Ludwig Storch
Orestes in Paris
Ludwig Storch

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14.

Die Scene in Paris änderte sich sehr schnell. Schon zwei Tage nach Condé's Einzug tobte eine Rotte durch die Straßen, die sich Freunde des Prinzen nannte, und den Feinden desselben mit Feuer und Schwert drohete. Sie wollten Stadtrath und Parlament zwingen, dem Prinzen ganz unterthänig zu sein, und mehr zu gehorchen als dem König. Als man ihren frechen Forderungen nicht gleich willfahrtete, legten sie Feuer ans Rathhaus, welches der Prinz Condé und sein Bruder Conti kurz vorher verlassen hatten. Mit gräßlichem Geschrei verlangte man die Anhänger des Cardinals ausgeliefert, und schoß nach einigen Männern, die sich an den Fenstern des Rathhauses zeigten. Der tolle Haufe vergrößerte sich stündlich, das Geschrei wurde wüthender. Endlich erstürmten die Aufrührer das Rathhaus, plünderten es und stießen Jeden nieder, der ihnen wehren wollte. Alles im Namen 145 des Prinzen. Viele Menschen kamen ums Leben. Der Aufruhr wüthete immer wilder und drohete endlich die ganze Stadt anzustecken, aber keiner der beiden Prinzen erschien, um ihn zu dämpfen. Die Prinzessin von Montpensier, die hochherzige Heldin war es wieder, die den Sturm beschwor; ihr gelang es, durch Bitten und Befehle die Ordnung herzustellen. – Schrecken verbreitete sich in Paris; es entstand eine allgemeine Flucht der Vornehmen. Niemand hielt sich seines Lebens mehr sicher. Auch der Pöbel verließ bald des Prinzen Partei, weil dieser der Hungersnoth nicht steuern konnte, die sich in der Stadt verbreitete, herbeigeführt von der Verwüstung der Umgegend durch die beiden Heere und von der Hemmung der Zufuhr durch die königliche Armee, welche die Brücke bei St. Cloud besetzt hielt. Armuth und Noth stiegen täglich, die geschäft- und brotlosen Arbeiter durchzogen in Schaaren die Stadt. Die Freunde des Hofs schilderten den König dem Volke sehr friedeliebend und friedewünschend, und den Prinzen widersetzlich und friedenfeindlich. Man fing an Condé zu hassen 146 und zu verfluchen. Nur das Parlament hing ihm noch an und that einen Verzweiflungsschritt, indem es den Herzog von Orleans zum Generallieutenant des Königreichs und den Prinzen Condé zum Generalissimus der Armee ernannte. Doch auch dies fruchtete nichts mehr. Condé mußte die Spanier um Hülfe ersuchen. Doch Türennes Unerschrockenheit und Mazarins Schlauheit vermochten den spanischen Heerführer zum Rückzug, eh' er dem Prinzen nur etwas genützt hatte, und man betrieb nun von beiden Theilen den Frieden um so eifriger. Durch einen Kabinetsbefehl des Königs wurde das Parlament nach Pontoise verlegt, wo sich der Hof aufhielt, und wirklich verfügten sich der Präsident, der Siegelbewahrer und elf Räthe dorthin. Das Pariser Parlament behauptete aber sein Ansehen zu Gunsten Condés auch. Beide vernichteten gegenseitig ihre Beschlüsse. Doch beide kamen darin überein, daß die Entfernung des Cardinals aus Frankreich die erste Bedingung des Friedens sei. Die Königin sah sich endlich genöthigt, ihren Liebling zum Opfer 147 zu bringen. Der schlaue Priester verließ Frankreich zum zweiten Male, jedoch jetzt mit der Ueberzeugung, zurückberufen zu werden, so bald die Gewalt des Königs befestigt sein würde.

Auch in der Provinz nahm die Partei Condé's täglich ab; eine Stadt um die andre öffnete dem König die Thore. In Paris ließ Ludwig eine allgemeine Amnestie verkündigen und seinen Verwandten Gnade anbieten, wenn sie nach drei Tagen die Waffen niederlegen würden. Condé verwarf den Frieden, obgleich alle Ursache zum Kriege weggefallen war. Er wagte das Aeußerste, und schon hatte er sich mit dem Herzoge von Lothringen verbunden und würde der schwachen königlichen Armee unter Türenne hart zugesetzt haben, wenn ihn nicht eine seinem dissoluten Leben entsprungene Krankheit in Paris zurückgehalten hätte. Als er genesen, war der günstige Augenblick vorüber. Die meisten seiner Anhänger verließen ihn, und er eilte aus Paris, um sich den Spaniern in Champagne in die Arme zu werfen. Der Herzog von Orleans ging nach Blois, die Prinzessin von 148 Montpensier auf ihre Güter. Ihre Partei in Paris verstummte; man räumte Alles hinweg, was an den Prinzen erinnern konnte, und die Bevölkerung begehrte den König in den Mauern der Hauptstadt.

Ludwig hielt am 21. October seinen Einzug. Die schönsten Töchter der Stadt empfingen ihn und überreichten ihm Kränze und Gedichte; im Uebrigen waren alle Festivitäten verboten worden. Am andern Tage wurde eine allgemeine Amnestie erklärt, und in Paris trat eine solche Ruhe ein, die die kurz vergangnen Wirren fast unglaublich erscheinen ließ.

Der König hielt Heerschau. Seine Mutter saß im Wagen vor der Fronte; er ritt stolz durch die Reihen. Plötzlich nickte er einem jungen Offizier so freundlich zu, als sein Stolz erlaubte. Der also Begrüßte trat hervor. Es war St. Romain.

»Du bist gefährlich verwundet gewesen?« sagte der König. »Ich möchte allein mit Dir reden. Komm in einer Stunde zu mir.« –

Zur angegebenen Zeit stand der Offizier in 149 des Königs Vorzimmer. Der junge König winkte ihm gnädig herein.

»Ich bin sterblich verliebt,« rief der vierzehnjährige Monarch, »so hitzig, so gewaltig, wie ich es noch nie war.«

»Ew. Majestät werden seit der Zeit, daß ich nicht mehr in Ihrer unmittelbaren Nähe bin, schon weitere Erfahrungen in der Liebe gemacht haben.«

»Freilich!« lachte der König. »Doch höre! Als mir vorgestern bei meinem Einzuge die hübschen Kinder weiß und grün entgegen kamen, ließ ich mein Auge mit großem Wohlgefallen über sie hingleiten. Da durchzuckt' es mich plötzlich siedend heiß. Ich hatte ein mir wohl bekanntes Gesichtchen erblickt, das reizendste unter allen. Scheu, die Augen niederschlagend, schamhaft erröthend, stand sie in der Ferne, aber mein Herz flog ihr zu. Räthst Du, wer es war? Du hast's errathen; ich sehe Dir's an. Nun freilich, wer anders als die liebliche Elisabeth von Tarneau. Du hast ihr sonst schon meine Grüße gebracht und das Terrain erforscht, leider trieb mich aber Vetter Condé's Tollheit damals fort, und ich konnte sie 150 nicht sprechen. Auch war ich wahrlich nicht so verliebt in sie, wie jetzt, sonst hätt' ich's doch möglich gemacht. Seit vorgestern brenn' ich in lichten Flammen, und zerbreche mir den Kopf, wie ich ein Rendezvous mit ihr zu Stande bringe. Da fallen meine Augen auf Dich und mein Kummer ist gehoben. Sieh, jetzt hab' ich Zeit und Muße, ein so reizendes Liebesabenteuer mit aller möglichen Bequemlichkeit zu bestehen. Sei Du nun wieder mein Liebesbote. Schmuggle Dich in das Haus und spionire, wie anzukommen ist. Der Vater ist ein wüthender Frondeur, einer der schlimmsten Condéer gewesen. Ihm soll seiner Tochter wegen verziehen sein. Geh hin! Ich kenne Deine glatte Zunge; ich bin des besten Erfolgs gewiß. Koste es, was es wolle, das Mädchen muß mein werden. Ich schmachte, ich brenne.«

St. Romain war bei diesem stürmischen Ausbruch jugendlich königlicher Leidenschaft sonderbar zu Muthe. Das Wort blieb ihm in der Kehle stecken; er wechselte die Farbe. Aber Vorsicht und Klugheit geboten ihm, sich zu fassen und dem Könige willig zu zeigen, und so versprach er 151 denn seinem Gebieter Alles, was dieser von ihm verlangte.

 


 


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