sie hart mit umwölkter Stirne. »Habe die Güte und bleibe hier! Willst du mich denn in einem fort lächerlich machen mit deinem exzentrischen Wesen? Wer soll denn, wenn wir gewinnen, den Preis in Empfang nehmen? Etwa der Trainer?«

Das war richtig: Dort drüben, gleich am Drahtabschluß des Klubplatzes, stand auf einem Tisch der hochgetriebene kostbare Goldpokal und gleißte in der Sonne und harrte des siegreichen Pferdebesitzers, dem er nach dem Rennen überreicht werden sollte.

Virginia war schon wieder ganz mit dem Rennen und dem Ehrenpreis beschäftigt. »Den Pokal stellen wir in Thieregg auf – in dem großen Eichensaal!« beschloß sie und wendete sich erklärend auf englisch zu Mr. Owen. »Wir haben uns nämlich das Schloß Thieregg in Niederösterreich gekauft, um da unten ein pied-à-terre zu haben für die Jagden. Es sind schöne Jagden. Sie müssen auch kommen, wenn es an der Zeit ist. Es kommen eine Unmasse Menschen von überall her. Es wird viel Leben geben! Aber jetzt ...« Ein neuer Einfall durchzuckte sie. Sie sah den kleinen Prinzen vorwurfsvoll an. »Natürlich hättest du es wieder vergessen! Gut, daß ich wenigstens an alles denke. Ich habe gestern telegraphiert, daß unsere Jacht seeklar gemacht wird. Es ist die höchste Zeit. Wir wollen doch zur Segelwoche nach Cowes, das war doch abgemacht. Und dann nach St. Moritz!«

Prinz Wilfried nickte nur stumm, als wollte er sagen: Ja – ja – schleife mich nur dahin und dorthin – in demselben ewigen lärmenden Müßiggang. Ich kann ja nicht anders. Ich muß dir ja folgen.

Sie achtete auch gar nicht mehr auf ihn. Sie bekam jetzt, wo eben das letzte Rennen vor der großen Entscheidung des Tages gelaufen wurde, ihre Nerven. Der rosig durchleuchtende Blutschein auf ihrem schönen, matt getönten Napoleonsgesicht verschwand. Sie sah bleich aus.

»So muß einem Duellanten früh morgens zumute sein!« sagte sie schweratmend zu Mr. Owen und warf dabei wieder einen begehrlichen, lüsternen Kinderblick nach dem in der Mittagssonne flammenden Goldpokal.

Der Herrenreiter zuckte die Schultern. Er duellierte sich als Brite nicht. Er boxte höchstens, wenn es sein mußte. Und das verstand er gründlich. Ein Blick auf seine knochigen Fäuste lehrte es.

Sie erwartete, daß er ihr etwas antworten sollte, um sie von ihrer Angst um ›Aegirs‹ Schicksal zu erlösen. Aber er blieb stumm. Ein Hauptgeheimnis seiner Erfolge bei Frauen bestand eben in dieser schweigsamen, phlegmatischen Brutalität.

Sie schlug ihm auf ben Arm. »Kommen Sie! Ich will noch einmal nach ›Aegir‹ schauen. Dann lege ich mich im Damenzimmer aufs Sofa und werde seekrank. Gehst du mit?«

»Nein!« sagte der kleine Prinz melancholisch. »Geh du nur allein! Wozu brauchst du denn mich?«

 


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