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VIII.

»Nun, Helfrich, waren Sie schon im Garten unten? Der ist ganz verwildert, was wird sich denn dort machen lassen?« fragte der Rat. Er stand da in seiner freundlichen Fülle mit dem blonden Schnurrbart, den er so natürlich trug, wie er gewachsen war, ihn weder aufwärts zog, noch zwirbelte, noch zur Zahnbürste schnitt.

Aus Gureks Augen leuchtete die Freude, daß der Präsident nicht gekommen war.

»Hab' schon alles visitiert,« meldete Helfrich. »Wenn Herr Gerichtsrat befehlen – in drei Tagen kann alles in Ordnung sein.«

»Das soll mich freuen – also fangen Sie nur bald an – die Geräte finden Sie im Lusthaus.«

Mit Feuereifer eilte Helfrich dem Lusthaus zu. Das lag am Hügelrand, von Unkraut umsprossen. Der Zaun war dicht mit Fliedersträuchern überwuchert. Brennesseln sprossen zwischen den Stachelbeerstauden, blaue Vergißmeinnicht blühten und weiße Sternblumen hoben ihre Häupter der Sonne entgegen. Gutes und Böses wucherte durcheinander – wie im Leben, dachte Helfrich. Er entwarf rasch einen Plan. Erst wollte er jäten und hacken, dann feingebogene Wege in die Wiesenfläche ausstechen. Der Garten sollte ein Gesicht kriegen, freundlich, hübsch und natürlich wie das des Herrn Rates.

Am nächsten Nachmittag half Herr Gurek selber mit, und so konnte man im abgelegenen Teil des Gartens Sträfling und Gerichtsrat eilfertig bei der Arbeit sehen.

Der Richter imponierte dem Helfrich nicht so sehr wie der Rat. Zu Gurek blickte er auf, Jan Bauer sah er in Augeshöhe; auf jeden andern aber in Schleppersberg schaute Helfrich herab. Der Richter tat ihm leid, der verdiente ein besseres Los, als über Kaninchen-, Gänse- und sonstige Lebensmitteldiebe zu Gericht zu sitzen. Aber etwas Besseres mußte ja gleich an das Landesgericht in die nächste Provinzhauptstadt abgetreten werden. Der Schmarren nur wurde hier verarbeitet. Nicht einmal eine hübsche Frau gab's auf Meilen in der Runde. Als Jungfrau, unantastbar, wirkte noch immer Fräulein Fintschi. Helfrich fühlte sich verpflichtet, den jungen Richter manchmal aus reinem Mitgefühl zu unterhalten. Er erzählte ihm harmlose Streiche seines Lebens, und das hallende, frohe Lachen Bauers beglückte ihn und spornte ihn zu neuen Erinnerungen an.

Jan Bauer hörte den Sträfling an wie der Herr, der sich rasieren läßt, den Barbier anhört, halb gezwungen und halb aus Vergnügen.

»Seh'n, Herr Richter, es ist nicht meine Schuld, daß ich der geworden bin, der ich bin,« sagte Helfrich, während er die Erdbeerbüschel vom Unkraut befreite.

»Aber wohl zum größten Teil,« meinte Bauer, der ihm zusah.

»Herr Richter, wo die Grenze anfängt von einer Schuld, so daß man so recht klar sagen könnte, hier beginnt sie und bis daher ging die Schuld der andern …, das läßt sich nicht so recht feststellen. Da wird es manche Grenzstreitigkeiten geben am Jüngsten Tag, wenn der Herr die Seelen auf ihre eigene Schuld prüft. Denn die Seele wird sich wehren und wird schreien: Daran ist der und der schuld … Und der wieder wird sich verteidigen wollen … Da wird's noch Prozesse geben und Fehlurteile! Und die Ewigkeit wird zu kurz werden. Seien Sie froh, Herr Richter, daß Sie die himmlischen Gesetzesparagraphen nicht zu lernen brauchen!«

»Sie sind ein Phantast!«

»Geb's gern zu, aber wie man ist, so bleibt man. Nur die Jahre ändern den Menschen ein bißchen, doch nicht immer. Sehen Sie die Erdbeeren hier, Herr Richter, wenn man sie vom Unkraut überwuchern läßt, geht der Strauch zugrunde oder er verkümmert, und die Früchte werden nicht süß und groß. Wenn ich aber die Erdbeerpflanzen pflege, wachsen sie herrlich und tragen prachtvolle Früchte, an denen sich viele laben können. Es kommt also auf die Pflege in der Jugend an, auf den Gärtner. Und glauben Sie mir, Herr Richter, an den guten Gärtnern fehlt es bei uns. Im Anfang sind alle Pflanzen gleich …, man müßte sie voneinander rechtzeitig unterscheiden und jeder die Pflege geben, die sie braucht. Wie aber wird gegen dieses einfachste Naturgesetz gesündigt! Die Kartoffeln steckt man manchmal ins Glashaus, und die Palme läßt man auf dem Mist verenden … Nein, nein, Herr Richter, das haben die Leute noch nicht weg …, ich meine die Erziehung … Da wird noch viel Wasser ins Meer fließen müssen, ehe die Menschen verstehen, wie schwer sie sich gegen ihre Brüder versündigen!«

»Sie moralisieren immer, denn Sie sind ein platonischer Christ,« sagte der Richter.

»Schauen Sie, Herr Richter, wieviel lebendige Kraft in den Gefängnissen zugrunde geht. Sagen Sie selber, ist jemals einer im Kerker gebessert worden?«

»Na …, manchmal doch, Sie Schwarzseher, Sie! Müssen ja nicht alle so unverbesserlich sein wie Sie!«

»Aber die Fälle sind selten, seltener als die weißen Mäuse.« Helfrich erhob sich und brach einen dürren Ast vom nahen Pflaumenbaum. »Wie soll einer besser werden, wenn man ihn mit lauter schlechten Leuten zusammentut? Die fragen ihn aus, sagen ihm, wie er es hätte machen können, um sich nicht fangen zu lassen. Sie erzählen ihm Streiche aus ihrem eigenen Leben …, natürlich schneiden sie fürchterlich auf, er aber glaubt ihnen, und ihm kommt es ungeheuer verlockend vor, auch so ein Teufelssasa zu werden, wie sie es sind. Da er von Verbrechen umgeben ist, wenden sich alle seine Gedanken, Pläne dem Verbrechen zu. Er ist wie eine Fliege in einem Netz gefangen und kann sich nicht mehr befreien … Man gibt sich ja jetzt Mühe, die Verbrecherkategorien zu trennen. Aber wie ich anfing, Herr Richter, gab's das noch nicht. Uns warf man alle in einen Topf. Als Dieb war ich oft mit Mördern in einer Zelle.«

»Na, da sehen Sie, daß sich schon manches besserte,« meinte der Richter und setzte sich auf eine kleine Gartenbank. Helfrich stand gebeugt, wie demütig, da. Sein Antlitz gewann einen schmerzlichen Zug. Er sagte leise:

»Und noch eines profitiert man im Gefängnis …, eine große, furchtbare Verachtung, ja sogar einen Haß gegen die Leute, die in Ehren außerhalb der Gefängnisse im bürgerlichen Leben stehen. Man verachtet die Gesellschaft, sieht mit doppelt geschärftem Auge ihre Mißstände, die Mängel ihrer Einrichtungen, ja – ich sage Ihnen, Herr Richter – manchen erfaßt ein Ekel vor ihr. Er möchte sich wie ein wildes Tier über sie stürzen und sie erwürgen, um Rache zu nehmen an ihr, die mit ihren Fehlern ihn ins Verderben gestoßen hat und die sich jetzt anmaßt, ihn seiner Freiheit berauben zu dürfen!«

»Es ist natürlich sehr viel Unrichtiges in dem, was Sie sagen, aber weil Sie schon einmal im Zuge sind, legen Sie weiter los!« Der Richter klopfte mit dem Spazierstock den Staub von seinen Schuhen.

»Nein, nein, da muß sich noch vieles ändern, ehe sich die Verbrecher ändern.«

»Man fängt jetzt schon mit der Jugendfürsorge an,« sagte Bauer.

»Das sind lauter halbe Sachen. Der Schuh drückt uns –«

»Wo denn?«

»Nicht an der kleinen Zeh', aber am Ballen. Die ganze Sohle ist hin. Wir haben kein Auftreten mehr. Es hat da einmal ein deutscher Schriftsteller ein Stück geschrieben, das sich mit dieser Frage beschäftigen soll …, aber geholfen hat es auch nichts …«

»Ist mir nicht bekannt,« sagte der Richter.

Michel nickte. Die allgemeine Bildung hatte in Schleppersberg noch nicht Eingang gefunden, aber das tat nichts, dafür war die Menschlichkeit hier zu Hause geblieben, die vor der großen Bildung so oft Reißaus nimmt. Wo fänd' ich Menschen, die so gut zu mir wären, wie sie es hier sind, sagte sich Helfrich … Welcher Richter ließe sich von mir soviel vorreden, ohne mich wie einen Hund kuschen zu heißen? Nein, nein …, ich ziehe die einfache Natürlichkeit allem Krimskrams der Ueberbildeten vor.

»Wenn ich dem Herrn Richter einmal etwas aus meinem Leben erzählen dürfte,« meinte Michel zögernd.

»Aber lügen Sie nicht zuviel, nur ein bißchen, soviel wie Zucker auf den Kuchen kommt.«

»Ich bin schon viel herumgekommen in der Welt … seit damals, wie ich das große Unglück hatte, das ich mein Schicksal nenne.«

»Was ist denn das für ein rätselhaftes Unglück, von dem Sie immer schwatzen? Wahrscheinlich haben Sie was Tolles angestellt?« Der Richter steckte sich eine Zigarette an. Sein breites, fröhliches Gesicht lachte, die gesunden Zähne blitzten.

»Nein, Herr Richter.« Helfrich stützte sich mit beiden gefalteten Händen auf die Harke. »Nein …, was es war, will ich Ihnen ein andresmal erzählen. Mit dem Unglück begann mein Wanderleben …«

»Wenn Sie das Wanderleben nennen, daß Sie jede Weile wo festsitzen.«

»Ich habe die Gewerbeschule absolviert und bin Mechaniker gewesen. Meine Frau war die Tochter eines Polizeikommissärs.«

»Das ist ja großartig!«

»Wir hatten drei Kinder. Ich hatte eine gute Anstellung und wir lebten glücklich. Da kam das Schicksal …«

Er fuhr mit beiden Händen durch das rotblonde Haar, daß es sich aufstellte. Sein Gesicht zeigte tiefe Furchen, seine langen gelben Zähne gruben sich in die Unterlippe.

»Dieses verwünschte Schicksal …«

»Ich hatte kein Vergehen begangen und kam doch in Untersuchungshaft. Als ich heimkehrte, sah ich, daß meine Frau und meine Kinder hungerten. Da ergriff mich die Verzweiflung. Ich versuchte nachts einen Einbruch bei einem Fleischer, um ein paar Würste zu stehlen. Ich wurde festgenommen. Ich kam vor die Geschwornen. Damals hab' ich mich selbst verteidigt. Ich habe gesagt: »Jeder hungrigen Hündin wendet Ihr verzeihen, wenn sie nachts ausbricht und durch den Zaun sich drängt, um auf des Nachbars Misthaufen Futter für ihre jungen, halbverhungerten Hunde zu stehlen. Ihr werdet sie nicht prügeln dafür, denn sie hat nur getan, was der Naturtrieb ihr gebot. Warum gab ihr Besitzer ihr nicht genug zu fressen für sich und ihre drei Jungen? Ich hab' nichts anderes getan als die halbverhungerte Hündin. Ich bin dem Naturtrieb gefolgt, ich konnte meine Familie nicht verhungern lassen.« Da haben sie mich freigesprochen. Aber eine Stellung hab' ich nicht gefunden. Ich bin dann mit meiner Familie nach Belgrad ausgewandert, dort war ich Gärtner. Doch es hat mir nicht gefallen. Die Serben, die immer den Dolch bei sich tragen, waren mir unheimlich. Ich bin kein Blutmensch, und dort war schon ein Blutgeruch in der Luft. So kam ich nach Kiew in eine russische Fabrik, die von Deutschen geleitet war. Dort hab' ich an der Cholera binnen drei Tagen meine Frau und alle drei Kinder verloren.«

»Und das sagen Sie so ruhig?« Bauers Augen starrten voll Entsetzen den Erzähler an.

»Ja, Herr Richter. Anfangs war ich verzweifelt – aber was hab' ich tun sollen. Mir auch das Leben nehmen? Ich will Gott nicht ins Handwerk pfuschen. Er nimmt alle Leben, er soll auch das meine nehmen, wann er will. Ich habe kein Recht, mich zu vernichten.«

Wie doch die Frömmigkeit diesen Verbrecher beherrscht, sagte sich Bauer. Helfrich seufzte und fuhr fort:

»Ich bin dann wieder in meine Heimat gekommen, denn als die Russen abgerichtet waren, haben sie die deutschen Werkführer entlassen. Hier ist mir dann etwas Merkwürdiges begegnet. Ich war ganz gut angezogen, habe feine Kleider gehabt und bin in Olmütz über den Ringplatz gegangen. Da sah ich, wie mich ein Herr scharf anschaute, er kommt mir entgegen und grüßt mich. Ich grüße zurück. »Gott sei Dank, so ein Zufall,« sagte der Fremde. »Grad wollte ich das Geld an Sie abschicken – verzeihen Sie mir, daß ich mich so verspätet habe – aber eben jetzt bin ich auf dem Wege zur Post, um es aufzugeben …« »Na, da ersparen Sie sich den Weg und das Porto,« sagte ich. »Gehen wir ins Café und zeigen Sie mir die Rechnung, damit ich sie gleich saldieren kann« – ich mußte doch wissen, für wen er mich hielt. Wir gehen ins Kaffeehaus, der Herr bittet immerfort um Verzeihung, ich verzeihe, sehe auf der Rechnung, die siebenhundert Kronen ausgemacht hat, den Namen Ferd. Seligmann, unterschreibe Ferd. Seligmann, stecke das Geld ein und gehe weiter. Aber der Teufel weiß, was mir eingefallen ist! Nach einem Jahr packt mich die Lust, wieder nach Olmütz zu fahren. Ich gehe dort herum, da hör' ich Schritte, die mir folgen, ich suche schnell eine einsame Gasse, auf einmal klopft mir jemand auf die Schulter – ich dreh' mich um, da steht ein Fremder neben mir und schlägt den Rock zurück – ich sehe … »Sie werden wohl so freundlich sein, mir zu folgen …« Ich war so freundlich – zwei Jahre hab' ich bekommen. Wenn ich nur nicht nach Olmütz gefahren wäre!«

Bauer lachte, daß seine Kinnbacken sich verbreiterten.

»Derartige Erlebnisse hab' ich öfter gehabt. Einmal hat mich ein schweres Unglück getroffen. Ich bin meiner Dokumente beraubt worden. Kurz darauf wurde bei Kenti ein Mord begangen, man hat am Tatort meine Papiere gefunden, die der Mörder weggeworfen hat, und nun hat man den Täter in mir vermutet. Ich bin verhaftet worden, aber da ich damals gerade eine gute Stellung bei einer Nähmaschinenfabrik hatte, war es mir leicht, zu beweisen, daß ich den Ort an dem Tage des Mordes gar nicht verlassen hatte. Doch meine Stellung verlor ich. Später hat noch einmal ein Einbrecher sich meines Namens bedient …«

»Sie waren eine Berühmtheit …«

»Unter den Dieben – aber ich hielt mich immer von ihren Genossenschaften fern. Und vielleicht haben die Diebe darum solchen Respekt vor mir. Sehen Sie, Herr Richter – ich hab' einen Talisman …«

»Zeigen!«

Helfrich zog den Rosenkranz aus grünen Glasperlen aus der Tasche. »Das ist mein Talisman. Meine Mutter hat ihn mir auf dem Totenbett gegeben. Ich bin oft eingesperrt gewesen, gewiß – aber wofür? Weil ich ein paar Dümmere betrogen habe und mir Lebensmittel stahl, wenn ich Hunger hatte. Auch eingebrochen bin ich ein paarmal, ich weiß das nicht genau, das liegt in den Akten. Aber niemals hab' ich Blut vergossen. Meine Mutter hat mir im Sterben gesagt: »Der Rosenkranz soll dich schützen, nie ein gemeiner Mörder zu werden.« Sie brachte den Namen meines Bruders nicht mehr über die Lippen. Den Rosenkranz in den Händen, will ich am Tage des jüngsten Gerichtes meine Sache verteidigen und wie damals vor den Geschwornen mein eigener Anwalt sein in dem Prozeß, bei dem die Heiligen die Geschwornen sein werden, Gott Vater den Vorsitz führt und Gottes Sohn der öffentliche Anwalt ist, denn er war Mensch und weiß, wie es dem Menschen manchmal schwer fällt, Mensch zu bleiben! Der öffentliche Ankläger aber wird der Satan sein, der uns alle Fallen selber legt. Na, ich will schon meine Sache führen. Unter den Zuhörern sitzt da auch meine Mutter, und die wird vor Freude weinen, das weiß ich. So – jetzt hab' ich Ihnen mein halbes Leben gebeichtet – Herr Richter, nichts für ungut, wenn die Beichte nicht unterhaltender war.«

Bauer erhob sich. »Im Gegenteil. Sie hat mir Eindruck gemacht. Trachten Sie, daß Sie jetzt in Ordnung kommen. Daß Sie mir nicht wieder zurückgebracht werden, hören Sie!«

»Herr Richter, wenn ich nur eine Stellung finden könnte! Wie gern wollt' ich brav bleiben!«

»Aber werden Sie es denn aushalten in einem anständigen Beruf?« fragte der Richter. »Sind Sie das Herumziehen nicht schon zu sehr gewöhnt?«

»Eine bürgerliche Stellung ist mein Ideal!«

»Und ein Ideal muß der Mensch zum Leben haben, meinen Sie wohl? Sie malen sich jetzt ein ehrsames Leben wunderschön aus, ich fürchte aber, es wird Ihnen weniger behagen, wenn es sich einmal in die Wirklichkeit umsetzt.«

»Oh, Herr Richter, wo denken Sie hin! Weinen will ich vor Freude an dem Tag, an dem mich die bürgerliche Gesellschaft wieder aufnimmt …«

»Ich möchte Ihnen bei dieser Tränentaufe gern Pate stehen.«

Das Gartenpförtchen fiel ins Schloß. Der Gerichtsrat kam herüber.

»Wir beraten über die Zukunft des Helfrich,« sagte der Richter, sich rasch erhebend. »Es wäre doch sehr gut, wenn er irgendwo Arbeit fände. Ich habe das Gefühl, daß er sich brav halten wird …«

»Na, Michel, Schande dürfen Sie uns keine machen,« sagte der Rat wohlwollend. »Sie sind sehr geschickt und verwendbar.«

»Zugegeben, Herr Rat, aber ich kriege keinen Posten. Zum Militär hab' ich mich freiwillig gemeldet – aber ich war ihnen zu alt. Was soll ich tun – umbringen will ich mich nicht, ich bin doch ein Ebenbild Gottes – und muß Gott in mir ehren –.«

Der Rat lachte fröhlich auf.

»Wenn ich wenigstens ein Paar Stiefel hätte, daß ich mich anständig vorstellen kann, wenn ich hier herauskomm' – denn meine Stiefel sind ganz zerrissen, sie haben keine Sohlen und kein Oberleder mehr. Das Oberleder möchte ich mir schon besorgen –.«

»Ihre Besorgungen fürchte ich, Michel! Sie meinen wahrscheinlich, Sie schneiden es sich aus einer Wagendecke heraus –. Nein, nein, – das wollen wir nicht erst versuchen – ich will Ihnen lieber ein Paar alte Stiefel schenken.«

»Zu klein, Herr Gerichtsrat – viel zu klein! Die vom Herrn Richter, das ginge schon eher!«

»Aber wie bringen wir Sie unter?« sorgte Bauer.

»Vielleicht kann die Baronin Keltner etwas für Sie tun. Sie hat viele Beziehungen, auch ein Schloß in der Nähe. Ich will ihr jedenfalls von Ihnen erzählen, wenn sie das nächstemal herkommt.«

»Herr Rat sind zu gütig,« murmelte Helfrich bewegt.

»Werden Sie nur nicht ergriffen! Das ist bei einem Manne Ihres Zeichens immer unangenehm,« lachte Bauer.

»Davor will ich mich hüten,« sagte Michel, auf den Witz eingehend.


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