Rudolf Steiner
Der Seelen Erwachen
Rudolf Steiner

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Elftes Bild

Dasselbe Zimmer wie in den beiden vorigen Bildern. (Benedictus und Strader treten in das Zimmer.)

Strader:
Ihr sprachet ernste und Maria auch
sehr harte Worte, als ihr beide mir
am Abgrund meines Lebens euch gezeigt.

Benedictus:
Ihr wisst, die Bilder sind nicht wesenhaft;
der Inhalt ist's, der zu der Seele dringen
und sich im Bilde offenbaren will.

Strader:
Doch hart war, was aus diesen Bildern sprach:
»Wo ist dein Licht? – Du strahlest Finsternis. –
Du schaffst ins Licht die wirre Finsternis.«
So sprach, als Bild Marias, doch der Geist.

Benedictus:
Da ihr euch auf der Bahn des Geistes
um eine Stufe höher hobt, deshalb bezeugte
der Geist, der euch zu sich empor geführt,
was ihr vorher erreicht, als Finsternis.
Marias Bild hat dieser Geist gewählt,
weil eure Seele ihn euch so gestaltet.
Mein lieber Strader, mächtig waltet jetzt
der Geist in euch, er führt in raschem Fluge
zu hohen Seelenstufen euch hinan.

Strader:
Und doch, es klingt ganz furchtbar meiner Seele:
»Weil du zu feige bist, dein Licht zu strahlen.«
Auch dieses sprach der Geist in jenem Bilde.

Benedictus:
Es musste euch der Geist doch feige nennen.
Weil eurer Seele wahrlich feige ist,
was für gering're Seelen Tapferkeit.
Im Fortschritt wird, was früher mutig war,
zur Feigheit, die zu überwinden ist.

Strader:
O, wie berühren diese Worte mich!
Romanus sprach mir jüngst von seinem Plane.
Ich sollte nicht mit euch vereint das Werk
vollführen, sondern ohne eure Hilfe.
Er wäre dann bereit, Hilarius
mit allem, was er habe, beizustehn. –
Auf meinen Einwand hin, dass ich das Werk
von eurem Kreise niemals trennen werde,
erklärte er, dass dann das weitre Mühen
vergeblich sei. Romanus unterstützt
den Widerstand, den Gottgetreus Gefährte
dem Plane bietet, ohne den mein Leben
mir wahrhaft völlig wertlos scheinen muss.
Ich sehe, da die beiden Männer mir
das Tatenfeld entreissen, nichts vor mir
als Leben, dem die Luft zum Leben fehlt.
Dass jetzt mein Geist nicht flügellahm sich zeige,
bedarf ich jener Tapferkeit, von der
ihr eben spracht. – Ob ich jedoch dazu
mich stark genug auch zeigen werde, dies
vermag ich nicht zu sagen, denn ich fühle,
wie sich die Kraft, die ich entfesseln will,
zugleich auch gegen mich verderblich wendet.

Benedictus:
Maria und Johannes sind im Schauen
seit kurzem fortgeschritten; was sie noch
vorher gehindert, von dem Mystenleben
den Schritt ins Sinnensein zu tun, es ist
nicht mehr vorhanden; Ziele werden sich
im weitern Zeitverlauf für euch und sie
gemeinsam finden. – Nicht als Führer, doch
als Kräfteschöpfer gilt das Wort des Mysten:
Es wird geschehen, was geschehen muss.
Deshalb erwarten wir in Wachsamkeit,
in welcher Art der Geist die Zeichen weist.

Strader:
Zum Bilde schuf sich mir vor kurzer Zeit,
was mir als Schicksalswink erscheinen muss.
Ich war in einem Schiff; am Steuer ihr;
besorgen musste ich das Ruderwerk;
Maria und Johannes fuhren wir
an ihre Wirkensstätte; da erschien
ganz nah' an uns ein andres Schiff; in ihm
Romanus mit dem Freunde Gottgetreus.
Sie stellten sich uns feindlich gegenüber.
Ich kämpfe gegen sie; – im Kampfe trat
dann Ahriman an ihrer Seite auf.
Noch schaut' ich mich im harten Kampf mit ihm,
zur Seite trat mir helfend Theodora.
Dann schwand das Bild aus meinem Geisteskreis. –
Ich wagte vor Capesius und Felix
einmal das Wort: Ertragen würd' ich leicht
den Widerstand, der meinem Werke jetzt
von aussen droht; wenn auch an ihm mein Wollen
zerschellte, – ich vermöchte mich zu halten. –
Ob jenes Bild mir jetzt bedeuten will,
dass äussrer Widerstand der Ausdruck ist
für innren Kampf – für Kampf mit Ahriman?
Bin ich für diesen Kampf denn auch gerüstet?

Benedictus:
Mein Freund, ich kann in eurer Seele schauen,
dass dieses Bild noch nicht euch voll gereift.
Ich fühle, ihr vermögt die Kraft zu stärken,
die euch dies Bild vor Geistesaugen stellte. –
Empfinden kann ich jetzt, dass ihr für euch
und auch für eure Freunde Kräfte schafft,
wenn ihr die Stärkung recht erstreben wollt.
Erfühlen kann ich dies; doch wie es sich
vollziehen wird, verbirgt sich meinem Schauen.

(Vorhang fällt.)


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