Rudolf Steiner
Der Seelen Erwachen
Rudolf Steiner

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Vierzehntes Bild

Dasselbe Zimmer wie im vorigen Bilde. (Im Beginne der Szene die Frau des Hilarius im Gespräch mit dem Bürochef.)

Frau Hilarius:
Als ob das Schicksal selbst die Tat nicht wünschte,
die meinem Gatten doch notwendig dünkt,
so scheint es fast, – bedenkt man, wie verworren
die Fäden sind, die diese Macht zum Knoten
des Lebens spann, der uns hier fest umschliesst.

Bürochef:
Zum Schicksalsknoten, der dem Menschensinn
zunächst unlösbar wahrlich scheinen kann. – –
So wird er wohl zerschnitten werden müssen. –
Ich sehe keine andre Möglichkeit,
als dass der Schnitt sich zwischen ihres Gatten
und meinem Lebenskreise jetzt ergibt. – –

Frau Hilarius:
Von euch sich trennen, – niemals wird's mein Gatte, –
dem Geist des Hauses widerspräche dies,
der noch vom teuren Vater sich bewahrt,
und dem der Sohn die Treue halten will.

Bürochef:
Ist diese Treue denn nicht schon gebrochen?
Die Ziele, die Hilarius sich setzt,
sie liegen in der Richtung sicher nicht,
die jener Geist für sich stets nehmen wollte.

Frau Hilarius:
Es hängt jetzt meines Gatten Lebensglück
von dieses Ziels Gelingen völlig ab.
Ich sah, wie seine Seele sich verwandelt',
nachdem gedankenblitzeshaft es sich
in ihm erzeugt. – Das Leben brachte ihm
nur trübe Seelenöde, die er sorgsam
dem nächsten Freundeskreise selbst verbarg,
die um so stärker ihm am Innern zehrte.
Er fand vorher sich nichtig, weil Gedanken
in seiner Seele nicht erkeimen wollten,
die ihm des Lebens wert erscheinen konnten.
Als dann der Plan der Mystentätigkeit
vor dieser Seele stand, ward er verjüngt;
ein andrer Mensch, stets froh; – er fühlte sich
mit diesem Ziele erst des Lebens würdig. – –
Dass ihr euch ihm entgegenstellen könntet:
es lag ihm fern, zu denken, bis er's sah.
Dann traf es ihn, wie kaum vorher ein Schlag
in seinem Leben ihn getroffen hat.
O wüsstet ihr, was er durch euch erleidet,
ihr würdet sicher eure Härte mildern.

Bürochef:
Mich meiner Überzeugung widersetzen,
mir schien's, als ob die Menschenwürde mir
verloren ginge. – Strader an die Seite
gestellt mich sehn, wird mir bedrückend sein;
doch ich entschloss mich, diese Last zu tragen,
weil sie Romanus stützt, den ich versteh',
Seit er von Strader mir gesprochen hat.
was er mir sagen konnte, ist für mich
der Anfang meiner eignen Geistesschulung.
Aus seinen Worten flammte eine Kraft;
die ging in meine Seele wirksam über;
ich hatte sie vorher noch nie gefühlt.
Gewichtig muss sein Rat mir sein, auch wenn
ich ihm noch nicht verstehend folgen kann.
Romanus tritt allein für Strader ein;
der andern Mysten Anteil an dem Werk
erscheint ihm nicht nur diesem hinderlich;
er hält ihn für die Mysten selbst gefährlich.
So viel ist mir Romanus Meinung wert,
dass ich jetzt glauben muss, wenn Strader nicht
zur Tat sich findet ohne seine Freunde,
dies ihm ein Schicksalszeichen werden müsse.
Es zeigt, dass er an dieser Freunde Seite
verbleiben und aus seinem Mystenstreben
erst später Triebe für die äussre Tat
sich schaffen solle. Dass er diesen Freunden
in letzter Zeit viel näher steht als je,
nachdem sie kurze Zeit ihm fremder waren,
erzeugt in mir den Glauben, dass er sich
in seine Lage finden werde, selbst
wenn er sein Ziel für jetzt verloren sähe.

Frau Hilarius:
Ihr seht den Mann mit jenem Blicke nur,
den euch Romanus hat erschliessen können.
Ihr solltet unbefangen ihn betrachten.
Er kann dem Geistesleben sich ergeben,
dass er der Erde ganz entrückt erscheint.
Dann ist der Geist ihm volle Gegenwart.
Ihm ist dann Theodora noch im Leben.
Man spricht mit ihm, als hätte man auch sie
sich gegenüber. Viele Mysten können
die Geistesbotschaft wohl in Worte prägen,
die nachbedacht die Überzeugung schaffen;
was Strader spricht, es wirkt im Sprechen selbst.
Man sieht, dass er bloss innres Geist-Erleben,
das sich im Fühlen schon befriedigt weiss,
gering nur schätzt, dass er dem Forschertrieb
als Myste stets die Führung übergibt.
Deshalb verwirrt er auch durch Mystik nicht
den Sinn für Wissenschaft, die praktisch sich
dem Leben dienstbar zeigt. – Versucht doch dies
an ihm zu sehn und lernt durch ihn dann auch,
dass man sein Urteil über seine Freunde
wird höher als das andre schätzen müssen,
das sich Romanus hat erwerben können.

Bürochef:
Mir ist in dieser Lage, die ganz fern
dem Kreise mir gewohnten Denkens liegt,
Romanus' Urteil wie der feste Boden,
auf dem ich stehen kann. – Begeb' ich mich
in ein Bereich, das mich der Mystik nähert,
so brauch' ich wahrlich solcher Führung, die
doch nur ein Mensch mir bieten kann, der mir
Vertrauen abgewinnt durch das, was ich
von seinem Wesen voll verstehen kann.

(Der Sekretär tritt ein.)

Bürochef:
Ihr kommt verstört, mein Freund, was ist gescheh n?

Sekretär: (zögernd)
Es starb vor wenig Stunden Doktor Strader.

Bürochef:
Gestorben Strader?

Frau Hilarius:
Strader tot! – – Wo ist
Hilarius?

Sekretär:
Er ist auf seinem Zimmer...
Wie wenn die Botschaft ihn gelähmt, die man
ihm eben aus der Wohnung Straders brachte,

(Die Frau des Hilarius geht ab, der Sekretär folgt ihr.)

Bürochef: (allein)
Gestorben Strader! – Ist dies Wirklichkeit?
Berührt der Geistesschlaf mich schon, von dem
ich viel gehört? – Ein ernstes Antlitz zeigt
die Schicksalsmacht, die hier die Fäden lenkt.
O, meine kleine Seele, welche Kraft
ergriff wohl deinen Schicksalsfaden jetzt,
dass er an diesem Knoten Anteil hat?
– – – – – – – – – – – – – –
Es wird geschehen, was geschehen muss!
– – – – – – – – – – – – – –
Warum verliessen diese Worte mich
seit jener Stunde nicht, in der sie Strader
vor Gottgetreu und mir gesprochen hat?
Wie wenn sie ihm aus andrer Welt gekommen,
so klangen sie; – wie geistentrückt gesprochen! –
Was sollte denn geschehn? – Ich fühle wohl,
die Geisteswelt hat damals mich ergriffen.
In jenem Worte – klingr mir ihre Sprache –;
sie klingt mir ernst; – wie lern' ich sie verstehn?

(Der Vorhang fällt.)


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