Rudolf Steiner
Der Seelen Erwachen
Rudolf Steiner

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Dreizehntes Bild

Größeres Empfangszimmer im Hause des Hilarius. (Beim Aufgehen des Vorhangs Hilarius und Romanus miteinander im Gespräch; später Capesius, Felix Balde, der Sekretär; Philia.)

Hilarius:
Ich muss euch schmerzvoll sagen, lieber Freund,
dass mich der Schicksalsknoten, der sich hier
in unserm Kreise formt, beinah' zerdrückt.
Worauf noch soll man bau'n, wenn alles wankt?
Des Benedictus Freunde sind durch euch
von unsrem Ziele ferngehalten; Strader
beschwert sich nun mit bittren Zweifelqualen. –
Ein Mann, der oft mit Klugheit und mit – Hass
dem Mystenstreben sich entgegenstellte,
hat ihm beweisen können, dass er sich
mit seinem Mechanismus stark verirrt:
dass dieser an sich selbst nicht möglich ist,
nicht nur durch äussern Widerstand gehemmt. –
Mir hat das Leben keine Frucht gebracht;
nach Taten sehnt' ich mich. – Gedanken, die
sie reifen konnten, fehlten mir doch immer.
Die Seelenöde quälte mich recht herbe.
Nur meine Geistesschau erhielt mich stets.
Und doch, – sie konnte mich bei Strader täuschen.

Romanus:
Oft fühlte ich, als ob sich mir ein Alp
recht schmerzlich auf die Seele legen wollte,
wenn eure Worte durch den Lauf der Dinge
sich als ein schwerer Irrtum zeigen konnten,
und so die Geistesschau als Trug erschien.
Der Alp ward mir zum innern Mystenmeister;
er hat in mir ein Fühlen losgelöst,
das mir das Urteil jetzt erleuchten kann. – –
Ihr habt der Geistesschau zu blind vertraut;
so kann sie euch als Irrtum da erscheinen,
wo sie euch doch gewiss zum Wahren führte.
Bei Strader habt ihr recht geschaut, trotz allem,
was jener überkluge Mann erwiesen.

Hilarius:
So wankt jetzt euer Glaube nicht; ihr hält
die Meinung fest, die ihr von Strader hattet?

Romanus:
Ich hab' sie mir aus Gründen doch gebildet,
die nichts zu tun mit Straders Freunden haben,
und sie bestehn, ob sich sein Mechanismus
als richtig oder fehlerhaft erweist,
hat er mit ihm sich auch getäuscht, nun wohl,
es muss der Mensch durch Irrtum Wahrheit finden.

Hilarius:
Der Misserfolg beirrt euch nicht, – euch, dem
Erfolge nur das Leben stets gebracht?

Romanus:
Erfolge hat, wer Misserfolg nicht fürchtet.
Man soll die Mystik doch nur sinngemäss
für unsern Fall verstehn; und sie bezeugt
recht klar, was man von Strader denken muss.
Der wird als Sieger sich bewähren können
im Kampfe, der die Geistespforten öffnet;
er wird am Wächter kühn vorüber schreiten,
der vor des Geisterlandes Schwelle steht.
Ich hab' in meiner Seele wohl durchfühlt
das Wort vom strengen Hüter an der Schwelle. –
Ich ahne ihn an Straders Seite jetzt.
ob er ihn schaut, ob er ihm unbewusst
sich naht, ich kann es wahrlich nicht ergründen;
doch Strader glaub' ich gut genug zu kennen.
Der wird sich mutvoll zu der Einsicht wenden,
dass Selbsterkenntnis Schmerzen zeugen muss.
Es wird der Wille ihm Genosse werden,
der mutig sich der Zukunft übergibt;
und durch der Hoffnung Kräftequell gestärkt,
Erkenntnisschmerzen sich entgegenstellt.

Hilarius:
Habt Dank, mein Freund, für diese Mystenworte.
Ich habe sie schon oft gehört; jetzt erst
erfühle ich, was sie geheim enthalten.
Der Welten Wege sind nur schwer ergründlich.
Und mir, mein lieber Freund, geziemt zu warten,
bis mir der Geist die Richtung zeigen will,
die meinem Schauen angemessen ist.

(Hilarius und Romanus gehen nach der rechten Seite ab. Es treten von links ein Capesius und Felix Balde; der Sekretär führt sie in das Zimmer.)

Sekretär:
Ich meinte, Benedictus werde heute
von seiner Reise wiederkommen, doch
jetzt ist er noch nicht hier; ihr werdet ihn
wohl treffen, wenn ihr morgen euch bemüht.

>Felix Balde:
So können wir Freund Gottgetreu wohl sprechen?

Sekretär:
Ich will ihm sagen, dass er kommen möge.

(Sekretär geht ab.)

Felix Balde:
Was ihr erlebt, ist wahrlich tief bedeutsam.
Könnt ihr mir nicht Erzähltes wiederholen?
Man wertet diese Dinge doch nur richtig,
wenn man sie ganz genau im Geist erfasst.

Capesius:
Es war an diesem Morgen, als ich mich
der Mystenstimmung nahe glauben konnte;
die Sinne schwiegen; auch Erinn'rung schwieg.
Erwartend lebt' ich nur dem Geistgeschehn.
Es kam zuerst, was mir schon gut bekannt.
Dann aber stand ganz deutlich Straders Seele
in meiner Geistesschau. Erst sprach er nicht;
ich hatte Zeit, mein Wachen zu besinnen.
Doch bald vernahm ich auch sein Wort ganz klar.
»Entfernt euch nicht von wahrer Mystenstimmung«,
So klang es wie aus seinen Seelentiefen.
Dann sagte er, die Worte scharf betonend:
»Erstreben nichts; – nur friedsam ruhig sein,
der Seele Innenwesen ganz Erwartung – –:
das ist die Mystenstimmung. – Sie erweckt
sich selbst – ganz ungesucht im Lebensstrom,
wenn sich die Menschenseele recht erkraftet, –
wenn sie gedankenkräftig geistig sucht.
Die Stimmung kommt in stillen Stunden oft,
doch auch im Tatensturm; sie will dann nur,
dass nicht gedankenlos die Seele sich
dem zarten Schau'n des Geistgeschehns entzieht.«

Felix Balde:
Wie meiner eignen Worte Widerhall
erklingt dies fast, – doch nicht im vollen Sinne.

Capesius:
Wenn man es recht bedenkt, so könnte man
den Gegensinn auch eurer Worte finden. –
Und vollends ist man dieser Deutung nah',
wenn man erwägt, was er noch weiter sprach.
»Wer Mystenstimmung aber künstlich weckt,
der führt sein Innres nur in sich hinein;
er webt sich vor das Lichtesreich fürwahr
des eignen Seelenwirkens Finsternis.
Wer durch die Mystik dieses suchen will,
errötet sich mit Mystenwahn das Schauen.«

Felix Balde:
Nichts andres kann dies sein, als meine Worte
durch Straders Geistesart verkehrt, in euch
als schlimmer Mystenirrtum widerklingend.

Capesius:
Auch waren Straders letzte Worte diese:
»Es kann der Mensch die Geisteswelt nicht finden,
wenn er sie suchend sich erschliessen will.
In jener Seele tönt die Wahrheit nicht,
die nur durch viele Jahre Stimmung sucht.«

(Philia erscheint, nur für Capesius wahrnehmbar; Felix Balde zeigt durch seine Haltung, dass er das Folgende nicht erfasst.)

Philia:
Capesius, wenn bald du achten wirst,
was ungesucht im Suchen sich dir weist,
wird dich der vielen Farben Licht erkraften;
es wird dich bilderwesenhaft durchdringen,
weil dir's die Seelenkräfte offenbaren.
Was deines Selbstes Sonnenwesen strahlt,
wird dir Saturns gereifte Weisheit dämpfen.
Es wird sich deinem Schauen dann enthüllen,
was du als Erdenmensch begreifen kannst.
Ich werde dich dann selbst zum Hüter führen
der an des Geistes Schwelle Wache hält. –

Felix Balde:
Es tönen Worte aus mir fremden Kreisen.
Ein leuchtend Sein erzeugt ihr Tönen nicht,
so sind sie mir nicht völlig wesenhaft.

Capesius:
Die Weisung, welche Philia mir gibt,
sie soll mich führen, dass in Zukunft mir
im Geiste auch sich offenbaren mag,
Was ich begreiflich schon als Erdenmensch
in meinem Lebenskreise finden kann.

(Vorhang fällt.)


 << zurück weiter >>