Ludwig Storch
Orestes in Paris
Ludwig Storch

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2.

»Wir werden Benoit verlieren,« jammerte der Director, »und nie wieder einen solchen Amadis bekommen. Die Nannon war's allein, die ihn 16 fesselte; warum haben Sie den Scandal nicht verhindert, Madame?«

»Ruhig, mein Herr. Ich kann es des albernen Comödianten wegen dem mächtigen Herzog nicht verbieten wollen, Nannon auf der Bühne einen Besuch zu machen. Was bildet sich der Lümmel ein, daß solche Beeren für ihn gereift seien! Ich denke, Nannon soll es weiter bringen.«

»Und weshalb verschweigen Sie mir, daß es der Herzog Condé ist?«

»Ich hatte meine Gründe.«

»Dagegen läßt sich nichts einwenden; aber alle Ihre Gründe und der Herzog dazu können uns keinen andern Poupard herbeischaffen. Unser Schauspiel ist ruinirt. Dieser Eclat hätte müssen vermieden werden.«

»Es ist aber geschehen. Und den Benoit wollen wir schon festhalten. Sie gehen morgen zum Abbé, bestellen ein neues Schäferspiel, sichern ein gutes Honorar zu, und nehmen ihm gleich eine Fleischpastete und drei Flaschen Grenache mit.«

»Aber mein Gott, woher soll ich das nehmen? Da ginge ja die halbe Einnahme von diesem Abend 17 drauf. Was sollte aus unsern Schauspielern werden, wenn ich ihnen die Gage nicht zahlen könnte? Ich äße und tränke gern selbst morgen dergleichen.«

»Auch Dir soll's nicht fehlen, Alter. Der Herzog hat mir diesen Abend versprochen, daß ich täglich drei Flaschen Wein, nebst Braten und Pasteten und andern Leckereien in seinem Hotel holen lassen kann; für Nannon sagt er; aber es fällt für Dich das Beste ab.«

Der Director rieb sich die Hände vor Vergnügen und schnalzte im Vorgeschmack der leckern Herrlichkeiten mit der Zunge.

»Ich verfüge mich in Herrn von Tarneau's Haus,« fuhr Madame Debarques fort, »bringe Margoton eine neue Spitzenhaube, lobe die Elisabeth, empfehle mich der Frau vom Hause zu Gnaden, die sich rühmt, mit den Bourbons verwandt zu sein, weil ihr Vater, ich glaube Falkner bei einem Herzog von Condé war, erhebe alle Condé's bis zu den Sternen, denn der Name Condé bringt sie schon in Entzücken; dann hab' ich gewonnen. Und hast Du, mein Herz, auf diese Weise Benoits Vater und habe ich seine Mutter gehörig 18 bearbeitet, so legen wir noch etwas Gage zu, und ich wette um was Du willst, er bleibt unser.«

»Aber das kostet Alles Geld, viel Geld! Mehr Gage! Woher nehmen?«

»Das muß der Herzog bezahlen.«

In solchem Zwiesprach begriffen, standen sie schon auf der Schwelle des Hauses, um sich in ihre Wohnung zu verfügen, als sie eine auf der Straße stehende Sänfte gewahrten, deren Träger an dem schlechten Schauspielhause emporstarrten. Ein Mann in Livree kam und fragte höflich: »Wollen Sie mich nicht zum Director dieses Theaters führen? Ich weiß hier keinen Bescheid und kenne den Herrn nicht.«

»Der Director steht vor Ihnen, mein Herr,« kratzfüßelte Herr Debarques.

»Ich bin sehr erfreut. Meine gnädigste Gebieterin, die Prinzessin von Montpensier läßt Sie ersuchen, sich diesen Abend noch zu ihr in den CardinalspalastPalais royal, von Richelieu erbaut und Ludwig XIII. geschenkt, dessen zweiter Sohn, der Herzog Gaston Orleans es bewohnte; anfangs hieß es Palais-Cardinal. zu verfügen, indem sie etwas Wichtiges mit Ihnen zu sprechen habe.«

19 »Wie? Wer? Was?« stotterte der Director betreten. »Die Prinzessin Montpensier will mich sprechen? Die Tochter des Herzogs von Orleans, des Generalstatthalters des Reichs?«

»Dieselbe, mein Herr; es gibt nur eine, und diese ist's. Jene Sänfte steht zu Ihrem Befehl. Am Thore des Palasts werde ich Sie empfangen und zur Prinzessin führen.«

»Aber mein Himmel! in diesem Anzuge ist es unmöglich. Auch wird's schon spät sein.«

»Hat nichts zu sagen. Es ist gerade der Wunsch der Prinzessin, Sie spät zu sprechen.«

»Nun so beeile Dich, mein Herz,« redete Madame Debarques ihrem muthlosen Manne zu, die die unbewußte Ueberzeugung in sich trug, daß die Liebenswürdigkeit ihres Gatten mit dieser seltsamen Einladung in keiner Beziehung stehe.

»Aber was soll ich dort? Ich?« begann der Director, dem vor diesem Besuch bangte, zu lamentiren.

20 »Das kann ich nicht berichten,« versetzte der Diener.

»So sei doch kein Esel!« flüsterte ihm seine Liebe zu. »Mir ahnet, es blüht uns ein neues Glück. Komm', ich will Dich anputzen.«

Und so zog sie ihn in das Haus zurück, dem Verzagten Muth einsprechend; die Garderobe wurde schnell wieder erleuchtet, und Madame Debarques geschäftige Hand säuberte die verkümmerte Gestalt des Mannes, dessen Namen sie trug, von Oeldampf und andern Schmutz, putzte seine Brillengläser rein, kämmte sein struppiges Haar und suchte ihm aus dem Vorrath von Theaterkleidern einen Anzug zusammen, der halb militärisch, nach damaliger Mode, dem kleinen Director ein martialisch komisches Ansehen gab. Dann ließ sie ihn mehrmals auf- und abgehen, corrigirte Gang, Bewegung, Verneigung und studirte dem Zitternden also seine Rolle ein. Der kleinlaute Mann ließ sich Alles gefallen, und drückte sich dann schweigend in die Sänfte, in welche ihn seine Frau mit wiederholten Ermahnungen geschoben, um sich 21 seinem unerwarteten Schicksale entgegen tragen zu lassen.

 


 


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