Heinrich Stilling
Eine wahre englische Katze
Heinrich Stilling

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zehntes Kapitel

Der Herzog von Richmond war ein kleiner Mann, aber ein sehr großer Herr und Gebieter über weite, teils bebaute, teils unbebaute Landflächen. Die unbebauten Landflächen waren nicht weniger wertvoll als die bebauten, denn des Herzogs Vorfahren waren mächtige und kluge Leute gewesen, die durch Schenkung, Kauf, Erbschaft und so weiter niemals Minderwertiges an sich brachten. Die unbebauten Landflächen gestatteten dem Herzog, in wilder Jagd über sie hinwegzubrausen und alles noch vorhandene Wild in ständiger Unruhe zu halten. Auch die Menschen waren in steter Gefahr, von des kurzsichtigen Herzogs Büchse getroffen zu werden, und zwar meistens an Stellen, die zwar glücklicherweise nicht zu den lebensgefährlichen gehören, aber gerade deswegen sehr schmerzten. –

An einem sonnigen Herbsttag war der Verleger Hayley über die Felder geritten, die in der Nähe des Richmondschen Schlosses lagen. Ein Verleger soll auf den gangbaren Straßen bleiben und nicht über die Stoppelfelder reiten, angefüllt mit tückischen Löchern, die an Umfang genau einem Pferdehuf angepaßt sind. 284 Aber Hayley ritt nicht nur leichtsinnig, sondern von der Sonne geblendet, fühlte er das Bedürfnis, seinen Regenschirm aufzuspannen. Um den Schirm gelegentlich von der einen Hand in die andere nehmen zu können, hing er die Zügel dem Pferde um den Hals und ließ es weitertrotten. Das war sehr gut so, denn dadurch gab er dem Instinkt des Pferdes freie Bahn, und die Katastrophe wurde bis zu dem Augenblick hinausgeschoben, wo sie nicht mehr zu vermeiden war. Die Katastrophe trat ein, als der Herzog über die abgeernteten Felder brauste und nach Schießbarem Umschau hielt. In der Ferne sah er einen runden, schwarzen Gegenstand, der nicht stille hielt und sich augenscheinlich langsam fortbewegte. Der Herzog parierte sofort sein Pferd, stieg ab und betrachtete das schwarze, runde Ding. Daß es sich hier um einen Regenschirm handelte, der sich zu Pferd über abgeerntete Felder bewegte, kam ihm natürlich nicht in den Sinn. Er dachte angestrengt darüber nach, welche Tiere rund und schwarz sind und bei seinem Anblick nicht machten, daß sie fortkamen.

Dem Pferd Hayleys war es inzwischen, trotzdem auch ihm der aufgespannte Regenschirm zugute kam, zu heiß geworden, und als es zwischen den Äckern einen mäßigen, aber immerhin einen Hohlweg sah, trottete es hinein. 285

Schade, daß der Hohlweg nur das Pferd und den Reiter den kurzsichtigen Augen des Herzogs entzog, und daß sich der Regenschirm langsam und gerade dadurch aufreizend im Sichtfeld Seiner Gnaden bewegte.

Der Herzog konnte nicht widerstehen, hob die Büchse und schoß einmal versuchsweise in das schwarze, runde Ziel hinein und lächelte freudig, als es richtig zusammenklappte. Dann setzte er sich wieder auf seinen Gaul und brauste näher.

Warum mußte der Herzog brausen und nicht zu Fuß an sein Ziel gehen? Dann wäre die Katastrophe vielleicht überhaupt keine Katastrophe geworden, und wir wären gezwungen gewesen, den Haß Hayleys dem Herzog gegenüber ganz anders zu begründen, und das wäre sehr anstrengend gewesen. Nun, er war eben ein Herzog, dem das Dahinbrausen nicht nur zur zweiten Natur gehörte, sondern zur ersten, und dagegen war damals fast noch weniger ein Kräutlein gewachsen wie heute, wo das Brausen auf andere Leute übergegangen ist, die mit der hohen Aristokratie nicht verwandt sind und höchstens einmal später verschwägert. –

Als der Herzog an den Hohlweg heranbrauste und mit letzter Kraft sein Pferd parierte, sah er an der entgegengesetzten Böschung ein Pferd hinaufbrausen, 286 um über den Stoppelacker hinweg den kürzesten Weg nach Hause zu finden. Aber es kam nicht weit, denn schon nach einigen Galoppsprüngen fand sich ein Loch, welches einen Huf an sich zog und dadurch das ganze Pferd. Es war kein schöner Anblick für den Herzog. Schön, besser gesagt, erhebend war das Bild im Hohlweg selber. Hayley lag zwar mit dem größten Teil seines Körpers wie tot in dem Sand. Aber sein Haupt ruhte auf der ausgebreiteten schwarzen Seide des Regenschirmes, den er auch im Sturze nicht losgelassen hatte, wie das Haupt eines Helden auf den Überresten einer tapfer verteidigten Fahne, die er bis zum letzten in den Händen gehalten hatte. Trotzdem wurde es dem Herzog ganz übel. Er stieg vom Pferd und murmelte:

»Das ist also der erste Mensch, den ich mit dem ersten Schuß richtig totgeschossen habe! Eine ganz unangenehme Geschichte!«

Und als er näher kam und Hayley erkannte, da wurde er sogar bleich, denn obwohl damals die Macht der Presse noch lange nicht so groß war wie hundert Jahre später, so war es auch schon damals gefährlich, einen solchen Mann, wenn auch unabsichtlich, auf das Korn genommen zu haben.

Man kann sich daher die Freude vorstellen, die den Herzog überkam, als Hayley die geschlossenen Augen 287 aufschlug und kein anderes Wort sagte als:

»Pardon!«

Ehe der Herzog vor Überraschung wußte, was er tun sollte, hatte er noch die Geistesgegenwart, Hayley zu fragen:

»Wieso denn ›Pardon‹, lieber Hayley?«

»Weil Eure Gnaden sich von Ihrem Pferd bemühen mußten, um einem unvorsichtigen Reiter beizustehen!«

»Wieso unvorsichtig?«

»Ich bin mit offenem Schirm spazierengeritten und ließ die Zügel los, und das ist nun die Folge.«

»Und ich hätte nicht ventre à terre durch die Landschaft jagen dürfen«, sagte der Herzog, indem er Hayley aufhalf, das Loch im Regenschirm betrachtete und sich freute, daß es sich nicht im Kopf von Hayley befand, »und Ihr unglückliches Pferd in Aufregung versetzen dürfen; ich fürchte, Sie haben es zum letztenmal bestiegen!«

»Ich habe es sehr geliebt«, erwiderte Hayley, »es war ein so geduldiges Tier und dabei so selbständig.«

»Sie werden von mir ein anderes bekommen, lieber Hayley, und selbstverständlich ohne Bezahlung, denn ich fühle mich gewissermaßen mitschuldig.«

Wäre der Herzog diskret geblieben, dann wäre sein Verhältnis zu Hayley das denkbar beste geblieben. Aber Herzöge können nicht diskret bleiben, weil sie 288 so viele Menschen kennen, die in ihrer Gegenwart schweigsam sind und dann von den Herzögen unterhalten werden müssen.

Tatsache ist es, daß schon am Abend des gleichen Tages der Unfall Hayleys in der ganzen Grafschaft bekannt war, und zwar in einer Version, die dem Herzog als Kunstschützen alle Ehre antat. Seit dieser Zeit glaubt man, daß die Kurzsichtigkeit Seiner Gnaden nur vorgetäuscht und Hayley auf beiden Ohren taub war. – Ein Herzog, der sich für witzig hält, findet nie die Grenzen für seinen Witz, weil kein Mensch ihn darauf aufmerksam macht. –

Schon am nächsten Morgen bekam Hayley aus dem herzoglichen Marstall einen schönbeschweiften Schimmel zugesandt, der auf einem Auge blind war und nur auf einem Bein, aber verhältnismäßig gut, im Schritt gehen konnte.

Dazu schrieb ihm der Herzog eigenhändig folgendes Briefchen, bei dem auch der naive Leser merken wird, wie sehr sich der Herzog bei seiner Abfassung gefreut hatte:

Lieber Hayley!

Anbei sende ich Ihnen zum Ersatz Ihres prächtigen, unter meiner Mitschuld verunglückten Rosses einen 289 Ersatz, den Sie sicher zu würdigen wissen. Es handelt sich um ein Pferd, das Sie nicht nur mit einem Regenschirm besteigen können, sondern auch noch mit einem Sonnenschirm, und beide aufgespannt, denn bei unserem schrecklichen englischen Klima ist es leicht möglich, daß Regen und Sonnenschein gleichzeitig auftreten. Wenn zudem der Regenschirm schwarz, der Sonnenschirm aber rot ist, dann wird das ein Bild geben, das ein empfindsames Auge besonders erfreut. Das Pferd ist lammfromm und wurde von einem entfernten Verwandten (dem verstorbenen König von Preußen) in der bekannten Schlacht von Mollwitz im stärksten Kanonendonner geritten. Es ist daher auch ein historisches Pferd und für den Verleger historischer Werke besonders geeignet.

Ihr Richmond.

Hayley ließ den Lakaien des Herzogs mit dem Pferd vor dem Hause warten und ging hinein, um in einem Lexikon nachzuschlagen, wann die Schlacht von Mollwitz stattgefunden hatte. Man soll niemals Verlegern mit Schlachten kommen, denn sie können beinahe sofort und ohne Umstände feststellen, wann sie stattgefunden haben. – Nach einer Weile kam Hayley wieder mit einem hochroten Kopf aus dem Hause, 290 kehrte das Roß um, in die Richtung auf das Richmondsche Schloß, gab dem Lakaien die Zügel in die Hand und sagte nur zwei Worte: »Der Herzog . . .«

 

Der Herzog stand an der Rampe der Schloßtreppe und wartete auf den Lakaien. Der Lakai gab die zwei Worte des Verlegers an den Herzog weiter. Der Herzog ergänzte sie und schlug sich vor Freude an das Knie. Der Lakai war sprachlos. Seit dieser Zeit aber haßte Hayley den Herzog mehr als den Leibhaftigen.

 

Hinter dem Stuhl des Herzogs standen drei Lakaien der Größe nach. Dem Herzog gegenüber saß die Herzogin. Hinter ihrem Stuhl standen keine Lakaien, denn sie hatte niemand gern im Rücken, und sie hätte auch die Lakaien hinter dem Stuhl des Herzogs abgeschafft, wenn ihre Anwesenheit nicht dem kleinen Herzog ein gewisses Relief gegeben hätten. Auch wußte sie, daß sich ihr Gemahl in deren Gegenwart immer wieder auf seine herzogliche Würde besann, wenn sie ihm zu entgleiten drohte.

Die Herzogin war groß, breit (um nicht dick zu sagen) und im Verlauf ihrer Ehe schwerhörig geworden, weil sie gegenüber der Kurzsichtigkeit des Gatten einen Ausgleich schaffen mußte, und weil gleichzeitig ihre 291 Schwerhörigkeit eine Plattform darstellte, auf der sie sich sammeln und zum Gegenangriff übergehen konnte, wenn des Herzogs angesammelter Zorn gelegentlich überkochte. Daß die Schwerhörigkeit ihr den unschätzbaren Vorteil gab, sich mit Dingen zu verteidigen und dann zum Angriff vorzugehen, die im Augenblick nicht auf der Tagesordnung standen, sei nur nebenbei bemerkt. Übrigens gibt es viele Frauen, die gar nicht die Schwerhörigkeit vorschützen und trotzdem mit dieser Taktik schon viele Männer zum Verstummen gebracht haben. –

»Mein Lieber«, sagte die Herzogin in einem ungewöhnlich sanften Ton, »ich habe einen achtseitigen Brief von meiner Freundin Hesketh erhalten. Sie läßt dich schön grüßen!«

»Dann will sie etwas von mir«, antwortete der Herzog, der heute seinen seit langem angesammelten Ärger loswerden wollte und durch den ungewöhnlich sanften Ton der Herzogin sehr darin bestärkt wurde, »alle deine Freundinnen wollen etwas von mir, da dir die Fähigkeit abgeht, etwas von ihnen zu wollen, damit sie mich in Ruhe lassen.«

Wenn Männer eine Auseinandersetzung mit ihren Frauen wünschen, dann werden sie gewöhnlich noch unlogischer als die Frauen und setzen sich dadurch der Gefahr einer Niederlage aus. 292

Die Herzogin, auf ihre Schwerhörigkeit gestützt, fuhr fort:

». . . Meine Freundin Hesketh hat ein lebhaftes Interesse an einem Manne, der demnächst vor Gericht erscheinen wird, und da du Vorsitzender bist . . .«

»– bittet mich diese Freundin, für die Freisprechung des Angeklagten besorgt zu sein«, meinte gleichfalls sehr mild der Herzog.

»Wie heißt denn der Angeklagte, der freigesprochen werden soll? Das heißt, ich möchte zuerst wissen, weswegen er angeklagt ist. Es steht nämlich im Gesetzbuch, daß man einen Angeklagten nur freisprechen kann, wenn man weiß, weswegen er angeklagt ist. Natürlich muß man dann auch wissen, wie er heißt, denn es ist gleichfalls ganz unmöglich, einen Angeklagten freizusprechen, dessen Namen man gar nicht kennt.«

»Glaubst du also, daß er freigesprochen wird?« rief die Herzogin rasch, aber ihre Stimme klang ganz sanft, »der Mann soll Hochverrat und Spionage begangen haben, aber meine Freundin Hesketh versichert, daß es nicht wahr ist.«

»Meine Liebe«, sagte der Herzog zuversichtlich und gab dabei den drei Lakaien einen Wink, aus dem Speisesaal zu verschwinden, »wenn deine Freundin Hesketh versichert, daß der Mann unschuldig ist, dann 293 bedarf es keiner weiteren Beweise. Bleibt nur noch übrig: Wie heißt der Mann, der unschuldig ist?«

Nach der Beantwortung dieser Frage konnte der Herzog seinen lang angesammelten Ärger loswerden, und er sah daher die Herzogin gespannt an.

Aber in diesem Augenblick wurde die Herzogin schwerhörig und bemerkte mit ihren scharfen Augen auf der gelben Weste ihres Mannes einen Flecken, der erst während der Mahlzeit entstanden war. Der Herzog verteidigte sich mit seinen schwachen Augen und geriet so unversehens in eine Defensive, aus der es an diesem Tage keinen Ausweg mehr gab. Am nächsten Tag fuhr er aber nach Chichester und erfuhr dort sehr schnell, wer der Spion und Hochverräter war, für den Lady Hesketh ein so warmes Interesse zeigte. Er wußte auch sehr bald, daß dieser schwer beschuldigte Angeklagte in diesem Sommer in seinen Park eingedrungen war und im Angesicht seines hundertfenstrigen Schlosses, zahlreicher Domestiken und höchstwahrscheinlich auch seiner Herzogin, die sehr viel zum Fenster hinaussah, in seinem Schloßteich ein öffentliches Bad genommen hatte, und zwar in einer Form, wie es damals – und sogar noch heute – als ganz unmöglich galt.

Der Herzog überlegte lange, wie er diese Kenntnisse in seinen häuslichen Kämpfen am besten verwerten 294 könnte. Schließlich fügte er sie einem Reservefonds bei, den er schon im ersten Jahr seiner Ehe angelegt hatte und mit dessen Hilfe er immer wieder kleine Barrikaden aufrichten konnte, wenn ihn der scharfe Blick und die strategische Taubheit der Herzogin zu einem unvermuteten Rückzug zwangen.

In wessen Händen ruhte das Schicksal William Blakes? Die einen nennen es Zufall, die andern nennen es Bestimmung, und es gibt noch mehrere andere Namen. Wir aber sagen landläufig: es kommt immer so, wie es kommen muß und – sind damit zufrieden.

        Ein Traum in der Nacht, was hat er gebracht?
Er hat mich zur Königin Jungfrau gemacht,
Von einem zarten Engel bewacht:
Einfältig Leid wird niemals belacht.
Und ich weinte den Tag und weinte die Nacht
Und wischte meine Tränen sacht;
Und ich weinte die Nacht und weinte den Tag,
Verbarg meines Herzens freudigen Schlag.
Und als der Morgen rotrosig erwacht,
Hob der Engel die Schwingen und floh in Verdacht.
Meine Träne versiegte, meine Furcht ich bekriegte,
Durch tausend Schilder und Speere Macht.
295
Da kam mein Engel wieder zurück,
Doch ich war bewaffnet, er hatte kein Glück;
Was die Jugend glaubte, zerronnen war:
Auf meinem Haupte wuchs graues Haar.

Blake hatte den letzten Vers ganz leise gelesen und so, als ob er in einer Frage ausklang. Samuel Rose, der auf dem Diwan lag, überlegte lange, dann sagte er: »Blake, ich habe manche häßliche Eigenschaften, mit denen ich tapfer gekämpft habe, aber eine neue Untugend tritt in meinen alten Tagen auf, und mit der werde ich gewiß nicht mehr fertig werden.«

»Und welche ist es, Herr Rose?«

»Der Neid, Blake! Ich bin gewiß nicht neidisch auf Ihre Verse, so schön sie auch sind. Aber auf Ihre innere Freiheit! Ich habe dreißig Jahre lang in den vordersten Reihen für die englische Freiheit gekämpft und die Entwicklung meiner inneren Freiheit vernachlässigt.«

»Innere Freiheit, Herr Rose? Was nicht der Knabe besaß, kann der Jüngling und der Mann nicht erwerben. Es heißt nicht: ›Werdet wie die Kinder‹ sondern: ›Seid wie die Kinder‹! Nein, es heißt auch nicht: ›Seid wie die Kinder‹, sondern: ›Bleibt wie die Kinder‹. Mein Freund Varley . . . Wer in den vorderen Reihen kämpft, der will vor allem Volk erkannt werden, und 296 der Ehrgeiz schreitet neben ihm und hinter ihm, vielleicht noch nicht von ihm gesehen, der Hochmut und die Grausamkeit und der Neid und der Verrat. In der Menge aber schreitet jener, der gerade das neue Wort gefunden hat, das die Menschheit vorwärts trägt. Da trifft ihn der Pfeil. Hochmut, Grausamkeit, Verrat und Neid drängen sich an dem Toten vorbei und folgen denen, die in der vordersten Reihe kämpfen. Der Tod macht frei, Herr Rose, und die Lebendigen sind gewillt, dem, der ihnen nicht mehr im Wege steht, eine Chance zu geben. Ich weiß es von den Propheten und allen jenen, die zu mir kamen.«

Blake schwieg. Dann sagte er, scheinbar von andern Gedanken erfüllt:

»Ist es notwendig, für solche Menschen, die rein gar nichts hinterlassen, ein Testament zu machen? Das ist der Grund, warum ich heute zu Ihnen kam.«

Aber Samuel Rose gab keine Antwort. Er lag auf dem Diwan, die Augen geschlossen, mit einem schmerzhaften Zug um den Mund. Da erhob sich Blake und ging leise hinaus.

 

Am Nachmittag des gleichen Tages saß Rose über die Akten Blakes gebeugt, als es schüchtern an die Türe klopfte. Ein schmaler Mann trat ein. Er trug einen schwarzen Vollbart, der dem eben nicht 297 bedeutenden Gesicht eine gewisse Würde verlieh.

»Ich komme«, sagte der schmale Mann, »in der Angelegenheit Blake und möchte Ihnen meine Dienste anbieten.«

»Wer sind Sie?«

»Ein Mensch mit einem alltäglichen Namen. Ich bin der Sekretär des Herrn Friedensrichter Tredcroft und weiß Bescheid. Mein Chef ist von einer fixen Idee beherrscht.«

»Viele Menschen sind das, mein Freund. Welche Idee ist es?«

»Er will Blake in ein Irrenhaus einsperren lassen. Er hält es für ganz ausgeschlossen, daß Blake ein Spion und Vaterlandsverräter ist. Aber verrückt sei er, ganz gewiß. Schon sein ständiger Verkehr mit den Toten beweise es. – Gestern war ein Vertreter des Kriegsministeriums bei uns, und wir haben einen Vertrag geschlossen, der beide Teile sehr befriedigt hat.«

»Einen Vertrag?«

»Einen sehr umfangreichen Vertrag, Herr Rose, in zwölf Abschnitten. Er legt Herrn Tredcroft namhafte finanzielle Verpflichtungen auf. Er kann es sich aber leisten, er ist ein sehr reicher Mann.«

»Das weiß ich.«

»Man wird Blake zum Tode verurteilen oder zu einer langjährigen Gefängnisstrafe, wie es dem 298 momentanen Wunsche des Volkes entspricht. Man wird das Urteil aber nicht ausführen, sondern Blake stillschweigend in ein Irrenhaus bringen. Man wird ihn dort außerordentlich anständig behandeln, denn Herr Tredcroft hat für seinen Unterhalt eine recht beträchtliche Summe aus seinen eigenen Mitteln ausgesetzt. Herr Tredcroft ist nämlich ein sehr wohltätiger Mann und sagt, daß es für einen Dichter doch nichts Schöneres gibt, als wenn er die Gewißheit hat, daß er sich um seinen Lebensunterhalt nicht mehr bemühen muß, ganz gleich, ob er verrückt oder normal ist. Und der Herr vom Kriegsministerium war genau der gleichen Ansicht.«

»Und was ist nun Ihre Absicht, lieber Freund?«

»Die Ausführung dieses Vertrages zu verhindern, soweit es mit meinen geringen Kräften möglich ist, Herr Rose!«

»Ich glaube, der Friedensrichter Tredcroft wird Sie entlassen, sobald er merkt, daß Sie in Beziehungen zu mir getreten sind. Und ob Sie nicht die Anklagebank als Verräter von Dienstgeheimnissen zieren werden, weiß ich heute noch nicht.«

Der schmale Mann streichelte zärtlich seinen Vollbart, dann richtete er sich energisch auf:

»Was das ›Entlassen‹ betrifft, Herr Rose, so kann ich Ihnen mitteilen, daß es bereits vor einer halben Stunde 299 geschehen ist. Wenn ich auf die Anklagebank komme, dann werde ich mich gelassen auf ihr niederlassen, denn auch ich bin der Meinung, Herr Rechtsanwalt, daß ich sie zieren werde, wenn ich das auch von mir aus nicht mit einem so schönen Wort ausgedrückt hätte. Wenn man selbst so etwas wie ein Dichter ist . . .«

»Aha, Sie sind also auch Dichter?«

»›Auch‹ ist etwas zu viel gesagt, Herr Rechtsanwalt. Ich bin ein ganz kleiner, unbedeutender, aber es gibt im Leben Augenblicke, wo auch der Kleine und Unbedeutende etwas zu sagen hat, und wenn er diesen Augenblick versäumt, dann wird ihn Gott nicht mehr zur Ruhe kommen lassen.«

»Ich danke Ihnen sehr«, antwortete Samuel Rose, griff an die Kante des Tisches und zog sich an ihr in die Höhe.

Der schmale Mann sagte nichts mehr und machte nur mehrere Verbeugungen, hastig und ungeschickt.

 

Es gibt keinen Zufall, und wenn der umfangreiche Vertrag in zwölf Abschnitten, der das Schicksal William Blakes regelte, in die Hände Hauptmann Butts fiel, so mußte das eben wohl so sein.

Hauptmann Butts las den Vertrag sorgfältig durch, legte ihn sorgfältig auf die Seite und nahm einen 300 großen Bogen. Er schrieb einige Worte darauf. Dann legte er den Vertrag und den Bogen in eine Mappe und ging zu Lord Purple.

Der Kriegsminister schlief nicht.

»Butts«, sagte er, »Sie sollten viel öfters zu mir kommen. Sie richten mich immer wieder auf, obwohl ich Ihnen dann doch nur bis zu den Schultern reiche. Über was können wir uns unterhalten?«

Butts gab keine Antwort, sondern nahm nur den Vertrag in zwölf Abschnitten aus der Mappe.

Der Kriegsminister schob den Vertrag auf die Seite: »Butts, machen Sie mir keine Szene!«

»Nein, Herr Minister!«

»Butts, Ihr William Blake hat mir ausgezeichnet gefallen. Er gehört zu den Menschen, die den Dingen auf den Grund gehen. Es gibt sehr wenige. Sie sind auch so einer!«

»Vielleicht, Mylord!«

»Unterbrechen Sie mich nicht fortwährend, Butts. Es gibt Menschen, die das ungeheure Glück haben, ihr Lebenswerk zu einem Abschluß gebracht zu haben, ohne daß der Tod ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Ihr William Blake ist ein solch glücklicher Mensch.«

»Ich verstehe Sie nicht, Herr Minister?«

»Mein schöner Rosenstrauch«, sagte der Minister ein 301 wenig spöttisch, aber er meinte es nicht so, und dann zitierte er die Verse Blakes, für einen Kriegsminister erstaunlich gut:

        Man bot mir ein Blümchen. Im Maien auch,
War keines gar so schön!
Ich sagte: »Ich hab' einen Rosenstrauch«
Und ließ das Blümchen stehn.
Zu meiner Rose kehrt' ich mich,
Hab' sie Tag und Nacht betreut:
Voll Eifersucht sie wehrte sich:
Ward der Dorn meine einzige Freud.

Wer nur noch an den Dornen Freude empfindet, Hauptmann Butts, der beabsichtigt, sich von ihnen stechen zu lassen. Nicht wahr?«

»Sie kennen Verse von Blake, Mylord?«

»Ich habe mir alles beschafft, was ich von Blake auftreiben konnte; mein Buchhändler hat ein erhebliches Stück Geld verdient.«

»Es wäre besser gewesen, Sie hätten sich direkt an Blake gewandt. Er ist blutarm.«

»Das weiß ich, Butts! Lassen Sie mich eine kleine Rede halten, und dann werden Sie stillschweigend unseren Vertrag in die Mappe stecken und sich heimlich über 302 ihn freuen. Und wenn Sie sonst noch etwas Schriftliches in der Mappe haben, dann werden Sie froh sein, es nicht herausgezogen zu haben.«

»Woher wissen Sie, Mylord?«

»Nichts weiß ich. Die Propheten Blakes sind nicht meine Tischgenossen, aber der gesunde Menschenverstand ist und ißt bei mir zu Hause. Wenn man so viel Geld hat wie Sie, dann ist man immer auf dem Sprunge, die Konsequenzen zu ziehen. Es ist nicht das erstemal, daß Sie mir die Treue brechen wollen. Ich sah es Ihnen immer an der Nasenspitze an, und heute im ganzen Gesicht.«

Lord Purple stand auf und schloß die Türe zu seinem Arbeitszimmer, die wie gewöhnlich offen stand.

»Also, wenn Buffers nicht Naturforscher und Statistiker wäre, sondern Literaturhistoriker, dann würde er so sprechen:

Blake ist der Dichter der menschlichen Freude und der Unbekümmertheit und hat der Dichtung neue Wege gewiesen. Ob er es als Prophet und Philosoph getan hat, das muß eine spätere Zeit untersuchen und ist für die Gegenwart ohne Bedeutung. Auch ist es zu früh, ein abschließendes Urteil über seinen Wert als Maler zu fällen. Blake hat in verhältnismäßig jungen Jahren . . .«

Hauptmann Butts unterbrach den Minister: 303

»Halten Mylord eine Leichenrede auf William Blake?«

»Nein, Butts, ich zitiere nur Professor Buffers. Aber da Sie mich so rücksichtslos unterbrechen, so lasse ich Buffers laufen und spreche als britischer Kriegsminister weiter:

Die französische Spionage in England hat ihren Höhepunkt erreicht, aber das englische Volk schläft. Der Spionageprozeß Blake muß es aufrütteln. Gewiß ist Blake ein unbekannter Dichter, aber unter denen, die wir der Spionage bezichtigen müssen, können oder wollen, der bekannteste. Und wenn Blake heute noch unbekannt ist, so werden wir dafür sorgen, daß er in den nächsten Wochen sehr bekannt wird. Nebenbei gesagt: das wird ihm später sehr zugute kommen. Ein ›Dichterspion‹, Butts, das wird wie ein Lauffeuer durch ganz England gehen und die Schläfrigsten aufrütteln. Und wenn wir ihn erst zum Tode oder im ungünstigsten Falle zu lebenslänglichem Gefängnis verurteilt haben, dann werden wir dadurch einen Eindruck hervorrufen, den sich Ihre Phantasie kaum ausmalen kann.«

»Gewiß, Mylord! Wenn ein so prosaisches Volk wie wir es erst mit der Phantasie zu tun bekommt, dann kennen wir keine Grenzen mehr.«

»Sehr wahr, Butts! Aber jetzt kommt das Versöhnende. Am gleichen Tage, wo das grausame Urteil 304 gesprochen wird, werden wir Blake in ein stilles, friedliches Heim nach London bringen und ihn pflegen wie die Mutter ihr Kind.«

»Wie die Mutter Großbritannien ihre Kinder zu pflegen weiß!«

»Und wenn die schlimmen Zeiten vorüber sind, dann werden wir Blake wieder in Freiheit setzen, und jedermann kennt ihn dann, den großen englischen Dichter, der wahrscheinlich ganz unschuldig ist. Und wem verdankt er dann seinen Ruhm? Neckischerweise dem Kriegsminister, der sonst nur für militärische Literatur Interesse hat.«

»Mylord, wenn aber das aufgepeitschte Volk den Kopf Blakes in Wirklichkeit rollen sehen möchte?«

»Lieber Butts, Sie sollten jetzt keine weiteren Fragen stellen, sondern sich mit dem schönen Bilde begnügen, das ich Ihnen entwarf. Soll ich Blake selber fragen? Ich bin überzeugt, er nimmt meinen Vorschlag an, ohne unbequeme Fragen zu stellen.«

Hauptmann Butts nahm sorgfältig den Vertrag von dem Schreibtisch des Ministers und legte ihn in die Mappe zurück. Sodann zog er den großen Bogen aus der Mappe und schob ihn vor den Kriegsminister. »Guter Butts«, sagte flehend Purple, »wer wird in Zukunft dafür sorgen, daß unsere Könige auf den Exerzierplätzen nicht an einem Kaninchenloch straucheln? 305 Butts, ich kann Sie nicht gehen lassen!«

Dann sah er auf und murmelte:

». . . Nicht nur an der Nasenspitze, sondern am ganzen Gesicht.«

Dann unterschrieb er.

Auf dem großen Bogen standen folgende Worte:

»Ich bitte um meine Entlassung

 

Der ehemalige Exerziermeister des Britischen Reiches zog sich auf sein großes Gut in Irland zurück. Dort sammelte er weiter Blakesche Bilder, wofür er sehr viel Geld bezahlte. Aber da er diese Bilder durch Vermittler kaufte, erfuhr es Blake nie, und einen materiellen Nutzen hatte er auch nicht davon. Blake zählte Hauptmann Butts zu den Freunden, die ihn in der Stunde der Not verlassen hatten, aber beklagt hat er sich niemals darüber. Heute aber, seit mehr als hundert Jahren, weiß er die Wahrheit und wird sehr glücklich sein.

 

Acht Tage, bevor sein Prozeß begann, erhielt Blake zum letzten Male den Besuch großer Geister. Jesaias kam, und sein Begleiter, dem der Prophet den Vortritt ließ, war niemand anders als der Lordprotektor Cromwell.

»Ich muß ihm Abbitte tun«, sagte Blake später zu 306 Katherine, »ich habe ihn mir so rauh vorgestellt, wie Fuseli ist, aber er war die Höflichkeit selber. Wenn Jesaias sprach, fiel er ihm nicht ins Wort und hörte ihm sehr aufmerksam zu, obwohl er ganz anderer Meinung ist.«

»Von was spracht ihr denn, William?«

»Über politische Dinge und die Wankelmütigkeit der Menschen. Um des Staates willen hat Cromwell einen König köpfen lassen, und dann hat man ihn auch geköpft.«

»Wer Blut vergießt, des Blut soll wieder vergossen werden.«

»Das sagt man so leichthin, Katherine, aber es gibt Staatsnotwendigkeiten, wegen denen Blut vergossen werden muß. Auch Cromwell ist geköpft worden, nachdem er schon lange tot war.«

»Das ist noch viel schrecklicher, William.«

»Siehst du, dann ist es schon viel besser, man wird zu Lebzeiten geköpft wie der König von Cromwell, oder aufgehängt. Warum weinst du, Katherine?«

»Weil dein Besuch über so schreckliche Dinge mit dir gesprochen hat. Ihr habt auch alle dreie nichts angerührt, obwohl sechs gebackene Eier auf dem Tische standen.«

»Katherine, Jesaias hat mir ausgerichtet, daß er mich nicht mehr besuchen könne, und Cromwell hat 307 hinzugefügt, daß überhaupt kein Geist mehr käme. Er ist Soldat gewesen und nimmt kein Blatt vor den Mund. Es ist mir auch so viel lieber. – Stelle dir vor, Katherine, Hayley tritt für mich ein, obwohl er so böse tat. Er hat kein Pferd mehr, aber am Tage läuft er sich die Füße wund für mich, und in der Nacht schreibt er Petitionen durch ganz England hin.«

»Und vergiß nicht den Rechtsanwalt Rose und Lady Hesketh und Fuseli und Varley und alle die andern. Du hast doch viele Freunde, William!«

»Die andern sind stärker als sie, Katherine. Daß aber Hayley für mich eintritt, das ist schön, denn ich habe ihm sehr weh getan. Ich werde ihn um Verzeihung bitten. Du kennst mich, Katherine, es fällt mir so etwas sehr schwer, aber es muß sein.«

»Ich weiß es, William, du bist furchtbar stolz, und wenn du ein wenig demütiger würdest, dann wäre unser Weg auf Erden viel leichter und wir könnten getroster in die Zukunft sehen.«

»Das kannst du, Katherine, was ich gearbeitet habe, wird nicht vergessen werden. Daß Hayley im Grunde ein nobler Mensch ist, das siehst du. – Ich werde ihn gewiß um Verzeihung bitten.«

 

Es gibt mehr Schriftsteller, die durch geschicktes Abschreiben bekannt geworden sind, als solche, die dem 308 immer aus dem Wege gingen, das Publikum mit eigenen Gedanken behelligten und nicht mit solchen, die ihm irgendwie bekannt vorkamen, und deswegen besonders gut gefielen.

Wenn ich mich jetzt fast wörtlich eines amerikanischen Biographen William Blakes bediene, so möchte ich auch gerne einmal einen Versuch nach dieser Richtung hin machen. Ich würde auch gerne den Namen des Mannes nennen, der diese wunderschöne, zweibändige Biographie Blakes geschrieben hat. Wenn ich es aber tue, dann fürchte ich, daß mein Wunsch, einen richtigen geistigen Diebstahl zu begehen, nicht restlos in Erfüllung geht, ja, daß ich vielleicht noch umgekehrt von dem bestohlenen Autor ein Dankschreiben erhalte, weil ich mich so um das Andenken William Blakes bemühe.

Ein Biograph ist unter den Schriftstellern das, was der Augenarzt unter den Ärzten ist, nämlich etwas ganz Vornehmes, und ein Biograph wäre imstande, mir meine ganze Freude an dem geistigen Diebstahl durch einen solchen Brief zu nehmen.

Ehe ich jedoch mit dem Unrecht, das mir so viel Freude macht, beginne, muß ich dem Leser erzählen, daß die Meinung Blakes, der Verleger Hayley habe sich wegen ihm die Füße wund gelaufen, nicht ganz stimmt. Hayley hatte sich höchstens wund geritten, denn er 309 kaufte sich sofort nach dem Abenteuer mit dem Herzog von Richmond ein neues Pferd, und zwar von einem Kavalleristen. Wer dieser Kavallerist war, weiß ich nicht, denn auch unser Biograph, von dem ich mir jetzt ein nettes Stück seiner Arbeit aneigne, gibt keine Auskunft, Wahrscheinlich in der Meinung, daß dieser Kavallerist zwar im Leben Hayleys, aber nicht in demjenigen William Blakes eine gewisse Rolle spielte.

Nun aber hält mich nichts mehr auf, meine Absicht auszuführen, und ich beginne:

 

Der Prozeß sollte am 11. Januar stattfinden, und es war natürlich wichtig, daß Hayley anwesend war. Doch einige Tage vorher trat ein Ereignis ein, das seine Gegenwart beinahe verhindert hätte. Er hatte sein Pferd bestellt, und dieses Pferd hatte einem Kavalleristen gehört. Sein Diener Wallwyn brachte es ihm, und er wollte gerade aufsitzen, um einer gewissen Miß Poole einen Besuch zu machen, als Margaret Beke (mein Gott, was die Frauen in dem Leben eines Verlegers für eine Rolle spielen!) bemerkte, daß er einen alten Hut trug, und ihn bat, denselben gegen einen neuen umzutauschen, der am vorhergehenden Tag angekommen war. Er setzte den neuen Hut auf, aber er kam nicht sehr weit, denn das Pferd warf ihn mit solcher Wucht ab, daß er seinen Kopf an einem großen 310 Randstein der Straße aufschlug. Wallwyn dachte, sein Herr sei tot. Aber Hayley erhob sich indessen und tröstete ihn:

»Nein, guter Wallwyn, ich bin noch nicht einmal verletzt, aber ich habe ein Gefühl, als ob ich mir den Nacken gebrochen habe.«

Sie kehrten sofort nach Hause zurück, und Wallwyn wurde eiligst zu Dr. William Guy nach Chichester geschickt. Der neue Hut hatte wahrscheinlich Hayleys Leben und dazu das von Blake gerettet.

»Der Hut erwies sich«, sagte Hayley später, »als ein Rettungshelm, denn er war außerordentlich dick und stark, so daß er, obwohl er durch den Stein vollkommen zerschnitten wurde, mir dennoch den Schädel schützte.«

 

Soweit der Bericht des Mannes aus Amerika. Merkwürdig erscheint es mir, daß bei diesem Sturze Hayleys der Regenschirm keine Rolle gespielt hat und daß er dem neuen Hute die ganze Rettungsaktion überließ. Leicht möglich ist es, daß nach dem bekannten französischen Sprichwort Fräulein Margaret Beke die Ursache war. Die Möglichkeit liegt auch noch vor, daß sich das genannte Fräulein, um sich mit Hayley noch einige Zeit unterhalten zu können, den Regenschirm 311 in der Hand behielt und ihn erst hinaufreichte, als das Pferd, welches früher einem Kavalleristen gehörte, die Unterhaltung gewaltsam abbrach und sich so eilig entfernte, daß Hayley in die leere Luft griff und dann weiter im Bogen, über den Pferderücken hinaus.

Möglich ist es aber auch, daß Fräulein Margarete Beke an Fräulein Poole dachte, zu der Hayley reiten wollte, und deswegen den Regenschirm etwas fester in der Hand hielt, als sie ihn in der Hand halten sollte.

Aber diese Version gehört zu einem Liebesroman, den zu schreiben ich mir für eine andere Zeit vorbehalte. 312

 


 << zurück weiter >>